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Kultur und Psychosomatik: Das Prinzip der funktionellen somatischen Störungen PDF

99 Pages·1984·2.128 MB·German
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Johanna M. Tamm Kulturund Psychosomatik Das Prinzip der funktionellen somatischen Storungen Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Tokyo 1984 Dr. med et phil. Johanna Margaretha Tamm Psychiatrie und Psychotherapie FMH Riehenring 16, CH-4058 Basel CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek. Tamm, Johanna: Kultur und Psychosomatik: d. Prinzip d. funktionellen somat. StOrungen/Johanna M. Tamm. Berlin; Heidelberg; New York; Tokyo: Springer, 1984 ISBN-I3: 978-3-540-13660-6 e-ISBN-I3: 978-3-642-69915-3 DOl: 10.1007/978-3-642-69915-3 Das Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder iihnlichem Wege und der Speicherung in DatenverarbeitungsanIagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergiitungsanspriiche des § 54, Abs.2 UrhG werden durch die "Verwertungsgesellschaft Wort", Miinchen, wahrgenommen. © by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1984 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher vonjedermann benutzt werden diirften. 2119/3140-543210 Vorwort Psychosomatik betrifft die Problematik von Moglichkeiten und Grenzen des lebendigen Menschen zentral, ist sie doch die Wissenschaft, in der das Prinzip der Mentokausalitat am deutlichsten wird. Der Begriff "Mentokausalitat" definiert den Urzusammenhang von psychischer Noxe und physischer Symptomatik. Das relativ junge Prinzip der Mentokausalitat im Menschenverstandnis wird oft verglichen mit der koperni kanischen Wende im Verstandnis der Welt. Mentokausalitat bedeutet in der vollen Tragweite: Wer eines anderen Men schen Geist und Seele, das heiBt Verstand und Gefiihle, zu verstehen meint oder dies vorgibt und zugleich durch Positi vismus, der immer egoistisch ist, des anderen psychische Exi stenz verletzt oder vernichtet, richtet dadurch per secundam intentionem auch dessen physische Existenz zugrunde. Vor allem deshalb sollte der Kausalzusammenhang soweit als moglich in dem Feld nachgewiesen werden, das bis heute objektiven Untersuchungsmethoden nur sehr bedingt zugang lich ist: dem der psychiatrischen Diagnostik, und zwar mittels psychologischer Testmethoden. Die Hauptschwierigkeit der Thematik liegt oft darin, daB Menschen, die an der Krankheit ursachlich zumindest mitbe teiligt sind, den anderen so ungeniigend kennen und beob achten, daB sie die Zeichen ihrer eigenen Worte und Taten sehr leicht durch sog. "selektives Sehen" ausblenden konnen. Deshalb wurde es immer notiger, wissenschaftlich nachzuwei sen, was niemand iibersehen kann, und stringentes, objekti vierbares Material, das reproduzierbar ist, methodisch gezielt und in reprasentativer Anzahl beizubringen und mathema tisch auszuwerten. In dieser Form wurde eine Korrelation von prazisiertem, klinischem und testpsychologischem Beweisma terial mit der konkret nachweisbaren, alle Kultur ermogli chenden, also lebenswertes, wiirdiges Leben bedingenden Ethik angestrebt. Die vorliegende Monographie verbindet die verschiedenen Ebenen durch die Entwicklung der stringenten, logischen Zu- VI Vorwort sammenhange anhand einer repdisentativen Auswahl aus der abundanten, ohne klares Konzept chaotisch anmutenden Kli nik. Die Klinik war verschiedentlich AnlaB zu Spekulationen und unfundierten Postulaten, die auch oft nur auf ethnisch oder historisch bedingter statistischer Haufung basieren. Die ses Buch solI die direkte Verbindung von Kultur und Medizin auf den Boden