Maschinenbau tür Elektrotechniker Von Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hans G. Steger, Linz Mit 313 Bildern und Tabellen, 101 Beispielen und Versuchen sowie 123 Aufgaben MARKO KOHLER Riedweg 22 2082 TORNESCH Tel.: 04122151685 1991 B. G. Teubner Stuttgart Hölder-Pichler-Tempsky Wien CI P-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Steger. Hans G.: Maschinenbau für Elektrotechniker / von Hans G. Steger. - Stuttgart : Teubner ; Wien: Hölder-Pichler-Tempsky. Teil 2 (1991) ISBN 978-3-519-06735-1 ISBN 978-3-322-92776-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-92776-7 Mit Bescheid des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom 25. Oktober 1990. GZ 42.222/1 1/9/90. als für den Unterrichtsgebrauch an Höheren technischen und gewerblichen Lehranstalten. Fachrichtungen Elektrotechnik. für den II.Jahrgang im Unterrichtsgegenstand Grundlagen des Maschinenbaus mit Konstruktionsübungen ge eignet erklärt. Schulbuch-Nr.2772 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf deshalb der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. © B. G. Teubner Stuttgart 1991 Gesamtherstellung: Passavia Druckerei GmbH Passau Umschlaggestaltung: Peter Pfitz. Stuttgart Vorwort In den ersten Semestern haben sich die Schüler mit dem Technischen Zeichnen und den Grund regeln des Konstruierens beschäftigt. Dieses Buch ermöglicht es ihnen, das zu Konstruierende auch zu berechnen. Dazu behandelt es die Mechanik in ihrem Grundaufbau, also die Statik, Reibung, Leistung usw., verbunden mit Elementen wie Schrauben, Federn und Lagern. Band 3 wird die Kinetik, Festigkeitslehre und Hydromechanik bringen. Meinen Dank für die Überlassung von Textteilen und Bildern aus den Büchern "Technische Mechanik" Teil 1 bis 3 spreche ich hiermit meinen Kollegen DI E. Glauninger und DI J. Sieg hart aus. Besondere Hilfe hatte ich bei der Durcharbeitung des Textes und der Aufgaben von meinem Schüler J. Schnabler, wofür ich ihm herzlich danke. Den Kollegen und Schülern bin ich dankbar für Hinweise auf Fehler und Kritik zur Weiterent wicklung des Buches. Linz, Herbst 1990 Hans G. Steger Bildquellenverzeichnis Decker, Maschinenelemente (Hanser, München): Bild 6.26 Klein, Einführung in die DIN-Normen (B. G. Teubner, Stuttgart): Bild 6.29 Köhler/Rögnitz, Maschinenteile (B. G. Teubner, Stuttgart): Bild 6.31,6.32,6.34 bis 6.43,6.45 Kugelfischer AG, Schweinfurt: Bild 6.2 Steyr-Daimler-Puch AG, Steyr: Bild 6.10 bis 6.13 Alle anderen Bilder wurden dem Verlagsarchiv entnommen Inhaltsverzeichnis Seite Mechanik der 1 .1 Aufgabe und Einteilung der Mechanik 7 starren Körper 1.2 Grundbegriffe 8 (Statik) 1.3 Freimachen von Bauteilen 10 1.4 Zerlegen und Zusammensetzen von Kräften 18 1.4.1 Komponenten einer Kraft und ihre Resultierende 18 1.4.2 Ebenes zentrales Kräftesystem 20 1.4.3 Ebenes allgemeines Kräftesystem 24 1.4.4 Gleichgewichtsbedingungen der Statik 29 Aufgaben zu Abschnitt 1.1 bis 1.4 34 1.5 Schwerpunkt einfacher zusammengesetzter Gebilde 36 1.5.1 Körperschwerpunkt 36 1.5.2 Flächenschwerpunkt 38 1.5.3 Linienschwerpunkt 44 1.5.4 Standsicherheit Gleichgewichtslage 45 1.5.5 Pappus-Guldinsche Regeln 47 Aufgaben zu Abschnitt 1.5 49 1.6 Schnittgrößen in Balken und Stäben 50 1.6.1 Schnittgrößen 51 1.6.2 Sc h n ittverfa hren 52 Aufgaben zu Abschnitt 1.6 63 2 Reibung 2.1 Grundbegriffe 65 2.2 Haftreibung 66 2.2.1 Körper auf horizontaler Ebene 66 2.2.2 Körper auf schiefer Ebene 69 2.3 Gleitreibung 69 2.4 Ermitteln der Reibzahl 72 2.5 Reibung an Maschinenteilen 72 2.5.1 Prismenfü hru ng 72 2.5.2 Lagerreibung 73 2.5.3 