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Kultur und Gesellung: Ein Beitrag zur allgemeinen Kultursoziologie PDF

271 Pages·1951·14.123 MB·German
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SCHRIFTEN DER SOZIOLOGISCHEN ABTEILUNG DES FORSCHUNGSINSTITUTS FÜR SOZIAL UND VERWALTUNGSWISSENSCHAFTEN IN KöLN ZWEITER BAND SCHRIFTEN DER SOZIOLOGISCHEN ABTEILUNG DES FORSCHUNGSINSTITUTS FÜR SOZIAL UND VERWALTUNGSWISSENSCHAFTEN IN KöLN Neue Folge der Schriften des Forschungsinstituts für Sozialwissenschaften ZWEITER BAND KULTUR UND GESELLUNG von KARL ANTON FISCHER SPRINGERFACHMEDIEN WIESBADEN GMBH 1951 KULTUR UND GESELLUNG Ein Beitrag zur allgemeinen Kultursoziologie von KARL ANTON FISCHER SPRINGERFACHMEDIEN WIESBADEN GMBH 1951 ISBN 978-3-663-00736-4 ISBN 978-3-663-02649-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-02649-5 Alle Rechte vorbehalten Copyright 1951 by Springer Fa.chmedien Wiesbaden Urspriing1ich erschienen bei Westdeutscher Verlag Koln und Opladen 1951 Softcover reprint of the hardcover lst edition 1951 Einband und Schutzumschlag: Hans Bohn VORWORT Gern komme ich der Aufforderung nach, die der Bruder des verstorbenen Verfassers an mich gerichtet hat, dieses Buch durch ein paar einleitende Worte zu begleiten. Hinter dem zu bescheiden gewählten Titel der Schrift steht die Absicht dieses Denkers, dessen vorzeitigen Heimgang man nicht genug beklagen kann, der Kultursoziologie zu der ihr so dringend notwendigen Systematik zu verhelfen und ihr ein Gerüst an Kategorien und Begriffen zu geben, das erst diesen Zweig der allgemeinen Soziologie zu einer geschlossenen Wissenschaft macht. Sie läuft sonst Gefahr, sich in Kulturgeschichte aufzulösen oder ein Feld willkürlicher Spekulationen zu werden. Hier beseitigt das Werk Fischers eine klaffende Lücke. Es gibt uns ein geistiges Handwerkszeug, das sich, so hoffe ich, allmählich als unentbehrlich erweisen wird. Besonders seine Kategorie der Koinen und die Gegen überstellung von sinnheitlichen und wirkheitlichen Zusammenhängen, die den Gegensatz von Kultur und Gesellung glücklich verdeutlichen, ist eine wesentliche Bereicherung. Fischer unterscheidet eine beziehungswissenschaftliche und eine kultursozio logische Richtung, wie es wohl seit dem Erscheinen des Handwönerbuches der Soziologie üblich geworden ist. Er selbst stellt sich auf den Boden der Kultur soziologie, während der Schreiber dieser Zeilen die beziehungswissenschaftliche Schauweise pflegt. Er sagt über den Gegensatz: "Während die beziehungswissen schaftliche Soziologie die Gesellungsgebilde (Gruppen) und die Beziehungen der zugehörigen Einzelmenschen zum Hauptobjekt der soziologischen Forschung macht, geht die Kultursoziologie der hier vertretenen An von einem umfassen deren Gebilde, dem kulturell-gesellschaftlichen Wirkegebilde, aus, das die Ge selhmgseinheiten neben den kollektivgeistigen Inhalten als Elemente enthält." Kurz vorher meint er: "Keineswegs sind diese Bemerkungen als ablehnende 6 Vorwort Kritik der beziehungswissenschaftlichen (und psychologisch gerichteten) Soziologie gedacht; es soll nur bezweifelt werden, daß diese Richtung als die Soziologie schlechthin betrachtet werden kann." Diesen Zweifel teile ich durchaus. Einen Anspruch auf geistige "Alleinherr schaft" in der Soziologie hegt auch die Beziehungslehre nicht. Ich bin der gleichen Meinung wie Fischer, wenn er erklärt: "Beide Richtungen sind berechtigt; welche von beiden die wissenschaftlich wertvollsten Ergebnisse zeitigen wird, kann nur der Erfolg im Laufe der Entwicklung zeigen." Es ist durchaus nicht dem Wesen einer Wissenschaft gemäß, daß nur eine Schauweise in ihr richtig sein könne. Zwei oder mehrere ergänzen sich, weil das Objekt, das man studiert, nicht völlig das gleiche ist; daraus müssen sich teil weise verschiedene Aussagen ergeben. Ob man das, was man Kultur nennt, unter suchen, oder ob man die Einwirkungen von Menschen auf Menschen als Vor gänge schlechtweg beobachten will, ist nicht das gleiche, soviel sich auch bei beiden Aufgabenkreisen