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Kunst aus dem Labor: Zum Verhältnis von Kunst und Wissenschaft im Zeitalter der Technoscience PDF

399 Pages·2005·4.387 MB·German
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Preview Kunst aus dem Labor: Zum Verhältnis von Kunst und Wissenschaft im Zeitalter der Technoscience

^ SpringerWienNewYork Ingeborg Reichle Kunst aus dem Labor Zum Verhältnis von Kunst und Wissenschaft im Zeitalter der Technoscience Dr. Ingeborg Reichle Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Kultur- und Kunstwissenschaften, Berlin, Deutschland Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Marken- schutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. © 2005 Springer-Verlag/Wien Printed in Austria SpringerWienNewYork ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.at Satz: Druckerei Paul, D-88131 Lindau/Bodensee Druck und Bindearbeiten: Holzhausen Druck+Medien GmbH, 1140 Wien, Österreich Umschlagbilder: Jaq Chartier,Stain Chart (2002), Reproduktion mit freund- licher Genehmigung von Schroeder Romero, Brooklyn; Catherine Chalmers, Rhino transgenic mice (2002), Reproduktion mit freund- licher Genehmigung von gip contemporary, Zürich Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier – TCF SPIN: 11014607 Mit zahlreichen farbigen Abbildungen Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN 3-211-22234-0 SpringerWienNewYork Meiner Mutter Inhaltsverzeichnis I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Einführung in die Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Annäherungen: Kunst im Zeitalter der Technoscience . . . . . . . . . . . 4 II. Kunst und biologisches Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.1 Mendel und die Entstehung der Life Sciences . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.2 Darwins Beitrag zur Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.3 Kunst und Biotechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. Transgenic Art – Transgene Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.1 Eduardo Kac und die Prinzipien Transgener Kunst . . . . . . . . . . . . . 49 3.1.1 Die Kunst des Klonens: Die Installation Genesis . . . . . . . . . . . . . . . 52 3.1.2 Genesis: Telepräsenz und Teleaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3.1.3 „Lebende Bilder”: Die Arbeiten GFP-K9 und Bunny 2000 . . . . . . . 61 3.1.4 Der achte Tag der Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.1.5 Konzeptuelle Vorläufer: Holopoetry, Telepresence Art, Telerobotic Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.2 Joe Davis und die Realisierung Transgener Kunst . . . . . . . . . . . . . . 76 3.2.1 Kunst und Biomasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3.2.2 „Lebende Kunst”: Die Installation Microvenus . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.2.3 Das Delbrück-Paradox: Die Installation Riddle of Life . . . . . . . . . . 87 3.2.4 Die Milchstraße im Mauseohr: Milky Way DNA . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.2.5 Artefakte und Technofakte: Konvertierungsprobleme der Kunst . . . 90 3.3 Die Technisierung des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3.4 Lebende Kunst: Das SymbioticA Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3.5 Kunst und Wissenschaft versus Forschung und Öffentlichkeit . . . . 110 3.5.1 „Outside the Box” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3.5.2 „Inside the Box” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 IV. Kunst und künstliches Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4.1 Vom künstlichen Leben zur Artificial-Life-Forschung . . . . . . . . . . . 116 4.2 Die Logik des Lebens – und der Maschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 4.3 Die Logik der Selbstorganisation des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4.4 Die Algorithmen der lebenden Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 V. Artificial Life Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 5.1 Lebende Skulpturen: Artificial Life Art und Robotik . . . . . . . . . . . . 136 5.2 Evolutionäre Bildprozesse oder: Der Künstler als Gärtner . . . . . . . 142 5.3 Kunst und digitale Evolution: Christa Sommerer und Laurent Mignonneau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 5.3.1 Evolutionäre Bildprozesse: Die Installation A-Volve . . . . . . . . . . . . 150 5.3.2 Kunst und Artificial-Life-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 5.3.3 Lebende Bilder aus dem Computer: The Game of Life . . . . . . . . . . 158 5.3.4 „Art as a living system”: GENMA und Life Spacies . . . . . . . . . . . . . 