1/2007 2 schwerpunkt 2 Einführung in den Schwerpunkt: Fremdsprachen in der Primarschule 3 Fremdsprachen in der Volksschule aus Sicht der EDK 7 Europäisches Sprachenportfolio 11 Immersiver Unterricht in der Schweiz 16 Projekte an der Pädagogischen Hochschule Zürich 18 Task-Based Learning 21 Sprachliche Transfers mit Explorers und Envol 23 Zwei Fremdsprachen an der Primarschule: Ein Gespräch mit Lehrpersonen 27 Fremdsprachenkompetenzen von Lehrpersonen 31 Wandel im schulischen Fremdsprachenlernen 34 Albanisch Lernen auf dem Pausenplatz 36 standpunkt Schule und Demokratie: Die notwendige Liebe Leserin, lieber Leser Re-Politisierung des pädagogischen Denkens Der Themenschwerpunkt dieser Nummer ist dem Fremdsprachenunterricht in 38 aktuell der Primarschule gewidmet. Nachdem das Zürcher Stimmvolk am 26. November 38 Der Schulmeister in der vormodernen 2006 die Volksinitiative «Nur eine Fremdsprache in der Primarschule» abgelehnt Volksschule hat, steht der Umsetzung des neuen Fremdsprachenkonzepts in der Primarschule 43 Erster nationaler Bildungsbericht der Schweiz nichts mehr im Wege. Die Zürcher Schülerinnen und Schüler werden also ab der 48 Entwicklungsaufgaben im Berufseinstieg von zweiten Klasse Englisch und – wie bisher – ab der fünften Klasse Französisch Lehrpersonen lernen. Befürworter des Konzepts werden nun Gelegenheit haben zu beweisen, 51 Günter Lange: Mit Passion in Pension dass ihre Argumente im Wahlkampf die richtigen waren. Die Skeptiker ihrerseits 55 15. Filmtage Nord/Süd 2007: Die Welt vor Augen werden genau beobachten, was sich in den Schulstuben zum Besseren oder Schlechteren entwickelt. 56 rezensionen Die «Dauerbeobachtung eines bestimmten Systems» nennt man nach dem Fremd- wörterduden auch «Monitoring». Seit ihren Anfängen wird die Schule «gemoni- 58 bildungsforschung tort». Ein erstes systematisches Monitoring fand im Kanton Zürich in den Jahren 1771/72 statt, als die «Moralische Gesellschaft» einen 81 Fragen umfassenden 48 phzh Fragebogen an die Pfarrherren aller Landgemeinden schickte. Diese bildungsge- 60 Karl Marx & Harry Potter schichtliche Trouvaille machten Forschende der Pädagogischen Hochschule Zürich 62 Welche Grundlagen für welche Didaktik? vor wenigen Jahren im Zürcher Staatsarchiv. Seit Kurzem liegt eine Publikation 63 Bildungsmonitoring im 18. Jahrhundert dazu samt einer CD-ROM mit sämtlichen Fragen und Antworten vor (vgl. Publi- kationshinweis auf Seite 63). Fast zeitgleich erschien unter Federführung der 64 mediensplitter Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung der Bildungsbericht Schweiz, der die ersten Befunde eines langfristig angelegten nationalen Bil- dungsmonitorings zu allen Bildungsstufen und -typen bezüglich ihrer Effektivi- tät, Effizienz und Chancengerechtigkeit festhält (vgl. den Beitrag auf Seite 43). In diesem Sinne laden wir Sie ein, als monitoring readers einen Blick in aktuelle Entwicklungsräume der Bildungslandschaft zu werfen und dabei den professio- nellen Bildungsmonitoren prüfend über die Schulter zu schauen. Thomas Hermann 1 phIakzente 1/2007 0000000000000000 0000000000000000 0000000000000000 0000000000000000 0000000000000000 0000000000000000 0000000000000000 Einführung in den Schwerpunkt 0000000000000000 0000000000000000 Fremdsprachen in der Primarschule 0000000000000000 0000000000000000 0000000000000000 0000000000000000 000De0r nächste0 Weltkong0ress der AI0LA (Associ0ation Inte0rna- 0in ihrem0 Artikel ei0n umfasse0ndes Bild 0des europ0äischen 0 000tio0nale de L0inguistiqu0e Appliqu0ée) 2008 i0n Deutsch0land 0Sprachen0portfolios,0 eines zen0tralen Ele0ments des0 moder- 0 000ha0t die Meh0rsprachigk0eit zum Th0ema. Der0 Kongress 0wird 0nen Spra0chenlerne0ns. Es dok0umentiert0 die indiv0iduelle 0 000au0f der Web0site wie fo0lgt angek0ündigt: «I0t is only n0atural 0Sprachen0kompeten0z und beg0leitet als e0ine Art Sp0rachen- 0 000th0at an AILA0 world co0ngress in 0Europe sh0ould focus0 on 0pass das 0Individuu0m durch S0chule und0 Berufsleb0en. Es 0 000as0pects of m0ultilingua0l matters 0and the li0nguistic r0ich- 0ist nicht 0nur ein he0rvorragen0des Instru0ment der 0sprachli-0 000ne0ss of this 0continent0. The Euro0pean Unio0n and the0 0chen Bew0usstmach0ung, sond0ern auch 0ein nützli0cher Be- 0 000Co0uncil of Eu0rope hav0e a clearly0 defined p0olicy to p0re- 0gleiter in0 der beruf0lichen Lau0fbahn. 000 000se0rve Europ0e as a mul0tilingual a0nd multi0cultural re0gion.» 0Die beide0n folgend0en Beiträg0e stellen z0wei Metho0den des 0 000In0 der Tat tr0itt die spr0achenpolit0ische Divi0sion des E0uro- 0Fremdspr0achenlern0ens ins Ze0ntrum: Im0mersion u0nd Task- 0 000pa0rats mit v0ielfältigen0 Projekten0 für ein m0ultilingua0les 0Based Lea0rning. Ch0ristine Le 0Pape Raci0ne präsen0tiert ei- 0 000un0d multiku0lturelles 0Europa ein0. Oberstes0 Ziel ist da0bei 0nen Rück0-, Über- u0nd Ausbli0ck zur Imm0ersion in0 der 0 000di0e Erziehun0g der euro0päischen0 Bevölkeru0ng zur Me0hr- 0Schweiz.0 Auf ihren0 Artikel fo0lgen Kurzb0eschreibu0ngen 0 000sp0rachigkeit0 und dam0it die Bew0ahrung un0d Pflege d0es 0von Kath0leen Galla0gher, Josia0ne Tarden0t, David G0olay und 0 000re0ichen ling0uistischen0 Erbes Eur0opas und 0seiner zug0e- 0Michael P0russe zu I0mmersion0sprojekten0 aus Lehr0e und 0 000w0anderten 0Bevölkeru0ng1. Dieser0 ehrgeizig0en Zielsetz0ung 0Forschun0g an der P0ädagogisc0hen Hochs0chule Züri0ch. 0 000st0ehen ernü0chternde B0efunde zu0r aktuelle0n Sprache0n- 0Christoph0 Suter und0 Brigitte A0chermann0 führen i0n das 0 000ko0mpetenz 0in den ein0zelnen eu0ropäische0n Ländern0 ge- 0Task-Base0d Learnin0g ein, ein0e Methode0, die eine0 konse- 0 000ge0nüber. Eh0lich (20060) spricht i0n einem k0ürzlich er0schie- 0quente H0andlungso0rientierun0g des Unt0errichts