nachpriifbarer Realitat bringen. Es galt, die wahren auBeren Verursacher von Krankheiten zu finden, nicht nur den in jedem Menschen somatisch oder psychisch vorhandenen "schwachen Punkt". Der vom anderen gestorte Seelenfrieden eines Menschen bewirkt als direkte Folge das Chaos in seinem Korper: dies bedeutet "Mentokausalitat". Psychosomatische Krankheiten sind somit nachweislich zu ei nem betrachtlichen Teil von Kultur oder Unkultur beeinfluBt und urspriinglich verursacht. Ein Individuum, ein Einzelner, kann nur teilweise frei sein aufgrund absolut sicherer Talente und relativer okonomischer Unabhangigkeit sowie strikter medizinischer, z. B. hygienischer, Vorbedingungen von Ge sundheit. Andere Annahmen sind illusorisch. Die wesentlichen Lebensfunktionen, wie Atem, Herz Kreislauf-Funktionen, Schlaf usw., sind bekanntlich die s1O rungsanHilligsten, in einem gefahrlichen Sinn vor alIem, wenn es sich urn die Steuerungszentren eines Organismus handelt. Der "control switch" (wobei die Lebenszentren als "black box" verstanden werden) kann wohl, wenn klinisch notig, me dikamentos abgeschirmt oder blockiert werden, er kann aber niemals einen "elan vital" erzeugen! Soweit ein Individuum abhangig ist von einer konkreten Umgebung, ist es auch abhangig von aller Kultur, die nicht aus ihm selbst erwachst. Psychosomatische Krankheit stellt sich bei primitiven, also unkultivierten Aktivitaten anderer ge gen ein Individuum ein, bei denen Abwehr oder Flucht nicht moglich ist. Es entsteht Verwirrung, geistige Desorientierung und Ge fiihlschaos und daraus unvermeidlich ein Circulus vitiosus von chaotischen Ideen, Gedanken und gestortem psychi schem und physischem Befinden, ein Perpetuum mobile der inneren Reibung. Schlimmstenfalls folgt das vollstandige psy chophysische Chaos der Entropie (diese strebt definitionsge maB dem absoluten NUllpunkt zu und wird hier als Analogie verstanden), im Extremfall also der Schocktod. Vorher schla gen sich die Symptome der psychischen Entropie in meBbar Vorwort VII gestorten psychischen Funktionen nieder, nicht nur in somati schen. Die Beziige zu kritischem Ethos muBten dargestellt werden: Als Ursache (Noxe) lassen sich aus den Lebensum standen des Patienten meistens die Worte oder Handlungen anderer nachweisen, die die Storungen verursachen und un terhalten. Der vielschichtige Inhalt dieser Monographie spiegelt sich deutlich in der Form der Kapitel wider, auch im Stil der Spra che, die den klar unterschiedenen Ebenen angemessen ist. Die Kasuistik beinhaltet Problemschilderungen anhand der oft dramatischen,· oft klar destruktiven, durch menschliche Handlungen bedingten Wirklichkeit, die Krankheiten hervor ruft. Die sachlich richtige, aber nur bei kritischer Anwendung giiltige Objektivierbarkeit psychischer Funktionen muBte um der Klarheit willen zwangslaufig sprachlich und stilistisch un befriedigend beschrieben werden. Den Pramissen und Konsequenzen formal entsprechend muBte die Darstellung der logischen Zusammenhange sein: der nachweislich verantwortlichen Noxen und der daraus fol genden Resultate. Miteinbezogen sind nur die wichtigsten re lativierenden anthropologischen Fakten, die in diesem Zu sammenhang punktfOrmig wirken, jedoch zeigen soIlen, daB der Boden der menschlichen Realitat immer hart ist. Diese Ebene des Zusammenhangs wird beim Leser als im Prinzip bekannt vorausgesetzt. Inhalt und Stil werden grundsatzlich gerafft in dem Kapitel, das die Grundfrage nach Leben, Tod und unserem BewuBtsein davon zusammenfaBt. Die Zielrich tung des Buches ist: klares, notwendiges Ethos. Das Auswei chen vor dieser peinlichen Frage