ebook img

Lehrbuch der Theoretischen Physik: In Fünf Bänden Band IV · Quantentheorie I PDF

458 Pages·1964·10.527 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Lehrbuch der Theoretischen Physik: In Fünf Bänden Band IV · Quantentheorie I

LEHRBUCH DER THEORETISCHEN PHYSIK VON DR. DR. SIEGFRIED FLUGGE PHIL. H. C. ORDENTLICHER PROFESSOR AN DER UNIVERSITAT FREIBURG/BREISGAU IN FONF BANDEN BAND IV . QUANTENTHEORIE I MIT 17 ABBILDUNGEN SPRINGER-VERLAG BERLIN· GOTTINGEN . HEIDELBERG 1964 ISBN-'3: 978-3-642-87340-9 DOl: 10.1007/978-3-642-87339-3 Aile Rechte, insbesondere das der Dbersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten Ohne ausdriickliehe Genehmigung des Verlages ist es aueh nieht gestattet, dieses Bueh oder Teile daraus auf photomeehanischem Wege (Photokopie, Mikrokopic) oder auf andere Art zu vervielfaltigen © by Springer-Verlag OHGI Berlin -G6ttingen -Heidelberg 1904 Softcover reprint of the hardcover 1 st edition 1904 Library of Congress Catalog Card Number 62-1712 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohoe besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinn der Warenzeichen- nnd Markenschutz Gesetzgebung als frei zu betrachten waren nnd daber von jedennann benutzt werden diirften Vorwort Erst mit dem vorliegenden vierten Bande dieses Lehrbuches wird dessen Gesamtanlage deutlich erkennbar und ein wesentliches Stuck jenes Programms erftillt, das ich im Vorwort des erst en Bandes skizziert habe: Die Quantenmechanik ist das eigentliche Herzsttick des Ganzen, und der Aufbau der klassischen Physik bahnt den Weg, urn zu ihr hin zu gelangen. Auch dieser vierte Band ist auf zahlreiche, vom Verfasser gehaltene Vorlesungen aufgebaut, begonnen mit den ersten, auf Anregung MAX VON LAUES unternommenen Versuchen des Berliner Privatdozenten zu An fang der vierziger Jahre und den unter RICHARD BECKERS und HANS KOPFERMANNS Auspizien in der kritischen Atmosphare der erst en Nach kriegszeit gehaltenen Gottinger Vorlesungen, sind diese Kollegs in fort wahrender Wiederholung und Ausgestaltung in Marburg ausgereift, teil weise durch speziellere Gastvorlesungen in Amerika und Frankreieh erweitert und an anderen Horerkreisen tiberprtift, schlieBlich im ver gangenen J ahr in einem zusammenhangenden Zweisemesterkurs von vier Wochenstunden in Freiburg zu einem gewissen AbschluB gebracht worden. 1st dadurch eine Verzogerung in der schon ein Jahr frtiher ge planten Veroffentlichung eingetreten, so ist sie doch gewiB der Qualitat des nunmehr vorliegenden Bandes zugute gekommen. Wie in den vorhergehenden Banden sind auch hier Stoffauswahl und Darstellungsweise so gewahlt, daB ein moglichst groBer Kreis angespro chen wird. Nach der Ansicht des Verfassers, die noch vor zehn Jahren in Deutschland wenig Ermunterung fand, aber wie es scheint mit derjeni gen der jtingeren Generation der theoretischen und der experimentellen Physiker weithin tibereinstimmt, muB heute jeder Student der Physik, gleichgtiltig, ob seine Vorliebe dieser oder jener Arbeitsriehtung gilt und welches auch immer sein Berufsziel sein mag, tief genug in die Quanten mechanik eindringen, urn einfachere, konkrete Probleme im atomaren und nuklearen Bereich selbstandig formulieren und losen zu konnen. Ein solches Ziel muBte von vornherein zwei Wege ausschlieBen, die sonst in der Fachliteratur mit Recht einen groBen Raum einnehmen. Einerseits durfte dies Lehrbuch keine aufs Grundsatzliche, ja aufs Axiomatische hin gerichtete abstrakte Darstellung werden. Es mag sein, daB eine solche Darstellungsweise einem Studenten, der den Schwerpunkt seines Studiums auf die Mathematik gelegt hat, vielleicht mehr zusagen wtirde als die hier vorgelegte Form; sieher aber wtirde er dadurch von den IV Vorwort