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Masse und Medium: Verschiebungen in der Ordnung des Wissens und der Ort der Literatur 1800/2000 PDF

276 Pages·2002·27.155 MB·German
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MASSE UND MEDIUM LITERATURFORSCHUNG Herausgegeben für das Zentrum für Literaturforschung von Eberhard Lämmert und Sigrid Weigel MASSE UND MEDIUM Verschiebungen in der Ordnung des Wissens und der Ort der Literatur 1800/2000 Herausgegeben von Inge Münz-Koenen und Wolfgang Schäffner Akademie Verlag Titelbild: Bücherturm aus dem Druck- und Verlagshaus Beltz Rübelmann GmbH & Co., Tilsiter Straße 17, 69502 Hemsbach Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Masse und Medium: Verschiebungen in der Ordnung des Wissens und der Ort der Literatur 1800/2000 / hrsg. von Inge Münz-Koenen und Wolfgang Schaffner. - Berlin : Akad. Verl., 2002 (Literaturforschung) ISBN 3-05-003531-5 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2002 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form — durch Photokopie, Mikro- verfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, ins- besondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Einband und Reihengestaltung: Petra Florath, Berlin Redaktion und Druckvorlage: Gabriele Gast, Zentrum für Literaturforschung Druck und Bindung: Druckhaus »Thomas Müntzer« GmbH, Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany Inhaltsverzeichnis EBERHARD LÄMMERT IX Was verbindet Medium und Masse? Geleitwort INGEMÜNZ-KOENEN/ XIV Unruheherd Literaturwissenschaft. WOLFGANG SCHÄFFNER Eine Einfuhrung TEXT UND DIE MASSE DES WISSENS BERNHARD J. DOTZLER 3 Big Number Avalanche Sc Weltliteratur. Medienwissenschaftliche Notizen zu Goethes Aktenführung Respondenz: Waltraud Naumann-Beyer DOROTHEA BOCK 18 Die Taschenbibliothek oder Jean Pauls Ver- fahren, das »Bücher-All« zu destillieren Respondenz: Wolfgang Klein ANNETTEGRACZVK 41 Das Tableau als Antwort auf den Erfahrungsdruck und die Ausweitung des Wissens um 1800. Louis-Sébastien Merciers Tableau von Paris und Alexander von Humboldts Naturgemälde Respondenz: Wolfgang Schaffner DARSTELLUNG DER MASSE ANSELM HAVERKAMP 65 Masse mal Beschleunigung. Rhetorik als Meta-Physik der Ästhetik Respondenz: Wolfgang Schäffner SUSANNE LÜDEMANN 81 Unsichtbare Massen Respondenz: Inge Münz-Koenen VI INHALTSVERZEICHNIS MASSEN UND LITERATUR GERHARD NEUMANN 97 Bibliothek und Psychiatrie. Wissensordnung und Autodafe in Canettis Roman Die Blendung Respondenz: Eckart Goebel UTZ RIESE 115 Masse und Migration. Zur postkolonialen Herausforderung der Literatur in den Kontaktzonen kulturellen Transfers Respondenz: Klaus R. Scherpe MONIKA WALTER 135 Popularität von testimonio und telenovelai Zum Konzept der Massenkommunikation in Lateinamerika Respondenz: Karsten Düsdieker KORPER UND MEDIEN SIGRID WEIGEL 155 Die geraubte Stimme und die Wiederkehr der Geister und Phantome. Film- und Theoriegeschichtliches zur Stimme als Pathosformel Respondenz: Hermann Herlinghaus ANTON KAES 170 Das Kino und die Massen Respondenz: Helmut Lethen INGE BAXMANN 184 Geheimnisse des Lebens und der Blick ins Körperinnere. Massenmedien und die Inszenierung medizinischen Wissens Respondenz: Hartmut Böhme LITERATURWISSENSCHAFT IN DER ORDNUNG DES WISSENS K. LUDWIG PFEIFFER 205 Lichtenberg, Hegel