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Leben ohne Fernsehen: Eine qualitative Nichtfernseherstudie PDF

256 Pages·1998·10.733 MB·German
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Peter Sieking Leben ohne Fernsehen Peter Sieking leben ohne Fernsehen Eine qualitative Nichtfernseherstudie ~ Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Sicking, Peter: leben ohne Fernsehen : eine qualitative Nichtfernseherstudie I Peter Sieking - Wiesbaden : DUV, Dt. Univ.-Verl., 1998 (DUV : Sozialwissenschaft) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1998 ISBN 978-3-8244-4305-5 ISBN 978-3-663-08138-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-08138-8 06 Alle Rechte vorbehalten © Springer Fachmedien Wiesbaden 1998 Ursprünglich erschienen bei Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden 1998 Lektorat: Neele Schütter Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzu l_ässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. http://www.dw.de Gedruckt auf säurefreiem Papier Für Petra, Leon und Ellen Inhalt Einleitung ......................................................................................................................... 9 1. Nichtfernseher-eine vernachlässigte Kategorie in der Zuschauerforschung .. 11 1.1 Nichtfernseherforschung in der Bundesrepublik Deutschland ............................ l2 1.2 Ausländische Nichtfernseherstudien .................................................................... 16 1.3 Ursachen für die kommunikationswissenschaftliche Vernachlässigung der Nichtfernseher ............................................................................................... .20 1.4 Argumente für eine Nichtfernseherstudie ............................................................ 20 2. Die Nichtfernseherstudie: Theoretischer Hintergrund, Konzeption und Durchführung ........................................................................................................... 23 2.1 Der theoretische Hintergrund der Nichtfernseheruntersuchung ......................... 23 2.1.1 Der handlungstheoretische Orientierungsrahrnen: Menschenbild und Handeln aus der Perspektive der phänomenologischen Sozialtheorie ........ .25 2.1.2 Der lebensstiltheoretische Orientierungsrahrnen: Ein empirisches Konzept zur Erfassung und Erforschung von Lebensweisen ....................... 30 2.2 Das handlungs-und lebensstiltheoretisch fundierte Konzept zur Analyse von Nichtfernsehern ............................................................................................. 32 2.3 Die Durchführung der Nichtfernseherbefragung ................................................. 38 3. Die Ergebnisse der Nichtfernseherstudie ............................................................... 43 3.1 Die Ergebnisse der qualitativen N ichtfernseherbefragung: Schlußfolgerungen aus den Leitfadeninterviews ............................................... ..43 3 .1.1 Der aktive Nichtfernseher.. .......................................................................... .45 3.1.1.1 Die "Steckbriefe" .................................................................................. .46 3 .1.1.2 Nichtfernsehen ...................................................................................... .48 3.1.1.3 Allgemeines Alltagshandeln .................................................................. 63 3.1.1.4 Evaluation/Perspektiven/Reaktionen .................................................... 78 3.1.1.5 Allgemeines Medienhandeln ................................................................. 84 3.1.1.6 Die Ergebnisse im Überblick ................................................................. 97 3.1.2 Der bewußt-reflektierte Nichtfernseher.. ................................................... 100 3 .1.2.1 Die "Steckbriefe" ................................................................................ 101 3.1.2.2 Nichtfernsehen .................................................................................... 107 3.1.2.3 Allgemeines Alltagshandeln ............................................................... 125 3.1.2.4 Evaluation/Perspektiven/Reaktionen ................................................. 139 3 .1.2.5 Allgemeines Medienhandeln .............................................................. 143 3 .1.2.6 Die Ergebnisse im Überblick. ............................................................. 155 3 .1. 3 Der suchtgefährdete Nichtfernseher.......................................................... 