decken mag. Mir liegt es völlig fern, das Daseinsrecht der Kultursoziologie anfechten zu wollen; aber ich kann nicht umhin, Gründe zu hegen und aussprechen zu wollen, weshalb ich selbst für meine Person die Mitarbeit an der Beziehungs lehre vorziehe. Aber auch von ihr aus gesehen, bietet Fischers Kategorien-Netz sehr viel Beachtenswertes, und ich habe dankbar die Kritik, die Fischer an meinen Versuchen geübt hat, zur erneuten Nachprüfung benutzt mit dem Ergebnisse, daß ich die Notwendigkeit erkannt habe, das eine oder andere in Zukunft deut licher und ausführlicher zu formulieren, als ich es früher getan habe. Wenn ich auf diese kritisierenden Sätze etwas eingehe, geschieht es nicht im Sinne einer Replik, die einem Verstorbenen gegenüber zum mindesten geschmacklos wäre. Im Gegenteil bin ich mir bewußt, daß sich Fischers scharfsinnige und tief drin gende Urteilsweise gerade auch in seiner Kritik zeigt, und daß es ihm durchaus nicht Abbruch tut, wenn man darauf antwortet. Ich möchte ja anderseits auch nicht den Eindruck erwecken, als ob ich stillschweigend die eigene Position aufgäbe. Es handelt sich dabei um den gleichen Punkt, den auch andere Autoren - zuletzt Sorokin in seiner "Society, Culture and Personality" - hervorgehoben haben. Sorokin habe ich im zweiten Heft des ersten Jahrgangs der "Kölner Zeit schrift für Soziologie" 1 zu antworten versucht. Ich könnte fast dasselbe hier wiederholen. Auch Fischer könnte ich antworten, daß allgemeine letzte Ein teilungen, die die Gesamtheit aller Erscheinungen erfassen sollen, einfach, gering an Zahl und scheinbar leer sein müssen, daß das "Stoffliche, Farbige, Zeitliche und Konkrete" in die abgeleiteten Unterkategorien gehört. Fischers kategorien reiches System läuft Gefahr, unübersichtlich zu werden; schon seine Ontologie 1 Vg l. den "Pitirim A. Sorokin" betitelten Artikel. Vorwort 7 ist reichlich verwickelt. Es kann sich auf ein solches Begriffsgerippe eine Scholastik aufbauen, die dann gerade lebensfremd wird, während sich die kategorienarme Beziehungslehre als konkreter herausstellen mag. Auch von Fischer muß ich hören, daß meine zwei einzigen Grundkategorien "Nah und Fern" nicht ausreichten. Die Absicht der Messung, die ich seit der Zeit, wo er sein Werk schrieb, noch entschiedener verfolge, erschien ihm als Spielerei. Darüber bitte ich Näheres in dem Aufsatze "Soziometrik"2 nachzulesen. Die Prozeß-Kategorien "über-, unter-, mit-, gegen-, durch- und füreinander" sind gewiß sehr wichtig, leiten sich aber von "nah und fern" erst ab. Anlaß zu strengerer Selbstprüfung gab mir der erste Absatz der Anmerkung 8: "Vor allem wird durch den Begriff der ,Abstandsänderung' nicht etwas erfaßt, was als zwischen den Menschen liegende Wirklichkeit aufgefaßt werden könnte. Denn ,Distanzänderung' heißt doch, daß die Menschen selbst sich im Verhältnis zueinander ändern, nicht daß ein Etwas zwischen den Menschen sich ändert." Sollte wirklich die Präposition "zwischen" nicht auch den Hinweis auf "Ab stand" ausdrücken? In der Tat ist in meinem Gebrauche des inhaltsreichen Wortes "zwischen" die Einwirkung der einen Größe auf die andere, zumeist im Gegen seitigkeitsverhältnisse gemeint. Nicht gedacht ist an eine Sphäre, die A von B und B von A trennt. (Ich gebrauche gerne das Bild vom Lichtbogen, der "zwi schen" zwei Kohlenkerzen vorhanden ist.) Eine Abstandsänderung scheint mir nach dem mir geläufigen Sprachgebrauche ein Vorgang zu sein, der sich "zwi schen" zwei Größen vollzieht. Ich wüßte keine Präposition zu nennen, die an die Stelle des Wortes gesetzt werden könnte. In der Tat handelt es sich darum, daß "die Menschen selbst sich im Verhältnisse zueinander ändern, nicht, daß ein Etwas zwischen den Menschen sich ändert". Ich weiß nicht, ob ich außer einer neu zu gebenden Wort-Interpretation sprachlich etwas ändern müßte; zunächst, bis man mich deutlicher belehrt, möchte ich bei der bisherigen Wortwahl bleiben. Doch angesichts der schönen Aufgabe, die mir geworden ist, ein großes Ge dankenwerk einzuführen, müssen diese "Wortklaubereien" demjenigen kleinlich erscheinen, der als Außenstehender die Konsequenzen, die sich aus solchen logischen Entscheidungen ergeben, nicht zu ermessen vermag. Sehr viel wichtiger aber ist es, den Leser zu ermuntern, sich in den Reichtum dieser grundlegenden Gedankenwelt zu vertiefen, die ein schwer ersetzbarer, uns früh entrissener Mit streiter vor uns ausgebreitet hat. Godesberg, im August 1950 L. v. Wiese 1 "Soziometrik" in Heft I/1 der Kölner Zeitschrift für Soziologie. INHALTSÜBERSICHT Seite Vorwort von Prof. Dr. Dr. L. v. Wiese . 