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Literatur und Justiz in der Weimarer Republik PDF

229 Pages·1988·11.728 MB·German
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LITERATUR UND JUSTIZ IN DER WEIMARER REPUBLIK Klaus Petersen LITERATUR UND JUSTIZ IN DER WEIMARER REPUBLIK J.B. Metzlersehe Verlagsbuchhandlung Stuttgart CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Petersen, Klaus: Literatur und Justiz in der Weimarer Republik / Klaus Petersen. - Stuttgart: Metzler, 1988 ISBN 978-3-476-00644-8 This book has been published with the help of a grant from the Canadian Federation for the Humanities, using funds provided by the Social Seiences and Humanities Research Council ofCanada. ISBN 978-3-476-00644-8 ISBN 978-3-476-03263-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03263-8 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere fUr Vervielfä ltigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 1988 SpringerVerlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J.B. Metzlersehe Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1988 Inhalt Einleitung 9 DIE VERTRAUENSKRISE DERJUSTIZ Die Weimarer Verfassung: Idee und Wirklichkeit Legalität und Legitimität 15 Die Administration des Rechts 20 Justizkritik und Justizreform im Reichstag Das unterschiedliche Rechtsverständnis der politischen Parteien 37 Das Bemühen um eine allgemeine Justizreform 45 PolitischeJustiz Die Verwendbarkeit der Justiz im politischen Kampf 54 Die Gefahr parteipolitischer Beeinträchtigung 58 Republikfeindliche Richter? 63 Der Staatsgerichtshofzum Schutz der Republik 65 Hochverrat 68 Landesverrat 72 JUSTIZ UND LITERATUR »Schmutz«, »Schund« und »Verrat«: Die Behinderung von Kunst und Literatur durch die Justiz und ihre Vollzugsorgane Gotteslästerung und Unzucht 77 Polizeiliche Maßnahmen gegen das Theater 81 Presseverbote 85 Das Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften 87 Der »literarische Hochverrat« 97 INHALT Die Verteidigung der Freiheit in Kunst und Literatur Die Beteiligung der Schriftsteller an der allgemeinen Justizkritik 109 DieJustizkritik der Schriftsteller und Künstler im Zusammenhang beruflicher Interessenpolitik und Gruppenaktivität 118 JUSTIZKRITISCHE LITERATUR DieJustizkritische Literatur als Beispiel funktionalisierter Kunst Die wirkungsästhetische Absicht 133 Das literarisch-publizistische Umfeld 138 Sachinteresse und Ideologie 143 Der stoffiiche Bezug Zum Mißbrauch der Justiz flir politische Zwecke 147 Die »Herrenkaste von gestern« 159 Der Gesetzgeber als Hüter der Moral 167 Wahrheitstindung und Schuldnachweis 178 Der Strafvollzug und seine Folgen 183 Quellen und Anmerkungen 195 Literaturverzeichnis 215 Personen- und Sachregister 229 Meinem Vater zum Andenken Einleitung Daß die Forschung an der Literatur der Weimarer Republik achtlos vorübergehe, wird heute niemand mehr behaupten können, wenn sich auch Wolfgang Rothes 1974 geäußerte Vermutung, diese litera rische Epoche werde wohl »in den nächsten Jahren« ein bevorzugtes Arbeitsgebiet der Philologen und Literatursoziologen werden [I], bisher nur in einem beschränkten Maße erfullt hat. Immerhin: nach der Hinwendung zu einzelnen säkularen Gestalten wie Brecht, Kafka und Döblin ist inzwischen doch, begünstigt durch zahlreiche Nach drucke aus der Literatur jener Zeit, die Aufarbeitung jenes gewalti gen >Restes< von Literatur angelaufen, von dem man vor zehnJahren noch kaum Notiz genommen hat. Während allgemeine