159 3.1.3.1 Die "Steckbriefe" ................................................................................ 160 3.1.3.2 Nichtfernsehen .................................................................................... 161 3 .1. 3.3 Allgemeines Alltagshandeln ............................................................... 179 3.1.3.4 Evaluation/Perspektiven/Reaktionen ................................................. 188 3.1.3.5 Allgemeines Medienhande1n .............................................................. 192 3 .1.3. 6 Die Ergebnisse im Überblick .............................................................. 20 1 3.1.4 Einzelne Nichtfernsehertypen .................................................................... 205 3.1.4.1 Der harmoniebedürftige Nichtfernseher ............................................ 205 3 .1.4 .2 Der mißtrauische Nichtfernseher ....................................................... 212 3 .1.5 Typübergreifende Trends und Gemeinsamkeiten ..................................... 217 3.2 Die Ergebnisse der ergänzenden Fragebogenerhebung .................................... 219 3 .2.1 Nichtfernsehen ........................................................................................... 220 3.2.2 Mediennutzung/Medienausstattung .......................................................... 223 3.2.3 Demographie .............................................................................................. 225 4. Fazit ......................................................................................................................... 233 Anmerkungen ............................................................................................................. 237 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 247 Einleitung Das Fernsehen hat seit seiner Einführung sowohl begeisterte Zustimmung als auch massive Kritik erfahren. Wurde es von den einen als Medium der Aufklärung gefeiert, das als Forum öffentlicher Kommunikation zur Emanzipation seiner Zuschauer bei trägt, so witterten die anderen im Fernsehen eine ernste Bedrohung für die abendländi sche Kultur. Unermüdlich warnten die Kritiker des Fernsehens vor den Gefahren des Fernsehkonsums, und nicht wenige forderten gar die gänzliche Abschaffung des audiovisuellen Mediums1. All ihren Bemühungen zum Trotz hat sich das Fernsehen in der Bundesrepublik Deutschland jedoch zum Leitmedium entwickelt, das die gesell schaftliche Realität in nahezu allen Bereichen durchdringt. Nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung nimmt an der sogenannten Fernsehgesellschaft nicht teil. Er liegt in den alten Bundesländern bei zwei Prozent, in den neuen Bundesländern sind es ein Prozent der Einwohner, die ihr Leben ohne Fernsehen gestalten2. Mag der Anteil der Nichtfernseher an der deutschen Bevölkerung auf den ersten Blick als überaus gering erscheinen, so handelt es sich dabei doch immerhin um cirka ein- bis eineinhalb Mil lionen Menschen, die in der Bundesrepublik ohne Fernsehen leben. Über diese Menschen, die mit ihrer fernsehfreien Lebensweise die Forderungen der Fernsehgegner konkret praktizieren, liegen so gut wie keine kommunikationswissen schaftlich abgesicherten Kenntnisse vor. Seit Beginn der Zuschauerforschung wurden von den bundesdeutschen Medienwissenschaftlern und ihren Auftraggebern andere Prioritäten gesetzt: die Erhebung quantitativer Fernsehnutzungsdaten aus wirtschaftli chen Erwägungen sowie die Beobachtung der sogenannten Vielseher aus vorwiegend kulturkritischer Perspektive. Nichtfernseher fanden in diesen Studien allenfalls beiläu fig als zu vernachlässigende Restgröße eine Erwähnung. Tauchten sie dennoch in der kommunikationswissenschaftliehen Diskussion auf, so wurden sie relativ unreflektiert und undifferenziert als "Fernsehverweigerer", "Fernsehasketen", "Nichtseher" und ,,Fernsehabstinenzler" abgehandelt, ohne die mannigfaltigen Ursachen und Ausprä gungen ihres spezifischen Handeins gebührend zu berücksichtigen3. Vor dem Hintergrund sich ausdifferenzierender Lebens- und Mediennutzungsstile erscheint eine genauere Betrachtung dieser vernachlässigten Kategorie der Zuschauer forschung seit langem überfallig. Zahlreiche kommunikationswissenschaftlich hochin teressante Fragestellungen ergeben sich in bezug auf die Nichtfernseher als Antipoden der Fernsehgesellschaft. Was sind das für Menschen, die in unserer Gesellschaft, in der die Nutzung audiovisueller Massenmedien zu einem normalen