5 Einführung . . . . . 15 Einleitende Betrachtungen 1. Das Problem der realen Existenz der sozial-kulturellen Gegebenheiten 19 2. Die Schichtentheorie der neueren Ontologie 20 3. Heraklits Lehre vom streitigen Werden 25 A. Kultur und Kulturwissenschaften 29 I. Kultur als Reich des Kollektivgeistigen 1. Bedeutungs-, Sinn- und Wirkezusammenhänge; Kulturwissenschaften und Kultursoziologie . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Koinen = geformte kollektivgeistige Gegebenheiten . 30 b) Sinnzusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . 32 c) Wirkezusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Objektiver Geist (Gemeingeist, Kollektivgeist); die geistigen Ob jektivationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3. Das Gesellungsgeschehen, Gesellungsgebilde (Gesellschaft, Gemein- schaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Die Kulturwissenschaften 1. Allgemeine Kulturtheorie, Kultursoziologie . . . . . • . . . 44 2. Einzelkulturwissenschaften, Kultur- und Naturwissenschaften . 46 3. Kultur und Geschichte . 47 4. Erläuterungen . . . 48 5. Völkerkunde 50 6. Kultursoziologie und beziehungswissenschaftliche Soziologie . 50 7. Das Verhältnis der Kulturwissenschaften, im besonderen der Kultur soziologie zur Sozial·, Geschichts- und Kulturphilosophie . . . . . 53 10 Inhaltsübersicht Seite 8. Methodelogischer Exkurs: Die Eigenart der kultur- und sozialwis senschaftliehen Begriffsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . 54 III. Inhalt, Gliederung und Aufbau der Kultur 1. Allgemeines . . . . . . . . 59 2. Kulturbereiche . . . . . . . 61 Tableau der Kulturbereiche . 62 Bemerkungen hierzu . . . . 63 3. Einzelbereichliches, bereichüberschreitendes, bereichneutrales und überbereichliebes Geschehen . . . . . . 69 4. Der koinische Inhalt der Kulturbereiche 71 5. Die Ideologien im besonderen . . . . . . . . 72 6. Die Koinen des bereichneutralen und überbereichliehen Kultur- geschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 7. Exkurs über die sozialen Regulativideen . . . . . . . 75 8. (Räumlich und zeitlich bestimmte) Kulturgesamtheiten . 80 9. Kultur und Volk . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 B. Gesellungsgebilde (Gesellungseinheiten) und kulturell-gesellschaflliche Wirkegebilde . . 83 I. Grundbegriffe . . . . . 84 II. Die soziären Einzelkräfte 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Das erstrebte Verhalten in bezug auf Koinen . 91 3. Aktive, gegensätzliche und passive Einzelkräfte 92 4. Die Wirkemittel der Einzelkräfte . . . . . . 93 5. Wirkestärke, Wirkeart und Wirkerichtung der Einzelkräfte . 93 6. Umwelteinflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 7. Die Einflüsse der individuellen Eigenart auf die soziäre Einzelkraft 96 8. Kultursoziologischer Exkurs zum Thema Rassenpsychologie und Rassenmischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 98 III. Siebung und Typenstreuung; Aufgliederung und Schichtung der Einzelkräfte 1. Siebung und Typenstreuung . . . . . . . 104 2. Die funktionale Aufgliederung der Einzelkräfte . 105 3. Schichtung . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4. Unvollkommene Typenstreuung, schichtische Fehlanpassung 109 5. Führer, Leiter, Gestalter . 111 6. Schichtung und Stände . . . 113 6a. Stand, Beruf, Klasse . . . 114 7. Schichtung und Herrschaft . 115 8. Das politische Führerkorps . 116

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