Leitsymptom Angst Herausgegeben von P. G6tze Mit Beitragen von O. Benkert N. Birbaumer K. Bahme A. Boll W. Butollo J. Danckwardt P. Dettmering P. Gatze J. Gross I. Hand S. o. Hoffmann G. Huse-Kleinstoll K. Kahle W. Larbig W. Maier C. Nedelmann M. Philipp C. Rohde-Dachser C. Scharfetter H. Strotzka Mit 9 Abbildungen und 12 Tabellen Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Tokyo 1984 Professor Dr. med. Paul Gotze U niversiUitskrankenhaus Hamburg-Eppendorf Martinistr. 52 2000 Hamburg 20 -11- ISBN-13:978-3-540-13048-2 e-ISBN-13:978-3-642-93259-5 DOl: 10.1007/978-3-642-93259-5 CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Leitsymptom Angst / hrsg. von P. Gotze. Mit Beitr. von O. Benkert ... - Berlin; Heidelberg; New York; Tokyo: Springer, 1984. ISBN-13:978-3-540-13048-2 NE: Gotze, Paul [Hrsg.]; Benkert, Otto [Mitverf.] Das Werk ist urheberrechtlich geschutzt. Die dadurch begrundeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ahnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergutungsanspruche des § 54, Abs. 2 UrhG werden durch die ,Verwertungsgesellschaft Wort', Munchen, wahrgenommen. © by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1984 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dies em Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Produkthaftung. Fur Angaben uber Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewahr ubernommen werden. Derartige Angaben mussen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall an hand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit uberpruft werden. Gesamtherstellung: Zechnersche Buchdruckerei, 6720 Speyer 2119/3140-543210 Vorwort Angst ist ein Grundgefiihl des menschlichen Lebens, zeitlos und in allen Kultu ren vorkommend. Wir aIle kennen Angst und erfahren sie Higlich bei unseren Patienten. Wir glauben daher meist auch zu wissen, was Angst ist. So scheinen AuBe rungen wie "ich habe Angst" oder "mich iiberfallt Angst" eindeutig und fUr je den verstandlich zu sein. Die Angst wird gleichsam personifiziert erlebt. Fragen wir jedoch genauer, wie sich die Angst sowohl individuell als auch kollektiv auBert, so stehen wir vor erheblichen Schwierigkeiten, die Vielfalt v. a. der psycho-physischen und sozialen Ausdrucksformen der Angst zu erfassen und zu objektivieren. Fragen wir, wovor Angst empfunden wird, so fallt auf, daB das Verstandnis Angsten und deren angenommenen Ursachen gegeniiber sehr unterschiedlich sein kann. So bedarf Angst in einer realen Bedrohung keiner Erklarung, sie ist als Gefahrensignal natiirlich und verniinftig. Andererseits sind viele Angste je doch auf den ersten Blick nieht so leicht verstehbar oder erscheinen unsinnig, weil scheinbar unbegriindet. Dies zeigt sich am deutlichsten am Beispiel der Phobie, wo nach psychoanalytischer Auffassung der zugrundeliegende angst besetzte Triebkonflikt im UnbewuBten verbleibt, das phobische Symptom hin gegen im Sinne einer neurotischen KompromiBbildung im BewuBtsein auf taucht und auf eine unvollstandige Angstbewaltigung hinweist. Nicht zuletzt stell en sich auch die Fragen: Wie gehen wir mit den Angsten urn, d. h. wie begegnen wir ihnen und wie bewaltigen wir sie? In dem vorliegenden Buch wird nicht die Absicht verfolgt, das diagnostische und therapeutische oder auch mehr gesellschaftspolitische Wissen zur Angst in Theorie und Praxis in einem umfassenden Oberblick zu vermitteln. Es geht vielmehr da urn diagnostische und therapeutische Aspekte der Angst, wo sie aktuell im Vordergrund steht oder wesentlich das Krankheitsbild mitbestimmt im Sinne eines Leitsymptoms. Dies gilt einerseits insbesondere fiir die Angst krankheiten, wie Angstneurosen und Phobien, andererseits aber auch fiir psy chotische oder suizidale Befindlichkeiten, fiir psychische Reaktionen im Zu sammenhang mit korperlichen Erkrankungen oder Eingriffen oder auch fUr Befindlichkeiten wahrend des psychotherapeutischen Verlaufsprozesses. Auch wird wiederholt in den Beitragen mit Hilfe anschaulicher FaIlskizzen oder Se quenzen nicht nur der Patient in seiner Angst, sondern auch der Therapeut in seinem Fiihlen und Handeln praxisnah unter Obertragungs- und Gegeniiber tragungsaspekten angesprochen. Dariiber hinaus werden in einigen Beitragen kurzgefaBte, mehr grundlagenwissenschaftliche Obersichten und auch empi risch fundierte differentialdiagnostische Untersuchungen zum Problem der VI Vorwort Angst wie auch beispielsweise die z. Z. wieder besonders aktuelle Interdepen denz zwischen neurotischer und Realangst oder auch zwischen psychopharma kologischer und psychotherapeutischer Behandlung dargestellt. Das Buch enthalt die iiberarbeiteten und teilweise erweiterten Referate der 19. Hamburger psychiatrisch-medizinischen Gesprache vom 25. und 26. 