Roll- und Fahrwiderstand, Widerstand in umgebenden Medien 74 2.5.4 Seilreibung 77 2.5.5 Bremsen (Backen- und Bandbremse) 79 Aufgaben zu Abschnitt 2 83 3 Festigkeitslehre 3.1 Grundbegriffe und Beanspruchungsarten 86 3.1.1 Grundbegriffe 86 3.1.2 Beanspruchungsarten 88 3.2 Zug- und Druckbeanspruchung 91 3.2.1 Zugbeanspruchung 91 3.2.2 Druckbeanspruchung 94 3.3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit 95 Aufgaben zu Abschnitt 3 95 5 Seite 4 Arbeit, Leistung, 4.1 Arbeit 97 Wirkungsgrad 4.2 Leistung 103 4.3 Wirkungsgrad 104 Aufgaben zu Abschnitt 4 104 5 Verbindungs- 5.1 Lösbare Verbindungen 106 elemente 5.1.1 Schraubenverbindungen 106 5.1.2 Bolzen- und Stiftverbindungen 113 5.1.3 Sicherungselemente 115 5.1.4 Nabenverbindungen 117 Aufgaben zu Abschnitt 5.1 121 5.2 Federnde Verbindungen (Federn) 122 5.2.1 Ausfü hru ngsformen 122 5.2.2 Federberechnung 123 Aufgaben zu Abschnitt 5.2 130 5.3 Nichtlösbare Verbindungen 130 5.3.1 Schweißverbindungen 130 5.3.2 Lötverbindungen 136 5.3.3 Klebeverbindungen 140 5.3.4 Nietverbindungen 142 Aufgaben zu Abschnitt 5.3 145 6 Elemente der 6.1 Achsen und Wellen 147 drehenden Bewegung 6.2 Lager 154 6.2.1 Wälzlager 156 6.2.2 Gleitlager 167 6.3 Kupplungen 168 6.3.1 Nichtschaltbare Kupplungen 169 6.3.2 Schaltbare Kupplungen 172 Aufgaben zu Abschnitt 6 176 Anhang Lösungen zu den Aufgaben 178 Formelzeichen 186 Sachwo rtverzeich n is 188 6 1 Mechanik der starren Körper (Statik) 1.1 Aufgabe und Einteilung der Mechanik Die Mechanik ist ein Teilgebiet der Physik. Sie ist aufgeteilt in die Lehre von den Kräften und ihren Wirkungen. Aus der Physik und aus eigenen Beobachtungen wissen wir, daß Kräfte zweifach wirken können: - als Ursache von Formänderungen, d. h. die Gestalt eines Körpers verändernd; - als Ursache von Bewegungsänderung, d. h. den Betrag und/oder die Richtung der Körpergeschwindig- keit ändernd. Man kann die Mechanik in zwei Hauptgebiete einteilen: in die Dynamik und die Kine matik. Die Dynamik ist die Lehre von den Kraftwirkungen an Körpern. Sie gliedert sich in Statik und Kinetik. Statik ist die Lehre vom Gleichgewicht der Kräfte. Die betrachteten Körper sind in Ruhe. Die gleichen Grundgesetze gelten für Körper mit konstanter geradliniger Bewegung. Kinetik ist die Lehre von der Bewegung der Körper unter Berücksichtigung der Kräfte. Die Kinematik betrachtet die Bewegungsvorgänge ohne Berücksichtigung der verursachen den Kräfte. Beispiel 1.1 "Reinigung einer Bus-Frontscheibe bei Regen." Zuerst wird mit den Regeln der Kinema tik die Teilaufgabe gelöst. einen möglichst großen Fensterflächenanteil vom Wasserbefall zu reinigen. Dann folgt mit den Regeln der Kinetik die Dimensionierung des Antriebs und der Wischerelemente. Zweckmäßig ist auch die Einteilung der Mechanik nach den Aggregatzuständen der Materie. Danach unterscheiden wir: - Mechanik der starren Körper, - Mechanik der deformierbaren (verformbaren) festen Körper, - Mechanik der flüssigen Körper (Fluide). - Mechanik der gasförmigen Körper. Als starren Körper bezeichnet man einen idealisierten Körper, der seine Form auch unter Krafteinwirkung nicht ändert (wohl aber seinen Bewegungszustand). Wenn auch die realen Körper dieser Idealisierung nicht entsprechen, können wir die Vereinfachung doch für die Lösung vieler Probleme mit hinreichender Genauigkeit heranziehen. Bei Federn, Gummiauflagen, Kunst stoffelementen und Stahlkonstruktionen ist die auftretende Deformation jedoch nicht mehr zu vernachlässigen. Die Frage, ob sich ein Körper elastisch oder plastisch verhält. lösen wir mit Hilfe der Elastizitäts- bzw. Plastizitätstheorie. Die einfachsten Ergebnisse der Elastizitätstheorie liefert uns die Festigkeitslehre. In diesem Buch betrachten wir feste Körper. Bei Formänderungen sollen sie sich elastisch verhalten, also die Formänderung nach Wegfall der wirkenden Kräfte (zumindest weitestgehend) rückgängig machen. 