Darstellun gen ein breites Interesse am kulturellen Leben der zwanziger Jahre anzeigen [2], gaben Sammlungen kritischer AufSätze wichtige Anstöße zur Erforschung der Literatur jener Zeit. [3] Die Perioden forschung versuchte, diese Literatur gegen Expressionismus und Exil literatur abzugrenzen [4]; die Neue Sachlichkeit, eine der dominie renden »Richtungen«, wurde auf ihre Tauglichkeit als Epochenbe zeichnung hin untersucht. [5] Der auffallende Einfluß politischer Zeitprobleme auf die Literatur der Weimarer Republik wurde allent halben herausgestellt und durch Untersuchungen zur proletarisch revolutionären wie völkischen Literatur in ihren ideologischen Aus richtungen charakterisiert. [6] Arbeiten zu den literarischen Gattun gen, besonders dem Drama, aber auch der Reportage, dem Hörspiel und zur Erzählung liegen inzwischen vor. [7] Insbesondere hat die Literatursoziologie mit Einzelstudien zur Kritik, zu Produktions und Reproduktionsbedingungen, zu Schriftstellerverbänden und -gruppen wie zu Schriftstellerberuf und Interessenpolitik Analysen geliefert. [8] Die Zahl der Studien zu einzelnen Autoren und Werken schwillt ständig an. Daß man sich mit Gesamtwürdigungen zur Lite ratur jener Jahre dennoch schwertut, liegt einerseits an der schier unübersichtlichen Fülle der literarischen Produktion der Zeit zwi schen 1918 und 1933, ihrer Vielgestalt und inneren Widersprüchlich keiL Andererseits auch fehlt es schon zur bloßen Erfassung von Tex ten heute immer noch an bio-bibliographischen HilfSmitteln, wie sie zur Erforschung anderer vorhergehender und nachfolgender Epo chen längst zu Verfugung stehen. 9 EINLEITUNG Unter den soziologischen Darstellungen zur Literatur jener Jahre fehlt die durchgehende Untersuchung über den Einfluß eines der wesentlichen Regulative sozialer Prozesse: des Rechts, d. h. über die Grundlagen und Wirkungsformen der Rechtsprechung in ihrem Ver hältnis zur literarischen Produktion. Als zur Veröffentlichung be stimmte oder veröffentlichte Äußerung unterliegt Literatur der allge meinen Rechtsordnung dieser Öffentlichkeit, d.h. der Gesamtheit der regelmäßig erzwingbaren, bindenden Vorschriften für die Hand lungen der Menschen in ihrem Verhältnis zueinander sowie zu den öffentlichen Verwaltungsträgern. Verfassung und kodifiziertes Recht enthalten Bestimmungen, Legislative und Exekutive treffen Maß nahmen, Gerichtsverfassung und Rechtspflege schaffen Bedingun gen, die sich direkt oder indirekt auf die Literatur, ihren Verfasser, ihre Produktion, ihren Inhalt und ihren Vertrieb beziehen. Die Viel falt dieser Beziehungen, die in der einen oder anderen Form auch vorher objektiv immer gegeben war, wurde im Verlauf der zwanziger Jahre im Rahmen einer jetzt intensiv betriebenen Interessenpolitik der Schriftsteller nachdrücklich bewußt. Viel wichtiger für die Bezie hung zwischen Justiz und Literatur war aber die Tatsache, daß sich ein Großteil der Schriftsteller an der massiven und anhaltenden Kri tik beteiligte, die in der Öffentlichkeit an bestimmten geltenden Ge setzen, an der Gesetzgebung und Rechtsprechung geübt wurde; daß zweitens eine zunehmend große Zahl linksradikaler Autoren in Hochverratsprozesse verwickelt wurde, was nach 1925 eine breite Protestbewegung unter den Intellektuellen auslöste; und daß drittens alle wesentlichen Aspekte dieser Kritik und dieses Protestes in der Literatur stofflich verwertet und thematisiert wurden. So entstand das, was hier >justizkritische Literatur< genannt