ebook img

Männerbünde und Massen: Zur Krise männlicher Identität in der Literatur der Moderne PDF

252 Pages·1992·9.451 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Männerbünde und Massen: Zur Krise männlicher Identität in der Literatur der Moderne

Bernd Widdig . Männerbünde und Massen Bernd Widdig Männerbünde und Massen Zur Krise männlicher Identität in der Literatur der Moderne Westdeutscher Verlag Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Widdig, Bernd: Männerbünde und Massen: zur Krise männlicher Identität in der Literatur der Moderne / Bernd Widdig. - Opladen: Westdt. Verl., 1992 ISBN 978-3-531-12163-5 ISBN 978-3-322-99691-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-99691-6 Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International. Alle Rechte vorbehalten © 1992 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere rur Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrover filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt Titelbild: Frans MasereeI, Holzschnitt aus: Walt Whitman, Calamus, Editions du Sablier, 1919. © Frans-Masereel-Stiftung, Saarbrücken Gedruckt auf säurefreiem Papier ISBN 978-3-531-12163-5 Für Nadine Inhalt 1. Männerbünde und Massen als Phänomene der Moderne ......... 11 1.1 Aspekte der Modeme ....................................................... 13 1.2 Männerbünde und Massen ................................................. 23 2. Perspektiven homosozialen Denkens. Männerbündische Konzepte bei Hans Blüher, Max Weber und Thomas Mann ..... 33 2.1 »Konservative Revolution« und Bündische Jugend ..................... 35 2.2 Hans Blühers Die RoJJe der Erotik in der männlichen Gesellschaft ... 39 2.3 Charisma und Männerbund bei Max Weber .............. '" ............ 50 2.4 Mann unter Männem: Die Rede Von deutscher Republik .............. 55 3. Bruno Franks Politische Novelle: »Im Grunde läuft doch alles auf das Körperliche hinaus« ...... 73 3.1 Deutsch-französische Freundschaften .................................... 80 3.2 Die Macht des Weiblichen .................................................. 86 3.3 Kämpfe im Körper .......................................................... 93 3.4 Der Kampfum den Körper Europa ....................................... 96 4. Zur Psychologie der Massen: Le Bon und Freud .................. 101 4.1 Gustave Le Bon: Psychologie der Massen .............................. 104 4.2 Massenpsychologie und Ich-Analyse: Die Masse als lustvolle Regression .......................... , ........... 114 4.3 Paul Federn und der »Bruderbund« ..................................... 124 5. Thomas Manns Mario und der Zauberer aus massenpsychologischer Sicht ....................................... 128 5.1 Körper-KulturinTorrediVenere ........................................ 129 5.2 Cipolla und das Publikum ................................................. 133 5.3 Mario und der Zauberer: Wechselbilder der Geschlechter ............. 138 7 6. Bulin Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf: Wem der Star gestochen wird ............................................ 144 6.1 Provinz und Großstadt, Heimat und Entwurzelung, Erzählung und Montage ..................................................................... 144 6.2 Subjektkritik und sexuelle Identität: Der Geist des naturalistischen Zeitalters ..................................................................... 149 6.3 Episoden eines Leidensweges ............................................ 157 6.3.1 Die Entlassung aus dem Gefängnis ............................... 160 6.3.2 Biberkopfund die Frauen .......................................... 164 6.3.3 Ramme und Stange: Reinhold und Biberkopf ................... 167 6.3.4 Die Hure Babyion ................................................... 171 6.4 Der Stich in die Augen und das neue Berlin ............................ 175 7. Die Blendung: Bücherfreunde und die Macht des Geldes ...... 178 7.1 Kien und seine Bücher .................................................... 182 7.2 Therese und das Theresianum ............................................ 