Lexikon zur Soziologie Lexikon zur Soziologie Herausgegeben von Werner Fuchs-Heinritz . Rüdiger Lautmann Otthein Rammstedt . Hanns Wienold 3., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage Westdeutscher Verlag 3., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage 1994 Alle Rechte vorbehalten © 1973, 1978, 1994 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbe sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Christine Huth, Wiesbaden Satz: ITS Text und Satz GmbH, Herford Gedruckt auf säurefreiem Papier ISBN 978-3-531-11417-0 ISBN 978-3-322-91545-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-91545-0 Autoren Abels, Heinz Köhnke, Klaus Christi an Bald, Detlef Kößler, Reinhart Balla, Balint Kohl, Jürgen Bauch, Jost Kraemer, Klaus Biermann, Benno Kramme, Rüdiger Billerbeck, Ulrich Krause, Detlef Bisler, Wolfgang Krech, Volkhard Blahusch, Friedrich Kröpp, Wolfgang Brusten, Manfred Krohne, Heinz Walter Buchhofer, Bernd Kroner, Bernhard Bügner, Torsten Küchler, Manfred Bühl, Walter L. Laatz, Wilfried Büschges, Günter Lange, Elmar Clausen, Lars Lautmann, Rüdiger Daheim, Hansjürgen Leithäuser, Thomas Dahme, Heinz-Jürgen Lilli, Waldemar Diederich, Ellen Linnenkamp, Günter Dubiel, Helmut Lipp, Wolfgang Eberenz, Udo Lippert, Ekkehard Eich, Dieter Lüdtke, Hartrnut Endruweit, Günter Lüscher, Kurt Epskamp, Heinz Lütke-Bornefeld, Peter Fornefeld, Gabriele Luhmann, Niklas Friedrichs, Jürgen Matthes, Joachim Fuchs-Heinritz, Werner Meulemann, Heiner Fürter, Sonngrit Meuser, Michael Gaidt, Andreas Mey, Harald E. Göbel, Markus Milles, Joachim Grathoff, Richard Motschmann, Jürgen Grauhan, Rolf-Richard Müller, Norbert Gripp, Helga Nippert, Reinhardt Gross, Peter Otto, Hans-Uwe Grunow, Dieter Otto-Walter, Renate Guttandin, Friedhelm Pappert, Peter Harbach, Heinz Puls, Wichard Hartmann, Heinz Rammstedt, Angela Hasse, Antje Rammstedt, Otthein Hegner, Friedhart Reimann, Bruno W. Hinz, Manfred O. Rönsch, Barbara Hörnig, Edgar Rönsch, Horst Dieter Hörning, Karl-Heinz Röttgers, Kurt Hohmeier, Jürgen Rülcker, Christoph Horn, Klaus Sawall, Wolfgang Hüppe, Eberhard Schetsche, Michael Jensen, Stefan Schlehuber, Franz-Karl Karakalos, Babis Schlichting, Uta Kaufmann, Franz-Xaver Schmerl, Christiane R. Kawa, Rainer Schmitz, Ulrich Kern, Lucian Schneider, Siegfried Kirn, Günter von Schoene, Wolfgang Kiss, Gabor Schönleiter, Wolf Klima, Rolf Schütze, Fritz Koch, Volker Schumacher, Maria 6 Autoren Schwarze, Hugo Tschiedel, Robert Seyfarth, Constans Türk, Klaus Sievers, Burkard Tyrell, Hartmann Slesina, Wolfgang Vanberg, Viktor Sprondel, Walter M. Wagner, Annette Stein bacher, Franz Wagner, Gerhard Strubelt, Annemarie Weischer, Christoph Strubelt, Wendelin Weymann, Ansgar G. Sturzebecher, Klaus Wienold, Hanns Thien, Hans-Günther Wittig, Ernst Treiber, Hubert Woesler, Christine Die Initialen der Autoren A.G. Andreas Gaidt H.J.D. Heinz-Jürgen Dahme A.G.w. Ansgar G. Weymann H.L. Hartmut Lüdtke A.H. Antje Hasse H.M. Heiner Meulemann A.R Angela Rammstedt H.S. Hugo Schwarze A.St. Annemarie Strubelt H.Tr. Hubert Treiber A.w. Annette Wagner H.Ty. Hartmann Tyrell B.Ba. Balint Balla H.U.O. Hans-Uwe Otto B.Bi. Benno Biermann H.W. Hanns Wienold B.Bu. Bernd Buchhofer H.W.K. Heinz Walter Krohne B.K. Babis Karakalos J.B. Jost Bauch B.Kr. Bernhard Kroner J.E Jürgen Friedrichs B.R. Barbara Rönsch J.H. Jürgen Hohmeier B.S. Burkard Sievers J.Ma. Joachim Matthes B.W.R Bruno W. Reimann J.Mi. Joachim Milles CRü. Christoph Rü1cker J.Mo. Jürgen Motschmann CRS. Christiane R Schmer! J.K. Jürgen Kohl CS. Constans Seyfarth K.CK. Klaus Christian Köhnke Cw. Christine Woesler K.H. Klaus Horn Ch.W. Christoph Weischer K.H.H. Kar!