162 5.4 Kunst und künstliche Welten: Jane Prophet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5.4.1 Kommunikation und digitale Evolution: TechnoSphere . . . . . . . . . . 172 5.4.2 Das Interface als visuelle Metapher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 5.4.3 TechnoSphere: Der Körper im Cyberspace . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 5.4.4 Emergentes Verhalten: Die Installation Swarm . . . . . . . . . . . . . . . . 180 5.5 Kunst und Kunstnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 VI. Kunst aus dem Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Bildteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Biografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Kapitel I I. Einleitung Es besteht kaum Anlaß zu glauben, daß das Weltbild der heutigen Natur- wissenschaft unmittelbar die Entwicklung der modernen Kunst beeinflußt habe oder beeinflussen könnte. Es kann aber angenommen werden, daß die Veränderungen in den Grundlagen der modernen Naturwissenschaften ein Anzeichen sind für tiefgehende Veränderungen in den Fundamenten unseres Daseins, die ihrerseits sicher auch Rückwirkungen in allen anderen Lebensbereichen hervorrufen. Unter diesem Gesichtspunkt kann es auch für den Künstler wichtig sein, zu fragen, welche Veränderungen sich in den Jahrzehnten im Naturbild der Naturwissenschaften vollzogen haben. * Werner Heisenberg, „Das Naturbild der heutigen Physik“, 1953 1.1 Einführung in die Fragestellung Noch ein halbes Jahrhundert später klingen die Worte des Physikers Werner Heisenberg im Hinblick auf das Verhältnis von Kunst und Naturwissenschaft aktuell und gewinnen in Anbetracht von künstlerischen Positionen der Gegenwart sogar eine gewisse Brisanz. Heisenberg ging sicherlich recht in der Annahme, dass die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften in zunehmendem Maße auch auf unsere Lebenswelt zurückwirken würden, und Heisenberg erkannte ebenso richtig, dass sich Künstler trotz des Auseinanderfallens der Geschichte der Naturforschung und der Geschichte der Naturvorstellungen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts dem Naturbild der Naturwissenschaften erneut zuwenden wür- den. Allerdings ging Heisenberg fehl in der Annahme, dass sich Künstler im Zuge ihrer Auseinandersetzung mit dem Naturbild der modernen Wissenschaften auf einen rein rezeptiven Standpunkt zurückziehen würden: Zur selben Zeit, als Heisenberg seine Einschätzung vornahm, gingen Künstler daran, in wissenschaft- lichen Forschungseinrichtungen und Laboratorien mit Technologien und Metho- den der Naturwissenschaften zu experimentieren, und Wissenschaftler begannen, * Alle Zitate werden in diesem Buch im Original wiedergegeben und nicht an die neue Rechtschreibung angeglichen. 1 Kapitel I sich für epistemische Seh- und visuelle Analyseformen der Kunst zu interessieren.1 Heute existieren zahlreiche wissenschaftliche Forschungseinrichtungen rund um den Globus, in denen Künstler Seite an Seite mit Wissenschaftlern arbeiten, und Künstler gehen daran, wissenschaftliche Methoden und Praxen in die Kunst zu überführen, wodurch C. P. Snows viel bemühtes Postulat von der unüberwind- baren Kluft zwischen den „zwei Kulturen“ an Schärfe zu verlieren scheint.2 In dieser Perspektive zielt die Ausrichtung der vorliegenden Untersuchung auf die Analyse von Interdependenzen zwischen Kunst und Naturwissenschaft und nimmt dafür Diskurse und Praktiken von künstlerischen Positionen aktueller Medienkunst in den Blick. Methodisch wurden dafür zwei Kunstrichtungen in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt, die sich mit aktuellen Forschungen aus den Laboratorien der Biowissenschaften und Life Sciences auseinander setzen. Dies ist zum einen die Transgenic Art, die sich in den letzten Jahren wie keine zweite Kunstrichtung an die Aneignung von Methoden und technischen Verfahrensweisen der Molekular- biologie herangewagt hat, und zum anderen die Artificial Life Art, die sich durch 1Eine der ersten Ausstellungen nach dem Zweiten Weltkrieg, in der Bilder aus dem wis- senschaftlichen Kontext in Form einer Kunstausstellung präsentiert wurden und Natur- wissenschaftler begannen, sich für visuelle Analyseformen der bildenden Kunst zu inter- essieren, fand im Jahre 1951 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit The New Landscape Exhibition statt; vgl. hierzu: Gregory Kepes: New Landscape in Art and Science. Chicago: Paul Theobald, 1956. Im Jahre 1958 fand in Basel zum zweihundertjährigen Firmenjubiläum der J. R. Geigy A.G. in der Basler Kunsthalle eine Ausstellung mit einer umfassenden Gegenüberstellung von technischen Bildern der Naturwissenschaften und der Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts statt, die in ähnlicher Weise mit visuellen Analogien zwischen Kunst und Wissenschaft arbeitete, wie die Ausstellung am MIT einige Jahre zuvor, vgl. Georg Schmidt, Robert Schenk (Hg.): Kunst und Naturform. Form in art and natur.Basel: Basilius Presse AG, 1960. Zeitgleich wurde in der Perspektive einer par- allelen Zuschreibung des Phänomens Kreativitätim Kontext von Kunst und Wissenschaft durch die Vertreter der Gestaltpsychologie der fünfzger Jahre das Phänomen Bildsowohl in der Kunst als auch in denWissenschaften untersucht und die Formulierung der Gleich- rangigkeit epistemischer Seh- und visueller Analyseformen der Kunstproduktion wie auch der außerkünstlerischen Bildproduktion forciert, vgl.: Rudolf Arnheim: Art and Visual Perception. A Psychology of the Creative Eye. Berkeley/Los Angeles: University of California Press, 1954 (dt.: Rudolf Arnheim: Kunst und Sehen: eine Psychologie des schöpferischen Auges. Berlin: de Gruyter, 1965) und Anton Ehrenzweig: The Hidden Order of Art: A Study in the Psychology of Artistic Imagination. Berkeley/Los Angeles: University of California Press, 1967. 2Als Charles Percy Snow im Jahre 1959 seine These von den „zwei Kulturen“ veröffent- lichte, wurde diese These rasch zum allgemeinen Kanon und zum weit verbreiteten Schema, in welchem Natur- und Geisteswissenschaften in einem bipolaren Spannungsfeld und einer binären Ökonomie im Sinne von zwei kulturellen Hemisphären weithin verortet 2 Kapitel I die Rezeption der Algorithmen der Artificial-Life-Forschung auszeichnet. Diese beiden Kunstrichtungen wurden herangezogen, da mit dem Einsatz von Methoden der Molekularbiologie zur Manipulation des genetischen Codes auf der einen Seite und der Überführung von computerbasierten Simulations- modellen der Artificial-Life-Forschung auf der anderen Seite die Kunst jenes bipolare Spannungsfeld aufzeigt, in dem sich weite Bereiche der modernen Naturwissenschaften bewegen: Bildlich gesprochen oszilliert dieses Spannungs- feld zwischen der Technisierung des Lebendigen und der Verlebendigung der Technik. In Forschungsbereichen wie der Molekularbiologie arbeiten Wissenschaftler seit Jahren daran, das Leben auf molekularer Ebene zu analysieren und in der Folge zu manipulieren, um auf diese Weise die Entwicklung des Lebens nicht mehr der Evolution und ihren zufälligen Formationen zu überlassen, sondern diese selbst in die Hand zu nehmen. Im Gegenzug dazu lassen Forschungsbereiche wie die Robotik oder die Artificial-Life-Forschung ihre Maschinen heute „lebendig“ wer- den, indem sie die Prinzipien des „natürlichen“ Lebens bzw. von Merkmalen, die bisher ausschließlich Organismen zugeschrieben wurden, auf artifizielle Systeme übertragen. Die mit diesen Praktiken einhergehenden wissenschaftlichen Methoden und Praxen forcieren einen Naturbegriff, der auf der Vorstellung von der Natur als einem technischen Artefakt beruht. Diese Vorstellung wurde zur Grundlage der Operationalisierung des Lebendigen in laborwissenschaftlichen Zusammenhängen und führte zu einer zunehmenden Produktion von Technofakten und transgenen Hybridenin den Laboratorien der Life Sciences. Das wissenschaftliche Labor, so hat es Bruno Latour einmal beschrieben, hat seine Wände heute ausgedehnt auf die ganze Natur und die ganze Welt, so ver- wundert es kaum, dass auch Künstler und Künstlerinnen heute Laborsituationen in den Kunst- und Ausstellungskontext überführen und ihre Artefakte im wissenschaftlichen Labor entwerfen oder selbst genetisch manipulierte Organis- men herstellen. Doch ist das Labor nicht nur der Ort der realen empirischen wurden; vgl. Charles Percy Snow: The Two Cultures and the Scientific Revolution. Cambridge: Cambridge University Press, 1959, dt.: Charles Percy Snow: Die zwei Kulturen: Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz. Stuttgart: Klett, 1967. Doch schon C. P. Snow, der die Rede von der unüberwindbaren Kluft zwischen den „zwei Kulturen“ geprägt hatte, suchte mit der Einführung des Begriffs der Third Culturein seinem der zweiten Ausgabe von 1963 beigefügten Essay „The Two Cultures: A Second Look“, eben diesen Graben zwischen den Natur- und Geisteswissenschaften einzuebnen; vgl. Charles Percy Snow: „The Two Cul- tures: A Second Look“. In: ders.: The Two Cultures and the Scientific Revolution. Cambridge: Cambridge University Press, 1963, S. 53 ff. Vgl. ausführlich zum Begriff Third Culture: John Brockman: The Third Culture. Beyond the Scientific Revolution. New York: Simon and Schuster, 1995 (dt.: John Brockman: Die dritte Kultur. Das Weltbild der modernen Natur- wissenschaft. München: Goldmann, 1996). 3

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