Kreativitat und Krankheit Philip Sandblom IZrea ti vi ta t und IZrankhei t Vom EinfluB korperlicher und seelischer Leiden auf Literatur, Kunst und Musik Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York London Paris Tokyo Hong Kong Professor Dr. Philip Sandblom Chemin des Bluets 2 CH-IOI2 Lausanne Titel der schwedischen Originalausgabe: Skapande och Sjukdom Bokforlaget Fingraf, ISBN-I3:978-3-642-74232-3 ISBN-13: 978-3-642-74232-3 e-ISBN-13: 978-3-642-74231-6 DOl: 10.1007/978-3-642-74231-6 CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Sandblom, Philip: Kreativitat und Krankheit: Yom EinfluB korperlicher und seelischer Leiden auf Literatur, Kunst und Musikj Philip Sandblom. - Bedin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo; Hong Kong: Springer, 1990 Einheitssacht.: Skapande och sjukdom (dt.) ISBN-13:978-3-642-74232-3 (Berlin ... ) Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung, des Nachdrucks, des Vor trags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksen dung, der Mikroverfilmung oder der VervieWiltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine VervieWil tigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Ein zelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urhe berrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland yom 9. September 1965 in der Fassung YOm 24. Juni 1985 zulassig. Sie ist grundsatzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbe stimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1990 Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1990 Gesamtherstellung: Fingraf Tryckeri, Sodertalje 2121/3130-543210 IV Fur Grace Es spiegelte ihr Angesicht Erinnrung sujf und Hoffnung licht, Und doch kein Wesen, das zu hehr Fur dieses Lebens Nahrung wiir, Fur leichte Sorge, leichten Scherz, Lob, Tadel, Liebe, Kujf und Schmerz. Jetzt nimmt mein Auge rein und klar Den Pulsschlag ihres Wesens wahr. Gedankenvoll seh ich sie gehn, Ernst nach des Lebens Ziele sehn. Ihr Wille fest wie der Verstand, Duldsam und streng, geschickt die Hand. Ein Weib gemacht ohn Falsch und Hehl, Zum Trost, zur Warnung, zum BeJehl, Und doch ein Geist so ruhig, schlicht, Umstrahlt von einem Engelslicht. William Wordsworth, Sie war ein Traum von Seligkeit 72 v Der Wunsch und das Bestreben, der Nachwelt einen einzigartigen und individuellen Einjall oder Gedankengang zu iibermitteln, hat manchem bedeutendem Kiinstler geholfen, seine Arbeit ungeachtet schwerer Krankheit jortzusetzen. Renoir litt an einem quiilenden altersbedingten Rheuma, das ihn zwang, auj der Innenseite seiner rechten Hand ein Wattepolster anzubringen, so daj er den J!insel- wie hier auj seinem Selbstportrait zu sehen - zwischen Daumen und Ringfinger halten konnte; dennoch malte er Bilder voll jugendlichen Frohsinns. Matisse war sein Zeuge: "Was jiir ein langes Martyrtum - seine Fingergelenke waren durchweg geschwollen und verkriippelt. - Und trotzdem hat er mit ihnen seine besten Bilder gemalt! - Wiihrend sein Korper verfiel, schien seine Seele mehr und mehr zu erstarken, und so driickte er sich mit zunehmender Leichtigkeit aus." VI Geleitwort 1970 war fur das Nationalmuseum in Stockholm ein denkwurdiges Jahr. Da ubergaben namlich Grace und Philip Sandblom dem Museum die vornehmsten Stucke ihrer mit so feinem Gespur fur Qualitat ausgesuchten Sammlung franzosischer Malerei des 19. und 20. Jahrhun derts - Werke von Meistern wie Delacroix, Courbet, Cezanne, Seurat und Picasso - sowie, nicht minder will kommen, Ernst J osephsons ergreifendes Portrait seines Onkels Ludvig. Die Wahl der uberreichten Bilder war keineswegs zufallig, denn die meisten von ihnen hatten die Sandbloms schon von Anfang an in der Absicht er worben, Lucken in den Bestanden des Museums zu fullen. Aus der Sicht seines Direktors ein wahrhaft ideales Sammlerpaar! Es ist ein spannendes Vergnugen, sich unter der An lei tung von Philip Sandblom in dem vorliegenden Band demonstrieren zu lassen, was - sei es nun zu ihrem Vor teil, sei es auch zu ihrem Nachteil-Kunst und Krankheit miteinander verbindet. In seiner doppelten Eigenschaft als Connaisseur und Chirurg - in beiden Fallen dient ihm das Auge als