und üblichen Modus des Alltagshandeins geworden ist, dem Fernsehen und seinen Angeboten den Rücken kehren? Warum spielt das Fernsehen in ihrem Leben keine Rolle? Womit beschäftigen sich diese Menschen in ihrem Alltag, wie verbringen sie die Zeit, die ihre fernsehen den Mitmenschen vor dem Bildschirm verbringen? Um diese und weitere Fragen einer Beantwortung näherzubringen, wird in der hier vorliegenden Studie erstmals der Versuch unternommen, Nichtfernseher aus kommu- 10 nikationswissenschaftlicher Perspektive gründlich und eingehend zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurde ein handlungstheoretisch fundiertes Analysekonzept entwickelt, daß sich an den Ideen der phänomenologisch begründeten Lebenswelttheorie und der sozialwissenschaftliehen Lebensstiltheorie orientiert. Die Grundlage dieses Konzeptes bildet ein heuristisches Analysemodell, aus dem ein Katalog theoriegeleiteter For schungsfragen abgeleitet wurde. Diese forschungsleitenden Fragen wurden in einen Leitfaden zur qualitativen Analyse der Nichtfernseher und ihres spezifischen Handeins überführt, mit dessen Hilfe dreißig ausgewählte Untersuchungsteilnehmer in mehr stündigen Intensivinterviews befragt wurden. Weitere sechsundvierzig Nichtfernseher wurden anhand eines standardisierten Fragebogens untersucht, um die Ergebnisse aus den Interviews zu ergänzen. Als Resultat dieser Bemühungen liegt nun erstmalig eine Nichtfernseherstudie vor, in der nicht nur das Handeln der Betroffenen in ihrer lebensweltlichen Wirklichkeit beschrieben und erklärt wird. Darüber hinaus wurde anhand der umfangreichen Ergebnisse eine Nichtfernsehertypologie erarbeitet, die einen differenzierten Blick auf die Nichtfernseher erlaubt und Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Verteilung der unterschiedlichen Nichtfernsehertypen zuläßt. 1. Nichtfernseher-eine vernachlässigte Kategorie in der Zuschauerforschung Seit der Einführung des ersten regelmäßigen Fernsehprogrammbetriebs im Sendegebiet des NWDR zum Weihnachtsfest 1952 und dem gesamtbundesrepublikanischen Ein stieg in die Fernsehgesellschaft am 1. November 1954, als das Deutsche Fernsehen offiziell eröffnet wurde, hat sich das Fernsehen zum bedeutendsten Massenmedium in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt, dessen Reichweite 1996 noch vor den Medien Hörfunk und Tageszeitung bei 88% lag4. Die Ausstattung der bundesdeut schen Haushalte mit Fernsehgeräten und die Fülle empfangbarer Programmangebote werfen ein Schlaglicht auf den Stellenwert, den das Fernsehen mittlerweile in unserer Gesellschaft errungen hat. So liegt die Versorgung der Bundesbürger mit Fernsehge räten bereits seit Jahren bei 98%, und ein durchschnittlicher Haushalt ist heute in der Lage, zwischen dreißig unterschiedlichen Programmen auszuwählen. Die neuen kabel und satellitengestützten Signalübertragungstechniken haben dazu beigetragen, daß rund 80% der Bundesbürger nicht mehr auf die terrestrische Versorgung mit Fernseh programmen angewiesen sind5. Im Zeitalter des dualen Rundfunksystems ist Fernsehen für die meisten Zuschauer rund um die Uhr verfügbar, und der Fernsehkonsum ist zu einem integralen Bestandteil des normalen Alltagshandeins geworden: "Fernsehen als Leitrnedium der Massenkommunikation ist eine 'innere' Einheit mit dem Alltagsleben der Menschen eingegangen. [ ... ] Fernsehrezeption, Fernseh erlebnisse und die Bilder/Symbolik des Fernsehens sind sinnvoller Teil des Soziallebens, der alltäglichen Ereignisse und der Lebensgestaltung." (Bachmair, 1992: S.144 und S.146.) Für die Kommunikationswissenschaft waren das Fernsehen, seine Programme und sei ne Zuschauer von Beginn an Objekte vielfältiger Forschungsbemühungen und Analy seprojekte, wobei hauptsächlich die Vielfernseherproblematik im Zentrum des forsche rischen Interesses stand, wie Heinrich Löbbers nach einer Durchsicht entsprechender Forschungsergebnisse bestätigt6: "Fast ausschließlich sind es die Vielseher, die im Mittelpunkt des Interesses stehen und bei denen versucht wird, Einflüsse und Wirkungen des exzessiven Fernsehkonsums auszumachen." (Löbbers, 1990: S.8) Deutlich weniger Aufmerksamkeit wird jedoch den Menschen gewidmet, die auf der entgegengesetzten Seite des möglichen Umgangs mit dem Fernsehen anzusiedeln sind -den Wenig-und Nichtfernsehern: "Die anderen Gruppen werden allenfalls zu V ergleichszwecken herangezogen. Medienwissenschaftliche Studien, deren Hauptinteresse den Wenig- und Nicht-

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