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Leseprobe aus »Ach, Papa« von Mareike Nieberding PDF

21 Pages·2017·2.24 MB·German
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Mareike Nieberding Ihre ganze Kindheit und Jugend wurde Mareike Nieberding von ihrem Vater eingesammelt und abge- holt. Egal, wo sie war, egal, wie betrunken, egal, mit wem unterwegs. Um ein Uhr nachts vom Schützen- fest, um sieben nach der Schicht in der Kneipe. Auf ihren Vater war Verlass. Irgendwann zwischen damals und heute haben die beiden aufgehört, sich g kennenzulernen. Holt er sie heute vom Bahnhof ab, n Von der Kunst, wieder zueinander zu finden reden sie auf dem Weg nach Hause über das Leben i ge d von Nachbarn und Bekannten, bis sie schließlich Fei r as Ein Papakind – das war Mareike Nieberding lange Zeit. e wortlos vor ihrem eigenen stehen. Wenn sie ihm n b o gegenübersitzt, fragt sie sich, wer dieser ergrauende © J Ihr Vater zeigte ihr, wie man einen Seemannsknoten bin- e det und wie man den Wind auf dem Wasser liest. Er war i Mann mit den Sommersprossen eigentlich ist, was er N fühlt und denkt, ob er glücklich ist. Sie streiten nicht. ihr Beschützer, Tröster, immer für sie da. Bis sie auszog Mareike Nieberding, geboren 1987 in Damme, und ein eigenes Leben begann. Ach, Papa erzählt, warum e Sie haben sich nur nichts zu sagen. k hat in Berlin und Paris Literaturwissenschaft und die meisten Tochter-Vater-Beziehungen nach der Pubertät i e Publizistik studiert. Sie lebt in Hamburg. Seit der nicht mehr dieselben sind, und es erzählt die Geschichte r Ach, Papa erzählt von Jahren der Sprachlosigkeit und a Ausbildung zur Redakteurin an der Deutschen einer bewegenden wie mutigen Wiederannäherung. M davon, wie man sich als Tochter und Vater wieder Journalistenschule in München schreibt sie u. a. für nahekommt, wenn man sich schon fast verloren hat. Die Zeit, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und »Mareike Nieberding ist eine tolle Autorin. Der Spiegel. Nach der Wahl von Donald Trump hat Sie schreibt direkt und klar, mit Wucht und Flow.« sie die Jugendbewegung DEMO gegründet. Volker Weidermann a v o n p Wie mein Vater und ich m Deutsche Erstausgabe ISBN 978-3-518-46812-8 a 15,4€ 14,9€ rk wieder zueinanderfanden 0 [A5 [D h 9 783518 468128 ]] u suhrkamp nova www.suhrkamp.de s Mareike Nieberding Wie mein Vater und ich wieder zueinanderfanden Suhrkamp ErsteAuflage2018 suhrkamptaschenbuch4812 Originalausgabe ©SuhrkampVerlagBerlin2018 SuhrkampTaschenbuchVerlag AlleRechtevorbehalten,insbesonderedasderÜbersetzung, desöffentlichenVortragssowiederÜbertragung durchRundfunkundFernsehen,aucheinzelnerTeile. KeinTeildesWerkesdarfinirgendeinerForm (durchFotografie,MikrofilmoderandereVerfahren) ohneschriftlicheGenehmigungdesVerlagesreproduziert oderunterVerwendungelektronischerSysteme verarbeitet,vervielfältigtoderverbreitetwerden. Satz:Satz-OffizinHümmerGmbH,Waldbüttelbrunn Druck:CPI–Ebner&Spiegel,Ulm Umschlag:MaraHellmann PrintedinGermany ISBN978-3-518-46812-8 Von:MareikeNieberding An:Papa Re:Lebensfragen|Kinder WusstestDuschonimmer,dassDuKinderwillst? Ja. Warum? WeilKinderfürmichdaslogischeErgebniseineraufeingan- zesLebenausgerichtetenBeziehungsindundweilichfinde, dass man ihnen eine Chance auf ein erfülltes Leben geben muss. InwieferngehtmanmitdemErstgeborenenandersumalsmit demzweitenoderdrittenKind? Ich denke, dass man mehr Erwartungen und Hoffnungen hat. WiehatDeineeigeneErfahrungdenUmgangmitmirbeein- flusst? IchwaralsKindundauchspätereinemübergriffigenVater ausgeliefert.