un0terstützt 0 000ne0nen Artik0el mit dem0 sinnigen0 Titel Meh0rsprachigk0eit 0und gege0nüber früh0eren imm0ersiven M0ethoden s0ystema- 0 000fü0r Europa –0 öffentlich0es Schwei0gen, lingu0istische D0istan- 0tisch eine0n «Focus 0on Form» 0integriert.0 Task-Base0d learn- 0 000ze0n von ein0er Übersch0ätzung de0r tatsächl0ichen Meh0rspra- 0ing liegt 0auch den 0neuen Leh0rmitteln 0Envol und0 Explo- 0 000ch0igkeit der0 europäisc0hen Bevöl0kerung2. D0ie Übersch0ät- 0rers zugru0nde. In e0inem Arti0kel zeigt B0rigitte Ach0ermann, 0 000zu0ng gelte s0peziell au0ch für Län0der wie d0ie Schweiz0 oder 0wie in di0esen beid0en Lehrmi0tteln Bezu0g auf bere0its auf- 0 000Be0lgien, in d0enen die0 Mehrsprac0higkeit zu0 den staa0tspoli- 0gebautes0 sprachlich0es Know-0how (dekl0aratives u0nd pro- 0 000tis0chen Grun0dgegeben0heiten ge0höre. Ehlic0h monier0t zu- 0zedurales0 Wissen) g0enommen0 wird und0 wie sich0 das Ler- 0 000de0m, dass d0ie Sprache0npotentia0le der Mig0ration für0 das 0nen versc0hiedener 0Sprachen 0gegenseiti0g befrucht0en kann.0 000eu0ropäische0 Sprachde0nken prak0tisch folge0nlos seien0, spe- 0Paulette 0Bansac ha0t mit drei 0Lehrperso0nen ein G0espräch 0 000zi0ell auch w0as die Ins0titution Sc0hule betre0ffe. Zwisc0hen 0über ihre0 Erfahrun0gen mit zw0ei Fremd0sprachen i0n der 0 000de0n auch vo0n der EDK0 geteilten0 Zielsetzun0gen des E0uropa- 0Primarsch0ule gefüh0rt. Über w0elche Spra0chkompe0tenzen 0 000ra0tes und de0n schon l0ange beka0nnten Bef0unden be0steht 0Lehrperso0nen, die 0Fremdspra0chen unte0rrichten, v0erfügen 0 000ei0n Graben,0 den es m0it sinnvoll0en schulis0chen und0 ge- 0sollen, is0t Thema d0er nachfo0lgenden A0usführung0en von 0 000se0llschaftsp0olitischen 0Investitio0nen zu ve0rringern g0ilt. Vor 0Karin Lüd0i und Jür0gen Capita0in. Sie ber0ichten vo0n ent- 0 000al0lem müsse0n solche 0Investition0en glaubh0aft zeigen0 kön- 0sprechen0den Ausbi0ldungsziel0en und -i0nhalten an0 der Pä- 0 000ne0n, dass u0nd was Me0hrsprachi0gkeit nütz0t. 00dagogisch0en Hochs0chule Züri0ch. 000 000Di0e Vorlage 0«zwei Frem0dsprache0n in der P0rimarschu0le» 0Zum Schl0uss runde0n zwei For0schungsb0erichte da0s Thema 0 000ha0t im Kant0on Zürich 0erst kürzli0ch erfolgr0eich die A0bstim- 0ab. Danie0l Stotz gib0t Einblick0 in ein an0 der PHZH0 laufen- 0 000m0ungshürde0 genomm0en. Mit de0r Einführu0ng einer z0wei- 0des Natio0nalfondsp0rojekt, da0s den bild0ungspoliti0schen 0 000te0n Fremdsp0rache in d0er Primar0schule un0d der Vorv0erle- 0Diskurs im0 Zusamm0enhang m0it sprachl0ichen Refo0rmpro- 0 000gu0ng des Fre0mdsprach0enunterri0chts in die0 zweite K0lasse 0jekten un0tersucht. 0Basil Scha0der berich0tet aus ein0em Pro- 0 000so0ll ein Beit0rag zur Me0hrsprachi0gkeitserzie0hung gele0istet 0jekt zum0 informell0en Sprache0rwerb un0d knüpft d0amit an 0 000w0erden. Die0 vorliegen0de Numm0er von ph0 akzente g0ibt 0den vielf0ältigen, b0isher sträf0lich verna0chlässigte0n Spra- 0 000da0s Wort de0n Sprache0nexpert/in0nen der V0olksschule0, der 0chenpote0ntial der M0igration 0an. 000 000Le0hrer/innen0bildung u0nd ander0er Institut0ionen. Sie0 zei- 0Dass der 0AILA-Welt0kongress 20008 in Ess0en im Ru0hrgebiet 0 000ge0n auf, wa0s sich in S0achen Spr0achen bew0egt. 00stattfinde0t, einer R0egion mit 0besondere0n multiku0lturellen 0 000De0r Beitrag v0on Mirjam0 Egli stell0t die spra0chenpoliti0sche 0Wurzeln 0und Tradit0ionen, ist0 ein wicht0iges Signa0l. 0 000St0rategie der0 EDK, ihre0 Ziele für 0den Sprach0enunterri0cht in 0Brigit Erik0sson 00000 000de0r Schweiz0 und die d0azu nötig0en – und 0teilweise n0och 0000000 000zu0 entwicke0lnden – In0strument0e zu deren0 Umsetzu0ng 0Anmerkun0gen 00000 1 Language Policy Division, Council of Europe. 2005. Plurilingual 000vo0r. Ihr Beit0rag wie au0ch derjen0ige von Sa0ndra Hutt0erli 0000000 Education. 50 years of international co-operation. Strasbourg. 000ze0igen, dass0 sich die S0chweiz au0f einer du0rch den E0uro- 0000000 2 Ehlich, Konrad. 2006. Mehrsprachigkeit für Europa – öffentliches 000pa0rat vorgeg0ebenen ge0meinsam0en Entwic0klungssch0iene 0000000 Schweigen, linguistische Distanzen. In: Cigada, S.; di Pietre, J.F.; 000be0wegt, das0s sie in de0n europäi0schen Spr0achendisk0urs 0Elmige0r, D.; Nussba0umer, M. Le0s enjeux so0ciaux de la0 linguistiqu 0 000ei0ngebunde0n und an 0den sprach0enpolitis0chen Entw0ick- 0appliqu0ée. Actes d0u colloque V0ALS-ASLA 20004. Bulletin0 vals-asla, 0 000lu0ngen mas0sgeblich b0eteiligt ist0. Sandra H0utterli zei0chnet 083–1. S0. 11–28. 00000 0000000000000000 2 00phI0akzente 10/2007 000000000000 0000000000000000 h c üri d, Z ar h n e el Li ni a D n: e g a nt o m o ot F Von Mirjam Egli Cuenat Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Schweizerischen Konferenz der Erziehungs- direktorinnen und -direktoren und Lektorin am Institut für französische Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Basel Fremdsprachen in der Volksschule aus Sicht der EDK Gezielte und koordinierte Erziehung zur Mehrsprachigkeit Mit ihrem Strategiebeschluss und Arbeitsplan Im Einklang mit der europäischen Sprachpolitik2 verfolgt vom 25. März 20041 hat die Schweizerische Kon- auch die EDK als oberstes Ziel für das schulische Fremd- sprachenlernen die Erziehung zur Mehrsprachigkeit. Dabei ferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen kann sie sich auf den Gemeinsamen Europäischen Refe- und -direktoren (EDK) eine umfassende Reform renzrahmen für Sprachen (im Folgenden GER) abstützen, des Sprachenunterrichts in der Schweiz einge- welcher die Mehrsprachigkeit im Sinne einer mehrsprachi- gen und plurikulturellen Kompetenz definiert als «Fähig- läutet. Durch das Setzen von gemeinsamen Zie- keit, Sprachen zum Zweck der Kommunikation zu benutzen len und die Entwicklung von