Die Bedrohung derLebenswelt durch den Menschen nimmt katastrophale Ausmaße an. Nur ein neues ethisches Be tsein ~-----d--e-n- Fehlentwick- lungen entgegenwirken. Das Lexikon der Umweltethik bietet in dem schwer ·überschaubaren Pro blemfeld erste Orientierung. Es stellf die verschiedenen K:onzepte.u nd An sätze dar und will dadurch das Wert~ empfinden in Bezug a~f die Mitwelt wecken, U mweltbe tsein schaffen und versachlichen. Ausführliche Literaturhinweise .e· r möglichen eigenständiges Weiter arbeiten. V&R Lexikon der Umweltethik von Gotthard M. Teutsch Vandenhoeck & Ruprecht· Göttingen Patmos Verlag· Düsseldorf ClP-Kurztitelaufüahme der Deutschen Hibliothek Teutsch, GotthardM .: Lexikon der Umweltethik/ von Gotthard M. Teutsch. - Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht; Düsseldorf: Patmos-Verlag, 1985. ISBN 3-525-50119-6 (Vandenhoeck u. Ruprecht) ISBN 3-491-77629-5 (Patmos) NE:HST © Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1985. - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto-oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesetzt aus Baskerville aufLinotron 202 System 3 (Linotype). Satz und Druck: Gulde-Druck GmbH, Tübingen Bindearbeit: Hubert & Co., Göttingen Vorwort Umweltethik ist ein aus krisenhaften Erscheinungen entstandenes, neues und noch unübersichtliches Arbeitsfeld, dem sich die für Ethik Zuständigen - von Ausnahmen abgesehen - erst seit wenigen Jahren zuwenden. Viele fragen: Warum hat unser Gewissen nicht früher rebel liert, und an welchen Werten sollen wir uns jetzt orientieren? Zu diesem Fragenkreis bietet das Lexikon erste mögliche Antworten. Dabei müs sen nicht nur Fachgrenzen übersprungen werden, um möglichst nicht zu übersehen, was an Denkansätzen vorhanden ist, sondern es muß auch eine gewisse Vorläufigkeit in Kauf genommen werden. Vieles ist nur annäherungsweise umschrieben, weil es mehr unbe stimmtes Wertempfinden gibt als objektiviertes Bewußtsein. Auch man che traditionellen Begriffe sind kaum zu verwenden, weil der historisch gewachsene Sprachgebrauch die eigentlich naheliegende Bedeutung ausschließt. So bedeutet das in den dreißiger Jahren entstandene Wort ,,Luftschutz" nicht etwa den Schutz der Atmosphäre vor Abgasen, sondern den Schutz der Bevölkerung vor Fliegerangriffen. Und „Pflan zenschutz" betrifft nicht den Schutz der Vegetation oder bedrohter A1"le11s,u u<lern <leu Schut.1 <ler N ut.1µila11.1ev1o1r tierischen u<ler µilauz lichen „Schädlingen" einschließlich ertragsmindernder „Unkräuter". Eine Folge des noch provisorischen Zustandes der Umweltethik ist die Unmöglichkeit, den üblicherweise konzentrierten Stil eines Lexikons zu übernehmen. Viele Ansagen sind noch so neu, daß es ratsam er schien, dem Leser die einzelnen Stichworte immer in einem etwas größeren Zusammenhang zu erläutern und auch reichlich Literaturhin weise zu geben, die sich auf ein ausführliches Verzeichnis am Ende beziehen. Die alphabetische Anordnung der Stichworte macht es schwer, den inneren Aufbau des Lexikons zu erkennen. Als Einstieg empfiehlt es sich, den Hauptartikel „Umweltethik" zu lesen. Von ihm aus ergeben sich allgemeinethische und umweltrelevante Fragestellungen und The men, die dann in Einzelartikeln weiterbehandelt werden. Als Ord nungsgesichtspunkte werden im Unterschied zu gängigen Verfahren jedoch weniger die historische Entwicklung oder die Aufteilung in reli giös, philosophisch oder naturwissenschaftlich orientierte Konzeptio nen betont, als die Kategoriend er Reichweite,d . h. die Frage, ob es sich um egozentrische, anthropozentrische, pathozentrische, biozentrische oder Vorwort 6 schließlich um holistische Konzeptionen handelt. In diesen Raster las sen sich die verschiedenen Konzepte und Ansätze am ehesten ein ordnen. Das Lexikon will aber nicht nur Information vermitteln, es will auch Wertempfinden in Bezug auf die Mitwelt wecken. Es nimmt Partei für die Schöpfung. Wo Anliegen und Engagement eine Rolle spielen, wächst immer auch die Gefahr subjektiver Einseitigkeit; um so mehr danke ich den Kollegen Claus Günzler, Gerhard Liedke und Hans Joachim Wer ner, die durch kritisches Gegenlesen dazu beigetragen haben, dieser Gefahr zu begegenen. C. Günzler und H. J. Werner' haben sich dabei insbesondere dafür eingesetzt, daß auch umweltethisch relevante Denk ansätze aus der philosophischen Tradition der Vergangenheit erwähnt werden. In Bezug auf die Begrenzung der Stichworte und die Ausführlichkeit der einzelnen Artikel ist jedes Lexikon ein Kompromiß aus Kostenbe rechnung und Umfang. Viele der zuerst entstandenen Artikel mußten hinterher massiv, oft bis zur Hälfte des ursprünglichen Umfanges ge kürzt werden, um im Gesamtrahmen zu bleiben. Diese Knappheit ist aber wohl dem angestrebten Überblick zugute gekommen. Ein Wort des Dankes gebührt dem Hodegetischeµ Institut der Päd agogischen