Übergriffigistfür michjemand,derseineMit- menschen einschränkt und ihnen Dinge aufzwingt, die sie selbstnichtwollen.BeideswollteichmeinenKindernniean- tun. WarstDubereitfürKinder? Ja. 65 HastDudieVerantwortungunterschätzt? Das kann ich so nicht sagen, allerdings verhilft einem der Kinderwunsch zu einer gewissen Blauäugigkeit nach dem Motto:»Daskriegenwirschonhin!« FühlstDuDichnochimmeralsdasKindDeinerMutter? DasKind-Sein-Gefühlgehtnieganzweg.Allerdingswächst das Verantwortungsgefühl für die eigenen Eltern mit den JahrenundmitzunehmendemAlter meinerMutter. WennDumitzweiWortenbeschreibenmüsstest,wieDuunser- zogenhast,welchewärendas? GroßzügigundzuSelbständigkeit. IsteinMenschschonwieerist,wennerodersieaufdieWelt kommt,oderwerdenMenschenvonihrerUmgebungzudemge- macht,wassiesind? Ichglaube,dassVeranlagungundCharakterschonsehrfrüh vorhandensind,abervorallenDingeninganzfrüherJugend durchdasBeispielderElternbeeinflusst werdenkönnen. WelcheEigenschaftenDeinerElternentdeckstDuinDir? DielatenteJähzornigkeit vonmeinemVateralsschlechteEi- genschaftundeingewissesPhlegmavonmeinerMutter.Auf deranderenSeiteeingutesGefühlfürZahlenundwirtschaft- licheAbläufevonmeinemVaterundEmpathieundHerzens- wärme vonmeinerMutter. WelcheDeinerundMamasEigenschaftenentdeckstDuinmir? AlsguteEigenschaftenOffenheitundimmerwährendeNeu- gier,ZielstrebigkeitundDurchsetzungswillen.Sowieeingro- 66 ßerOptimismus.AlsschlechteEigenschaften:DuregstDich sehrschnellaufundlässtandereMeinungenungernstehen. WaserwartestDuvonDeinenKindern? DassSieIhrenWeggehenunddieFamiliealsganzwichtigen TeildesLebensachtenundrespektieren. WannwarstDudasletzteMalvonmirenttäuscht? AlssowohlDualsauchMamamichziemlichbrüskabgekan- zelthabt,weilichirgendetwasgesagthabe,wasihrandersge- sehenhabt. WennDuallesnochmalvonvornemachenkönntest–waswür- destDuandersmachen? Ichglaube,ichwürdenichtsandersmachen,weileinZusam- menlebennicht wieeinBusinessplanfunktioniert,sondern voneiner Situationzur nächstenlebt. 67 ImRadioläuftKatyPerry: Are wecrazy? Livingourlivesthroughalens Trappedinour white-picketfence Likeornaments Socomfortable,weliveinabubble,abubble Socomfortable,wecannotseethetrouble,trouble. DieWeltbewegtsichinSUVsundLastwagen.DerTempomat stehtbei140.AufderAutobahnmussmanschonhartnäckig starren, bis malein Überholter zur Seite guckt und irritiert zurückglotzt. Fährt man mit dem Auto durch unser Dorf, drehensichdieKöpfe.KeinVorbeifahrerbleibtunregistriert. Essindjanichtsoviele.AufderAutobahnistrausguckenfür mich andiesemFreitagmorgenaufderA1inRichtung Frei- burg einfacher, als reinzugucken, hinzugucken, zu Papa. IhndasitzenundfahrenzusehenwieschonsovieleMalvor- her.DasGuteamAutofahrenist ja,dassmansichbeimRe- den nicht in die Augen schauen muss.Dass man ohne Ent- schuldigungstur geradeausschauenkann. AnnäherungohneKonfrontation. DieersteZigaretterauchternach82MinutenFahrzeit,um 6:44Uhr.Esistungewohnt,solangezusammenunterwegs 69 zusein.NochviereinhalbStunden.IchstelleFragen,umdie Stillezufüllen.SowiederSmalltalkzuBeginneinesRecher- che-Termins, mit dem manden Interviewpartner und sich selbst warmquatscht und herausfindet, auf welcher Ebene man diesen Fremden jetzt zum Reden bekommt: über Hu- moroderProvokationoderTiefschürfen. EinInterviewistimmeraucheinFlirt.Egal,obdaeinMann odereine Frau sitzt.Es geht darum, dem anderen etwaszu entlocken, das er sonst noch niemandem erzählt hat. Das kanneinekleineAnekdoteseinoderdiegroßeLebensbeich- te.Hauptsache, manhat mehr rausbekommenals die ande- ren. Mit Papa funktioniert das natürlichnicht.Dafür ist un- ser Kommunikationsverhalten viel zu belastet, war viel zu oft vonanderenMenschenimRaumbeherrscht. Aber nun sind wirallein. Im Autoriecht es nach Zigaret- ten,PlastikundPapasShampoo.DerTagist kaumangebro- chenundwirrasselndurchseineVergangenheit,durchsein Studium in Freiburg, seine Zeit in Münster und Hamburg. Ichbinganzundgar imInterviewmodus: Erinnerst du dich noch, wie du das erste Mal nach Frei- burggefahrenbist? Weißt du noch, wie du dich gefühlt hast, als du von zu- hauseausgezogenbist? WashatOpadagesagt? WiehatOmadageguckt? UnddeineGeschwister? Unddie altenFreunde? Wiehabt ihrdennKontaktgehaltendamals? UndwohastdualsErstesgewohnt? WiehießdieStraße? Wasfürein Autobistdugefahren? 