192 7.3 »Der Charakter und nicht das Staubtuch macht den Menschen«: Die Blendung und Geschlecht und Charakter ......................... 197 7.4 Epilog: Masse und Macht ................................................. 205 Anmerkungen ......................................................................... 211 Literatur ................................................................................. 233 Index ..................................................................................... 251 8 Die vorliegende Studie ist die leicht erweiterte Fassung einer Dissertationsschrift, die ich im Frühjahr 1989 an der Stanford University abgeschlossen habe. In diese Arbeit sind die Anregungen und Kommentare vieler Freunde und Kollegen einge flossen. Ich möchte an erster Stelle Russell A. Berman erwähnen, der mir während meiner Zeit in Stanford ein unschätzbar wichtiger Gesprächspartner und Betreuer gewesen ist. Seiner wissenschaftlichen Arbeit, seiner konstruktiven Kritik und zu verlässigen Unterstützung verdanke ich viel. Auch David Wellbery, dessen Gast seminar während meines Studiums in Bonn mich dazu angeregt hat, nach Stanford zu gehen, und Peter Pütz, der mir in so vieler Hinsicht Rat und Hilfe gegeben hat, gilt mein herzlicher Dank. Während der Anfangsphase dieses Projektes im Frühjahr 1987 in Berlin wa ren mir die Gespräche mit Hellmut Becker, Gerhardt Kluchert, Gero Lenhardt, Michael Rohrwasser, Renate Schlesier, Nicolaus Sombart und nicht zuletzt mit meinem Bruder Heiner Widdig unersetzlich, um einen Rahmen für diese Studie zu planen. Ich danke Anton Kaes und Robert C. Holub für unsere fruchtbaren Diskus sionen in Berlin, Berkeley und Cambridge, ebenso Friederike Eigler, Joseph C. Harris, Wolf-Dieter Narr, Hans-Jürg Rindisbacher und Frank Trommler, deren kritische Lektüre mir geholfen hat, mein Manuskript zu verbessern. Mein ganz besonderer Dank aber für all ihre Geduld und Unterstützung gilt meiner Frau, Nadine Berenguier, der ich dieses Buch widmen möchte. Cambridge, im Mai 1991 BerndWiddig 9 1. Kapitel Männerbünde und Massen als Phänomene der Moderne Eros als Staatsmann, als Staatsschöpfer sogar ist eine seit alters ver traute Vorstellung, die noch in unseren Tagen aufs neue geistreich pro pagiert worden [ist].! Dies verkündet Thomas Mann den Zuhörern seiner berühmten Rede Von Deutscher Republik, die er am 13. Oktober 1922 in Berlin hielt. Von einem Wort zum ander en nimmt »Eros« hier Gestalt an: Er wird zum Mann, zum Schöpfer. Zugleich er hält der Staat eine Genese, er wird aus dem (männlichen) Eros erschaffen. Mit der Gestaltwerdung des Eros wird ihm eine Geschichte, eine Tradition verliehen; Mann spricht von einer »seit alters her vertraute[n] Vorstellung« des »Eros als Staats mann.« Dieses Konzept muß jedoch im Laufe der Geschichte in den Hintergrund gedrängt worden sein, es müßte nicht aufs neue propagiert werden, wenn der »Eros als Staatsmann« in den Tagen der Weimarer Republik im Amte stände. Wenn dafür Propaganda gemacht wird, dann nicht in der abfälligen Bedeutung des Wortes, sondern, wie uns Mann versichert, auf »geistreiche« Art und Weise, und die Ver mutung liegt nahe, daß der Geistesreichtum nicht nur mit der Form der Propaganda zu tun hat, sondern auch mit dem, was da propagiert wird. Wie Manns gesamte Rede ist auch dieser einzelne Satz Ausdruck eines Man gels und der Appell, etwas herbeizuführen, was nicht oder noch nicht ist. In der semantischen Umkehrung, in einer Dichotomisierung des Satzes und seiner Satz glieder schält sich dieser Zustand des Mangels heraus, der über Manns Rede hin ausweist und in anderen zeitgenössischen Texten weitaus klarer ausgesprochen 11 wird. Manns Äußerungen sind Teil einer umfassenderen Kritik an einem bürokrati schen Staat, dem keine Tradition zu eigen sei, der »geistlos« sei, was deshalb die »geistreiche« Propagierung des Anderen verlange, das in seiner ganzen Konstruk tion nicht entfremdet, »vertraut« ist. Männlicher Eros - Staat - Schöpferturn - Geist, alle Glieder einer solchen Kette werden in der folgenden Untersuchung immer wieder auftauchen. Sie sind Bestandteile eines Diskurses, in dem sich politische Macht und eine bestimmte