besonderen geistigen Erregungen, die von der Physik ausgehen, eher fern gehalten als zu ihnen hingeftihrt werden. Abstraktheit und mathemati sehe Strenge (etwa im Sinne JOHANN vo"" NEUMANNS) haben gewiB fUr den theoretisehen Physiker Reiz und Bedeutung, zumal in solchen Ge bieten, die noch neuer und weniger vollstandig verstanden sind als die Quantenmechanik; sie mtissen in einem Lehrbuch aber eher absehreckend wirken und weithin das Vordringen zur alltagliehen Reehenroutine des physikalisehen Alltags verhindern, obwohl letzteres doeh gerade das Ziel sein sollte. Auf der anderen Seite durfte das Bueh aber aueh nieht in den Fehler verfallen, eine EinfUhrung in die Struktur der Materie zu werden. Die systematische Darstellung des Aufbaus der Atome, der Molektile, der festen Korper und der Atomkerne setzt zwar die Kenntnis der Quanten mechanik voraus, ist aber keineswegs mit ihr zu verweehseln. Die Auf gabe des Bandes lag vielmehr darin, in die Methode der quantenmechani schen Behandlung konkreter Aufgaben aus dies em weiten Gebiet ein zufUhren, und Probleme der atomaren oder nuklearen Struktur dienen als Beispiele fUr die Anwendung der gesehilderten Methoden und fUr die Grenzen ihrer Anwendbarkeit, nieht aber zur systematischen Durch dringung des Aufbaus der Materie. An dieser Stelle wird nattirlieh, soweit das Buch die Gedanken des Verfassers tiber eine Reform des physikalischen Unterrichts wider spiegelt, vorausgesetzt, daB dem Student en Gelegenheit geboten wird, nach Erlernung der quantenmechanischen Methoden in anderen Vor lesungen und Ubungen in diese Gegenstande systematisch eingeftihrt zu werden. Der Verfasser kann auch hier seine Sorge nieht unterdrticken, daB die Quantenmeehanik im Laufe des Studiums zu spat gehort wird, so daB sie nicht die Grundlage der zweiten Halfte des Studiums, sondern deren kr6nender AbschluB wird, der eher sonntagliche als werktagliche GefUhle in der Seele des Student en zurticklaBt. Die Quantenmeehanik geh6rt spatestens ins fUnfte und sechste Studiensemester, und es ist vor nehmlieh dieser Gesichtspunkt, unter welchem der Verfasser solche mathematische Hilfsmittel, die heute noch nieht im mathematischen Anfangerunterricht geboten werden, in diesem Buche dargestellt hat. Aueh bei diesem Bande habe ich meinen ehemaligen und jetzigen Assistenten zu danken, die wahrend langer Jahre in zahllosen Gesprachen dazu beigetragen haben, Stoffauswahl und Darstellung ausreifen zu lassen. Besonderen Dank schulde ieh Herrn Dr. U. SCHRODER, der das ganze Buch noehmals kritisch durehgesehen und mich zu mancher Xnderung und manchem Zusatz veranlaf3t hat, der fUr das Ganze nicht unwesentlieh geblieben ist. Freiburg, im Dezember 1963 Der Verfasser Inhaltsverzeichnis Seile I. Der Ausgangspunkt der Quantentheorie. . . . . § 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 1 § 2. Das Bohrsche Modell und seine Ausgcstaltung 4 a) Klassische Theorie des \Vasserstoffatoms + b) Quantisierung der Kreisbahnen 5 c) Die Ellipsenbahnen . . . . . 7 § 3. Der Dualismus Welle-Korpuskel . 10 a) Die Lichtquanten . . . . . . 10 b) Die Materiewellen ..... . 14 § +. Grundlagen einer \Vellentheorie dcr Materie . 15 § 5. Die Schrodinger-Gleichung des Einkorperproblems . 22 a) Stationarer Fall. . . 22 b) ::-.lichtstationarer Fall 23 c) Realitatsverhaltnisse 26 d) Wellenpakct und lTnscharferelation 27 II. Das Einkorperproblem in der Schrodingcrschen Theorie 30 § 6. Das Wasserstoffatom 30 § 7. Niiherungsverfahren: Die Storungsmethode 3~ a) Beschreibung der StOrungsmethode 38 b) Anwendung auf die Alkaliatome 42 c) StOrung entarteter Eigenwerte 45 § 8. Naherungsverfahren: Variationsprinzip . +8 a) Die Methode . . . . . . . . . . . 48 b) Das Wasserstoffatom als Beispiel . . 