Instrumenten zu und sich an interkultureller Interaktion zu beteiligen, wo- deren Umsetzung zuhanden der Kantone soll bei ein Mensch als gesellschaftlich Handelnder verstanden auf gesamtschweizerischer Ebene Kohärenz im wird, der über – graduell unterschiedliche – Kompetenzen in mehreren Sprachen und über Erfahrungen mit mehreren schulischen Sprachenlehren und -lernen zwi- Kulturen verfügt.» (GER, Kapitel 8.1., S. 163). Das mehr- schen den Stufen und innerhalb der Stufen des sprachige Repertoire des Individuums wird dabei explizit Bildungssystems hergestellt werden. Der vorlie- als Ganzes wahrgenommen, das sowohl die sprachliche Handlungsfähigkeit in der Erst- oder Schulsprache (und gende Beitrag bietet einen aktuellen Überblick eventuell einer oder mehrerer Herkunftssprachen) als auch über die wichtigsten Instrumente und Projekte in den Fremdsprachen umfasst. der EDK im Sprachenbereich und setzt sie in die Zur Erreichung des ambitionierten Ziels einer funkti- Perspektive einer längerfristigen Politik der Er- onalen Mehrsprachigkeit für alle Schülerinnen und Schüler der Volksschule setzt die EDK auf eine gezielte Förderung ziehung zur Mehrsprachigkeit. der lokalen Standardsprache ab Schulbeginn (Kindergarten 3 phIakzente 1/2007 bzw. Eingangsstufe) sowie auf die Nutzung des frühen che (Zdj), welches im Rahmen einer trinationalen Koope- Fremdsprachenlernpotenzials. Erstsprachen von Kindern ration (Schweiz-Deutschland-Österreich) entstanden ist. Im mit Migrationshintergrund sollen valorisiert und die Zu- Zeitraum 2007–2008 wird es als fakultatives Angebot an sammenarbeit zwischen den Anbietern von Kursen für interessierten Schulen der Sekundarstufe I erprobt und heimatliche Sprache und Kultur (HSK) und dem öffentli- durch eine von der EDK eingesetzte Begleitgruppe evalu- chen Schulsystem intensiviert werden. Die wohl meist dis- iert. Ziel dieser Pilotphase ist es, das bestehende Bedürfnis kutierte Vorgabe des Arbeitsplans von 2004 – das Einset- nach solchen Zertifikaten sowie deren Auswirkungen auf zen des Unterrichts in der ersten Fremdsprache spätestens die Qualität des Sprachenunterrichtes abzuklären. Infor- ab dem dritten (bis 2010), in der zweiten Fremdsprache mationen zu diesem Zertifikat werden im Verlauf des ers- spätestens ab dem fünften Primarschuljahr (bis 2012) – ten Quartals 2007 unter www.pss-zdj.ch verfügbar sein. wurde bekanntlich letztes Jahr in vier kantonalen Volks- abstimmungen bekräftigt3. Für die gesamtschweizerische Gestaltung kohärenter Lernprozesse mit dem Europäischen Koordination und Weiterentwicklung des Sprachenunter- Sprachenportfolio richts wurde eine Reihe von Instrumenten entwickelt, die Das Europäische Sprachenportfolio (ESP) soll in Zukunft von den Kantonen bei ihren Umsetzungsarbeiten einge- den sprachlichen Lernprozess von Schulbeginn an alters- setzt werden können. Einige davon seien im Folgenden gerecht begleiten: Nach den Portfolios für Jugendliche und kurz erwähnt. Erwachsene (ESP III)6 sowie für Jugendliche im Alter von 11–15 Jahren (ESP II) hat die EDK auch die Entwicklung Instrumente für die koordinierte Weiterent- eines Portfolios für Primarschulkinder (ESP I und Portfoli- wicklung des Sprachenunterrichts an der no) in Auftrag gegeben (ab 2008 erhältlich). Das Sprachen- Volksschule portfolio bietet den Lernenden die Möglichkeit, schulisch wie ausserschulisch erworbene sprachliche Fertigkeiten Klare Zielsetzungen und Möglichkeiten zur Überprüfung auf den sechs Kompetenzstufen der Skala des GER selbst- Im Rahmen des Schulharmonisierungsprojektes HarmoS ständig einzuschätzen. Damit befördert es die Wahrneh- der EDK4 werden für die Fremdsprachen auf dem Hinter- mung der eigenen Mehrsprachigkeit über die Grenzen des grund des europäischen Referenzrahmens ein Kompetenz- einzelnen Sprachfachs hinweg und leistet auch einen Bei- modell entwickelt und darauf aufbauend verbindliche trag zu einer integrativen Sprachdidaktik. Im Unterricht Basisstandards per Ende des 6. und des 9. Schuljahres fest- kann es zur Anregung einer eigenständigen Planung des gelegt. Für die lokale Standardsprache werden ebenfalls weiteren Erwerbs einer Fremdsprache eingesetzt werden; Basisstandards per Ende des 2., des 6. und des 9. Schul- entsprechende Handreichungen sollen den Lehrkräften als jahrs definiert. Die Standards, verfügbar ab 2008/09, wer- Anleitung dienen7. Überdies bietet das Portfolio den Ler- den durch Aufgabenbeispiele illustriert und können mit- nenden die Möglichkeit, erreichte Kompetenzniveaus tels Tests überprüft werden. Damit soll für alle Akteure im durch offizielle Belege, wie z.B. Zertifikate, zu bestätigen Sprachenunterricht Transparenz bezüglich der kommuni- (Sprachenpass) und eigene sprachliche Arbeiten zu doku- kativen und sprachlichen Zielsetzungen geschaffen wer- mentieren. den; die Standards werden sich stark auf Lehrpläne und Lehrmittel auswirken. Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte Parallel dazu wurden im Auftrag der Bildungspla- Die sprachliche und didaktische Aus- und Weiterbildung nung Zentralschweiz, vor allem unterstützt von den der Lehrkräfte ist eindeutig eine der wichtigsten Bedin- Deutschschweizer Kantonen, Instrumente für die Evaluati- gungen für die erfolgreiche Umsetzung des Reformvorha- on von Fremdsprachenkompetenzen (IEF, neu Lingualevel) bens der EDK. Die Strategie von 2004 schlägt als qualitäts- für die 5. bis 9. Klasse erarbeitet5. Die ab 2007 erhältli- steigernde Massnahme die Festlegung der sprachlichen chen Tests und Selbstevaluationsmaterialien stützen sich Kompetenzen am Eingang und am Ausgang der Ausbildung auf den GER sowie auf das Europäische Sprachenportfolio – gestützt auf die Niveaustufen des GER – sowie der didak- und können von den Lehrkräften sowohl für die fortlau- tischen Anforderungen an einen stufengerechten Unter- fende als auch für die abschliessende Beurteilung von richt vor. Im Hinblick auf eine differenzierte Umsetzung sprachlichen Fertigkeiten im Unterricht eingesetzt wer- dieses Vorschlags erarbeitet zurzeit eine gemischte Arbeits- den. gruppe der EDK und der Schweizerischen Konferenz der In Ergänzung zu den von HarmoS formulierten Basis- Rektorinnen und Rektoren der Pädagogischen Hochschu- standards hat die EDK ebenfalls die Entwicklung eines an- len (SKPH) einen Bericht. Dieser empfiehlt die Entwicklung spruchsvolleren, speziell für Jugendliche im Alter von 12 berufsspezifischer, auf den Unterricht von Fremdsprachen bis 16 Jahren konzipierten Sprachzertifikates auf Niveau ausgerichteter Sprachkompetenzprofile, welche berücksich- B1 des GER gefördert – das Zertifikat Deutsch für Jugendli- tigen, dass nicht alle Fertigkeiten von gleicher Bedeutung 4 phIakzente 1/2007 sind: z.B. ist flüssiges und klar artikuliertes Sprechen im niert, ebenso der Anschluss an die Sekundarstufe I. Ein- Berufsalltag einer Lehrkraft der Primarstufe relevanter als gangs- und/oder Austrittsniveaus weisen innerhalb der die Fähigkeit, Fachtexte in der Fremdsprache zu schreiben. verschiedenen Ausbildungstypen (berufliche Grundbil- Ebenfalls diskutiert wird die Entwicklung einer berufsspe- dung, Berufsmaturität, Gymnasium, Fachmittelschule bzw. zifischen Sprachprüfung, welche, mehr als die häufig ver- -maturität) eine grosse Heterogenität auf. Zudem haben wendeten internationalen Fremdsprachenzertifikate, eine nicht alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, ihr klare Ausrichtung auf die für den Sprachunterricht priori- sprachliches Repertoire im Hinblick auf die Anforderungen tären sprachlichen Handlungskompetenzen erlaubt. Wei- der Arbeitswelt sowie der tertiären Bildungsinstitutionen terhin wird die Erarbeitung stufengerechter didaktischer gezielt zu erweitern - ein Grossteil der beruflichen Grund- Kompetenzprofile empfohlen, namentlich in Anlehnung bildungen sieht keinen Sprachunterricht vor. an bereits existierende europäische Arbeiten (z.B. das Eu- Eine von der EDK eingesetzte Expertengruppe, beste- ropäische Profil für die Aus- und Weiterbildung von Spra- hend aus Vertreterinnen und Vertretern der Sprachregio- chenlehrkräften der Europäischen Kommission von Kelly, nen, der verschiedenen Ausbildungstypen sowie des Bun- Grenfell et al. 20048). Solche Profile sollen eine stärkere desamts für Berufsbildung und Technologie, erarbeitet ge- Harmonisierung der Berufsausbildungen ermöglichen und genwärtig Empfehlungen im Hinblick auf sprachlich-kul- die Vermittlung effektiver Kompetenzen im Hinblick auf turelle Zielvorstellungen sowie konkrete Massnahmen zur den Unterricht der modernen Fremdsprachen gewährleis- Verbesserung des Sprachenunterrichts auf der Sekundar- ten: Neben der Sprachbeherrschung spielen im Unterricht stufe II. Dazu gehören zum Beispiel die Festlegung der Ein- andere Faktoren eine wichtige Rolle, wie zum Beispiel ei- tritts- und Zielniveaus in Ausrichtung an den Niveaustu- ne fundierte Kenntnis der integrativen Fremdsprachendi- fen des GER, das Erarbeiten von auf Schultypen und Be- daktik, das linguistische Verständnis für die Prozesse in rufs- bzw. Ausbildungsperspektiven bezogenen Fertig- der Konstruktion eines mehrsprachigen Repertoires, eine keitsprofilen (in enger Verknüpfung mit der Überarbeitung metareflexive Praxis oder der Umgang mit dem GER und des ESP III für dessen Neuauflage), der vermehrte Einsatz den darauf aufbauenden Instrumenten. Bericht und Emp- von zweisprachigem Unterricht und Sprachaustausch, der fehlungen werden dieses Jahr von der EDK vernehmlasst. Einbezug fremder Erstsprachen sowie das standardisierte Prüfen. Der Bericht soll in diesem Jahr fertig gestellt und Desiderate: Nationale Austauschagentur und nationales den Erziehungsdirektorinnen und -direktoren vorgelegt Kompetenzzentrum für Mehrsprachigkeit werden. Die zu geringe Nutzung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt der Schweiz für das schulische Sprachenlernen ist Ausblick ein Paradoxon, das zu einem grossen Teil auf das Territo- Die EDK schlägt klare, auf die Vorgaben des Europarates rialitätsprinzip zurückzuführen ist. Eine auf bestehende ausgerichtete Zielsetzungen und praktikable Massnahmen Einrichtungen wie die Ch-Stiftung (www.chstiftung.ch) zur Verbesserung des schulischen Sprachenlernens vor. aufbauende nationale Austauschagentur – wie sie der EDK- Diese können als eine erste, konsensfähige Etappe in ei- Beschluss von 2004 ebenfalls vorsieht – könnte sowohl für nem langfristigen Prozess angesehen werden, welcher sich Lernende als auch für Lehrpersonen einen Rahmen für die alles andere als einfach gestaltet. Ein gutes Beispiel für Intensivierung sprachlicher und kultureller Kontakte zwi- auftretende Schwierigkeiten ist die Vorverlegung des schen den Sprachregionen schaffen. Ebenfalls ein dringen- Fremdsprachenunterrichts: Beim zähen Ringen um Anzahl des Desiderat stellt die Gründung eines nationalen Kompe- und Reihenfolge der Fremdsprachen in der Primarschule tenzzentrums für Mehrsprachigkeit dar, welches mit der geht meist vergessen, dass die Einführung spätestens in wissenschaftlich fundierten Begleitung und Weiterent- der dritten, respektive der fünften Klasse erfolgen soll. Es wicklung der Reformen im Sprachenunterricht beauftragt ist zu wünschen, dass in Zukunft die Möglichkeiten einer werden kann. Die Einrichtung eines solchen Kompetenz- frühen Förderung des Fremdsprachenlernens bereits ab zentrums wäre auch im Hinblick auf die im Folgenden der Eingangs- oder Basisstufe stärker genutzt werden. Das- kurz