© Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Krebse in der Wiese Praxisorientierte Erprobung einer umweit- und naturschutzkon- formen Produktionsmethode für den Edelkrebs in Feuchtwiesen D. ABED-NAVANDI & W. BITTERMANN Abstract This method of wet meadow use promises to be a highly economical and environ- Noble Crayfish culture in Wet ment-friendly alternative to the conven- Meadows. tional draining and afforestation of such meadows. A new cultivation method for the pro- The test run showed promising duction of the noble crayfish Astacus results: water quality parameters remained astacus using wet meadows as culture sites in an acceptable range. Within seven is currently being developped in Lower months, the start population showed a Austria. The meadows are adapted with weight increase of 7.4 % and a length ditches filled with water. This method has increase 3.5 %; berried females also several inherent advantages: high numbers occurred. An obstacle to the management of animals can be maintained per unit of the population was the strong digging meadow area. Rapid warming of the mea- activity of crayfish in the walls of ditches. dow water by solar radiation is expected to The artificial shelters, on the other hand, yield high growth rates. Rearing the ani- were poorly accepted. The design of these mals isolated from natural populations artificial shelters is currently being impro- reduces the risk of infection with diseases. ved. Stapfia 58. zugleich Kataloge des OÖ. Landesmuseums, Neue Folge Nr. 137 (1998). 251-256 251 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Einleitung Dohlenkrebse {Austropotamobius pal- lipes) und Steinkrebse (Austropotamo- Die Idee zur Produktion von Edelkrebsen bius torrentium) wird berichtet, daß (Astacus astaais) in Feuchtwiesen, die ein sie nachts zum „Grasen" an Land Alternative zur konventionellen Zucht dar- gehen (SCHULZ 1984; BOHL 1989; stellen könnte (siehe Beitrag PEKNY in diesem BITTERMANN 1991, 1992). Das reiche Band), beruht im wesentlichen auf zwei Angebot an Wasser-, Sumpf- und Grundlagen: Wiesenpflanzen auf den entspre- a) der Sorge um die zunehmende Verar- chend adaptierten Feuchtwiesen ist mung der Landschaft in land- und forstwirt- daher eine ideale Nahrungsgrundla- schaftlichen Produktionsgebieten. - Naturna- ge- he, früher extensiv genutzte Feuchtwiesen • Da Krebse bevorzugt ufernahe werden immer noch mit großem Aufwand Gewässerzonen besiedeln, ist die „melioriert", sie beheimaten jedoch zahlreiche Dichte von Krebspopulationen mehr schützenswerte Pflanzen, Insekten, Amphibi- von der Uferlänge als von der Fläche en und Vögel (MUCINA et al. 1993; JEDICKE oder dem Volumen des Gewässers 1996) bestimmt. Unter natürlichen Bedin- b) Bei einer Untersuchung von zum Teil gungen liegen die Dichten zwischen stark verwachsenen Entwässerungsgräben 1 und 3,5 Individuen pro Meter Ufer- einer Feuchtwiese im nördlichen Waldviertel linie (WESTMAN & PURSIAINEN 1982; (Bezirk Gmünd, Niederösterreich) wurde A. BOHL 1989). Dieser Aspekt wird astacus in einer weit höheren Populations- genutzt, um mit einem dichten Gra- dichte beobachtet als in den als Vorfluter fun- bensystem hohe Uferlängen und gierenden Bächen (BlTTERMANN unveröff.). damit maximalen Lebensraum für die Krebse auf der Wiesenfläche zu erzeu- Die Beobachtung, daß auch kleinste gen. Gerinne von nur 10 cm Breite besiedelt waren und die Tiere im Schnitt größer waren als in • Bei Krebsen ist die Wachstumsge- den Vorfluten, sind - in Übereinstimmung mit schwindigkeit stark von der Wasser- eigenen Arbeiten und der Literatur (BOHL temperatur abhängig (siehe Beitrag 1989) - wesentliche Grundlagen für das zur PÖCKL „Häutung" in diesem Band). Zeit laufendene Projekt. Die derzeit erprobte, Sonnige Feuchtwiesen mit flachen daraus abgeleitete Methode besteht darin, A. Wassergräben erwärmen sich im astacus in Feuchtwiesen, die mit einem Gra- Sommer tagsüber rasch und ermögli- bensystem versehen und partiell überstaut chen dadurch bei ausreichendem Fut- werden, zu produzieren. Dabei werden Fakto- terangebot eine hohe