-Heinz Hörning D.B. Detlef Bald K.K. Klaus Kraemer D.E. Dietcr Eich K.L. Kurt Lüscher D.G. Dieter Grunow K.R. Kurt Röttgers D.K. Detlef Krause K.St. Klaus Sturzebecher E.D. Ellen Diederich K.T. Klaus Türk E.H. Edgar Hörnig L.c. Lars Clausen E.He. Eberhard Hüppe L.K. Lucian Kern E.L. Elmar Lange M.B. Manfred Brusten E.Li. Ekkehard Lippert M.G. Markus Göbel E.W. Ernst Wittig M.K. Manfred Küchler EB. Friedrich Blahusch M.M. Michael Meuser EG. Friedhelm Guttandin M.O.H. Manfred o. Hinz EH. Friedhart Hegner M.S. Michael Schetsche EK.S. Franz-Kar! Schlehuber M.Sch. Maria Schumacher ES. Fritz Schütze N.L. Niklas Luhmann ESt. Franz Stein bacher N.M. Norbert Müller EX.K. Franz-Xaver Kaufmann O.R. Otthein Rammstedt G.B. Günter Büschges P.G. Peter Gross G.E. Günter Endruweit P.L.B. Peter Lütke-Bornefeld G.E Gabriele Fornefeld P.P. Peter Pappert G.K. Gabor Kiss RG. Richard Grathoff G.L. Günter Linnenkamp RKa. Rainer Kawa G.v.K. Günter von Kirn RKI. Rolf Klima G.w. Gerhard Wagner RKö. Reinhard Kößler H.A. Heinz Abels R.Kr. Rüdiger Kramme H.D. Hansjürgen Daheim RL. Rüdiger Lautmann H.Du. Helmut Dubiel RN. Reinhardt Nippert H.D.R Horst Dieter Rönsch RO.W. Renate Otto-Walter H.E. Heinz Epskamp RRG. Rolf-Richard Grauhan H.E.M. Harald E. Mey RT. Robert Tschiedel H.G. Helga Gripp S.F. Sonn grit Fürter H.G.T. Hans-Günther Thien S.J. Stefan Jensen H.H. Heinz Hartmann S.S. Siegfried Schneider H.Ha. Heinz Harbach T.B. Torsten Bügner 8 Die Initialen der Autoren T.L. Thomas Leithäuser W.La. Wilfried Laatz U.B. Ulrich Billerbeck W.LL Waldemar Lilli U.E. Udo Eberenz W.L.B. Walter L. Bühl U.S. Ulrich Schmitz W.Lp. Wolfgang Lipp U.Sch. Uta Schlichting W.M.S. Walter M. Sprondel Y.K. Volker Koch w.P. Wichard Puls Y.Kr. Volkhard Krech W.S. Wolf Schönleiter Y.Y. Viktor Vanberg W.Sa. Wolfgang Sawall W.B. Wolfgang Bisler W.Sch. Wolfgang Schoene W.EH. Werner Fuchs-Heinritz W.S!. Wolfgang Slesina w.K. Wolfgang Kröpp W.St. Wendelin Strubelt Vorwort zur 3. Auflage Das Lexikon zur Soziologie ist für die nun vorliegende 3. Auflage gründlich überarbeitet und erweitert worden. Wiederum sind wir auf der Suche nach neuen Fachbegriffen ein gutes Dutzend Jahrgänge deutschsprachiger Fachzeitschriften der Soziologie und benach barter Disziplinen durchgegangen, haben soziologische Lehrbücher und die in den Vorder grund gerückten soziologischen Monographien der 1980er Jahre daraufhin in Augenschein genommen. Um gut 1000 Stichwörter ist die 3. Auflage des Lexikon zur Soziologie nun erweitert. Zudem sind fast ebensoviele Artikel der 2. Auflage korrigiert, umgeschrieben, zum Teil auch gekürzt worden. Damit ist jedoch der Umfang so erweitert, daß das Lexikon zur Soziologie im vertrauten Format in zwei Bänden hätte erscheinen müssen. Um der damit verbundenen Erschwernis des Umgangs mit dem Lexikon zu entgehen, ist das neue Format gewählt worden. Die Erweiterung des vorliegenden Ausgabe ergibt sich jedoch nur im begrenzten Umfang durch neue soziologische Begriffe, durch neue Wortschöpfungen oder Begriffsübernahmen in die soziologische Fachsprache. Wirklich neue Begriffe sind ca. ein Zehntel der neu aufgenommenen Stichwörter. Überwiegend handelt es sich nämlich nur um Ergänzungen, oder um - letztlich alte - Begriffe aus Problemfeldern, die jetzt von der Soziologie be rücksichtigt werden. Mag vielerorts der Befund, daß die Wortschöpfungen in der Soziologie in den 1980er Jahren rapide abgenommen haben, als Beleg für die immer wieder beschworene Krise der Soziologie und ihres Bedeutungsverlustes genommen werden, so ließe sich derselbe Be fund aber auch als Beleg für den erfolgreichen Institutionalisierungsprozeß der Soziologie anführen. Denn Begriffsschöpfungen sprechen ja nicht nur für ein Problembewußtsein, sondern zugleich auch für ein spezielles Verhältnis zur scienti[ic community. Gerade an die frühen 1970er Jahre mag hier erinnert werden, als sich mehrere Fachsprachen für die Soziologie entwickelten, die sich bewußt und gezielt auch terminologisch trennscharf von einander abhoben; selbst der Begriff Soziologie wurde damals - wieder einmal - grund sätzlich infrage gestellt, ohne daß dabei vom einheitlichen Problemfeld gelassen wurde. Die Institutionalisierung der Soziologie, deren Stand nur zu oft einseitig bis fälschlich am Professionalisierungsgrad abgelesen werden will, erzwingt eine einheitliche Sprache, deren Beherrschung - auch - als Beleg einer erfolgreichen wissenschaftlichen Ausbildung genom men wird. In dieser schul übergreifenden Fachsprache wird sich der Soziologe ausdrücken, wird er Phänomene fassen und Probleme artikulieren. Das ist selbstverständlich, denn das ist die Funktion der Fachsprache. Nun diese Sprache wieder anzuprangern als "Unverhält nismäßigkeit der Mittel", mit der lebensweltliche Dinge beschrieben werden, geht an der Sache vorbei. Denn den Kritikern geht es wohl eigentlich auch nicht darum, daß die so ziologische Sprache unverhältnismäßig sei für die Erfassung von Phänomenen des Alltags, sondern vielmehr daß die Phänomene des Alltags als Probleme unverhältnismäßig seien für die Soziologie. Daß sich manche Dinge eher journalistisch als soziologisch ansprechen lassen, mag ja diskutierbar sein, daß sich jedoch eine journalistische und eine soziologische Arbeit jeweils anders auszudrücken haben, steht jenseits aller Diskussion. Mit der Entwicklung der Soziologie hat sich die Aufgabe des Lexikons zur Soziologie leicht gewandelt: Hatte das Lexikon 1973 die Funktion, eine Übersicht über die soziolo gischen Begriffe mit ihren unterschiedlichen Deutungen durch theoretische Einbindungen zu geben, so liegt der Tenor jetzt bei der Übersicht des Wortschatzes der soziologischen Sprache. Und daß dies beim soziologisch interessierten Publikum auf Nachfrage stößt, belegen nicht nur die verschiedenen Ausgaben und Wiederabdrucke dieses Lexikons, son dern auch andere soziologische Lexika und Wörterbücher, die seit den 1970er Jahren auf 10 Vorwort zur 3. Auflage den Markt gekommen sind. In Abhebung zu einer deutschsprachigen soziologischen En zyklopädie, die immer wieder neu angekündigt und immer wieder doch nicht erscheint, aber immer noch erwünscht ist, hat sich unser Konzept des soziologischen Duden wohl durchgesetzt. Keine größere Anerkennung konnten wir nun finden als durch das 1991 im Oldenbourg-Verlag erschienene Soziologie-Lexikon. Der Herausgeber, Dr. Gerd Reinhold, hat mit unserem Konzept des Lexikon zur Soziologie gleich das Lexikon zur Soziologie mit internalisiert. Sein Soziologie-Lexikon ist ihm somit wohl nur als Kurzfassung des vorliegenden Prototyps erstellbar gewesen. Abgesehen von den 120 Großartikeln - alles originäre Texte - hält sich Reinhold