bewirkt fast zwangslaufig Zustande von chaotischer und deshalb unseliger Verwirrung der Begriffe, Vorstellungen und der daraus resultierenden, nicht verantwortbaren Worte und Taten, die extremsten Scha den stiften. Ungliicklichenfalls kann diese Verwirrung zu Obergriffen und Aggressionen, zu psychophysischen Kata strophen und Tod bei den anderen fiihren. Die oft genug auf tretende und deshalb thematisierte ungliickliche Verkopplung der beiden Kategorien von Leben und Tod verursacht u. a. die thematisierten Krankheitsbilder. Der Komplexitatsgrad heutiger psychiatrischer Diagnostik ist bekannt und wird nur als Raster miteinbezogen, iiber den jeder verantwortliche Diagnostiker wegen der derzeitigen Be- VIII Vorwort volkerungsmigrationen verfUgen sollte. Bekanntlich spiel en ethnische, anthropologische und umgebungsabhangige kultu relle Einfliisse eine Rolle, und sie miissen in der Regel in der Diagnostik je nach Relevanz genau unterschieden werden. Dies verstehen wir heute unter "multiaxialer Diagnostik". Die multiaxiale Diagnostik stellt selbstverstandlich in der psych iatrischen Diagnostik einen erheblich groBeren Schwierig keitsgrad, aber auch ein viel entscheidenderes Koordinaten system dar als in anderen Disziplinen der Medizin. In der Psychosomatik ist das BewuBtsein notwendig, daB die zwar weltweit giiltigen, aber in unterschiedlichem AusmaB wesent lichen Faktoren in ihrer Relativitat hinsichtlich der Auslosung einzelner Symptomenkomplexe schwierig genug abzuschat zen sind und daB komplizierte und gefiihrliche Einzelfalle niemals die Sache eines einzelnen Arztes sein konnen. Die Orientierung in Kultur und Zivilisation jetziger, sich stan dig verandemder Realitiit ist ohnehin schwierig, und de ren Horizont entspricht der thematisierten medizinischen Grundsatzfrage. Hier liegt der direkte Bezug von Theorie und Praxis der Fragestellung. Die Wahrheit wird bei prazisem Einstieg und prazisem Fundament relativ einfach. Wir behan deln nur den Zusammenhang von Kultur und psychophysi scher Krankheit, der durch Mentokausalitat gekennzeichnet ist; systematisierte transkulturelle Psychiatrie hingegen liegt noch nicht im Bereich unserer heutigen Moglichkeiten. Mit dieser Einschrankung lassen sich die Grundsatze so direkt darstellen, daB sie auch fUr andere Fachgruppen verstandlich werden. Herm Andreas Maurer, den Herren Ores. phil. Hans Saner und Hans Maurer sowie Herm Dr. med Leon Strebel sei fUr ihre Mitarbeit wahrend der Drucklegung besonders gedankt. Basel, August 1984 J.M.Tamm Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung . . . . . . . · ...... 1 · ...... 1.1 Die Methodenfrage 1 1.2 Definition . . . . . . . · ...... 2 1.3 Die Genese vegetativer Syndrome: Somatisch - endogen - psychogen .. . . . . . . . 2 1.4 Gesund - krank. . . . . . . . . . . . . ...... 4 2 Der heutige historische Moment und seine speziflSchen Gefahren . . . . . . . . . . . . 6 3 Grundlagen und Methoden psychiatrischer Diagnostik. . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3.1 Der Weg vom Phanomen zorn Begriff. . . . 9 3.2 VersUindnis und Hypothese . . . . . . . . . 12 4 Die Phiinomenologie der psychovegetativen Syndrome . . . . . . . . . . . 14 4.1 Typus und Statistik . . . . 14 4.2 Aspekte des Krankseins . . . . . . . . . . . . . 17 4.3 Verhalten..................... 17 4.4 Erleben....................... 18 4.5 Lebensgeschichte und Genese . . . . . . . . . . .. 19 5 Interpretation........... 20 5.1 Das allgemeine Verstandnis . . . 20 5.1.1 Der Sinn von Arbeitshypothesen .. . . .... 20 5.1.2 Dialog und Verstandigung ...... . 