Hochschule Karlsruhe für vielfältige Hilfe, Frau Margot Aschenbrenner für das Korrekturlesen und Frau Annerose Bender für Jie Jurch verschiedene Überarbeitungen erschwerte Schreibarbeit. Bayreuth, im Frühjahr 1985 G. M. Teutsch Ägyptische Ethik hat das jüdische Denken im Verhältnis zur belebten Natur stark beeinflußt, allerdings nicht in Bezug auf die imjudentum entstandene Vorstellung von der Herrschaft des Menschen ((cid:157) Steward sh ip). Erik Hornung (1967, S. 72) ist der Meinung, daß sich die Ägypter zu allen Zeiten der gemeinsamen Herkunft aus der Hand eines Schöpfer gottes bewußt waren, der keines seiner Geschöpfe zum Herren über andere eingesetzt hat. Das Verhältnis des Menschen zum Tier war also nicht Herrschaft, sondern Partnerschaft. Di<;se auf gleichrangiger Ge schöpflichkeit beruhende Gemeinsamkeit wurde jedoch nicht als starrer Rahmen empfunden, sondern schloß die Möglichkeit ein, daß Tiere einerseits zu Göttern werden konnten, andererseits vom Menschen ge nutzt, gejagt und getötet wurden. Trotzdem überdauert die Gemein samkeit auch den Tod und setzt sich imJ enseits fort. Wie der Mensch, so wird auch das Tier durch den Tod zum „Osiris", und auch Tiere können als Kläger vor demJ enseitsgericht erscheinen. So fühlt sich nicht nur der Mensch in der göttlichen Weltordnung geborgen, sondern im Sonnengesang des Echnaton (1370-1325 v. Chr.) wird, wie in Ps 104, auch der Tiere und Pflanzen g-edacht: ,,Alles Vieh ruht auf seinen Weiden, / Die Bäume und Gewächse gedeihen, / Die Vögel flattern über ihren Sümpfen,/ Die Flügel erhoben in Anbetung zu dir./ Alle Antilopen tanzen aufihren Beinen,/ Alle Geschöpfe, die in der Luft und die sich niederlassen, / Sie leben, wenn du auf sie geschienen hast." (Zitiert nach]. H. Breasted1 950, S. 275). WeitereL iteratur:A . Ermann 1978, S. Morenz 1977. Ahimsa ist ein indischer Begriff und bedeutet das Nicht-töten- oder, noch allgemeiner, das Nicht-schädigen-Wollen. Aber das ist nur der formale Wortsinn. Seine umfassende Bedeutung und ethische Radikali tät hat er insbesondere durch Mahatma Gandhi gewonnen, mit dem wir auch den Begriff der Gewaltlosigkeivt erbinden. Aber A. ist auch mehr als Gewaltlosigkeit oder passiver Widerstand. GustavM ensching( 0. J. S. 99) beschreibt das A. gebot so: ,,Daß man kein Lebewesen verletzen darf, ist wohl nur ein Teil davon, aber damit ist noch das wenigste darüber gesagt. Das Prinzip der ahimsa wird durch jeden bösen Gedanken Anthropozentrische Umweltethik 8 ebenso gebrochen wie durch ungebührliche Hast, durch Lüge, Haß und dadurch, daß man jemandem Übel wünscht." Hier ist die Nähe zum fünften Gebot (du sollst nicht töten), wie es in der Bergpredigt radikali siert wird, unverkennbar, der Einfluß Tolstojs besonders deutlich. Dabei hat Gandhid en orthodoxen Hinduismus immer wieder heraus gefordert, und es ist für die religiöse Leidenschaft Indiens typisch, daß er von einem Fanatiker des eigenen Glaubens ermordet wurde. Er, der die Heiligkeit der Kuh immer wieder in den Mittelpunkt seiner religiösen Lehre stellte, hatte, wie Albert Schweitzer (Werke 2, S. 633) berichtet, dem qualvollen Todeskampf eines Kalbes ein Ende gemacht und so formal gegen das Tötungsverbot verstoßen. Er hatte gezeigt, daß A. eben viel mehr ist als bloßes Nicht-Töten oder Nicht-Handeln, sondern gegebenenfalls auch ein aktives Eingreifen aus - Mitleid. Für das euro päische Denken ist es bezeichnend, daß wir A. eigentlich nur als Gewalt losigkeit im politischen Bereich kennengelernt haben, und die sich im Zuge der Friedensbewegung anbahnende Gandhi-Renaissance beruht im wesentlichen auf dieser politischen Gewaltlosigkeit. A. ist eine Vorstellung, die sich in allen Religionen Indiens findet, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. A. als Gebot wird am konsequentesten im Jainismus (- KulturreligionenII ) gefordert und be achtet. Sogar von den Pflanzen dürfen nur die regenerierbaren Teile gegessen werden. In dieser Radikalität ist A. ohne Parallele. Schweitzer bezeichnete die Entstehung dieses Gebotes als „eines der größten Ge schehnisse in der Geistesgeschichte der Menschheit" (Werke 2,502). A. ist der Anknüpfungspunkt für jede Form einer - biozentrischenU mwelt ethiki n Indien und hat mit Sicherheit aber auch die Ethik der- Ehifurcht vord emL ebenb eeinflußt. Literatur:I m Text erwähnt. Altruismus: -Wohlwollen III Anthropozentrische Umweltethik (griech. anthropos = Mensch) versteht die Welt als auf den Menschen hingeordnet: alles dient seinen Zwecken, alles ist nur Mittel für ihn. Hintergrund dieses Welt- und Menschenbildes ist eine den historischen Humanismus mißverstehende und den Menschen maßlos überschätzende Sichtweise, nach der die - Natur zur bloßen - Umweltd es Menschen wird. Diese Position hat eine lange Tradition und wird von RobertS . Brumbaugh( 1978, S. 8) schon in