KURZES LEHRBUCH DER }~RAUENKRANKHEITEN FUR ARZTE UND STUDIERENDE VON DR. MED. HANS MEYER-RUEGG PROFESSOR DER G-EBURTSHILFE UND GYNAKOLOG-IE AN DER UNIVERSITAT ZURICH FtJNFTE VERMEHRTE UND VERBESSERTE AUFLAGE MIT 182 ZUM TElL FARBIGEN TEXTABBILDUNGEN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1923 ISBN-13: 978-3-642-98400-6 e-ISBN-13: 978-3-642-99212-4 DOl: 10.1007/978-3-642-99212-4 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER UBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. COPYRIGHT BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN. SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1923 Vorwort zur flinften Auflage. Mit dieser Auflage streift das Buch den bisherigen Titel "Kom pendium" ab; es will ein vollwertiges Lehrbuch fur A.rzte und Studierende sein. Die Atiologie der Genitalprolapse ist in dieser Auflage ein gehender behandelt und dabei ein Abschnitt uber den Intra abdominaldruck eingerugt. Die Auffassung der Retroflexion als Lagevariante des Uterus ist schader begriindet, der Begriff "chro nische Metro-Endometritis" durch den jetzt allgemein angenomme nen "Metropathie" ersetzt worden. Anatomie und Physiologie der Scheidenschleimhaut, der Haftapparat der Beckenorgane, die Ana tomie der Ovarien, die embryonale Entwicklung der auBeren Geni talien, das Nervensystem der weiblichen Genitalien, die Behandlung der Gonorrhoo haben ausfiihrlichere Beriicksichtigung gefunden. Eine Anzahl Abbildungen sind neu hinzugekommen. Zuri ch im Dezember 1922. H. Meyer-Ruegg. Inhaltsverzeichnis. AlJgemeiner Teil. i"leite A. Die gynakologische Untersuchung .. I Die· Untersuchung mit clem Mutterspiegel 10 Die Untersuchung mit der Sonde . . . . . 16 Ausschabung der Uterusschleimhaut (Abrasio) 18 Austastung der Uterushohle 19 B. Die Menstruation ........ . 20 C. Das Klimakterium (die Wechselzeit) :~O D. Die Storungen der Menstruation 3:~ 1. Amenorrhoe. . 33 2. Menorrhagie . . . . . . . . 35 3. Dysmenorrhoe . . . . . . . 38 Dysmenorrhoea membranacea 43 E. Die Sterilitat. . . . . . . . . . . . . 44 F. Konzeptionsverhiitung und Sterilisation. 48 SpezielJer TeiI. Die einzelnen Erkrankungen. I. Die Erkrankungen der auBeren Geschlechtsteile 51 Anatomische Vorbemerkungen 51 A. Abnorme Gestaltung der auBeren Geschlechtsteile 57 B. Entziindungen an den auBeren Geschlechtsteilen. . . . . 59 C. Neubitdungen und Geschwiilste an den auBeren Ge· schlechtsteilen 63 D. Hauterkrankungen an den auBeren Geschlechtsteilen . 69 E. Verletzungen der auBeren Geschlechtsteile 76 F. Dammdefekte 79 II. Di~ Erkrankungen der unteren Harnwege ',6 A. Die Erkrankungen der Harnrtihre . 1,6 Anatomische Vorbemerkungen . 8;) B. Die Erkrankungen der Blase 8f( Anatomische und diagnostische Vorbemerkungen 8t- 1. Blasenkatarrh (Zystitis) . 92 2. Reizbare Blase, Irritable Bladder 95 3. Sphinkterenschwache . 96 4. Geschwiilste und Fremdktirper der Blase . 97 5. Die Erkrankungen der Harnleiter 98 6. Nierenbeckenentziindung, Pyelitis 98 C. Die Erkrankungen des Mastdarms 99 III. Die Erkrankungen der Scheide . 102 Inhaltsverzeichnis. v Seite Anatomische Vorbemerkungen. . . . . . . . . . . . 102 Physiologie der Scheidenschleimhaut . . . . . . . .. 106 A. Die nichtentziindlichen StOrungen der Scheidensekretion - Fluor albus . . . . . . . . . . . . . . . . 107 B. Die Entziindung der Scheidenschleimhaut. Vaginitis, (Kolpitis) . . . . . . . . 107 C. Vaginismus ........ 