51 c) Das Wasserstoffmolekiil-Ion als Beispiel 54 § 9. Streuung im Zentralfeld 62 a) Die Partialwellenmethode 63 b) Die Bornsche Naherung . 69 c) Streuung im Coulomb-Feld 74 § 10. Integralgleichungsmethoden zur Behandlung von Streuproblemen 78 a) Allgemeine Theorie ftir Zentralkrafte 78 b) Schwingersches Variationsprinzip 82 c) Gestaltunabhangige Naherung 85 d) Nichtseparierbare Systeme . . . 88 § 11. tibergang zur klassischen Mechanik 90 § 12. Weiterer Ausbau der allgemeinen Theorie . 97 § 13. Der Drehimpuls . . . . . . . . . . . . 111 § 14. Magnetisches Feld. . . . . . . . . . . 118 a) Die Hamilton-Funktion ftir elektromagnetische Kriifte 118 b) Erweiterung der Schrodinger-Gleichung auf das Magnetfeld . 120 c) Die Impulsdichte ftir das elektromagnetische Feld 121 d) Theorie des normalen Zeeman-Effektes. . . . . . . • .. 122 VI Inhaltsverzeichnis Seite III. Das Mehrkorperproblem in der Schrodingerschen Theorie 124 § 15. Aufstellung der Wellengleichung. . . . . 124 § 16. Schwerpunkt . . . . . . . . . . . . . 128 a) Separation der Schwerpunktsbewegung 129 b) Zweikorperproblem . . . . . . 130 § 17. Das Heliumatom im Grundzustand 134 a) Die Heisenbergsche Naherung. . 134 b) Verbesserte Variationsverfahren . 137 § 18. Austauschentartung . 140 § 19. Homoopolare Bindung 150 a) Die s-s-Bindung. . 151 b) Die s-p-Bindung 158 c) Zusammenwirken mehrerer Elektronen des gleichen Atoms 162 § 20. Die Kernbewegung in Molekiilen . . . . . . 165 a) Die Naherung von BORN und OPPENHEIMER 165 b) Die Bewegung der Kerne. . . 169 § 21. Mehrere Tei1chen im Zentralfeld. . . . . 174 a) Formulierung des Problems .. . . . 174 b) Zusammensetzung zweier Drehimpulse . 176 IV. Die geometrisch-algebraische Formulierung der Quantenmechanik 182 § 22. Einfiihrung des Hilbert-Raumes. . . . . . . . . . 182 § 23. Einbeziehung der Zeit in die Theorie. . . . . . . . 194 § 24. Aufbau der Quantenmechanik iiir stationare Zustande 199 § 25. Der harmonische Oszillator. . . . . . . . . . . 209 a) Matrizenmethode . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Koordinatenfreie Formulierung im Hilbert-Raum . 212 c) Zusammenhang mit der Schrodingerschen Theorie 216 § 26. Die Drehimpulssatze. . . 218 a) Vertauschungsrelationen. . . . 218 b) Drehinvarianz . . . . . . . . 220 c) Entartung und Matrixdarstellung 223 § 27. Tei1chen im Zentralfeld . . . . . 227 a) Drehimpulssatze .... . 227 b) Energiestufen im Coulomb-Feld . 232 § 28. Zeitabhiingige Probleme . . . 235 a) Die Schrodinger-Darstellung . 235 b) Die Heisenberg-Darstellung 237 § 29. Ein Beispiel zur Storungstheorie 241 a) Behandlung im Schrodinger-Bild 241 b) Behandlung im Heisenberg-Bild 245 c) Behandlung im Wechselwirkungsbild 246 V. Unrelativistische Spintheorie. Pauli-Prinzip . 25U § 30. Einiiihrung des Spins . 250 a) Grundbegriffe 250 b) Einiiihrung des Spinraumes 251 c) Die Pauli-Matrizen . . . . 254 d) Transformationstheorie im Spinraum 258 Inhaltsverzeichnis VII Seite § 31. Ein Elektron im Zentralfeld 263 a) Eigenfunktionen des Gesamtdrehimpulses 263 b) Feinstruktur . . . . 268 c) Magnetisches Moment. . . . . . . . . 271 d) Zeeman-Effekt ........... . 276 § 32. Potentialstreuung mit Spin-Bahn-Kopplung 278 a) Ebene Welle von Fermionen. Polarisation 278 b) Streukinematik ........... . 280 c) StreuHingen. Optisches Theorem . . . . 283 § 33. Spinformalismus fUr zwei Fermionen. Pauli-Prinzip 286 § 34. System aus zwei Fermionen 290 a) Eigenfunktionen der Spinoperatoren von zwei Fermionen 290 b) Zwei gleichartige Fermionen, zwischen denen eine Zentralkraft besteht . . . . . . . . . . . . . . . 292 § 35. Vielteilchenproblem und Fermi-Statistik . . 295 a) Klassische Statistik und Quantenstatistik 295 b) Der Grundzustand des Fermi-Gases. . . 