Helen Wambach Leben vor dem Leben Verblüffende Testergebnisse beweisen: Es gibt ein Leben vor der Geburt Deutsche Erstveröffentlichung WlLHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN HEYNE-BUCH Nr. 7123 im Wilhelm Heyne Verlag, München Titel der amerikanischen Originalausgabe LIFE BEFORE LIFE Deutsche Übersetzung von Werner Vetter Copyright © 1979 by Helen Wambach Published by arrangement with Bantam Books, Inc., New York Copyright © 1980 der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München Printed in Germany 1980 Umschlagfoto: Grafik-Design Franz Wöllzenmüller, Oberhaching Umschlaggestaltung: Grafik-Design Franz Wöllzenmüller, Oberhaching Satz: IBV Lichtsatz KG, Berlin Druck und Bindung: Presse-Druck, Augsburg ISBN 3-453-01214-3 Scan & OCR von Shiva2012 Inhalt Warum ich diese Untersuchung durchführte Seite 7 Wie ich bei meinem Versuch vorging Seite 13 Meine Gruppe in Chicago berichtet über ihre Erfahrungen Seite 29 Der Entschluß, noch einmal zu leben Seite 43 Die Entscheidung für das zwanzigste Jahrhundert, die Entscheidung für das Geschlecht Seite 67 Die Wahl des Geschlechts für die kommende Lebenszeit Seite 77 Warum sind wir hier auf der Erde? Haben wir unsere Familie und unsere Freunde in anderen Lebenszeiten gekannt? Seite 83 Karmische Bindungen aus früheren Leben Seite 93 Wann verbindet sich die Seele mit dem Fötus? Ist sich die Seele des Kindes der Gefühle seiner Mutter bewußt? Seite 101 Den großen Schritt machen - Geborenwerden Seite 123 Adoptierte Kinder - Frühgeburten - Kaiserschnitte Seite 151 »Dies war eine eigentümliche Erfahrung!« sagten meine Versuchspersonen Seite 171 Wie man in einer gesamtamerikanischen Talk Show die Wahrheit findet Seite 187 Warum ich diese Untersuchung durchführte Als bekannt wurde, daß ich mich mit dieser Frage beschäftigte, wurde ich gefragt, warum. »Was hat Sie an diesem Unternehmen interessiert?« Dazu er gänzte der Reporter, daß die meisten Psychologen doch in den Grenzen gesicherter Wissenschaft blieben, ohne sich in den Treibsand des Okkulten vorzuwagen. Ja, warum hatte ich ei gentlich begonnen, so sonderbare Fragen zu stellen wie: »Ist es Ihre freie Wahl gewesen, auf die Welt zu kommen?« und »Ha ben Sie Ihre zukünftige Mutter bereits in einem vergangenen Leben gekannt?« Ich habe immer gefunden, daß es schwierig sei, auf diese Frage eine Antwort zu geben. Ich gehe dieser Frage gerne mit einem Scherz aus dem Wege, indem ich sage, daß ich mich nach zwölf Jahren »Einführung in die Psychologie« für Studienan fänger einfach langweilte. »Wenn Sie schon der Meinung sind, daß es langweilig ist, Nullachtfünfzehn-Psychologie zu studie ren, so sollten Sie erst einmal versuchen, sie jahrelang zu leh ren!« Das ist nur zu wahr. Ich habe nie daran geglaubt, daß Verhaltensänderungen oder Lerntheorie neue Einsichten in menschliches Verhalten liefern könnten. Solange ich für das, was ich tat, ein Gehalt erhielt, schien mir dies ein angemessener Beweis für die Theorie, daß Anerkennung und Bestrafung ge eignet sind, das Verhalten zu ändern. Über diese Grundeinsicht hinaus waren die Arbeiten Skinners und seiner Anhänger, die auf diesem Gebiet arbeiteten, nur von geringem Interesse für mich. Ich wurde Psychologin, weil ich glaubte, dies sei ein Weg, den Menschen besser zu verstehen und etwas darüber zu erfahren, wie der menschliche Geist arbeitet. Dann fand ich, daß die psy chologische Forschung mir bei weitem nicht soviel Informatio nen darüber