und die ausgebliebenen Folgen. Literatursystem, Medienreflexion und Ästhetik zwischen 1790 und 1850 Respondenz: Rainer Rosenberg INHALTSVERZEICHNIS KARLHEINZ BARCK 222 Literaturgeschichte als Mediengeschichte. Perspektiven Respondenz: Joseph Vogl ANHANG 241 Autorenverzeichnis 247 Namenverzeichnis EBERHARD LÄMMERT Was verbindet Medium und Masse? Geleitwort Der Titel dieses Bandes verbindet zwei Begriffe mit einem jeweils weiten Spektrum von Bedeutungen. Masse: physikalisch ein Aggregatzustand aller Mate- rie und dabei mehr oder minder exakt meßbar; juristisch ein Vermögens- oder Erbschaftsgut von festlegbarem Wert; auf Lebewesen und insbesondere auf Menschen bezogen, ein ersehntes oder auch drohendes Kollektiv, im Gegensatz zu Nachbarbegtiffen wie >Schar< und >Menge< und vollends im Plural gerade nicht mehr quantifizierbar, vielmehr die große Zahl schlechthin. - Medium: physika- lisch ein Gerät oder auch nur ein Fluidum, das jederlei Wirkung zwischen räum- lich und zeitlich voneinander entfernten Substanzen, Körpern oder Apparaten vermittelt; psychologisch und parapsychologisch ein Mensch, der Nachricht von anders nicht erreichbaren Erscheinungen, Kräften und Beschaffenheiten der Au- ßen- und Innenwelt gibt; kommunikationstechnisch der Übermittlungsweg, aber auch alle Organe und sozialen Einrichtungen, die Informationen verbreiten oder ihren Austausch kanalisieren; als grammatischer Terminus zu alledem die Be- zeichnung für ein besonderes Verhältnis, im Griechischen sogar für ein eigenes Genus, das die Beteiligung des Subjekts an einer Handlung, die es selbst angeht, anzeigt, wie >begreifen< oder >sich ängstigen«. Was kann bei zwei so vielseitigen Begriffen ihre Verbindung zu einem Titel besagen? Zum Glück gibt es dort, wo die Logik schwer übersteigbare Komplika- tionen schafft, historische und zu guter Letzt auch ästhetische Ordnungen. Denn beide Begriffe haben sich in den letzten beiden Jahrhunderten zu verschiedenen Zeiten nicht nur für neue Bedeutungs- und Assoziationsräume geöffnet, sondern auch als politische und kulturelle Reizbegriffe eigene Geltung erlangt. Schon der Umstand, daß in Europa ausgerechnet in der Epoche der beginnenden Industria- lisierung und der mit ihr sich anbahnenden >Massengesellschaft< die Literatur das herausragende Medium zur Breitenvermittlung von Wissen und Welterfahrung wurde, sollte der Literaturforschung hinreichende Impulse geben, der Annähe- rung und dem Ineinandergreifen beider Begriffe auf die Spur zu kommen. Zu einer solchen Sondierung verhilft schließlich auch die Sprachgeschichte der Mo- derne, indem sie beide Begriffe auf spezielle Einrichtungen von allerdings wei- testmöglicher Wirkung zusammengezogen hat: die >Massenmedien<. Weil sich dank der Vielfalt der Tele-Medien und dank unserer häuslichen Zapfsäulen am >Intemet< das Verhältnis zwischen unmittelbarer und medienvermittelter Lebens- erfahrung unaufhaltsam weiter verschiebt, bestimmen Medien unsere gesell- schaftliche Situation mitsamt der öffentlichen Meinung mittlerweile so weitge- hend, daß unter ihrem Regime das Etikett >Informationsgesellschaft< schon zum Sammelbegriff für die gegenwärtige Zivilisationsstufe herhalten muß. Ein Blick X EBERHARD LÄMMERT auf frühe Erscheinungsformen der Massenmedien, den wir mit Bedacht um 1800, also wenige Jahre