11. 1983 mit dem Thema "Leitsymptom Angst", erganzt durch den Beitrag von M. Erdheim iiber die kulturelle Elaboration und Abwehr der Angst. Der Beitrag von I. Hand erfuhr eine fast vollsUindig neue Konzeption und entspricht da durch nicht mehr dem urspriinglichen Referat. Die "Einleitenden Gedanken" von J. Gross sowie die "AbschlieBenden Gedanken" von H. Strotzka wurden von den Autoren sprachlich iiberarbeitet, sonst aber unvedindert in wortlicher Rede iibernommen. Es ware viel erreicht, wenn das Buch fUr das diagnostisch-therapeutische Handeln Anregungen geben kann und mit dazu beitragen wiirde, Angst nicht nur nicht zu fUrchten, sondern in ihrer Bewaltigung auch kreative Elemente er blickt wiirden. Paul Gotze Inhaltsverzeichnis Einleitende Gedanken zum Symposion J. Gross ................. . 1 Realgefahr und Triebgefahr. Zur Psychoanalyse der Angst C. Nedelmann ......................... . 3 Psychoanalytische Konzeptionen von Angstkrankheiten und abgeleitete therapeutische Uberlegungen S. O. Hoffmann ................................. 12 Angst und Angstbewaltigung im psychotherapeutischen Proze13 C. Rohde-Dachser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .... 24 Kombinierte psychopharmakologische und psychotherapeutische Behandlung der Angst. Anmerkungen aus psychoanalytischer Sicht J. F. Danckwardt ............................. 38 Die Angst in der Psychose C. Scharfetter ...... . 51 Angst, Tod und Todesangst des Suizidalen K. Bohme .................. . 59 Probleme im Umgang mit der Angst korperlich Schwerkranker K. Kohle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Angst und Angstbewaltigung vor und nach operativen Eingriffen G. Huse-Kleinstoll, A. Boll, P. Gotze . . . . . . . . . . . . . . . .. ... 76 Die Bedeutung der korperbezogenen Angst fUr die Differenzierung zwischen Angst und Depression w. Maier, M. Philipp, O. Benkert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Psychophysiologische Aspekte der Angst W. Larbig, N. Birbaumer ............................ 103 Angsttheorien in Verhaltenstherapie und erfahrensorientierten Therapieformen W. Butollo .................................... 117 VIII Inhalt Verhaltenstherapie und Psychopharmaka bei Phobien? Welche Konsequenzen hat die "Entdeckung" der Panic-disorder wirklich fUr die verhaltenstherapeutische Praxis und Forschung? I. Hand ...................................... 127 Kulturelle Elaboration und Abwehr der Angst M. Erdheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Angst im Marchen P. Dettmering ... . ................. 159 AbschlieBende Gedanken zum Symposion H. Strotzka . . . 166 Sachverzeichnis 172 Au torenverzei chnis Prof. Dr. med. O. Benkert Psychiatrische Klinik der UniversiHit, Langenbeckstraf3e 1, 6500 Mainz Prof. Dr. phil. N. Birbaumer, Dipl.-Psych. Psychologisches Institut der Universitat, Arbeitsbereich Klinische und Physiologische Psychologie, Gartenstraf3e 29, 7400 Tubingen 1 Prof. Dr. med. K. Bohme Allgemeines Krankenhaus Ochsenzoll, Langenhorner Chaussee 560, 2000 Hamburg 62 Annegret Boll, Dipl.-Psych. Rehabilitationszentrum Bad Segeberg, Am Kurpark, 2360 Bad Segeberg Prof. Dr. phil. W. Butollo, Dipl.-Psych. Institut fur Psychologie/Klinische Psychologie der Universitat, Kaulbachstraf3e 93, 8000 Munchen 40 Dr. med. J. Danckwardt Vischerstraf3e 4, 7400 Tubingen Dr. med. P. Dettmering Sozialpsychiatrischer Dienst, Gesundheitsamt Elmsbuttel, Grindelberg 66, 2000 Hamburg 13 Dr. phil. M. Erdheim Frohburgstraf3e 100, CH-8006 Zurich Prof. Dr. med. P. Gotze Psychiatrische und Nervenklinik und Poliklinik der Universitat, Martinistraf3e 52, 2000 Hamburg 20 Prof. Dr. med. J. Gross Psychiatrische und Nervenklinik und Poliklinik der Universitat, Martinistraf3e 52, 2000 Hamburg 20 Prof. Dr. med. I. Hand Psychiatrische und Nervenklinik und Poliklinik der Universitat, Martinistraf3e 52, 2000 Hamburg 20 x Autorenverzeichnis Prof. Dr. med. S. O. Hoffmann, Dipl.