über weite, sehr weite Strecken an unsere Stichwort liste und unsere Erläuterungen. Daß unsere Stichwörter-Auswahl und unsere Begriffsum schreibungen dergestalt sind, daß Kollegen sie für nicht änderbar oder ergänzungswürdig halten, müssen wir als Kompliment hinnehmen. Der Verschnitt unseres Lexikon hat uns aber gerade noch gefehlt: ein Readers' Digest in der Soziologie! Aber im Gegensatz zu diesem Verschnitt hielten wir unsere 2. Auflage für korrigierbar und ergänzungsbedürftig. Daher nun diese 3. Auflage. An ihrem Zustandekommen waren wieder eine große Reihe von Kolleginnen und Kollegen - diesmal fast 30 - beteiligt, die zumeist ganze Bereiche kontrollierten und viele der neu anfallenden Artikel verfaßten. Viel zu verdanken haben wir und das Lexikon zur Soziologie dann den damaligen Mar burger Studierenden S. Albrecht, F. Deumer, P. Grzybowski, S. Hg, Th. Jacobi, A. Pant und K. Schnabel, die uns 1983/1984 schon in zwei Analysen eines Teils des Lexikons zur Soziologie auf Unzulänglichkeiten aus Sicht der Studenten aufmerksam machten und An regungen gaben, wie das Lexikon noch mehr den Bedürfnissen der Soziologiestudierenden entgegen kommen könnte. Verzichtet haben wir auf die früher häufig gewünschten und von uns auch für diese Aus gabe angekündigten Literaturhinweise. Dieser Wunsch korrespondierte in den 1970er Jah ren mit den terminologischen Grenzen zwischen primär politisch verstandenen Theorien. Eine literarische Verortung des Begriffs war erwünscht, um um seine Wertigkeit und damit seine Benutzungsmöglichkeit zu wissen. Aber das hat - vielleicht vorübergehend - dra stisch an Bedeutung verloren. Die Begriffe sind heute kaum noch im Besitz einer Theorie. Sie flottieren vielmehr theorieunabhängig. Daher ist der Wunsch nach Literaturhinweisen in den letzten Jahren fast verstummt; und es bleibt nur die Frage nach der historischen Verortung. Angesichts dieser Situation haben wir weitgehend auf Literaturhinweise bei jenen Begriffen verzichtet, die als gängige Währung von jedem benutzt werden. Hinweise scheinen uns nur notwendig, wenn die Termini als rein historisch, als zwischenzeitlich überholt oder als nicht in die soziologische Diskussion übergegangene einzustufen sind. Begriffsgeschichtliche Einlassungen passen auch nicht als jeweils eigener Part in das Kon zept des Lexikons zur Soziologie. Sie solltcn einem enzyklopädischem Lexikon der Sozio logie vorbehalten bleiben. Das Erscheinen dieser neuen Auflage ist mir aber auch Anlaß, an den Tod unseres Freun des Rolf Klima zu erinnern. Er starb 1984. Sein Einsatz und Engagement als Mitheraus geber hatten die bei den erstcn Auflagen des Lexikon zur Soziologie mit geprägt. Die jetzt vorgelegte Auflage zeigt, wieweit wir ihm verpl1ichtet bleiben. Taden, August 1993 Otthein Rammstedt Vorwort zur 1. Auflage Ein Lexikon der soziologischen Begriffe schcint bei der derzeitigen Zersplitterung der Wissenschaft unmöglich - und doch zugleich wegen dieser Zersplitterung notwendig. Not wendig wäre ein umfassendes Sachwörterbuch für Studierende, um die Literatur dieser zum Teil literarisch anmutenden Wissenschaft zu verstehen, in der Begriffserfindungen und -uminterpretationen häufig einen Mangel an qualitativer Originalität zu verschleiern schei nen; dieses Übel zeugt sich fort, indem Wissenschaftler für einen bestimmten Sachverhalt lieber einen neuen Terminus prägen als zeitraubend den Kontext bereits eingeführter Be griffe