nach der Französischen Revolution und zur Zeit des Aufkommens von Tageszeitungen ansetzen, soll dazu dienen, in Vergleich und Kontrast die Besonderheiten der gegenwärtigen Situation um 2000 schärfer be- zeichnen zu können. Selbst angesichts solcher Überlegungen hätten Literaturwissenschafder im- mer noch allen Grund zur Reserve, ein ganzes Colloquium einem Zweiergespann von Begriffen zu überantworten, in dem Literatur überhaupt nicht mehr aus- drücklich vorkommt, wenn ihnen nicht ein sehr eigentümliches Kriterium die Handhabung dieses Begriffspaars und seine Auseinanderlegung geradezu familiär gemacht hätte: Es ist schlicht die Alliteration, die uns seit dem Hildebrandslied als ästhetischer Anker gegeben ist, wenn zwei Wörter durch einen artistischen Akt, einen >acte gratuit<, zu neuer und bedeutungsvoller Nachbarschaft verbun- den werden. >Masse und Medium< also ein auf diese Weise schlicht zur Literatur gehöriger oder auch zu Literatur gemachter Gegenstand. Aber auch eine spezifi- sche Aufgabenstellung? Lévi-Strauss war klug genug, sich archaische Gesellschaften auszusuchen, um in deren mantischen Zeichen, mythischen Erzählungen und Kosmologien den dort gespeicherten Wissensvorrat zu untersuchen, nach dem sie ihre Rangord- nungen, Lebensverhältnisse und die ersten Arbeitsteilungen einrichteten. An Zahl übersehbar - womöglich ließe sich Canettis Begriff der >Horde< noch eher als der einer >Gesellschaft< auf sie anwenden — ,ist doch auch der Begriff >Masse< schon auf sie anwendbar, wenn man bedenkt, daß frühe Gesellschaften in aller Regel ihre verstorbenen Generationen und ihre Nachkommenschaft in einer möglichst großen, tendenziell wohl unermeßlichen Zahl zu den ihren rechneten, um ihren Besitz nach außen und die Regeln ihres Umgangs miteinander zu legi- timieren. Sicher ist jedoch, daß — von Raubzügen einer wildernden Soldateska und von Pilgerzügen abgesehen - die ersten sinnlichen Erfahrungen einer handlungs- trächtigen, politischen Massenbewegung« aus der Zeit der Französischen Revolu- tion stammen. Die Vorstellung von bewegten Menschenmassen verbreitete sich als sehnsüchtig erwartete oder drohende Imagination politischer Umwälzungen rasch über den Kontinent, nachdem wenige Jahrzehnte zuvor Diderot seine En- cyclopédie bereits mit der Erwartung angekündigt hatte, er werde eine ständig wachsende Zahl von Mitarbeitern benötigen, um die gewaltige Zunahme der Stoffe zu bewältigen, und bei aUedem sei eher wahrscheinlich, daß nach zwanzig Jahren in seiner Encyclopédie kaum noch eine Zeile stünde, die nicht etwas überall schon Bekanntes sagt. Und noch vor der Französischen Revolution wurde Etienne Geoffroy Saint-Hilaire geboren, der wiederum einige Jahrzehnte später das Tempo der Wissensvermehrung mit der physikalischen Formel für den freien Fall ineins setzte. Zur selben Zeit nannte aber auch der Konfiskationserlaß, mit dem der Deut- sche Bundestag im Dezember 1835 gegen die Jungdeutschen und insbesondere gegen Gutzkows Roman Wally, die Zmiflerin vorging, erstmals nicht Unmoral und Häresie als Hauptgrund für sein Verbot, sondern vielmehr den Umstand, daß »das, was früher höchstens einem engeren Kreis wissenschaftlicher Leser bekannt war, jetzt vor das Forum jener unermeßlichen Menge gebracht [wird],

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