lieferte, wie Menschen dachten und wie sie reagier ten, wie dies die praktische Arbeit mit Patienten in der 7 Psychotherapie mich lehrte. Aus diesem Grund legte ich die Forschung zur Seite und überließ sie den Leuten, die immer neue Theorien von immer weniger allgemeinem Interesse entwickel ten. Gegenstand der Forschung schienen hauptsächlich weiße Ratten und Studienanfängerinnen zu sein, weil diese beiden Gruppen für die Forscher besonders leicht zur Verfügung stan den. Ich hatte bereits alles erfahren, was ich über weiße Ratten und Studienanfängerinnen wissen wollte. Als ich begann, in der Psychotherapie mit Patienten zu arbei ten, fesselte mich mehr und mehr die faszinierende Weise, mit der menschliche Wesen sich mit ihren Problemen auseinander setzen. Ich begann zwar mit der Vorstellung, daß hier der »Dok tor« seine »Patienten« empfängt, doch ich brauchte nicht lange, um festzustellen, daß dies lediglich ein Vorurteil war und nur wenig Beziehung zu dem hatte, was im Sprechzimmer tatsäch lich vorging, wenn jemand mit der Hoffnung kam, eine Lösung für ein menschliches Problem zu finden. In meiner zwanzigjährigen psychotherapeutischen Praxis habe ich niemals zwei Menschen gefunden, die einander völlig glichen. Die wunderbare Einzigartigkeit der Menschen und die komplexen Methoden, die sie anwandten, um sich mit ihrer Umgebung auseinanderzusetzen, faszinierten mich immer wie der aufs neue. Die üblichen psychologischen Theorien kamen mir immer flacher vor. Ich wollte tiefere Schichten erreichen und Aspekte der Persönlichkeit erforschen, die, wie ich erkannte, tatsächlich existierten - die spirituelle Dimension des Men schen. Doch mein Interesse war nicht nur beruflicher Art. Ich bin ja selbst ein menschliches Wesen und habe dreiundfünfzig Jahre in diesem wirren zwanzigsten Jahrhundert gelebt. Die groben Strömungen unserer Zeit - die Wanderdünen nationaler und in ternationaler Gruppierungen, die Launen und Marotten der amerikanischen Kultur, die üblichen Belastungen des Lebens in einer rapid sich wandelnden, technologischen Gesellschaft, das waren Dinge, die mich ebenso betrafen wie irgendeinen anderen in der amerikanischen Gesellschaft. Und da das Leben des zwanzigsten Jahrhunderts über mich hinwegflutete und ich mit den Strömungen der Kultur meiner Zeit und meines Heimatlan des trieb, wurden manche Fragen immer drängender. Wozu sind 8 wir eigentlich hier? Was ist der Sinn all dieser Aufregungen, Kämpfe, Ängste unserer Zeit? Ich erinnere mich des Augenblicks, da meine Mutter, damals achtzig und senil, aus dem sanften Nebel ihres verwirrten Gei stes auftauchte und mich mit vor Angst glänzenden Augen fragte: »Ich sterbe jetzt, nicht wahr? Hilf mir!« Wie die Leser dieses Buches mußte auch ich mich der Tatsache stellen, daß das Rad des Lebens sich weiterdreht, auch wenn ein geliebtes Wesen stirbt. Mir schien es so, als habe sich das Leben meiner Mutter in ihrer Kindheit wie eine Blume geöffnet und als falte es sich nun, da sie achtzig war und bereit, das Leben zu verlassen, zu sammen wie eine Blume am Abend. Ihr Geist wanderte, und sie verwechselte ihre Urenkel mit den Gespielen ihrer Kindheit. Ihr Leben neigte sich sanft dem Ende zu, und sie durchlebte noch einmal Erfahrungen vom Beginn ihres achtzigjährigen Lebens. Aber durch den sanften Nebel ihrer Erinnerungen, der sie in den Tod und darüber hinaus trug, wurde ihr Geist in diesem einen Augenblick durch die Angst scharf und lebhaft. Sie wußte, daß sie