Lineare Algebra und Analytische Geometrie 2 Ein Skriptum zur Vorlesung im Sommersemester 2012 Arne Du¨r und Franz Pauer 5. Auflage ⃝c 2012 INSTITUT FU¨R MATHEMATIK, UNIVERSITA¨T INNSBRUCK ii Vorwort Das vorliegende Skriptum soll den Ho¨rerinnen und Ho¨rern der Vorle- sung Lineare Algebra und Analytische Geometrie 2“ im Sommersemester ” 2012 das Mitschreiben und Mitdenken in der Vorlesung erleichtern. Das Skriptumentha¨ltalleDefinitionenundSa¨tzederVorlesung,abernurwenige Beispiele dazu. In der Vorlesung werden die Definitionen und Sa¨tze moti- viert, der Zusammenhang mit fru¨heren Ergebnissen erla¨utert und Beispiele dazu besprochen. Der Inhalt des Skriptums Lineare Algebra 1“ und der ” schriftlichenUnterlagenzurVorlesung VertiefungLineareAlgebra1“ von ” FranzPauerwirdalsbekanntvorausgesetzt. In den Kapiteln 1, 3 und 5 werden die Themen Lineare Funktion, Ska- larprodukt und Determinante aus dem Wintersemester weitergefu¨hrt und vertieft. Im Kapitel 2 werden Systeme linearer Ungleichungen (analog den SystemenlinearerGleichungen)gelo¨st.ImKapitel4werdendieBewegun- gen starrer Ko¨rper in der Ebene und im Raum beschrieben, dieses Thema ist fu¨r die Mechanik von großer Bedeutung. Im Kapitel 6 werden quadra- tische Funktionen und ihre Nullstellenmengen, die Quadriken, besprochen. Im Kapitel 6 wird die Jordansche Normalform komplexer Matrizen herge- leitet. DiesesSkriptumistdie5.AuflagedesSkriptumsLineareAlgebra2.Es umfasst(inleichtvera¨nderterForm)TeilederfolgendenSkripten: ArneDu¨rundFranzPauer:LineareAlgebra(5.Auflage),2006. ArneDu¨rundFranzPauer:AnalytischeGeometrie(3.Auflage),2005. FranzPauer:LineareOptimierung(2.Auflage),2003. Martin Huber danken wir fu¨r die Anregung, den Abschnitt 5 in Kapitel 5(Zeigerrechnung)in dasSkriptumaufzunehmen, sowiefu¨rdieErlaubnis, dafu¨r seine Materialien in www.tech4math.com zu verwenden. Die Zeich- nungen dazu hat Simone Graml angefertigt. Hubert Herdlinger verdanken wir eine Verbesserung des Abschnittes u¨ber Systeme linearer Ungleichun- gen. Diese Auflage unterscheidet sich von der vierten (Februar 2011) durch den vera¨nderten Titel, die Neuaufnahme von Kapitel 6, die Streichung von Abschnitten, die in der Vorlesung Vertiefung Lineare Algebra 1“ bereits ” vorgetragenwurden,UmstellungeninderReihenfolgederKapitelundAb- schnitteundeinigeKorrekturensowiekleineErga¨nzungen.nurdurcheinige Korrekturen. Innsbruck,Februar2012 iii Inhaltsverzeichnis Vorwort iii Kapitel1. Mehru¨berlineareFunktionen 1 §1. DerGrapheinerlinearenFunktion 1 §2. Basiswechsel 3 §3. BildundKerneinerlinearenFunktion 6 §4. SystemelinearerGleichungeninkoordinatenfreierForm 9 §5. InjektiveundsurjektivelineareFunktionen 13 §6. EigenwerteundEigenvektoren 15 §7. AffineFunktionen 19 Kapitel2. SystemelinearerUngleichungen 22 §1. LineareUngleichungenundHalbra¨ume 22 §2. SystemelinearerUngleichungenundPolyeder 24 Kapitel3. Vektorra¨umemitSkalarprodukt 32 §1. Skalarprodukte 32 §2. Orthonormalbasen 35 §3. LineareGleichungenmitungenaubestimmtenDaten 39 §4. Parallelprojektion 41 Kapitel4. BewegungenineuklidischenRa¨umen 45 §1. Isometrien 45 §2. OrthogonaleFunktionen 48 §3. Spiegelungen 50 §4. IsometrienderEbene 54 §5. Zeigerrechnung 59 §6. IsometriendesRaumes 62 §7. Symmetriegruppen 65 §8. NormaleundselbstadjungierteFunktionen 66 Kapitel5. MultilineareFunktionen 70 §1. MultilineareFunktionen 70 §2. AlternierendeFunktionen 73 §3. EntwicklungvonDeterminanten 77 §4. DieadjungierteMatrix 80 §5. SymmetrischeBilinearformen 81 §6. PositivdefiniteMatrizen 85 Kapitel6. QuadratischeFunktionenundQuadriken 90 iv v INHALTSVERZEICHNIS §1. Linearformen 90 §2. QuadratischeFormen 93 §3. QuadratischeFunktionen 96 §4. Quadriken 99 §5. QuadrikeninderEbene 101 §6. QuadrikenimRaum 106 §7. Singula¨rwertzerlegung 109 Kapitel7. VerallgemeinerteEigenra¨ume 114 §1. DiagonalisierbareFunktionen 114 §2. VerallgemeinerteEigenra¨ume 116 §3. DieJordanscheNormalformkomplexerMatrizen 120 KAPITEL 1 Mehr u¨ber lineare Funktionen IndiesemKapitelseiK einKo¨rper. §1. DerGrapheinerlinearenFunktion Satz 1: Seien V ,...,V Vektorra¨ume u¨ber K. Dann wird das kartesische 1 ℓ Produkt V ×···×V ={(x ,...,x )|x ∈V ,...,x ∈V } 1 ℓ 1 ℓ 1 1 ℓ ℓ mitderkomponentenweisenAddition (x ,...,x )+(y ,...,y ):=(x +y ,...,x +y ) 1 ℓ 1 ℓ 1 1 ℓ ℓ undderkomponentenweisenSkalarmultiplikation c(x ,...,x ):=(cx ,...,cx ) 1 ℓ 1 ℓ mitc∈K einVektorraumundheißtder ProduktraumvonV ,...,V . 1 ℓ Fu¨ralle j∈I istdieProjektionaufden j-tenFaktor pr :V ×···×V →V ,(x ,...,x )7→x , j 1 ℓ j 1 ℓ j K-linear. Wenn (v ,...,v ),...,(v ,...,v ) Basen von V ,...,V sind, 11 1n1 ℓ1 ℓnℓ 1 ℓ dannist ((v ,0,...,0),...,(v ,0,...,0),... 11 1n 1 ...,((0,...,0,v ),...,(0,...,0,v )) ℓ1 ℓn ℓ eineBasisvonV ×···×V ,insbesonderegilt 1 ℓ dim (V ×···×V )=dim (V )+···+dim (V ). K 1 ℓ K 1 K ℓ Beweis: Esistleichtzuzeigen,dassV ×···×V mitderkomponentenwei- 1 ℓ sen Addition und Skalarmultiplikation ein Vektorraum ist und die Projek- tionenlinearsind(U¨bung).Wirbeweisendahernur,dass ((v ,0,...,0),...,(0,...,0,v ))eineBasisvonV ×···×V ist.Wir 11 ℓn 1 ℓ ℓ schreibenx ∈V ,...,x ∈V alsLinearkombinationenderBasen 1 1 ℓ ℓ (v ,...,v ),...,(v ,...,v ): 11 1n1 ℓ1 ℓnℓ n n ∑1 ∑ℓ x = d v ,...,x = d v . 