70 Undwieoftwarstdudannzuhause?Ach,nurzweimalim Semester.Krass.Ichdenke:Undmirhabtihrdasimmervor- geworfen,dassichsoseltenzuhausewar.Ichverhaltemich nichtwieeineinteressierteTochter,sondernwieeineJourna- listin, die in kürzester Zeit die meisten Informationen aus demGegenüberherausholenwill.InklusivederFarbeseines ersten Autos (Weiß, es gehörte eigentlich Oma), der Deko- ration in seiner Studentenbude (keine Poster an der Wand, nichts), der Musik, die er damals gehört hat (Supertramp, Queen,UriahHeep,sowas).UnserGesprächistwiederBe- rufsverkehr drum herum, es fließt, aber zwischendurch müssenwirauchmalscharfbremsen,weilichzuschnellan- gefahrenbin. DieerstePausemachenwirbeiOlpe,Nordrhein-Westfalen, ein Pott Kaffee und nocheine Zigarette für Papa. »Und, wie istes,alleinmitdeinemPapsiunterwegszusein?«,fragter. IchschaueaufdenMülleimervoruns,dorttänzelteineBach- stelze,undmirfälltein,dassdasaufPlattdeutschWippsteert heißt, »Schön!«, sage ich und lächle verlegen, während ein Mann mit einem Bialetti-Kaffeekocher über den Parkplatz läuft, woraufhin ich anfange vonden Kaffeegewohnheiten des algerischen Vaters einer Freundin zu erzählen, der kei- ne Reise ohne seinen Mokkatopf antritt. Ich lenke ab. Papa hat seinen Fahrerkaffeefrüher immer ineiner grünen Vilsa- Glasflasche links neben seinem Sitz deponiert. Ich kann michnichterinnern,inunseremHaushaltjeeineThermos- kanne gesehen zu haben. Das fällt mir noch ein, aber ich sage es nicht. Dann geht es weiter. Ich schlafe. Ich wache auf. »Na, gut geschlafen, mein Engelchen?« Hinter Frank- furt sitzen Flugzeuggucker auf einer Brücke über der Auto- bahn.Ichfragemichlaut,warum.Ersagt:»Vielleichthaben 71 dieFrauensiehinausgejagt,weilsieputzenwollen.«Ichsage: »Haha.« Ichbeobachteihn.SeineAugenwerdenklein.Fahrerwech- sel.»Ichbinwirklichnicht müde!«Widerwilligfährterauf dennächstenParkplatzundlässtmichansSteuer.Ichfahre seit zwölf Jahren Auto, unfallfrei. Trotzdem erklärt er mir, wie der Tempomat funktioniert. Die Autobahn ist voll, an- dauernd muss ich abbremsen und den Tempomat wieder neu aktivieren.Er schaut mir auf die Finger. Ich fühle mich wieinderFahrschule.Irgendwannschläfterein.KopfimNa- cken,dieKissen,dieichihmangebotenhabe,hateraufden Rücksitz geworfen. Tüdelkram. Später wird er mich loben, wiegut ichgefahrensei. Früher, vielleicht sogar noch am Abend vor der Abreise auf demSofabeiMaybrit Illner,hätte ichmich alsFrauvon seinem Lob angegriffen gefühlt. Hätte mich über das Frau- am-Steuer-Ungeheuer-Stereotypgeärgert. DieZeitimAutomitihmstimmtmichmilde.Diefragen- de, genervte, irritierte Tochterstirn glättet sich schon nach fünf gemeinsamen Stunden.Vielleicht ist in Beziehungen nicht nurdasRedenwichtig,sondernauchdasSein. IchmeinedamitnichtdasgemeinsameSchweigen,wiees immerüberPartnerschaftenoderFreundschaftenheißt.Weil Schweigeneine Handlung ist und dem Wunsch entspringt, nichtssagenzuwollen.DasSeinistnichts,wasmanaktivent- scheidenodersich wünschen kann. Man ist einfach, und so- mit kann das Sein auch beim anderen nichts hinterlassen, außer demwohligenGefühl, nichteinsamzusein. DaszweisameSeinheißt,Zeit verstreichenzulassen.Da- für mussmansich Zeit nehmen. Sowie meine Mutter und ichunsjahrelangimmerwiedereinpaarTagefreigenommen 72

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