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Kriminalität Pathorhythmie Wahn: Psychosomatisch-dynamische Strukturgesetzlichkeiten menschlicher Handlungen in Konfliktsituationen PDF

286 Pages·1975·6.861 MB·German
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F. J. Stumpf] Kriminalität Pathorhythmie Wahn Psychosomatisch-dynamische Struktur gesetzlichkeiten menschlicher Handlungen in Konfliktsituationen Springer -Verlag Berlin Heidelberg New York 1975 Friedrich Jo sef Victor Stumpfl Professor der Psychiatrie und Neurologie an der Universität Innsbruck, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Gerichts psychiater beim Landesgericht Wien und bei den Kreisgerichten Wiener-Neustadt und Korneuburg ISBN-13: 978-3-642-66141-9 e-ISBN-13: 978-3-642-66140-2 DOI: 10.1007/978-3-642-66140-2 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, ins besondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildun gen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Bei Vervielfältigung für gewerbliche Zwecke ist gemäß § 54 UrhG eine Vergü tung an den Verlag zu zahlen, deren Höhe mit dem Verlag zu vereinbaren ist. © by Springer-Verlag Berlin . Heidelberg 1975. Softcover reprint ofthe hardcover Ist edition 1975 Library of Congress Cataloging in Publication Data. Stumpf!, Friedrich. Kriminalität, Pathorhythmie, Wahn. BibIiography: p. Includes index. 1. Criminal psychology. I. Title. HV6080.S87 364.3 75-12714 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Marken schutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Meiner Frau Vorwort ... in den Tiefen wird alles Gesetz Rainer Maria Rilke (Briefe) Der Mensch als ein Handelnder ist schon vor aller subjektiven Stellungnahme, vor jeder Möglichkeit, eine Position zu beziehen, angewiesen auf seine Geschichtlichkeit in Familie, Sippe, Stamm, Volk und Kultur. Seine Reaktions- und Wahlmöglichkeiten sind noch zusätzlich durch die ihm schon vor seiner Reife zugewiesenen Rollen in diesen Zusammenhangsbereichen, die er ausbauen oder ablehnen, aber nicht vertauschen kann, eingeengt. Und er ist ebenso und doch wieder anders angewiesen auf seine Lebensge schichtlichkeit in Ontogenese, Phylogenese, Reifungsgesetzlich keit und seelisch-geistiger Entwicklung. Das besagt, die unteilbare Gestalthaftigkeit seiner Individualität und seines Verhaltens ist ihrer Struktur nach polymer, nämlich angewiesen auf fugenlos sich entwickelndes und gestaltendes Zusammenwirken verschie dener Systeme und Funktionsbereiche. Diese das Handeln tragenden, schwebenden Gleichgewichte und gleitenden Koordinationsprozesse stehen zueinander nicht im Verhältnis der Kausalität, die nur in Form von Ordinaten wirk sam ist, die in verschiedenen Winkeln zu den Interferenzen und Koordinationen angeordnet sind, sondern einer Relation von Ketten und kristallartigen mehrstufigen Mustern miteinander ver knüpfter und sich voneinander wieder lösender Ereignisse. Diese Ereignisse bestehen nur für eine kurze Zeit, für einige Augen blicke. Sie sind nichts Materielles aber auch nichts Gleichbleiben des wie Charaktereigentümlichkeiten. In seiner Lebensgeschichte ist der Einzelne in seiner Bewegung an eine ganz bestimmte Stelle gebunden, sei es in seiner Familiengeschichtlichkeit, in seiner An teilnahme am Denken und Schaffen in einem umschriebenen Kulturbereich oder in den Rhythmen seiner biologischen Ent wicklung. überall besteht Bindung an den Gesamtzusammenhang. Diese Einbettung in eine zeitliche Stetigkeit an jeweils bestimmter Stelle erfordert eine differentielle Analyse der zeitlichen Ver