114 D. Die Verletzungen der l:)cheide 116 E. Fremdkorper in der Scheide . 116 F. Die Scheidenfisteln . . . . . 11 7 1. Die Harnscheidenfisteln. . 117 2. Die Kotscheidenfisteln . . 124 G. Die Geschwiilste der Scheide 125 IV. Die Erkrankungen des Uterus 128 Anatomische Vorbemerkungen. . . . . . . . . . . . 128 Der Intraabdominaldruck und seine Einwirkung auf die Lage der Beckenorgane . . . . . . . . . . . .. 134 A. Die Lageveranderungen (Deviationen) des Uterus . . . 137 1. Anteflexio uteri . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Retroversio-flexio uteri. - Riickneigung und -knickung der Gebarmutter. . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Prolapsus vaginae et uteri . . . . . . . 158 4. Inversio uteri - Gebarmutterumstiilpung. 172 5. Hernia uteri (Hysterozele) ... . . . . 175 B. Die Metropathien. (Die Metro-Endometritis) 175 1. Die Metropathien des Collum uteri. (Die Metro-Endo metritis colli) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Die Metropathien des Uteruskorpers. (Die Metro-Endo- metritis corporis) ............... 191 a) Die akute Metro-Endometritis . . . . . . . . 191 b) Die chronische Endometritis und Metritis oder die Metropathia corporis. 192 Hypertrophia uteri 205 Atrophia uteri 206 C. Die Neubildungen des Uterus 207 1. Fibro-Myoma uteri . . . . 207 2. Carcinoma uteri . . . . . 224 a) Carcinoma. cervicis s. colli . 224 b) Carcinoma. corporis uteri 237 3. Sarcoma uteri . . . .. 240 a) Sarcoma. cervicis 240 b) Sarcoma. corporis 241 4. Das Chorionepitheliom 243 V. Die Erkrankungen der Eileiter . 246 Anatomische Vorbemerkungen . . 246 A. Die Entziindung der Eileiter. Salpingitis 256 B. Die Neubildungen der Eileiter. • . . . 268 C. Die KranItheiten der Ligamenta rotunda 269 VI Inhaltsverzeichnis. Seite VI. Die Erkrankungen der EierstockI' ..... 269 A. Die Entzundung der Eierstocke (Oophoritis) 269 B. BluterguB in die Eierstocke (Hamatoma ovari) . 272 C. Die Neubildungen der Eierstocke (OvaTialtumoren) 274 1. Zystische Tumoren ............ . 274 a) Follikelzysten oder Hydrops folliculi und Zysten dl's Corpus luteum . . . . . . . . . . . . . . . . 274 b) Zystome s. Zystadenome .... 276 c) Dermoidzysten . . . . . . . . 280 d) Parovarialzysten ...... . 282 2. Solide GeschwUlste der EierstockI' . 294 a) Fibromyoma ovarii . 294 b) Sarcoma ovarii . . . . . 294 c) Carcinoma ovarii . . . . 295 d) Teratoma ovarii. . . . . 296 D. Lageveranderung der Eierstocke 296 1. Hernien ................. . 296 2. Senkung der Eierstocke (Descensus ovariorum) 297 VII. Die Entziindung des Beckenbindegewebes, Para· metritis (Pelveozellulitis) . . . . 298 a) Parametritis acuta . . . . . . . . . 299 b) Parametritis chronica atrophicans 306 Die Neubildungen im Beckenbindegewebe 307 VIII. Die Entziindung des Beckenbauchfells, Pelveo. peritonitis, Perimetritis. 308 IX. Die Blutergiisse im Becken. . . . 311 A. Haematocele retrouterina . . . . . 311 B. Haematoma pelvis (s. periuterinum) 317 X. Die Tuberkulose der weiblichen Geschlechtsteile 318 Anhang: Peritonitis tuberculosa . . . . . . . . . 324 XI. Die Gonorrhoe der weiblichen Geschlechtsteile 326 XII. Die MiBbildungen der Geschlechtsteile 341 A. MiBbildungen der auBeren Geschlechtsteile :341 Anatomische Vorbemerkungen . 341 B. MiBbildungen des Genitalkanals 343 Anatomische Vorbemerkungen 343 1. MiBbildungen des Uterus . . 345 2. MiBbildungen der Scheide. . 