297 c) Angeregte Zustande, Fermi-Statistik 300 d) Die spezifische Warme der Leitungselektronen 306 e) Die Periodizitat des Gitters . . . . . . 309 f) Das Atommodell von THOMAS und FERMI 313 VI. Quantentheorie der Vorgange . . . . 314 § 36. Allgemeine Theorie der Prozesse 314 § 37. Strahlungslose Prozesse . . . . 325 a) Elastische Streuung als ProzeB 325 b) Unelastische Streuung. . . . 327 § 38. Storung durch eine Lichtwelle 333 a) Wechselwirkung mit einer Lichtwelle 333 b) Photoeffekt . . . . . 335 c) Dispersion des Lichtes. . 341 VII. Relativi5tische Quantenmechanik 344 § 39. Hamiltonsche Form der klassischen Relativitatsmechanik 344 § 40. Ansatze zur Quantisierung der relativistischen Mechanik . 351 a) Problemstellung . . . . . . 351 b) Der Ansatz von SCHRODINGER 352 c) Der Ansatz von DIRAC 355 § 41. Die Klein-Gordon-Gleichung . 358 a) Eichinvarianz . . . . . . 358 b) Unrelativistischer Grenzfall 359 c) Erhaltungssatze. Physikalische Deutung der Wellenfunktion 360 d) Zentralkraft. Feinstruktur. . . . . . . . . . . . . .. 363 § 42. Der algebraische Aufbau der Diracschen Theorie 366 § 43. Lorentz-Invarianz der Diracschen Gleichung und Erhaltungssatze 373 a) Nachweis der Invarianz. Dirac-Spinoren . 373 b) Spinorkovarianten 376 c) Erhaltungssatz der Ladung . . . . . . 381 VIII Inhal tsverzeichnis Seite d) Drehimpuls und Spin . . . . . . . 383 e) Feldtheoretische Behandlung. . . . 3:'\7 § 44. Ladungskonjugation. Spiegelsymmetric 392 a) Ladungskonjugation . . . . . . . 392 b) Spiegelungen. . . . . . . . . . . 395 § 45. Die Diracsche Gleichung im kraftefreien Fall 39S a) Ebene Wellen ..... . 398 b) Zustande negativer Energie 4113 § 46. Das Kleinsche Paradoxon 405 § 47. Zentralkraftfeld nach der Diracschen Theorie +13 a) Eigenfunktionen des Drehimpulses +13 b) Zen tralkraftfeld . . . . . . . . 414 c) Kepler-Problem . . . . . . . . +17 § 48. Die Foldy-\Youthuysen-Transformation. Cnrclativistischer und ex- trcm rclativistischer Grcnzfall . . . . . . . . " +2+ a) Problemstellung . . . . . . . . . . . .. +24 b) Die Foldy-\Youthuysen-Transformation im kraftcfrcien Fall 42(, c) Die Foldy-vVouthuysen-Transformatioll im elektromagnctischen Feld. . . . . . . . . . . . . 429 d) Helizitat. TheoriC' des ~elltrillos 432 Sachvcrzeichnis I. Der Ausgangspunkt der Quantentheorie § 1. Einleitung In der zweiten Halfte des 19. J ahrhunderts begann sich das Interesse der Physiker allmahlich dem atomaren Aufbau der Materie zuzuwenden. Die erst en VorstOBe in dieser Richtung waren schon einige J ahrzehnte zuvor der Chernie gelungen: Das Gesetz der "multiplen Praportionen", d. h. der stochiometrische Aufbau der Verbindungen aus den Elementen, der das Schreiben chemischer Formeln gestattet, lieB die atomistische Struktur der Materie deutlich durchscheinen und wurde zum Ausgangs punkt dessen, was wir heute etwa als kinetische Gastheorie bezeichnen. Von der Seite der Physik her war es vor allem die Entdeckung des mechanischen Warmeaquivalents, die den Schritt zur Atomistik er leichterte: Damit war erkannt, daB Warme keine eigenstandige physi kalische Erscheinungsform ist (wie etwa Elektrizitat), sondern daB sie einen Zustand innerer Bewegung der Materie beschreibt. Nachdem so die Existenz von Atomen sichergestellt war, erreichte die Chemie mit dem Begriff der chemischen Valenz einen gewissen Ab schluB, der sich fUr die Zukunft weitgehend als tragfahig erwies und durch viele J ahrzehnte ein solides Fundament bildete, das sich nur selten - etwa im Fall des Benzolringes - als eine leichte Uberforderung der Begriffsbildung erwies. Anders war die Lage in der Physik, der aus der neuen Erkenntnis ein gewaltiger neuer Bereich ungelOster Prableme zuwuchs: Wie sehen die Atome aus? Sind sie "Elementarteilchen", die nicht weiter