Wachstumsge- ren wie die Form der Gräben und Krebsunter- schwindigkeit der Krebse. schlupfe, Futterangebot, Tierzuwachs und • Die isolierte Haltung von Krebspopu- Wasserqualität berücksichtigt. lationen ohne Anschluß an ein Bei der Bewirtschaftung von Feuchtwiesen bestehendes Gewässersystem redu- sind Aspekte des Naturschutzes zu berücksich- ziert das Risiko einer Krebspestinfek- tigen. Die hier vorgestellte Nutzungsform tion durch zuwandernde, natürlich erhält den bedrohten Lebensraum Feuchtwie- vorkommende Krebse und Fische. se und soll auch eine ökonomische Alternati- ve zur Drainagierung darstellen. Neben die- • Ein juridischer Aspekt der Zuchtme- sem Naturschutz-Aspekt, sprechen etliche thode ist, daß im Gegensatz zur kon- „praktische" Aspekte für die Verwendung von ventiellen Krebszucht in Teichen kei- Feuchtwiesen zur Krebsproduktion: ne wasserrechtliche Genehmigung erforderlich ist. • Der Edelkrebs ist ein Allesfresser (sie- he Beitrag PöCKL „Nahrung" in die- • Der hohe Marktpreis von über 500,- sem Band) mit einem hohen Anteil öS pro kg - das entspricht 8-10 pflanzlicher Kost. Für Edelkrebse, großen Edelkrebsen - verspricht eine 252 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at höhere Wirtschaftlichkeit gegenüber Weißtischen, Mais und Karotten wurde vorge- der konventionellen Nutzungsart von nommen. Kontrolle und Zuwachsbestimmung Feuchtwiesen. der Besat:population wurden durch wieder- holtes Besammeln und Vermessung der Tiere in Abständen von 2-6 Wochen durchgeführt. Durchführung Dabei wurde Naßgewicht und Carapaxlänge mit einer elektronischen Waage (Typ: Sartori- Die Erprobung dieser Zuchtmethode wur- us Portable) und einer Schublehre bestimmt. de 1996 im WalJviertel (NO, Be:irk Gmünd) Zur Ermittlung der Wassertemperatur wurden Abb. 1: Ansicht der Edelkrebszuchtanlage in einer Feuchtwiese. Die Gitterab- deckungen und die künstlichen Wohn- röhren wurden zur Populationskon- trolle entfernt und sind neben dem angelegten Graben zu sehen. Foto: D. ABED. auf einer brachliegenden Wiese eines Fisch- elektronische Temperatursensoren mit Data- zucht- und Forstbetriebes begonnen. Ein T- logger ausgebracht. Als weitere wichtige Was- förmiger Graben mit 25 Metern Länge, 0,5 serqualitätsparameter wurden in Abständen Meter Breite und 0,6 Metern Tiefe wurde von 2-6 Wochen der pH-Wert und die Kon- angelegt. Er führt etwa 15-40 cm tief Wasser. zentrationen von Sauerstoff, Ammonium und Künstliche Wohnröhren, die einen einfachen Kalzium erhoben. Fang der Tiere ermöglichen, wurden aus Kunststoffrohren angefertigt und in die Anla- ge eingebracht. Erste Ergebnisse nach 7-monatiger Um eine Abwanderung der Krebse zu ver- Laufzeit hindern und als Schut: vor Krebsräubern wur- de die Zuchtanlage mit einem Gitter abge- Die Wassertemperatur in den Gräben lag deckt (Abb. 1). Im darauffolgenden Jahr wur- in den schneefreien Monaten April bis Okto- de die Anlage mit einer Population (40 % ber 1997 zwischen 8,3 und 18,1°C, der pH- Weibchen, 60 % Männchen) von Edel- Wert zwischen 6 und 7, die Sauerstoffkonzen- krebsen, die mit Reusen aus Teichen der Reyi- tration zwischen 7,1 mg/1 hei 17,2°C und 11,8 on entnommen wurden, besetzt. Zur individu- mg/1 bei 15,1°C, die Ammoniumkonzentrati- ellen Identifizierung bei der Zuwachskontrolle on betrug 0 bis 0,4 mg/1 und die Kalziumwerte wurde der Carapax der Tiere mit Brandpunk- lagen zwischen 20 und 50 mg/1. Die wiederge- ten markiert (siehe Beitrag STREISSL in diesem fangenen Tiere zeigten einen Anstieg des Band). Wöchentliche Zufütterung von toten mittleren Gewichtes von 54 g aut 58 g, und 253 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Abb. 2: Gewichts- und Größenverteilung in Gewichtsverteilung in der Besatzpopulation der Zuchtpopulation (n=34) zu Beginn und am Ende der 7-monatigen Beob- achtungsperiode (April-Oktober 1997). Mittel bei 54 g Mittel bei 58 g Foto: D. ABED. 30 " 30" 20 - nach 10 20- Monaten \ 1 10 - 10 - 10 25 40 55 70 85 100 10 25 40 55 70 85 100 3 2 Nassgewicht (g) Größenverteilung in der Besatzpopulation 40 " 40 Mittel bei 57 mm MHtel bei 59 mm CD 30 " 30 N nach 10 O) 20 - Monaten 20 10 - 10 I 40 45 50 55 60 65 70 40 45 50 55 60 65 70 SS 2 Carapaxlänge (mm) Abb. 3: Eitragendes Edelkrebsweibchen (54 mm Carapaxlänge, 42 g Naßge- wicht) aus der Zuchtanlage (Waldvier- tel, NÖ, Bezirk Gmünd), Fang am 3.6.1998. Foto: D. ABED. 254 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at eine Zunahme der mittleren Länge von 57 mm Zusammenfassung auf 59 mm (Abb. 2). Unter diesen befanden sich auch eitragende Weibchen (Abb. 3). Die Eine umweit- und naturschutzkonforme angebotenen Wohnröhren wurden nur von Produktionsmethode für Edelkrebse in rund einem Fünftel der Krebspopulation ange- Feuchtwiesen wird zur Zeit im Waldviertel nommen. Die Tiere zeigten intensive Grab- erprobt. Auf der Wiese werden wasserführen- tätigkeit und legten dabei in der Uferbö- de Gräben angelegt. Sonnige Feuchtwiesen schung Grabbauten bis über 70 cm Länge an. mit flachen Wassergräben erwärmen sich im Sommer tagsüber rasch und ermöglichen dadurch bei ausreichendem Futterangebot eine hohe Wachstumsgeschwindigkeit der Krebse. Dadurch, daß die Gräben nicht in Diskussion direktem Kontakt mit anderen Gewässern ste- hen, ist das Risiko von Infektionen, v. a. mit Trotz der bisher kurzen Laufzeit können der Krebspest, gering. Diese Methode die Ergebnisse als positive Hinweise auf eine erscheint als wirtschaftliche und umwelt- Verwendbarkeit von Feuchtwiesen zur Krebs- freundliche Alternative zur häufig praktizier- produktion betrachtet werden. Die Werte der ten Trockenlegung oder Aufforstung von erhobenen Wasserqualitätsparameter entspra- Feuchtwiesen. Erste Ergebnisse zeigen für chen den in der Literatur angegebenen Krebse ausreichende Wasserwerte und gute Bedürfnissen von Aswcus astacus (HOLDICH & Wachstumsraten. LOWERY 1988). Eine Gewichtszunahme der Startpopulation von 7,4 % und ein Längenzu- wachs von 3,5 % in 7 Monaten und die Tatsa- che, daß Fortpflanzung nachgewiesen werden konnte (Abb. 2, 3) erlauben den Schluß, daß Wassergräben in Feuchtwiesen geeignete Lebensräume für Edelkrebse darstellen. Literatur Die geringe Akzeptanz der angebotenen künstlichen Wohnröhren spiegelt wahr- BITTERMANN W. (1991): Der Steinkrebs (Astacus tor- scheinlich ein nicht den Ansprüchen der rentium SCHRANK) in Wien: Vorkommen und Krebse gerecht werdendes Design wider. Das (Wieder)Ansiedlungsmöglichkeiten. — Öster- möglicherweise daraus resultierende intensive reichs Fischerei, Heft 8/9: 34-38. Graben der Tiere in der Uferböschung stellt BITTERMANN W. (1992): Der Steinkrebs (Astacus tor- hinsichtlich des Wiederfanges zur Populati- rentium SCHRANK) im Hainbach — Österreichs Fischerei, Heft 2/3: 17-19. onskontrolle bzw. der Ernte der Tiere ein Pro- blem dar. Für die Zukunft ist die Anlage wei- BOHL E. (1989): Untersuchungen an Flußkrebsbestän- den. — Bericht d. Bayr. Landesanstalt für Was- terer Gräben geplant, in welchen eine Form- serforschung, Wielenbach. Anpassung der künstlichen Wohnröhren an natürliche Krebsbauten vorgenommen werden HOLDICH D.M. & R.S. LOWERY (1988): Freshwater cray- fish: biology, management and exploitation. — soll. Im Herbst 1998 sind erste Ergebnisse hin- Croom Helm, London. sichtlich des Bruterfolges der eitragenden Tie- JEDICKE E. (1996): Praktische Landschaftspflege. — re zu erwarten. Ulmer Verl., Stuttgart. MUCINA L., GRABHERR G. S T. ELLMAUER (1993): Die Pflanzengesellschaften Österreichs, Teil 1. — G. Fischer Verl., Jena. Danksagung SCHULZ N. (1984): Dohlenkrebs. — Sportfischerei in Österreich 1: 16. WESTMANN K. & M. PURSAINEN (1982): Size and structu- Dieses Projekt wird durch den Jubiläums- re of crayfish Astacus astacus populations on fond der Österreichischen Nationalbank different habitats in Finland. — Hydrobiologia gefördert (Projekt Nr. 5453). 86:212-221. 255 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Anschrift der Verfasser: Mag. Daniel ABED-NAVANDI Institut für Zoologie, Univ. Wien Althanstraße 14 A-1090 Wien Austria e-mail: [email protected] Dr. Wolfgang BlTTERMANN ÖSTAT, Abt. 8 — Umwelt Hintere Zollamtstr. 2b A-1033 Wien Austria e-mail: [email protected] 256