wird. Zu keiner Zeit hat sie quantitativ einen so großen Anteil am literarischen Schaffen gehabt wie in der Weimarer Republik. Nie vor- oder nachher wur den innerhalb eines so kurzen Zeitabschnitts so viele juristische Pro bleme, und zwar Gerechtigkeit und Strafe, Aufgaben und Irrtümer der Rechtspflege, Sinn und Unsinn des Strafvollzugs, sowie einzelne Paragraphen, Verbrechen und Prozesse zum Gegenstand literari scher Gestaltung in Drama, Roman und Gedicht. Nun gehören Recht, Gerechtigkeit und Gericht zu den ältesten und verbreitetsten Motiven in der Literatur überhaupt. Dabei den ken wir nicht nur an die bloß stoffliche Verwendung von Rechtsge schehnissen, Rechtsansprüchen und Rechtsverletzungen aller Art, die Gestaltung des Rechtsgedankens am Kampf des einzelnen gegen 10 IINLIITUNG eine als willkürlich erfahrene Obrigkeit, die Darstellung fiktiver oder konkreter Verbrechen und Gerichtsverfahren oder die Kritik an be stehenden Rechtsverhältnissen, sondern auch an das Thema der Ge rechtigkeit im Verhältnis des einzelnen zu seiner sozialen Umwelt und den politischen Instanzen wie etwa schließlich die so beliebte Verwendung des Gerichts als dichterisches Bild zur Erläuterung der moralischen und metaphysischen Existenz des Menschen überhaupt. Dort, wo sie sich der Struktur des prozessualen Verfahrens bedient, ist das Gericht für die Literatur auch formal von Bedeutung. Seit Jakob Grimms Sammlung der Deutschen Rechtsaltertümer von 1828 haben mehrere Bestandsaufnahmen dieses mannigfaltige Auftreten von Rechtsproblemen in der Literatur vom Mittelalter bis in die zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts erfaßt und nach Autoren und Motiven geordnet. [9] Dennoch sind die in diesem komplexen Litera turaspekt enthaltenen disparaten Sinnbereiche und Anliegen noch keiner wirklich systematischen Klärung unterzogen worden; viel leicht entzieht sich dieser ))riesige Assoziationskomplex«, wie Wolf gang Holdheim schreibt, überhaupt jeder genauen Klassifizie rung. [10] Hildegard Emmel hat in ihrer Studie zur Gerichtsthema tik in der modernen Literatur an wenigen herausragenden Schriftstellern und ihren Werken immerhin einige allgemeingültige Gesichtspunkte zur künstlerischen Bedeutung des Gerichtsgedankens zusammengetragen und untersucht. [ 11] Holdheim konzentrierte sich auf einen einzigen Gesichtspunkt: Er wählte drei Beispiele aus der Weltliteratur, nämlich Dostojewskijs Die Brüder Karamasojj, Camus' E Etranger und Dürrenmatts Die Panne und erstellte in einer vergleichenden Analyse ein normatives Muster für die literarisierte Situation desJustizirrtums, dem der Angeklagte im Kriminalprozeß zum Opfer fällt. [12] Im Gegensatz zu der Zeit vor 1933 hat sich die jüngste Forschung trotz der beispiellosen Ausbreitung des Stoffes nur in ganz wenigen Fällen mit der Rechtsauffassung bestimmter Schriftsteller oder der Bedeutung des Rechts in einzelnen Werken auseinandergesetzt. [13] Das mag nicht nur an der eben erwähnten inhaltlichen und formalen Vielheit im Bereich dieses Themas liegen, sondern auch an der ver ständlichen Hemmung der Literarhistoriker, sich aufSachfragen po litischer und juristischer Art einzulassen, bei denen sie auf dünnes Eis geraten. Die Würdigung einer Literatur jedoch, die so ausschließlich durch den aktuellen Stoffbezug und eine gesellschaftskritische Ab sicht geprägt ist, wie das bei den justizkritischen Werken der Weima- 11

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