nun sterben mußte, und sie hatte Angst. Sie hatte ein angenehmes Leben, sicher umsponnen vom Ko kon der amerikanischen Mittelklasse. Sie war als Methodistin auf gewachsen, und sie hatte die Theologie ihrer Tage fraglos übernommen. Sie hatte auf ihre Weise die christliche Lehre so gedeutet, als bedeute sie, daß man immer ein gefälliges Verhal ten gegenüber den anderen an den Tag legen, am Sonntag in die Kirche gehen und der Autorität des Priesters und seiner Deu tung der Schrift glauben müsse. Doch als der Augenblick des vollen Bewußtseins der Sterblichkeit durch den Nebel um ihren Geist durchschlug, wurde sie gewahr, daß dies nicht reichte. Was erwartete sie nach dem Tod? Es gab nur wenig, mit dem ich meine Mutter aufrichten konnte. Sie verlangte von mir, daß ich ihr aus der Bibel vorlas, und ich tat es. Ich wählte jene Passagen aus, die die Unsterb lichkeit der Seele betonen, aber ich glaube nicht, daß sie mich wirklich hörte. Ihre knochige, alte Hand umklammerte sanft die meine, während ich die Worte der Bibel las, aber ihre Augen wanderten schon wieder, und sie glitt sanft zurück in ihre wirren Gedanken. Vier Wochen später glitt sie ins Koma hinüber und verließ das Leben, drei Tage nachdem sie das letzte Wort ge 9 sprochen hatte. Sie war sanft in eine Welt eingegangen, von der sie fürchtete, sie könnte den Tod der Seele bedeuten. Aber was ist Tod? Und wenn wir sterben müssen - warum sind wir dann überhaupt geboren? Es mag höchst anmaßend von mir erscheinen, eine Antwort auf Fragen zu suchen, die die Philosophen in der ganzen Zeit der überlieferten Geschichte ver wirrt haben. Aber es gibt da auch noch andere Fragen, die mein Denken formten und nun die Richtung meiner Forschung be stimmen. Die Welt meiner Mutter war sicher und geordnet. Sie war 1894 geboren und hatte die technologischen Erfindungen ihrer Zeit unreflektiert als Fortschritte akzeptiert. Sie empfand keine Diskrepanz zwischen den Annehmlichkeiten des Autos, des Radios, des Fernsehens, der Flugreisen und den flachen Gewiß heiten ihres Allerweltsprotestantismus aus der Kindheit. Der Fortschritt würde Hand in Hand gehen mit Literatur und Auf klärung, die Welt würde immer besser, und wir immer reicher und reicher. Sie lebte den amerikanischen Traum, ohne ihn ir gendwie in Frage zu stellen. Aber ich gehörte einer anderen Generation an. Ich war 1925 geboren, und ich erinnerte mich noch an die Angst, die die große Depression in die Gesichter der Männer auf der Straße einge graben hatte. Ich wuchs zwar in angenehmen Verhältnissen auf, aber doch im Mittelwesten, wo die schmutzige Realität der in dustriellen Revolution ihr Leichentuch über die grüne Land schaft breitete. In meiner Jugend lernte ich erkennen, daß die Technik Häßlichkeit in die Welt, Zwiespalt unter die Menschen und tiefe Wandlungen unseres Weltbildes brachte. Indem wir uns von der Erde fortbewegten und sie eroberten, war uns die Macht von Göttern zugewachsen, in den Himmel zu fliegen und mit unseren Bomben und Raketen Tod und Zerstörung über weite Gebiete regnen zu lassen. Wir waren in der Tat Donner götter geworden, Wundergötter, die mit ihren Bulldozern Berge versetzen konnten. Aber indem wir diese Berge versetzten, lie ßen wir die Narben der auf gerissenen Schächte zurück. Und als wir Donner vom Himmel stürzen ließen wie die Vulkangötter der Alten, zerfetzten wir menschliche Körper und verloren un sere Unschuld. Der Zweite Weltkrieg zeigte, daß es nicht die Götter waren, 10