zerlegt werden konnen, oder bestehen auch sie wieder aus kleineren Teilen? Besteht die Natur aus einer graBen Zahl ver schiedener Individuen, so vielen Arten wie es chemische Elemente gibt, die keine weitere Analyse gestatten? Dann ist die Strukturfrage sinnlos, und die Chemie ist das letzte Fundament, die Konigin der N aturwissen schaften. Oder kann man die Atome weiterzerlegen, ihre Struktur unter suchen? Dann tut sich noch jenseits der Chemie ein weites neues Feld fUr die Physik auf, und das Stadium, in dem die Chemie den auBersten Gipfel der Erkenntnis bildete, erweist sich als eine Ubergangsphase, die yon der tiefer dringenden Physik uberwunden werden kann. Die Erscheinungen, welche auf eine weitere Zerlegbarkeit der Atome hinwiesen, mehrten sich im Lauf der Jahrzehnte von BU~SENS Ent deckung1 der charakteristischen Linienspektren 1858/59 bis hin zum 1 Erst BUNSEN und KIRCHHOFF konnten die schon Hinger bekannten Fraunhofer schen Linien erkHiren. FHigge, Lehrbuch der theor. Physik IV 2 I. npr "\usgangspunkt der Quantenlhcoric endgtiltigen Beweis der Existenz von Elektronen urn die J ahrhundert wende (P. LE~ARD, J.J. THmlso~ u.a.). Damit war gegen Ende des Jahrhunderts der Boden soweit vorbereitet, daB der Versuch einer quan titativen Untersuchung des Aufbaus der Atome aus ihren Bausteinen unternommen werden konnte: Kannte man die Bausteine, so waren die bekannten Gesetze der Mechanik und Elektrodynamik auf sie anzu wenden. Die entscheidende \Vendung trat ein, als RUTHERFORD! aus Streu experimenten nachwies, daB zwar die negativen Ladungstrager, die Elektronen, raumlich tiber das Atom verteilt sind, daB aber die ent sprechende positive Ladung, die nahezu die ganze Atommasse in sich vereinigt, an einer einzigen Stelle lokalisiert ist: Sie bildet den Atom kern, dessen Abmessungen gegen diejenigen des Atoms so klein sind, daB er als Massenpunkt eingefiihrt werden darf. Dieser positive Kern ist von einer Elektronenhiille umgeben, deren Aufbau damit zum eigent lichen Gegenstand der neu zu begriindcnden Atomphysik wurde. Die weiterfiihrende Frage nach der Struktur des Kernes blieb dabei zunachst noch im Hintergrunde, obwohl die Entdeckung der Radioaktivitat und die Erkcnntnis, daB es sich dabei urn einen Zerfall von Atomkernen handelt, bereits zeigten, daB auch diese Frage sinnvoll war und einmal aufgcrollt werden muBte. Uns scheint heute der Sprung von RUTHERFORDS Erkenntnis zum Bohrschen Modell klein und natiirlich; fiir die Physiker urn 1910 stand jedoch ein groBes Hindernis dazwischen: Bewegten sich die Elektronen innerhalb des Atoms auf geschlossenen Bahnen, so strahlten sie, wie auch immer die Balmen im einzelnen aussehen mochten, wie jede be schleunigt bewegte Ladung nach der Maxwell-Hertzschen Elektrodyna mik fortwahrend Energic ab2. Der Zustand der Atome konnte dann nicht stationar sein. Man hatte schon vor RUTHERFORDS Entdeckung aus diesem Grunde versucht, statische Atommodelle aufzubauen, in denen die Elektronen und die positiven Ladungen so angeordnet waren, daB sic ruhend im Gleichgewicht standen, ahnlich wie man spater fand, daB sich positive und negative Ladungen im Gitter eines Ionenkristalls im Gleichgewicht befinden. Derartige statische Atommodelle wurden endgiiltig durch RUTHERFORDS Entdeckung zuschanden: Gab es nur eine einzige positive Ladung im Atom, so muBten ruhende Elektronen un weigerlich in sie hineinstiirzen! In Wirklichkeit zeigte sich an dieser Stelle bereits, daB die Anwen dung der klassischen physikalischen Gesetze auf die Struktur der Atome nicht ohne weiteres statthaft war. Uns nimmt das heute nicht weiter 1 E. RUTHERFORD: Phil. :Vlag. 21, 669 (1911). 2 Vgl. Band III, S. 171 f.

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.