347 XIII. Der VerschluB des Geschlechtskanals (Gynatresia) und seine Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 XIV. Die Beziehungen der inneren Sekretion und des Nervensystems zu den Genitalien und ihren Erkran· kung en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 Allgemeiner Teil. A. Die gynakologische Untersnchnng. Die Kranke bringt ihre Klagen vor. Man komme ihr dabei mit Freundlichkeit und Interesse entgegen; Weitschweifigkeit wird als Symptom registriert und dann durch bestimmte Fragen stellung eingedammt. - Man erkundigt sich uber den Verlauf der Menstruation, Haufigkeit, Dauer, Starke derselben, ob Ge rinnsel dabei abgehen, ob sie von Schmerzen begleitet sei; man fragt uber Ausflull, Beschaffenheit desselben, Beschwerden in der Zeit zwischen den Perioden, uber Stuhl- und Urinentleerung, alJfallig durchgemachte Krankheiten und Geburten, forscht nach nervosen Symptomen usw. Diese oder jene Seite der Anamnese kann genauer erortert oder nach der Untersuchung erganzt werden. Da auch der Spezialist stets das Allge mein befinden so wie die Konstitution ins Auge zu fassen hat, so mull mit der Untersuchung des Unterleibes haufig eine solche des ganzen ubrigen Korpers verbunden werden. Die gynakologische Untersuchung wird im Sprechzimmer auf einem eigens dazu konstruierten Untersuchungsstuhle vorgenommen. Der SteiB der Kranken liegt an der Kante des Sitzes, wahrend die Beine, in Huft- und Kniegelenken flektiert und stark gespreizt, auf besonderen Haltern ruhen oder mit den FUBen auf Tritten aufstehen. Dadurch ist dem Untersucher, welcher zwischen den Beinen der Kranken sitzt oder steht, eine freie Besichtigung der aulleren Genitalien und ein unbehindertes Einfuhren des untersuchenden Fingers sowie von Instrumenten in die Scheide ermoglicht. - Die verschiedensten Modelle er fUllen diesen Zweck. Das umstehend in Abb. 1 abgebildete ist ein leicht und doch solide gebauter Stuhl, welcher durch Auf klappen eines beweglichen Teiles zur Untersuchung in gestreckter Lage verlangert werden kann. Die fur manche Frauen un angenehmen Beinhalter konnen leicht durch einen vor gestellten zweistufigen Tritt, den die Kranken zu m Meyer-RUegg, Frauenkrankheiten. 5. Auf). 1 2 Die gynakologische Untersuchung. Erklimmen des Lagers benutzen, ersetzt werden, wie Abb. 2 es andeutet. Die fUr die Untersuchung und Behandlung notwendigen In strumente, Utensilien und Medikamente miissen in erreichbarer Nahe zur Hand liegen. Am besten halt man sie in einem, wie es Abb. 2 zeigt, auf Rollen beweglichen Glasschrank bereit und stellt den Schrank so auf, daB man wahrend der Untersuchung und Behandlung ohne Platzanderung alle notigen Gegenstande leicht erlangen kann. Das obere Fach ist verschlieBbar. Wahrend Abb. 1. Einfacher Untersuchungsstuhl. Statt der (leicht abnehmbaren) Kniestiitzen kann als Stiitze fiir die FiiBe ein zweistufiger Tritt dienen. des Gebrauchs wird der Deckel aufgeklappt und die vordere, in Scharnieren bewegliche Wand horizontal gestellt, urn sie als Tisch fUr die gerade verwendeten Instrumente zu beniitzen. 1m unteren Abteil befinden sich zwei offene Gestelle fUr seltener be niitzte Gegenstande. 1m Privathause eignet sich auch ein gewohnliches Bett oder Sofa oder ein langer Stuhl zur Untersuchung. Man setzt sich bei Beniitzung der rechten Hand an den rechten Rand des Lagers (bei sehr hohem Lager muB man stehen), dem Antlitz der Frau Die gynakologische Untersuchung. 