knüpfungen wesentlicher Entwicklungslinien, die sich in einem konkreten Handlungsablauf schneiden; Entwicklungskurven und Kurven von Interferenzen und ihren Rhythmen in ihren Beziehun gen zu diesen Schnittpunkten in einer konkreten (delinquenten) Handlung darzustellen und damit die Vielzahl der Bewegungsfor men in einem bestimmten Zeitpunkt und an einem Ort einsichtig zu machen, erfordert schließlich Ausbildung einer eigenen Me thodik, die an Falldarstellungen zu entwickeln ist und als Prag matographie bezeichnet werden könnte. Bei einem solchen Vor gehen sind pathopsychologische Symptome und Syndrome und VII allgemeine Emotionen und kognitive Prozesse gleichsam die Farb umschläge, die uns signalisieren, daß, wann und wo ein Struktur wandel stattgefunden hat. Unser Wissen über die Bedingungskonstellationen, die geeignet sind, eine Kriminogenese in Gang zu setzen, ist sehr umfassend, wie sich am Beispiel der Forschungen von STURUP und WIDMER in Dänemark, von SLUGA und SPIEL in Österreich und vor allem von E. und Th. GLUECK in Amerika nachweisen läßt. Es fehlt uns aber ein Einblick in die Dynamik, der diese einzelnen Faktoren und Faktorengruppen unterworfen sind. Wir suchen die archi medische Struktur, die es erlaubt (deren energetische Funktion es ist), die Vielfalt menschlicher Handlungen aus den Angeln zu heben. "Die adäquateste Reaktion ist aber immer die Tat." Geht man von diesem Wort FREUDS aus, dann erkennt man, daß sich das Iner scheinungstreten der differenzierten Teile und Systeme nur in einer Konfliktsituation konstelliert, deren Signal die Tathandlung ist. Der in der Tathandlung zum Ausdruck kommende innere Wider streit gestattet es, einen Blick hinter die Kulissen der Einheit des Ichs zu tun, nämlich in die lebensgeschichtlichen Zusammen hänge der konfliktbedingten Ich-Entwicklung. Unser Ausgangspunkt ist eine systematische Analyse der mensch lichen Handlung, wobei der delinquenten Handlung, weil akten kundlich festgelegt, durch Zeugenaussagen in ihren Schattierungen illustriert, durch Krankengeschichten, Strafakten, Erziehungsbe richte, Vorgutachten und eigene Untersuchungen durchleuchtet, die Stellung eines Paradigmas zugebilligt werden kann. VON GEBSATTEL hat das Handeln des Menschen als die Vitalkategorie seines Verhaltens bezeichnet. Er unterschied bei der ärztlichen Handlung drei Sinnstufen : die elementar-sympathetische Sinn stufe des Angerufenseins durch die Not eines Begegnenden (Un mittelbarkeitsstufe). Die Sinnstufe des eigentlichen ärztlichen Über legens, Planens, Handeins, die diagnostisch-therapeutische Sinn stufe (Entfremdungsstufe des Verhältnisses); und schließlich eine die vorhergehenden Weisen der Begegnung umfassende Sinnstufe, die Stufe der Partnerschaft von Arzt und Krankem (personale Stufe des Verhältnisses). Diese drei Sinnstufen ärztlichen Handeins werden in der hier vorgelegten Arbeit auf den Delinquenten ange wendet. Auch bei ihm stoßen wir in den wiederholten Untersuchun gen auf die Not des Begegnenden, auch ihm entfremden wir uns bei der Ausarbeitung der Befunde und des Gutachtens im Über legen, Diagnostizieren und in der Strukturanalyse seiner Verhal tensgeschichte, und wir begegnen ihm schließlich auf der Sinnstufe humaner Partnerschaft, nicht nur, wenn wir einen lebenslänglich Verurteilten begutachten und sein Leben überblicken, sondern in jedem einfachen Fall schon im Gespräche über die Beziehung zu seiner Mutter oder über die Schicksale seiner Kindheit. VIII Dabei stoßen wir auch bei Delinquenten überall auf soziale Struk turen, auf die Entwicklung von