nachzuprüfen. Unmöglich mutet das Unterfangen solch eines Lexikons schon da durch an, daß die Begriffe verschiedener Richtungen und Schulen nicht in einer einheitli chen Art und Weise "neutral" umschrieben, erklärt, geschweige denn definiert werden können, ohne rigid in die wissenschaftliche Auseinandersetzung einzugreifen oder der ge meinten Aussage von Begriffen Gewalt anzutun, indem man doch Partei ist. Die Zersplit terung kann nicht als Wissenschaftspluralismus und der Fachbegriff nicht zum kleinsten gemeinsamen Nenner umgedeutet werden - im Anfang war das Wort. Somit gibt es kein Lexikon der Soziologie, das entweder jenseits aller Gegensätze angesiedelt ist und diese widerspiegelnd zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen kann, oder das Begriffe, indem es sie aus ihrem wissenschaftlichen und historisch-gesellschaftlichen Kontext her ausreißt, auf einmal als distinkt und als tragfähige Grundsteine anzubieten vermag. Als das vorliegende Lexikon 196R konzipiert wurde, waren zwei Ziele angestrebt: Zum einen sollte bei der feststellbaren Ausweitung des Interesses an Soziologie - dies im wis senschaftlichen wie im öffentlichen Bereich - den Studierenden und den Nicht-Fachsozio logen ein "gesellschaftswissenschaftlicher Duden" erstellt werden, d.h. ein Nachschlage werk, in dem eine Vielzahl von Begriffen knapp und exakt erklärt wird und in dem nur dort, wo es für das Verstehen notwendig erscheint, der theoretische Rahmen mit anzudeu ten sei. Zum anderen war beabsichtigt, die Fachsprache der gegenwärtigen Soziologie in der Bundesrepublik durch die dargebotene Menge der Termini wiederzugeben; dies sollte sowohl dazu beitragen, die Flut der Begriffsneuschöpfungen einzudämmen, die eine Ver einheitlichung der Fachsprache unmöglich werden läßt, als auch dem Verständnis zwischen verschiedenen Lehrmeinungen dienen. Um Verzerrungen zu vermeiden, um keine be stimmte Schule oder Richtung bei der Auswahl der Stichwörter, bei der Suche nach Au toren und bei der Korrektur der Artikel unversehens zu der Soziologie werden zu lassen, taten wir fünf Herausgeber uns zusammen, die wir uns verschiedenen Orientierungen an gehörig fühlten. Um eine möglichst vollständige Stichwortliste zu bekommen, haben wir die Bücherlisten der soziologischen Institute, Seminare und Fachbereiche der Universitäten in der Bundes republik und Westberlin, welche die den Studenten zur Lektüre empfohlene Literatur bzw. die für die Examina vorgeschriebene Pflichtlektüre enthalten, und andere uns repräsentativ erscheinende Literatur ausgewertet. Durch Verschlagwortung dieser Bücher kamen wir auf etwa 15 000 Begriffe, aus denen ca. 6000 als erklärungsbedürftig für das Lexikon ausge wählt wurden: hinzu kommen Ergänzungen aus der aktuellen Literatur. Rapide Veränderungen während der letzten vier Jahre in den Sozialwissenschaften sowie die interne Ausweitung der Soziologie - beides trug dazu bei, selbst den Begriff Soziologie als problematisch zu empfinden - haben auch die Zielsetzung des vorliegenden Lexikons berührt: Ob ein Lexikon dem Verständnis zwischen divergierenden soziologischen Rich tungen mit je eigenem Wissenschaftsverständnis dienen kann, wird von uns heute skepti scher beurteilt als je zuvor. Die Diskussionen - oder wohl besser Doppel-Monologe - zwischen Adorno und Popper, Habermas und Albert deuteten schon an, was sich jetzt zwischen Habermas und Luhmann wiederholte und was auch für ein Lexikon zu denken