angesprochene Koordination des Fremdsprachenun- selbe gilt auch für zwei-/mehrsprachige Lehr- und Lernfor- terrichts auf der Sekundarstufe II dringend notwendig. men, die in den Gesamtzusammenhang des Schulsystems eingepasst und bereits in der obligatorischen Schule – mit Koordination auch auf der Sekundarstufe II adäquater Ausbildung der Lehrkräfte – eingesetzt werden Die Erziehung zur Mehrsprachigkeit verlangt nach einer sollten (vgl. Le Pape 2006). Weiterhin wird die Förderung Kohärenz im gesamten Schulsystem; die Reform des Spra- der Migrationssprachen nur von wenigen Kantonen zielge- chenunterrichts kann sich nicht auf die obligatorische richtet angegangen; echte Massnahmen einer Integration Schule beschränken. Der Sprachenunterricht auf der Se- der Kurse in Heimatlicher Sprache und Kultur (HSK) in die kundarstufe II ist gegenwärtig in sich zu wenig koordi- Curricula der obligatorischen Schule, wie diese vor bald 55 phIakzente 1/2007 Anmerkungen zehn Jahren im Gesamtsprachenkonzept (EDK Experten- 1 http://www.edk.ch/d/EDK/Geschaefte/framesets/mainAktivit_ gruppe 1998) empfohlen wurden, sind selten. Gänzlich d.html unbeachtet bleibt das Phänomen der internen Migration, 2 vgl. z.B. Guide pour l’élaboration des politiques linguistiques zum Beispiel Kinder Deutschschweizer Eltern in der fran- éducatives en Europe, http://www.coe.int/t/dg4/linguistic/de- zösischen Schweiz, die eine wichtige Mittlerfunktion zwi- fault_FR.asp Eine überarbeitete Version des Guide soll dieses schen den Sprachregionen einnehmen könnten und deren Jahr erscheinen. sprachliches Potenzial zu wenig wahrgenommen und in- 3 Zur Umsetzung des Sprachenbeschlusses in den Kantonen vgl. www.sprachenunterricht.ch. Diese Website wird von den drei adäquat gefördert wird (vgl. Egli 2003). Ebenfalls unge- Deutschschweizer EDK-Konferenzen getragen. klärt ist nach wie vor die Stellung des Italienischen und 4 http://www.edk.ch/vernehmlassungen/harmos/mainHarmos_ des Romanischen als Nationalsprachen in den Fremdspra- d.html chencurricula. 5 Zu bestellen unter http://www.schulverlag.ch/7.841.00. Eine Die eingangs erwähnte, holistische Wahrnehmung Bibliografie zum wissenschaftlichen Entstehungshintergrund des sprachlichen Repertoires, in dem sämtliche sprachlich- von IEF findet sich unter http://www.sprachenunterricht.ch/ kulturellen Erfahrungen des Individuums einen Platz ha- docs/Publikationen%20zu%20IEF.pdf 6 Das ESP III soll für die Neuauflage aufgrund einer Bedarfsana- ben und damit die Lehr- und Lernprozesse in allen Spra- lyse überarbeitet werden, namentlich im Bereich der kulturel- chen aufeinander bezogen sind, muss als eine der wich- len Zielsetzungen. tigsten Prämissen für die Erziehung zur Mehrsprachigkeit 7 http://www.sprachenportfolio.ch ein stärkeres Gewicht erhalten. Die Ausbildung der Lehr- 8 http://ec.europa.eu/education/policies/lang/key/studies_ personen, welche diese dazu befähigt, integrativ zu arbei- en.html ten, spielt dabei eine entscheidende Rolle, aber auch poli- tische Entscheidungsträger und schulische Autoritäten, Literatur Le Pape Racine, C. (2006). Der stetige Aufstieg der Immersion in welche die curricularen Weichen stellen, müssen diese den Schulen Europas. In: Babylonia 2/6. Sichtweise akzeptieren (vgl. Wokusch 2005). Für die EDK EDK, Expertengruppe (1998). Sprachenkonzept Schweiz: Welche wird es in den nächsten Jahren darum gehen, die bereits Sprachen sollen die Schülerinnen und Schüler der Schweiz eingeführten Reformschritte in neue, differenzierte Curri- während der obligatorischen Schulzeit lernen? http://www. culumsszenarien zu integrieren (vgl. GER, Kap. 8), um ma- romsem.unibas.ch/sprachenkonzept/Konzept.html ximal koordinierte, aber doch ausreichend flexible Rah- Egli, M. (2003): L’acquisition «sauvage» de la littératie par des menbedingungen zu schaffen, die der Sprachensituation enfants bilingues francophones et germanophones en Suisse – enjeux et potentiels sous-estimés. In: L. Mondada/ S.Pekarek in der Schweiz gerecht werden und die unsere Schülerin- Doehler (Hg.): Plurilinguisme – Enjeux identitaires, socio-cul- nen und Schüler als mehrsprachige und kulturell aufge- turels et éducatifs: Festschrift pour Georges Lüdi. Tübingen, schlossene Mitglieder der Gemeinschaft auch in Zukunft in Basel, Francke Verlag, 165–178. Europa konkurrenzfähig bleiben lassen. Europrarat (2001): Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin u.a., Langenscheidt. http:// www.edk.ch/d/EDK/Geschaefte/framesets/mainAktivit_d.html Wokusch, S. (2005): Didactique intégrée: vers une définition. In: Babylonia 4/05, 14–16. 6 phIakzente 1/2007 Von Sandra Hutterli Dozentin im Fachbereich Französisch, Italienisch und Rätoroma- nisch an der Pädagogischen Hochschule Zürich Europäisches Sprachenportfolio Stufenübergreifendes, plurilinguales Lernen im europäischen Kontext Die zunehmende Mobilität und weltweite Ver- Schweiz zum Beispiel wird am Arbeitsplatz vermehrt Eng- netzung der Menschheit durch unterschiedliche lisch gesprochen, ohne dass die Nachfrage nach Franzö- sisch dabei eingebüsst hätte. Diesbezüglich zeigen sich Medien fordern vermehrt Kommunikationsfä- sozio-professionelle Unterschiede: In Berufen mit längerer higkeit auch ausserhalb des vertrauten Rah- Ausbildung dominiert das Englische, in solchen mit kürze- mens der Muttersprache. In zahlreichen Famili- rer Schulbildung besteht eine verstärkte Nachfrage nach den Landessprachen beziehungsweise im Dienstleistungs- en wird mehr als eine Sprache gesprochen, und sektor nach einer nach der Kundschaft ausgerichteten. Mehrsprachigkeit gehört heute zu den berufli- Diese sprachliche Vielfalt zu Hause und am Arbeitsplatz ist chen Schlüsselqualifikationen. In diesem Zu- einem steten Wandel