Konzepten zur Verwirklichung seiner selbst, d.h. auf dieselben konstruktiven Impulse, die wir auch an nichtdelinquenten Persönlichkeiten beobachten können, und versuchen zu erkennen, welche Störsyndrome und Strukturab wandlungen zu den Dekompensationen und Defizienzerschei nungen geführt haben, aus denen delinquentes Verhalten (gesetz mäßig) als Möglichkeit entspringt. Die Dynamik, die es hier zu entschlüsseln gilt, ist nur dem Rüstzeug der klinischen Patho psychologie im Sinne von JASPERS sowie einer psychoanalytisch vertieften Entwicklungs- und Emotionspsychologie in Verbindung mit einer Reifungsbiologie und Neuropsychologie zugänglich. Das hat BÜRGER-PRINZ schon 1942 klar gesehen, als er die Heraus lösung des verbrecherischen Geschehens aus seinen Vorbedin gungen mit dem Hinweis forderte, man werde dann auf Gesetze stoßen, die sich abstrahieren lassen, die trotz der so weitab von allem Normalen liegenden Inhalte, an denen sie sich auswirken, durchaus allgemeine Gesetze menschlicher Handlungsweisen über haupt sind. In den hier vorgelegten Untersuchungen wird versucht, auf diesem Weg zu einer Grundlagenforschung der Kriminologie vorzustoßen. Dabei verdanken wir entscheidende Anregungen den Forschungen zum Problem des Gleichgewichts von P. SCHILDER und von PlAGET, den genialen Untersuchungen über die Koaktionen verschiedener Rhythmen von VON HOLST, ferner den entwicklungspsychologi schen Forschungen zur Ich-Bildung von R. A. SPITZ und den Untersuchungen über die Probleme der phasischen Psychosen von BÜRGER-PRINZ, sowie, last but not least, der Fortführung der JASPERs'schen Psychopathologie durch K. CONRAD, P. BERNER, W. JANZARIK, H. HELMCHEN u.a. Von besonderer Bedeutung waren die Forschungen zu den depressiven Syndromen seit der Veröffentlichung von WEITBRECHT zur endoreaktiven Dysthymie. Wichtige Hinweise verdanken wir der Lernpsychologie und der Neuropsychologie (BENEDETTI). Unter den Juristen sind wir vor allem R. SIEVERTS und F. NOWAKOWSKI zu Dank verpflichtet. Das meiste verdanke ich meiner Frau, ihren wertvollen Hinweisen und Anregungen, ihren Ideen, ihrer aufbauenden Kritik. Die methodischen Voraussetzungen für diese Untersuchungen resultieren aus den kinderpsychiatrischen undjugendpsychiatrischen Erfahrungen, die wir als Leiter von Erziehungsberatungsstellen und psychiatrischen Kinderstationen, an Erziehungsanstalten und bei Jugendgerichten sowie an einem Institut für vergleichende Erziehungswissenschaften in den Jahren von 1941-1959 gewonnen haben. Schließlich darf auch erwähnt werden, daß wir auf jahrzehntelange eigene Forschungen an Delinquenten uns stützen und mit dieser IX Untersuchung an Zwillings studien zum Problem der Konflikt kriminalität aus dem Jahr 1936 wieder anknüpfen können. Den verantwortlichen Herren der österreichischen Justizver waltung spreche ich für die wertvolle Unterstützung meinen aufrichtigen Dank aus. Herrn Architekt Dr. F. Prey danke ich für die mühevolle An fertigung der Graphik zum psychodynamischen Interferenzmodell und dem Springer-Verlag für seine vorbildliche Gestaltung und Ausstattung des Buches. Gesucht ist ein eigentliches Sein können des Daseins, das von diesem selbst in seiner existentiellen Möglichkeit begrenzt wird. Und: "Die Bezeugung soll ein eigentliches Selbstseinkönnen zu ver stehen geben." - So schrieb HEIDEGGER 1928. Uns geht es hier um die Bedingungskonstellation und die strukturelle Genese dieses Selbstseinkönnens bis hinauf zum Selbstkonzept (ROGERS) und dem Willen zum Sinn (FRANKL). Wien, im Juli 1975 F.J. STUMPFL x Inhaltsverzeichnis Vorwort . ......... . VII Teil I. Theorie der Kriminalität Einleitung . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . 2 Koinzidenz von Eigenschaften. 2 Konfliktkriminalität . . . 2 Definition der Gesundheit. 4 Entwicklung der Theorie . 4 Mobiles Gleichgewicht . .. 6 Entwicklung und Reifung 7 Möglichkeiten der Entwicklungsstörung. 7 Kompensation und Koordination 9 Anpassung und Libido 9 Destruktion. . . . . . . . . . 10 Genetische Faktoren ..... . 10 Begegnung als Prinzip des Psychischen und Unbestimmtheits- relation ........ . 10 Unbestimmtheitsrelationen 10 Begegnung mit dem Du. . 11 Begegnung und Konflikt . 12 Begegnungsmechanismen und Kriminogenese 13 Bewußtes und Unbewußtes . . . . . . . 14 Synthetische Funktion des Bewußtseins. . . 14 Psychopathologische Mechanismen 15 Wahrnehmungs- und Gedächtnistransformation 16 Zeitmoment und Affektverbrechen . . . . . . 17 Koordination von Bewußtem und Unbewußtem 18 Fortführung der Theorie 19 Enantiodromie . . . . . . . . . . . . . 19 Anisorropie. . . . . . . . . . . . . . . 20 Arbeitshypothesen der polymeren Isorropie und Therapie möglichkeiten . . . . . 21 Arbeitskonzeption . . . . . . . . . 22 Aktion und Interaktion ..... 22 Biologische Phasengesetzlichkeiten . 23 Ich-Schwäche . . . . . . 23 Emotionale Faktoren 24 Gegenintuitives Verhalten 24 Möglichkeiten einer Axiometrierung des Syndromwandels 25 XI Zur Situation in der Kriminologie 25 Prognoseforschung . . . . . . 25 Struktur- und Syndrom wandel . . 27 Dyssynchronien bei Jugendlichen. 27 Symbolhandlungen - nichtverbalisierte Selbstdarstellung 28 Bedeutung organischer und psychischer Gleichgewichtszu stände für das menschliche Handeln. . . . . 29 Aspekte der Psychopathie und Kriminogenese . . . . . . 30 Resozialisierung durch Verhaltensmodifikation . . . . . . 30 Relation möglicher dynamischer Gleichgewichte zu krimi- nellem Verhalten ..... 32 Autokinetisches Phänomen . . . . . . . . . 32 Kreativität und Destruktivität . . . . . . . . . . 32 Wechselbeziehung der Funktionsschichten zueinander 33 Endogenität und Positionalität 35 Positionalität . 35 Endogenität . . . . . . . 35 Eidopoiese. . . . . . . . 37 Die Gleichgewichtszustände im Bereich der Ich-Funktionen 38 Ur-Ich und Real-Ich .............. . 38 Interpersonale Beziehung als Ausdruck der doppelten "Nieder schrift" . . . . . . . . . . . . 39 Rhythmische Einstimmung. . . . . . . . 39 Das Ich - ein pulsierendes Organ . . . . 40 Aktivitätsniveau und Gesamtzusammenhang des familiären Systems . . . . . . . . . 41 Das mobile Gleichgewicht. . . . . . . . 41 Reziproke Rollenzuweisung . . . . . . . 42 Die Frage der Interferenzen zwischen verantwortlicher Handlung, biologischer Reaktion und Phasenspezijität 43 Aufbaumomente der menschlichen Handlung 44 Aggression und ihre determinierenden Faktoren 46 Biologische Fensterwirkung . . . . . . . . 47 Konditionierende Faktoren - die Vorgestalt . 47 Entstehung des destruktiven Einfalls 48 Handlungsfreisetzung . . . . . . . . . . . 49 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Die Abwehrmechanismen und das Rollengleichgewicht im gene- tischen Feld. . . . . . . . . 50 Wesensgesetzlichkeiten 50 Verantwortung und Gewissen 50 Rückfallsdelinquenten . . . . 51 Gleichgewichtsstörungen bei Psychosen 52 Schizoidie und Schizophrenie .. . . 53 Dominanz entwicklungs genetischer Faktoren . 54 Abwehrmechanismen als ichpsychologisch abgeleitete Selbst- regulationssysteme . . . . . . . . . . 54 Aggressives Verhalten ........ 55 Situativ zugespitzte Abwehrmechanismen 56 XII

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