Auf fassung von Kultur und Sexualität auf verschiedenen Ebenen verbinden. Dieser Diskurs ist binär angelegt, weil er von einer Konzeption von Sexualität bestimmt ist, die die Gegensätzlichkeit von »männlich« und »weiblich« nicht nur betont, son dern als naturhaft legitimiert und zugleich als bestimmendes Moment rur gesell schaftliche Organisation ausdehnt. Dieses Buch will zeigen, daß die Idee eines Staates, dessen Grundlage und Quellen in einem männlichen Eros liegen, Teil eines weiter gefaßten Diskurses ist, dessen Polarität ich durch zwei gesellschaftliche Formationen markiert sehe: Män nerbünde und Massen. Meine Untersuchung befaßt sich mit der Repräsentation, der Art und Weise der Beschreibung von Männerbünden und Massen in der deutsch sprachigen Literatur und Kultur des frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Sie verfolgt dabei weder einen empirisch-soziologischen noch einen politikwissenschaftlichen Anspruch. Es geht also nicht um den Nachweis, wie stark und in welcher Weise Männerbünde die Politik in Deutschland während des frühen zwanzigsten Jahrhun derts geprägt haben. Noch verfolgt diese Arbeit das Ziel, eine politisch-soziologi sche Analyse von Massen in den verschiedensten Konfigurationen zu leisten. Daß beide Formationen jedoch die gesellschaftliche und kulturelle Wirklichkeit des frü hen zwanzigsten Jahrhunderts maßgeblich geprägt haben, läßt sich historisch bele gen.2 Die Bedeutung der studentischen Korporationen mit ihrem sozialen Netzwerk weit über die Studienzeit hinaus, der Organisationen des Militärs von der Kadetten anstalt bis zum Offizierskorps, des literarischen Jüngerbundes um Stefan George, um nur einige Beispiele rur männerbündlerisch strukturierte Komplexe zu nennen, können rur eine Analyse der Wilhelminischen Ära kaum überschätzt werden.3 Der Eulenburg-Prozeß von 1907 brachte zudem die enge Verstrickung von homosexuell geprägten Männerbünden und politischer Macht auf der höchsten Ebene ans Licht. 4 12 Das frühe zwanzigste Jahrhundert ist auf der anderen Seite geprägt von einem massiven Auftreten von Massen in den verschiedensten Zusammenhängen. Die ra pide Zunahme der Bevölkerungszahl in Städten wie Berlin, Hamburg oder Mün chen, verbunden mit dem Prozeß der Industrialisierung, das Aufkommen von Mas senparteien, die Aufmärsche von riesigen Menschenmengen, aber auch die techni sierte Massenvernichtung auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges, all das ist andernorts detailliert untersucht worden.5 Die Weimarer Republik hatte im Rahmen dieser Entwicklungen mit ökonomischen und politischen Disparitäten zu kämpfen, die schon im deutschen Kaiserreich angelegt waren. Hans-Ulrich Wehler schreibt zusammenfassend dazu: Ein Zentral problem bildet [ ... ] die Verteidigung tradierter Herrschafts positionen durch vorindustrielle Eliten gegen den Ansturm neuer Kräfte - ein Defensivkampf, der mit der Erosion der ökonomischen Funda mente dieser privilegierten Führungsschichten nicht nur immer schroffer geworden ist, sondern langfristig dank der elZielten Erfolge immer ge fährlichere Spannungen elZeugt und ein böses Erbe angesammelt hat [ ... ].6 Wehler kommt im Rahmen seiner Strukturanalyse zu dem Schluß, daß die notwen dige Synchronisierung von sozialökonomischer und politischer Entwicklung im Kaiserreich bis zuletzt vereitelt worden sei. 7 1.1 Aspekte der Moderne Wenn sich die vorliegende Arbeit Texten und Dokumenten zuwendet, die etwa im ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts entstanden sind, so bewegt sie sich damit im zeitlichen Rahmen der Modeme. Hans-Ulrich Gumbrecht hat in einer be griffsgeschichtlichen Analyse die unterschiedliche Verwendung der Konzepte »modem«, »Modernität« und »Modeme« in der europäischen Geistesgeschichte untersucht, ausgehend von drei Bedeutungsmöglichkeiten des Wortes »modem«, die jeweils zu verschiedenen Zeiten ihre Verwendungspriorität gefunden haben: »modem« als 1. gegenwärtig versus vorherig; 2. neu versus alt; 3. vorübergehend versus ewig.8 Vor allem die letztgenannte Bedeutungsmöglichkeit wird im Rahmen 13

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.