21 5.1.3 Die Dialektik zwischen Welt und Ich 22 5.2 Das praktische Verstandnis ..... . 24 5.2.1 Die konkrete Anwendung . . . . . . . 24 5.2.2 Therapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 X Inhaltsverzeichnis 5.2.3 Krankheit als Sympt~m .. . . . . . . . . . . 26 5.2.4 Die dynamische Struktur menschlichen Seins: Die Dimension der Freiheit . . . . . . . . . . 29 6 Folgerung: Empirie und Dialektik - Objektivitiit und Subjektivitiit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 7 Die mogliche Losung der heutigen Krisensituation 33 8 ZusammenJassung ................. 36 9 Das strukturelle Verstiindnis der Psychosomatik . 39 Anhang A: Beispiele psychosomatischer Storungen Moglichkeiten und Grenzen der Psychotherapie . . . . 48 Anhang B: Statistischer Nachweis 57 Datenaufnahme und Gruppen 57 Resultate . . . . . . . . . . . 57 Beschreibung der Ergebnisse 59 Diskussion der Ergebnisse . 60 Schlu13folgerung . . . . . . . 61 Zusammenfassung der klinischen und statistischen Resultate . . . . . . . . . 61 Anhang C: Die Relevanz der Testpsychologie und auxiliiirer Methoden in der Therapie Junktioneller somatischer Storungen . . 66 Charakteristik der angewandten Verfahren . 66 Resultate . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 67 Zur Frage kiinstlerischen und intellektuellen Ausdrucks in kontinuierlicher Diagnostik und im Therapieverlauf: AuxilHire therapeutische Methoden . 70 Der Zusammenhang von kulturellen Einfliissen und therapeutischen Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . .. 71 Literatur . 73 Nachwort 78 Sachverzeichnis 84 1 Einleitung 1.1 Die MethodenJrage Die Benennung der Krankheitsbilder, die hier erortert werden sollen, lehnt sich an Thiele [98] sowie an Delius u. Fahrenberg [23] an. Sie stammt aus der klinischen Medizin und ist somit aus der praktischen Erfahrung - also induktiv - gewonnen. Hier solI sie als bereits vorhandenes Konzept die darzustellenden Symptomenkomplexe verstehen und erklaren helfen - also deduktiv angewandt werden. Diese beiden Methoden - Induktion· und Deduktion - werden also nicht, wie das iiblicherweise geschieht, scharf getrennt - als gegensatzliche Denkweisen -, sondem sie werden als komplementare Verfahren aufgefaBt und ihrem "heuristischen Wert" nach angewandt - also danach, was sie an praktischem Verstandnis bieten. Dies ist ein pragmatisches Vorgehen. Es rechtfertigt sich dadurch, daB Hypo thesen das Vorhandene, die dringliche Wirklichkeit, zu verstehen lemen sollen. Daraus folgt erst die Moglichkeit, das Wirkliche auch angehen zu konnen, in unserem FaIle also die richtige Behandlung. Hypothesen miis sen flexibel sein und haben keinen Anspruch auf absolute Giiltigkeit: Das Zeitalter eines total en Wahrheitsanspruchs ist voriiber [1]. Der Sinn dieser Untersuchung liegt in der Ausleuchtung der Griinde urid Ursachen der Entstehung psychovegetativer Syndrome, in einer Syn opsis der erreichten Forschungsresultate, bezogen auf den Rahmen menschlichen Seins iiberhaupt. Es ist unumganglich, diese Zusammen hiinge vor dem Hintergrund der Leitthemata zu betrachten, die das Den ken unseres Kulturraums entdeckt hat und die es beherrscht haben und noch beherrschen. Deshalb werden die Grundtatbestande menschlichen Seins - v. a. der Psyche - und die Freiheitsthematik einzubeziehen sein. Das Vorhaben ist, in die Strukturen psychovegetativer Syndrome Ein blick zu erhalten - als Ausdruck des Scheitems innerhalb mensch lichen Seins -, in der Absicht, durch dieses Verstandnis Moglichkeiten der Be handlung und v. a. ihrer Vermeidung, also von Prophylaxe zu gewinnen.

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