bezüglich der vorherrschenden Spra- sammenhang spielt das Europäische Sprachen- chen unterworfen, das Prinzip jedoch ist ein altes: Weder den Römern noch aktuelleren Bestrebungen mit dem Espe- portfolio als Dokumentationsinstrument und ranto2 ist es gelungen, dass sich eine einheitliche Sprache Lernbegleiter eine zentrale Rolle. durchsetzt. Gründe finden sich viele: Die Vielsprachigkeit entspricht dem politischen System der Demokratie, ist so- Sprachensituation in der Schweiz und Europa mit ein kulturelles Erbe und es spiegelt die Vielfalt und Die viersprachige Schweiz ist in Wirklichkeit eine vielspra- Komplementarität der Weltsichten. chige. Laut der letzten eidgenössischen Volkszählung von Das Europäische Sprachenkonzept von Barcelona 2000 geben knapp zehn Prozent der gesamten Wohnbevöl- (2001) und dessen Aktionsplan (2003) sowie das Schwei- kerung keine der Landessprachen als ihre Hauptsprache zerische Gesamtsprachenkonzept der Erziehungsdirekto- an. Trotzdem hat der Anteil der Ausländerinnen und Aus- renkonferenz der Schweiz (EDK) (1998 und Faktenblatt länder, die eine Landessprache sprechen, seit 1990 um März 2004) unterstützen die Förderung der Sprachenviel- 16.7 Prozentpunkte zugenommen, was Lüdi und Werlen falt in Europa beziehungsweise in der Schweiz. Dadurch (2005, 10–11) zurückführen auf die Integrationsbestre- sollen die gegenseitige Verständigung, der Respekt für die bungen der Fremdsprachigen sowie die Freizügigkeit ge- unterschiedlichen Lebensweisen sowie die kulturelle Viel- genüber der EU, welche Deutsch- und Französischsprachi- falt unterstützt werden. Die Konzepte sehen vor, dass jeder gen den Aufenthalt in der Schweiz erleichtert. Aufgrund Bürger, jede Bürgerin sich ausser in der Muttersprache in wechselnder wirtschaftlicher und politischer Verhältnisse mindestens zwei anderen Sprachen gut verständigen kön- in Europa verdrängen Sprachen des ehemaligen Jugoslawi- ne. Zudem lancieren sie Förder- und Austauschprogramme en und Albaniens das Portugiesisch und Spanisch von den für Erwachsene, wie ENLU, Sokrates und Erasmus. vorderen Plätzen der nebst den Landessprachen genann- ten Hauptsprachen. Das Englisch spielt eine relativ geringe Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen Rolle, liegt jedoch beispielsweise vor dem Türkisch (Lüdi, Unter dem Patronat des Europarates erschien im Jahre Werlen, 2005, 11). Die Schweiz ist sprachlich gesehen ver- 2000 der «Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für gleichbar mit der Europäischen Union, welche über 21 Sprachen» (GER). Er dient als Referenzdokument für die Amtssprachen und rund 60 weitere indigene Sprachen so- Entwicklung von Instrumenten zur Förderung, Planung, wie Dutzende nicht indigene, von Migranten gesprochene Durchführung und Qualitätssicherung von Fremdsprachen- Sprachen, verfügt1. Ihnen gemeinsam ist die Koexistenz unterricht in Europa. Die darin festgelegten Kompetenzbe- verschiedener Sprachgemeinschaften in einem geografi- schreibungen mit sechs Niveaustufen (Elementare Sprach- schen Raum und die Tatsache, dass ein ansehnlicher Teil verwendung: A1 und A2, Selbständige Sprachverwendung: der Bevölkerung über Kenntnisse von mehr als einer Spra- B1 und B2 sowie Kompetente Sprachverwendung: C1 und che verfügt. C2) und die Entwicklung von Zwischenstufen (A1.1, A1.2, Parallel zu dieser Entwicklung wird die Arbeitswelt A2.1, A2.2, B1.1, B1.2, B2.1, B2.2) mit speziellen Deskrip- in Europa und in der Schweiz zunehmend mehrsprachig, toren für jüngere Lernende ermöglichen vergleichbare Ein- und der berufliche Erfolg wird nicht zuletzt bestimmt stufungen von fremdsprachlichen Fertigkeiten. durch die Kenntnis von mehreren Fremdsprachen. In der Publikationen wie Gemeinsamer europäischer Refe- 777 phIakzente 1/2007 renzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen (Euro- Ganz klar spielt das ESP eine zentrale Rolle in der parat 2001) geben eine umfassende Beschreibung von Fä- Koordinationsstrategie der EDK wie auch im Gesamtkon- higkeiten zu kommunikativ erfolgreichem Handeln in den text des Sprachenlernens, zumal es Transparenz und Kohä- Fremdsprachen und definieren intersubjektiv nachvoll- renz in den Sprachlernprogrammen über alle Schulstufen ziehbare Kompetenzniveaus, anhand derer die Lernfort- hinweg schaffen soll. Das Massnahmenpaket zur gesamt- schritte geplant und kontinuierlich überprüft werden kön- schweizerischen Koordination sieht die Einbettung des ESP nen. Entsprechende Deskriptoren, so genannte Kann-Be- in einen Gesamtkontext vor. schreibungen, und Skalen wurden im Rahmen des Natio- Basierend auf den international definierten Kompetenzbe- nalen Forschungsprogramms NFP 33 Wirksamkeit unserer schreibungen des GER sollen Mindestanforderungen be- Bildungssysteme (Schneider und North 2000) ausgearbei- treffend der Sprachkompetenzen für die Volksschule fest- tet. Volksschullehrpläne wie derjenige des Kantons Zürich gelegt werden (EDK-Projekt HarmoS 2004–2008). Diese die- (Oktober 2000) und der neue Lehrplan der EDK-Ost für Eng- nen als Ausgangspunkt für Zielsetzungen im Sprachenun- lisch auf der Primarstufe (2006) beziehen die Lernzielan- terricht und die Entwicklung von Lehrplänen sowie Lehr- gaben für Fremdsprachen auf den europäischen Referenz- mitteln. Das ESP dient in Form der Selbstevaluation der rahmen und die vom Europarat definierte Kompetenzska- Ergebnissicherung und macht Aussagen über die erreich- la. In Zukunft sollen die Sprachfertigkeiten der Schülerin- ten Kompetenzniveaus in den Fremdsprachen. Gestützt nen und Schüler nicht wie bis anhin nach Abteilungen darauf wurde zudem in einem Deutschschweizer Projekt (Sekundarschule A, B oder C), sondern nach Niveaus diffe- LinguaLevel (vormals IEF) entwickelt, ein