7 1.2 Grundbegriffe Aus dem täglichen Leben wissen wir, daß es z. B. einer Muskelanspannung bedarf, um einen Körper in Bewegung zu setzen oder aus der Bewegung heraus zum Stillstand zu bringen. Eine Kraft ändert aber auch die Bewegungsrichtung eines Körpers, wenn die Richtung der Kraft nicht mit der Bewegungsrichtung des Körpers übereinstimmt. Kraft kann also definiert werden als Ursache einer Formänderung und/oder Bewegungsände rung. Sie ist eine gerichtete Größe (Vektor), die durch drei Bestimmungsstücke eindeutig gegeben ist: durch - Betrag (Zahlenwert und Einheit), - Wirkungslinie (eine Gerade, die die momentane Lage der Kraft im Raum oder in der Ebene angibt), - Richtungssinn (zeigt eine der beiden möglichen Kraftrichtungen an). Die Definition der Kraft gilt z. B. auch für einen frei fallenden Körper. Wir können beobachten, daß seine Bewegung schneller wird. Ursache ist die (Erd-)Anziehungskraft, auch Schwerkraft genannt. Einheit der Kraft ist 1 Newton (N) oder ein dezimales Mehrfaches davon: Kilo newton (kN) bzw. Dekanewton (daN). Angriffspunkt und Wirkungslinie. Die Stelle, an der die Kraft auf den Körper eingeleitet wird, nennt man Angriffspunkt. Ist auch der Kraftvektor bekannt, erhalten wir die durch den Angriffspunkt gehende Wirkungslinie der Kraft. Der Angriffspunkt bedeutet eine Vereinfachung. Genaugenommen gibt es keine Einzelkräfte, die an einem Punkt angreifen, sondern können Kräfte nur auf (wenn auch noch so kleinen) Flächen wirken. Auch hier gilt jedoch, daß uns die Vereinfachung richtige Ergebnisse liefert, die wir durch Beobachtung prüfen können. Wesentlich ist, daß die Kraft im allgemeinen ein linienflüchtiger ge b und e n e r Vektor ist. Dies bedeutet, daß die Kraft entlang ihrer Wirkungslinie verschoben werden kann, ohne daß sich die Wirkung auf den starren Körper ändert. Mit anderen Worten: Der Angriffspunkt hat für die Lösung mechanischer Probleme nur selten Bedeutung; es spielt meist keine Rolle, ob wir ihn kennen oder nicht (ausgenommen bei Stabilitätsproblemen, z. B. Standsicherheit). Richtungssinn. Um die Wirkung einer Kraft berechnen zu können, brauchen wir ihren Rich tungssinn, den uns der Vektor mit seiner Pfeilspitze angibt (1.1). 1.1 Gleich große Kräfte mit verschiedenen Angriffspunkten 1.2 Darstellung der Kraft und Richtungen IPI = F= 50 N (mF = 25 N/cmz) Die Darstellung der Kraftwirkung auf einen Körper zeigt Bild 1.2. Die Kraft hat das Formel zeichen F (eng/. force) und als Vektor einen Pfeil darüber (F). Der Maßstab m nimmt im Index Bezug auf die dargestellte Größe. Der Kräftemaßstab wird daher mit m Fangegeben. 8 Auflager. Positionen, an denen ein Körper aufliegt, heißen Auflager und erhalten üblicherweise den Index A, B, C ... (Index G bleibt der Gewichtskraft vorbehalten). Kraft - ist die Ursache für Form- und/oder Bewegungsänderungen. - ist eine durch Betrag, Wirkungslinie und Richtungssinn definierte gerichtete Größe (Vektor). - kann betragsmäßig mittels eines Maßstabs (m d grafisch dargestellt werden. Gleichgewichtsbedingungen. Die Kraft F bewirkt eine Verschiebung und als Kraftmoment M eine Verdrehung des Körpers. Anders gesagt: Verschiebt sich ein Körper, wirkt eine Kraft F; dreht er sich, wirkt ein Kraftmoment M. Verschiebt und verdreht er sich, wirken