1 1i 1i ℓ ℓi ℓi i=1 i=1 1 2 1.MEHRU¨BERLINEAREFUNKTIONEN Dannist (x ,...,x )=(x ,0,...,0)+···+(0,...,0,x ) 1 ℓ 1 ℓ n n = ∑1 d (v ,0,...,0)+···+∑ℓ d (0,...,0,v ) 1i 1i ℓi ℓi i=1 i=1 und((v ,0,...,0),...,(0,...,0,v ))einErzeugendensystemvon 11 ℓn ℓ V ×···×V .UmdielineareUnabha¨ngigkeitzuzeigen,seien 1 ℓ c ,...,c ∈K mit 11 ℓn ℓ n n ∑1 c (v ,0,...,0)+···+∑ℓ c (0,...,0,v )=(0,...,0). 1i 1i ℓi ℓi i=1 i=1 Dannist n n ∑1 ∑ℓ ( c v ,..., c v )=(0,...,0), 1i 1i ℓi ℓi i=1 i=1 also n n ∑1 ∑ℓ c v =0, ... , c v =0. 1i 1i ℓi ℓi i=1 i=1 Da (v ,...,v ),...,(v ,...,v ) Basen von V ,...,V sind, folgt c = 11 1nℓ ℓ1 ℓnℓ 1 ℓ 11 ···=c =0,waszuzeigenwar. ℓn ℓ Satz2: EsseienV undW Vektorra¨umeu¨berK und(vi)i∈I eine(beliebige) BasisvonV. EineFunktion f :V →W ist genaudann linear,wenn derGraphvon f einUntervektorraumdesProduktraumsV ×W ist. In diesem Fall hat der Graph von f die Basis ((vi, f(vi)))i∈I. Insbeson- deregilt dim (Graph(f))=dim (V). K K Beweis: NachDefinitionistGraph(f)={(v, f(v))|v∈V}⊂V×W.Seien u,w∈V undc∈K.Wenn f linearist,dannist 0V×W =(0V,0W)=(0V, f(0V))∈Graph(f), (u, f(u))+(w, f(w))=(u+w, f(u)+f(w))=(u+w, f(u+w))∈Graph(f) und c(w, f(w))=(cw,cf(w))=(cw, f(cw))∈Graph(f), alsoGraph(f)einUntervektorraumvonV×W.WennumgekehrtGraph(f) einUntervektorraumvonV ×W ist,dannsind (u, f(u))+(w, f(w))=(u+w, f(u)+ f(w))∈Graph(f)und c(w, f(w))=(cw,cf(w))∈Graph(f),somit f(u+w)= f(u)+ f(w)und f(cw)=cf(w),also f linear. Wenn f linearist,dannistauchdieFunktion F :V →Graph(f),x7→(x, f(x)), 3 1.MEHRU¨BERLINEAREFUNKTIONEN linearundhatdieUmkehrfunktionGraph(f)→V,(x, f(x))7→x.Daherist F einIsomorphismusund(F(vi))i∈I eineBasisvonGraph(f). Beispiel3: Esseik einereelleZahlund f dielineareFunktion f :R−→R,z7−→kz.Dannist Graph(f)={(z,kz)|z∈R}={z(1,k)|z∈R}=R(1,k)⊆R×R dieGeradedurch(0,0)und(1,k). Beispiel4: Esseien a,breelleZahlenund gdielineareFunktion g:R2 −→R,(x,y)7−→ax+by.Dannist Graph(g)={(x,y,ax+by)|x,y∈R}={x·(1,0,a)+y·(0,1,b)|x,y∈R}= =R(1,0,a)+R(0,1,b)⊆R2×R dieEbenedurch(0,0,0),(1,0,a)und(0,1,b). §2. Basiswechsel IndiesemAbschnittseiV einVektorraumu¨berK mitDimensionn∈ N, v:=(v ,...,v )eineBasisvonV,W einVektorraumu¨berK mitDimension 1 n m ∈ N und w := (w ,...,w ) eine Basis von W. Wenn f :V −→W eine 1 m Funktionist,schreibenwirkurz f(v)anstatt(f(v ),..., f(v )). 