Beurteilungssys- renziert werden: Niveau 1 weist grundlegende, Niveau 2 tem mit Sprachtests für die Fremdbeurteilung. erweiterte Kenntnisse aus. Dies ermöglicht einen Vergleich Eine grosse Mehrheit der Europäer (65%) gab in einer der Sprachkompetenzen über Schulen und Schulstufen, Umfrage an, dass sie Fremdsprachen in der Schule gelernt aber auch über Kantons- und Landesgrenzen hinweg. hätten5. Umso wichtiger ist es, das Fremdsprachenlernen Die Niveaustufen des GER bilden so einen Bezugsrah- als lebenslangen Prozess in der Schule einzuführen und men, der eine internationale Vergleichbarkeit von Zielvor- Strategien zu vermitteln, jederzeit selbständig die Sprach- gaben, Curricula, Lernprogrammen, Beurteilungsinstru- kenntnisse zu erweitern oder eine neue Sprache dazuzu- menten, Examen sowie Diplomen und Zertifikaten ermög- lernen. Das Europäische Sprachenportfolio bietet die Grund- licht. Der GER stellt ausserdem das Basisdokument dar für lage dazu. die seit 2000 europaweit entwickelten Sprachenportfolios. Lebenslanger Lernbegleiter Europäisches Sprachenportfolio Alle Europäischen Sprachenportfolios werden zentral vom Das Europäische Sprachenportfolio (ESP) ist ein Hilfsmittel Europarat in Brüssel überprüft, bevor sie auf den Markt für Lernende, um das eigene Fremdsprachenlernen Lehr- kommen. Der dreiteilige Aufbau, die Kompetenzbeschrei- mittel – unabhängig zu reflektieren und die Fähigkeiten in bungen anhand von Deskriptoren, die auf dem GER basie- einer oder mehreren Fremdsprachen im europäischen Ver- renden Niveaus sowie der Sprachenpass sind in allen Län- gleich nachzuweisen. Es ist ein Selbstevaluations- und Do- dern und über die Altersstufen hinweg vergleichbar. kumentationsinstrument, jedoch kein Lehrmittel oder Be- urteilungsinstrument der Schule. Als persönliches Doku- 1. Der Sprachenpass bezieht sich auf die zentralen Aspekte ment gibt es Auskunft über die Sprachkenntnisse, ist Teil der Kommunikationsfähigkeit in den Bereichen Lesen, einer erweiterten Leistungsbeurteilung und fördert die Au- Hören, Sprechen (produktiv und interaktiv) und Schrei- tonomie der Lernenden. Seit der Resolution des Europara- ben. Er ermöglicht einen Überblick über den Stand der tes im Jahre 20003 wurden europaweit Sprachenportfolios Sprachkenntnisse und informiert zusammenfassend entwickelt, die sich auf die gemeinsame europäische Skala über die Sprachlernerfahrungen. Die individuelle Be- der Sprachenkenntnisse beziehen und somit eine interna- rücksichtigung aller Sprachen begreift die zahlreichen tionale Vergleichbarkeit ermöglichen. Bis im Schuljahr Sprachen als Reichtum und betont somit die eingangs 2006/07 soll das ESP III (ab 15 Jahre und Erwachsene) in erwähnte Mehrsprachigkeit und Multikulturalität als den verschiedenen Schultypen der Sekundarstufe II einge- Teil unserer Identität sowie als Weg zu mehr Solidari- führt sein, und bis im Jahre 2010 ist die Verwendung des tät. ESP I (6–11 Jahre) und ESP II (11–15 Jahre) in der obligato- 2. Die Sprachbiografie dokumentiert und reflektiert die rischen Schule geplant.4 Nicht definiert wurde in diesem persönliche Geschichte des schulischen und ausser- Zusammenhang, ob die angestrebte Generalisierung einem schulischen Sprachenlernens, wobei auch interkulturel- Obligatorium oder einer Empfehlung entspricht. Laut Bil- le Kompetenzen und Erfahrungen einen bedeutenden dungsratsbeschluss vom 4. September 2006 erwägt der Stellenwert einnehmen. Nebst Instrumenten zur Selbst- Kanton Zürich ein kantonales Einführungskonzept. beurteilung bietet dieser Teil Anregungen, eigene Ziele 8 phIakzente 1/2007 für das weitere Sprachenlernen zu formulieren und die Inhalts- sowie Handlungskontexte einzubinden. Die aktu- nächsten Umsetzungsschritte zu planen. Dadurch sol- ellen Lehrmittel envol (Französisch 5–9), explorers (Eng- len ein lebenslanges Lernen und eine kontinuierliche lisch 4–6) und voices (Englisch 7–9) bieten ideale Voraus- Selbstbeurteilung unterstützt werden. setzungen dazu, zumal sie die Kompetenzniveaus des GER 3. Das Präsentationsdossier ist eine Sammlung eigener berücksichtigen. Spracharbeiten, welche exemplarische, in verschiede- nen Sprachen hergestellte Produkte enthält. Es kann bei Nutzen und Perspektiven Bedarf Interessierte, z.B. Arbeitgeber, verständlich über Bildungspolitisch gesehen bündelt das Europäische Spra- die Sprachkenntnisse informieren. chenportfolio verschiedene Bestrebungen und stützt Re- formen wie die erweiterte Leistungs- und Selbstbeurtei- Das Sprachenportfolio für Kinder (ESP II) weist nebst den lung, das Inhalts- und Handlungsorientierte Lernen, die verfeinerten Niveaustufen und der altersgerechten grafi- Koordination über die Stufen hinweg, die Lernautonomie schen Gestaltung zusätzliche Charakteristiken auf. Es ist in innerhalb und ausserhalb der Schule sowie die Austausch- allen vier Landessprachen erhältlich und enthält in Titeln, pädagogik. Für Unternehmen, Dienststellen und Arbeitge- Texten der Anleitungsbroschüre und im Sprachenpass eng- ber ist es ein Instrument, um die Sprachkompetenzen von lische Ausdrücke. Ein zusätzliches Kapitel widmet sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu (er)kennen, Qualifi- den Lernstrategien mit Anregungen zum Sprachenlernen. zierungen sowie Aus- und Weiterbildung von Angestellten Auch wenn auf eine der Zielstufe angepasste Aufmachung bewusster zu fördern und so deren Ressourcen optimaler geachtet wurde, benötigen die Lernenden zu Beginn Un- zu nutzen. Das Führen eines Sprachenportfolios, und ins- terstützung im Umgang mit dem Portfolio. Im Formular der besondere die transparente und vergleichbare Dokumenta- Sprachkenntnisse sollten sie regelmässig ihren Lernstand tion der Sprachkenntnisse und