Fund M. Wenn sich ein Körper nicht bewegt, sondern im Zustand der Ruhe bleibt, befinden sich die auf ihn wirkenden Kräfte und Momente im Gleichgewicht. Ein Körper ist im Gleichgewicht, wenn die Summe (~) der auf ihn einwirkenden Kräfte und Momente gleich Null ist. Axiom. Wie wir aus der Physik wissen, können wir nicht alle Vorgänge beweisen. Man stellt deshalb gewisse Grundaussagen (Axiome) an den Anfang einer Theorie und nimmt sie als richtig an, ohne daß ein Beweis möglich ist. Für uns sind die von Isaac Newton (1643-1727) aufgestellten Trägheits-, Verschiebu ngs-, Parallelogramm -und Reaktionsaxiome von besonderer Bedeutung, weil sich fast alle Verfahren der Mechanik auf sie zurückführen lassen. Trägheitsaxiom. Jeder Körper beharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen geraden Bewegung, solange er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird, diesen Zustand zu ändern. Verschiebungsaxiom. Zwei Kräfte, die den gleichen Betrag, die gleiche Wirkungslinie und den gleichen Richtungssinn, jedoch verschiedene Angriffspunkte haben, üben auf einen starren Körper die gleiche Wirkung aus; d. h.,s ie sind gleichwertig. Bedeutung: Der Kraftvektor darf längs der Wirkungslinie verschoben werden - er ist linienflüchtig (1.3). = 6 - F, 1.3 Verschiebungsaxiom 1.4 Parallelogrammaxiom Parallelogrammaxiom. Die Wirkung zweier Kräfte mit gemeinsamem Angriffspunkt ist gleichwertig der Wirkung einer einzigen Kraft, deren Vektor sich als Diagonale des mit 9 den Vektoren der Einzelkräfte gebildeten Parallelogramms ergibt (1.4, Resultierende; s. Abschn. 14..1). Bedeutung: Die geometrische Addition zweier Kraftkomponenten ergibt Größe und zu gleich Richtungssinn ihrer Gesamtkraft (Resultierende). Reaktionsaxiom. Wird von einem Körper auf einen zweiten eine Kraft ausgeübt (actio), bedingt dies, daß der zweite Körper auf den ersten ebenfalls eine Kraft ausübt (reactio), die mit der ersten Kraft in Betrag und Wirkungslinie übereinstimmt, jedoch entgegengesetzt gerichtet ist. Man spricht von actio = reactio (Ursache = Wirkung, 1.5). Bedeutung: Kräfte treten stets paarweise entgegengesetzt auf, wobei sie jedoch an ver schiedenen Körpern angreifen. 1.5 Reaktionsaxiom Körper 1 übt auf Körper 2 die Kraft F2, aus Körper 2 übt auf Körper 1 die Kraft F'2 aus IF'21 = I F211 1.3 Freimachen von Bauteilen Um Probleme mit den Regeln der Mechanik zu lösen, müssen wir alle Kräfte kennen, die auf einen Körper als mechanisches System wirken. Dazu betrachten wir das mechanische System isoliert von seiner Umgebung, entfernen also alle Unterlagen, Stützen und andere vo n au ße n einwirkende Körper. Statt dessen tragen wir mit Hilfe des Reaktionsaxioms alle auf das betrach tete System von den Nachbarkörpern einwirkenden Kräfte in einen Lageplan ein, soweit sie uns ganz oder in Teilen bekannt sind (z. B. Angriffspunkt, Wirkungslinie, Richtungssinn) . Um einen Körper kräftefrei zu machen, zeichnet man einen Lageplan, trennt das mechani sche System von allen auf dieses wirkenden Körpern und ersetzt deren Wirkung durch Kräfte. Auch die Gewichtskraft ist eine äußere Kraft - der Körper "besitzt" sie nicht, sondern sie wirkt auf den Körper. In Größe, Richtung und Richtungssinn ist die Gewichtskraft einfach festzulegen. Sie wirkt immer in Richtung Erdmittelpunkt (lotrecht "nach unten"), und ihre Größe ist stets Masse m mal Erdbeschleuni gung g. Ihre Wirkungslinie geht durch den Schwerpunkt des Körpers. m GI. (1.1 ) kg Erst nach dem Freimachen im Lageplan lassen sich die unbekannten oder nicht vollständig bekannten Kräfte ermitteln. 10