-Psych. Klinik und Poliklinik fur Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitat, LangenbeckstraBe 1, 6500 Mainz Dr. med. Gisela Huse-Kleinstoll Abteilung Medizinische Psychologie der I. Medizinischen Klinik der Universitat, MartinistraBe 52, 2000 Hamburg 20 Prof. Dr. med. K. Kohle Sonderforschungsbereich 129 der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Universitat Ulm, Am Hochstrass 8, 7900 Ulm Priv.-Doz. Dr. med. W. Larbig Psychologisches Institut der Universitat, Arbeitsbereich Klinische und Physiologische Psychologie, GartenstraBe 29, 7400 Tubingen 1 Dr. med. W. Maier Psychiatrische Klinik der Universitat, LangenbeckstraBe 1, 6500 Mainz Dr. med. C. Nedelmann Michael-Balint-Institut, Institut fur Psychoanalyse und Psychotherapie, AverhoffstraBe 7, 2000 Hamburg 76 Dr. med. M. Philipp Psychiatrische Klinik der Universitat, LangenbeckstraBe 1, 6500 Mainz Priv.-Doz. Dr. med. Christa Rohde-Dachser Psychiatrische Klinik und Poliklinik der Medizinischen Hochschule Hannover, Konstanty-Gutschow-StraBe 8, 3000 Hannover 61 Prof. Dr. med. C. Scharfetter Psychiatrische Universitatsklinik, Forschungsdirektorium, Lenggasse 31, CH-8029 Zurich Prof. Dr. med. H. Strotzka Institut fUr Tiefenpsychologie und Psychotherapie der Universitat, Lazarettgasse 14, A-I095 Wien Einleitende Gedanken zum Symposion J. Gross Meine Damen und Herren, Sie werden sich sicher gefragt haben, warum wir in diesem Jahr "Leitsym ptom Angst" zum Thema der 19. Hamburger psychiatrisch-medizinischen Ge sprache gewahlt haben. Das hat viele Griinde, von denen ich hier einige nen nen mochte. Angst ist vielleicht das haufigste Symptom bei seelischen Erkrankungen. 1m Bereich der Medizin werden zudem nicht nur Psychiater und Psychotherapeu ten mit der Angst als Symptom konfrontiert, sondern auch Hausarzte und Arzte der unterschiedlichsten Fachrichtungen; denn nicht selten reagiert der Patient auf eine korperliche Erkrankung mit Ahnungen und Befiirchtungen bis hin zur Todesangst. Angst tritt aber nicht nur als ein psychisches Symptom einer seelischen oder - als Begleitsymptom - einer korperlichen Erkrankung auf, sondern driickt sich zugleich auch immer in einer psychophysischen Befindlichkeit aus. Wenn wir von Angst als Leitsymptom seelischer Erkrankungen sprechen, so konnen wir eine Parallele zur somatischen Medizin herstellen. Eines der verbreitetsten Symptome in der somatischen Medizin ist der Schmerz. Wir wissen, daB der Schmerz in den meisten Fallen Signalcharakter besitzt, und es wird als Fehler angesehen, wenn wir ihn medikamentos durch Analgetika auszuschalten versuchten, bevor die Diagnose gestellt und die Ur sache gefunden worden ist (selbstversHindlich sind unertragliche Schmerzzu stande, denen wir sofort lindernd begegnen mfissen, hier ausgenommen). So wie der Schmerz, besitzt auch die Angst als Leitsymptom eine ahnliche schon von Freud in diesem Sinne beschriebene Signalfunktion. Schmerz ist jedoch - im Unterschied zur Angst - immer lokalisiert, auch wenn er regional erscheint. Ein weiterer Unterschied zur Angst ist, daB Schmerz immer nach innen signalisiert und meist einen Fremdkorpercharakter besitzt. Angst hingegen kann fast inhaltlos und damit ein diffuser seelischer Zustand sein. Sie ist fiberwiegend nach auBen orientiert und signalisiert so auch meist eine Gefahr, die als von auBen kommend erlebt wird. In den letzten 3 Jahrzehnten ist es gelungen, vergleichbar mit der Schmerz bekampfung durch Analgetika, durch immer wirksamere Anxiolytika Angste zu mildern. Nicht selten werden Angste jedoch durch unkritischen Gebrauch der Anxiolytika geradezu in eine euphorische Befindlichkeit pervertiert; Fra gen zur Entstehung und zum psychodynamischen Verstandnis der Angste blei ben unbeantwortet; die so behandelte Angst fiihrt allzu leicht zur Sucht. Leitsymptom Angst Herausgegeben von P. GOtze © Springer· Verlag Berlin Heidelberg 1984