3 zugekehrt, laBt die Knie so stark beugen und auswarts legen, daB der OberkOrper des Untersuchers dazwischen ungehindert Platz findet. Sinkt. der SteiB auf der Unterlage ein, so muB er durch ein hartes Kissen erhOht werden. Falls diese ErhOhung zur Einfiihrung von Instrumenten nicht geniigt, so ist die Frau auf das Querbett zu lagern. Abb. 2. Zweistufiger Tritt vor dem Untersuchungsstuhl stant der Kniestutzen. Rechts daneben Glaskasten mit Utensilien fUr den Bedarf der Sprech stundenbehandlung. Die Kleidung, wenn sie nicht gar zu eng ist, bildet fUr die gynakologische Untersuchung nicht ein absolutes Hindernis. tTber all aber, wo bestimmte Angaben der Anamnese aufs Abdomen als Sitz der Krankheit hinweisen oder Tastung deutliche Schmerz haftigkeit oder Tumorbildung im Leib erkennen laBt, darf eine ganzliche EntbliiBung des Abdomen nicht umgangen werden. Wahrend der Menstruation wird gewiihnlich nicht untersucht. Ausnahmsweise gewahrt diese Zeit einen Vorteil dadurch, daB 1* 4 Die gynakologische Untersuchung. sich der Muttermund etwas offnet und man z. B. manche sub mukose Myome dann eher zu tasten bekommt. Atypische Blutungen fordern im Gegenteil energisch zur Unter suchung auf. In nuchternem Zustande der Kranken ist die Untersuchung griindlicher auszufiihren als wahrend der Verdauungszeit. Viel Gas und Stuhl in den Darmen, besonders Anfiillung des Mastdarms sowie der Blase sind hinderlich. - Die Inspektion gibt Aufschlu.B uber Ausdehnung und Form des Leibes, lokale Vorwolbungen oder Einziehungen, erweiterte Venen, Pigmentierungen, Spannungszustand der Bauchdecken, Aussehen des Nabels usw. Die Palpation klart am bestimmtesten uber den Inhalt der LeibeshOhle auf. Sie mu.B mit weicher Hand ausgefuhrt werden, damit die Frau aIle Angst verliert, und in ganzlicher Sorglosigkeit die Bauchmuskeln entspannt. Besonders solI sehr sanft begonnen und nur allmahlich tiefer eingedru.ckt werden; jeder plOtzliche Druck, welcher die Frau schmerzt oder erschreckt, hat zur Folge, da.B sie im nachsten Augenblick wieder gedruckt zu werden fUrchtet und dem wirklichen oder nur eingebildeten Schmerz durch Kontraktion der Bauchmuskeln zuvorzukommen sucht. - Manche nervose Frau ist auch beim schonendsten Vor gehen nicht imstande, ihre Bauchmuskeln zu entspannen. Man laSt die Beine noch mehr anziehen, redet ganz unbefangen mit ihr, sucht ihre Aufmerksamkeit abzulenken, empfiehlt ihr ruhig und tief zu atmen, besonders auch vollstandig zu exspirieren, laBt den Mund offnen, Schultern, Kopf und Kreuz zurucklegen. Manchmal kommt man zum Ziele. FUr hartnackige Falle bleibt die Narkose Ubrig. Bei der Ausfuhrung der Palpation werden beide Hande flach aufgelegt, die ganze Fingerlange muB zur Tastung benutzt werden. Yom Epigastrium ausgehend rucken die Hande nach und nach uber das gauze Abdomen vor. - Die Perkussion solI die Palpation erganzen. Sie klart uns daruber auf, ob Vorwolbungen oder Resistenzen blo.B durch auf getriebene Darmschlingen verursacht sind, oder ob wirkliche Tumoren dahinterstecken und gestattet ein Urteil uber den Grad eines Meteorismus und uber den Zwerchfellstand. Ausschlaggebend ist sie fUr die Unterscheidung eines Abdominaltumors von frei beweglicher Flussigkeit in der BauchhOhle. - Nur den Bauch· decken innig anliegende gro.Bere Geschwillste geben leeren Schall. Kleinere Tumoren und solche mit Darmverwachsungen, ins· besondere auch zwischen den Darmen abgekapselte Exsudate oder Blutergiisse lassen Tympanie durchtonen. - Am besten beginnt