interkulturellen Kommuni- festhalten. Mindestens einmal jährlich oder bei einem kationskompetenzen verbessern die Chancen am Arbeits- Schulwechsel werden die Ergebnisse in den Sprachenpass markt und erleichtern die Mobilität, um im Ausland zu eingetragen. Der Gebrauch des ESP II, welches eine verbin- leben, zu studieren oder zu arbeiten. dende Funktion zwischen dem entstehenden ESP I und Dies bedingt eine sorgfältige flächendeckende Ein- dem Erwachsenenportfolio hat, fällt in den Zeitraum des führung und kontinuierlich aufbauende Weiterführung beginnenden systematischen Erwerbs von zwei Fremd- des Europäischen Sprachenportfolios auf allen Schulstu- sprachen und bildet zugleich den Übergang von der Pri- fen, aber auch eine Sensibilisierung der abnehmenden mar- in die Sekundarstufe. Denkbar ist, das ESP II bis zum Betriebe und Arbeitgeber. So erwartet beispielsweise die Abschluss der Volksschule zu verwenden und erst mit Schweizer Post, dass den Bewerbungsunterlagen vermehrt Übertritt in die Sekundarstufe II in das dritte Portfolio ein- das ESP beigelegt wird und integriert dieses Instrument zusteigen. Dabei werden der Sprachenpass und ausge- entsprechend in ihren Sprachkursen6. Oder die SBB führt wählte Dokumente aus dem Dossier in das ESP III einge- das Sprachenportfolio7 zugeschnitten auf ihre Bedürfnisse gliedert. Dies ermöglicht eine Kontinuität des individuel- und macht sich somit die europaweit gültigen Normen zu- len Lernprozesses sowie eine Koordination des Fremdspra- nutze. In Schule und Beruf können so Freizeit- und Berufs- chenunterrichts über die Bildungsstufen hinweg. Schliess- mobilität wie auch sprachliche Medienkontakte und die lich bietet sich eine punktuelle Verbindung mit der Arbeit Koexistenz einer Vielzahl von Sprachen in Gemeinschaften in den entsprechenden Fremdsprachenlehrmitteln an, um vermehrt genutzt und mit Hilfe des Europäischen Sprachen- die Lernplanung und -reflexion des Portfolios in konkrete portfolios systematisiert und transparent gemacht werden. 99 phIakzente 1/2007 Auszug aus dem ESP II von M. E. aus B, 2. Sek. Im Französisch scheint dieser Schüler in den schriftlichen Sprachkompetenzen stärker zu sein als in den mündlichen. Je nach späterer Berufswahl, aber auch für die persönliche Planung seines weiteren Lernens der Sprache Französisch kann diese Information wegweisend sein. Im Spanisch hingegen liegt die am weitesten entwickelte Kompetenz im Bereich des Hörens, was zusammenhängen kann mit dem Umstand, dass M. E. dieses Fach erst seit fünf Monaten belegt und der Spracherwerb im Anfängerunterricht stark über die rezeptiven Kanäle wie das (Zu)hören geschieht. Durch regelmässige Einschätzungen des Sprachniveaus und entsprechende Anpassungen im ESP, beispielsweise einmal pro Semester, kann sich das Abbild der Sprachkompetenz ständig ändern. Durch fortschreitenden Unterricht gewinnt der Schüler beispielsweise an Sicherheit im Mündlichen, was im Sprachenpass festgehalten wird. Anmerkungen Europarat für kulturelle Zusammenarbeit (Hrsg.) (2001): Gemein- 1 Die Amtssprachen der Europäischen Union sind ab 1. Januar samer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, 2007 Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Franzö- lehren, beurteilen. Berlin, München: Langenscheidt. (http:// sisch, Griechisch, Italienisch, Irisch, Lettisch, Litauisch, Malte- www.goethe.de/z/50/commeuro/deindex.htm) sisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Schwedisch, Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.) (2003): För- Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch. derung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt. Akti- Nach dem Beitritt Bulgariens und Rumänien werden es 23 onsplan 2004–2006. Amtssprachen in der EU sein. Vgl. Euromosaik-Studie. Lüdi, Georges, Iwar Werlen (2005): Sprachenlandschaft in der 2 Esperanto ist eine neutrale Plansprache, mit dem Ziel, die in- Schweiz. Eidgenössische Volkszählung 2000, Neuchâtel: Bun- ternationale Kommunikation zu verbessern, ohne die existie- desamt für Statistik. renden Sprachen zu ersetzen. Post: Fremdsprachenkompetenz beweisen. In: Die Post. Die Zeit- 3 Resolution vom 17.Oktober 2000 der Ständigen Konferenz der schrift für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Post, 17.Mai Bildungsminister des Europarates zum Europäischen Spra- 2004, Nr. 5 (http://www.post.ch/de/uk_postzeitung_0405.pdf) chenportfolio; in der Schweiz: Erklärung vom 1.März 2001 zur SBB (Hrsg.): Talxx-Sprachprofil für Verkaufs- und Zugpersonal. Lancierung des Europäischen Sprachenportfolios (http://www.clacnet.ch/docs/talxxprofil.pdf) 4 Beschluss der Plenarversammlung der EDK vom 25.März 2004. Schneider, Günther, Brian North (2000): Wirksamkeit unserer Bil- In der Schweiz sind bisher das ESP II und das ESP III erhältlich, dungssysteme, NFP 33. auf Sommer 2007 ist die Endfassung des ESP I geplant. 5 Spezialeurobarometer 243, 2006, 8. 6 Die Post, 5/2004 7 Talxx-Sprachprofil für Verkaufs- und Zugpersonal Literatur Bildungsdirektion des Kantons Zürich, Mittelschul- und Berufsbil- dungsamt: Newsletter Europäisches Sprachenportfolio, März 2006 (http://www.mba.zh.ch/downloads/Projektstellen/Info- MailMärz06.pdf) Bildungsdirektion des Kantons Zürich: Beschluss vom 4.September 2006 Erziehungsdirektorenkonferenz (Hrsg.) (1998): Schweizerisches Gesamtsprachenkonzept. Erziehungsdirektorenkonferenz: Faktenblatt vom März 2004. Europäische Kommission (Hrsg.) (1996): Euromosaik-Studie (http:// ec.europa.eu/education/policies/lang/languages/langmin/eu- romosaic/index_de.html) Europäische Kommission (Hrsg.) (2006): Die Europäer und ihre Sprachen. Eurobarometer Spezial 243. 10 phIakzente 1/2007
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