1 n Satz5: Sei f :V −→W eineK-lineareFunktionmitMatrix A:=M(f,v,w)∈Km×n, u∈V und c∈Kn×1 die Koordinatenspalte von u bezu¨glichv,alsou=vc.Dannist f(v)=wA und f(u)=wAc. Beweis: Esist f(v)=(f(v1),..., f(vn))=(wA−1,...,wA−n)=wA und f(u)= f(vc)= f(v)c=wAc. Satz6: Sei f :V →W eineK-lineareFunktionmitMatrix A:=M(f,v,w)∈Km×n. Sei v′ eine weitere Basis vonV, w′ eine weitere Basis vonW, T ∈GL (K) n die Transformationsmatrix von v zu v′ und S ∈ GL (K) die Transformati- m ′ onsmatrixvonwzuw.Dannist M(f,v′,w′)=S−1AT. 4 1.MEHRU¨BERLINEAREFUNKTIONEN ′ ′ ImSpezialfallV =W,v=wundv =w istS=T und M(f,v′)=T−1AT. Beweis: NachSatz5ist w′M(f,v′,w′)= f(v′)= f(vT)= f(v)T =wAT =(w′S−1)AT =w′S−1AT. Daw′ eineBasisist,folgtdarausM(f,v′,w′)=S−1AT. Definition7: (1) Zwei Matrizen A,B ∈ Km×n heißen a¨quivalent, wenn es Matrizen P∈GL (K)undQ∈GL (K)gibtmit m n B=PAQ. (2) ZweiMatrizenA,B∈Kn×n heißena¨hnlich,wenneseineMatrixT ∈ GL (K)gibtmit n B=T−1AT. Satz8: (1) Sei f :V →W eineK-lineareFunktionmitMatrix A:=M(f,v,w)∈Km×n. Eine Matrix B∈Km×n ist genau dann zu A a¨quivalent, wenn es eine ′ ′ Basisv vonV undeineBasisw vonW gibtmit ′ ′ M(f,v,w)=B. (2) Sei f :V →V eineK-lineareFunktionmitMatrix A:=M(f,v)∈Kn×n. Eine Matrix B ∈ Kn×n ist genau dann zu A a¨hnlich, wenn es eine ′ Basisv vonV gibtmit ′ M(f,v)=B. Beweis: ′ ′ (1) NachSatz6sinddieMatrizenM(f,v,w)undM(f,v,w)a¨quivalent. WennBzuAa¨quivalentist,gibtesP∈GL (K)undQ∈GL (K)mit m n B=PAQ. Dann ist v′ :=vQ eine Basis vonV und w′ :=wP−1 eine ′ ′ BasisvonW.NachSatz6ist M(f,v,w)=PAQ=B. (2) analog. 5 1.MEHRU¨BERLINEAREFUNKTIONEN A¨hnlicheMatrizenbeschreiben(bezu¨glichverschiedenerBasen)diesel- be lineare Funktion. Wird ein physikalisches Pha¨nomen durch eine lineare Funktion von einem endlichdimensionalen VektorraumV nachV beschrie- benunddiese(nachWahleinerBasisvonV)durcheineMatrix,dannhaben nur jene Eigenschaften dieser Matrix physikalische Bedeutung“, die sich ” beimU¨bergangzueinera¨hnlichenMatrixnichta¨ndern.Beispielefu¨rsolche EigenschaftenvonMatrizensinddieDeterminanteunddie Spur“. ” Definition9: SeiA∈Kn×n.Dannheißt n ∑ spur(A):= A ii i=1 dieSpur vonA. Satz10: (1) DieFunktionspur:Kn×n −→K istlinear. (2) Fu¨rA,B∈Kn×n gilt:spur(AB)=spur(BA). (3) Fu¨rA∈Kn×n undT ∈GL (K)gilt:spur(T−1AT)=spur(A). n (4) Sei f :V →V einelineareFunktionundAdieMatrixvon f bezu¨glich v.Dannist spur(f):=spur(A) unabha¨ngigvonderWahlderBasisvundheißt Spurvon f. Beweis: (1)und(2)nachrechnen,(3)folgtaus(2),(4)aus(3). Satz11: (1) Fu¨rA,B∈Kn×n gilt:det(AB)=det(BA). (2) Fu¨rA∈Kn×n undT ∈GL (K)gilt:det(T−1AT)=det(A). n (3) Sei f :V →V einelineareFunktionundAdieMatrixvon f bezu¨glich v.Dannist det(f):=det(A) unabha¨ngigvonderWahlderBasisvundheißt Determinantevon f. Beweis: (1) det(AB)=det(A)det(B)=det(B)det(A)=det(BA), (2) folgtaus(1), (3) folgtaus(2).
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