wichtigstes Instrument - ist der Autor auf gluckliche Weise berufen, jenem Gegenstand gerecht zu werden, der wie in einem Kaleidoskop mal in der Malerei, mal in der Musik oder in der Literatur zu beobachten ist. Dberdies wird deutlich, daB der Text von einem Mann geschrieben wurde, der viel gesehen und gehort und viel gelesen hat und der nicht zuletzt auch viel nachgedacht VII hat tiber die mit seinem Thema zusammenhangenden Pro bleme. Gottlob un bela stet von falscher Sentimentalitat war der Autor in der Lage, die Einsicht in diese Probleme mit einer lebendigen Darstellung zu verkntipfen. Hat man einmal angefangen, sich in sein Buch zu vertiefen, dann mochte man es erst beiseitelegen, wenn man es ausgelesen hat. Carl Nordenfalk VIII Danksagung Fur das Zustandekommen der deutschen Ausgabe meines Buches Skapande och gukdom habe ich zunachst Herrn Dr. Dr. h.c. multo Heinz Gotze mit seinem bestens ausge wiesenen Interesse fur die geistesgeschichtlichen Aspekte der Medizin zu danken. Mein alter Freund, Professor Dr. Fritz Linder in Heidelberg, der die Entstehung des Bu ches gleichfalls verfolgte, hat den Verlag lebhaft dazu er muntert, das Risiko einer Publikation auf sich zu nehmen. 1m Laufe meiner nunmehr ein Dritteljahrhundert wahrenden Beschaftigung mit dem hier behandelten The rna habe ich viele nutzliche Ratschlage erhalten. Verbun den bin ich deshalb namentlich den Professoren Ingmar Bengtsson in Uppsala, Staffan Bjorck in Lund und Kaj Johansen in Seattle. Wichtige Hinweise hat cler Verfasser daruber hinaus unter anderem bei der Lektiire der Arbei ten von Ernst Kern, George Pickering, Anthony Storr, Hermann Weigand und Stanley Weintraub erhalten. SchlieBlich danke ich Bernhard Lewerich, Dr. Ute Heilmann, Ilse Wittig und dem Springer-Verlag fUr ihr Engagement bei der Herstellung dieses Buches. Philip Sandblom IX Inhal tsverzeichnis Einleitung ...................... ;....... I Der Zusammenhang von Kreativitat und Krankheit . 7 Das Besondere am schopferischen Menschen . . . . .. 26 Kiinstliche Stimulanzien der Kreativitat . . . . . . . .. 35 Neurosen und psychosomatische Storungen ...... 50 Geisteskrankheiten ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 56 MiBbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 78 Alter, Schwache und Verfall ................. 85 Beeintrachtigungen der Sehkraft und des Gehors . .. 98 Schwere Schmerzen ........................ 113 Exkurs: Was Kiinstler iiber die Heilkunst der Arzte denken ......................... 126 Tuberkulose ............................. 136 Andere Gebrechen ........................ 15 I Epilog ................................. 169 Verzeichnis der Abbildungen ................. I7 5 Literatur ................................ 180 XI Einleitung Per varios usus artem experientia fecit. Manilius "Bei den meisten Dichtern ist die Poesie nur ein fortlau fender Kommentar zu ihrem jeweiligen Leben, eine Obertragung ihres prosaischen Schicksals in Verse." Als der schwedische Romantiker Esaias Tegner60 diesen Ge danken niederschrieb, hatte er ihn genauso gut auf die Kunstler schlechthin beziehen konnen, denn Kunst ist al lemal auf Erfahrung gegrundet - aus nichts kann man nichts schaffen. Das ist zwar eine Selbstverstandlichkeit, erscheint indessen immer noch der Rede wert und wird daher oft genug wiederholt und von neuem uberdacht. Anton Cechov raumte bescheiden ein: "Hatte mir am An fang meiner literarischen Laufbahn nur meine Phantasie zur Verfugung gestanden, hatte ich verzichten mussen." Jetzt freilich konnte er sich sowohl seine medizinische Ausbildung als auch seine Tuberkulose zunutze machen (vgl. unten S. 144). Henri Matisse erlautert, wie "der Kunstler arbeitet, indem er beobachtet und daraufhin die auBere Wirklich keit in sich aufnimmt, bis schlieBlich das, was er darstellen will, gleichsam ein Teil seiner selbst geworden ist, so daB er es auf der Leinwand wie eine originare personliche Schopfung wiedergeben kann"42. Gustav Mahler schlieB lich bemerkt, daB gestaltende Kunst und eigenes Erleben immerfort eins sind; gleichzeitig macht er einen Vorbe halt geltend, den auch der Horer seiner sinnlichen Musik empfindet: "Ein Rest Mysterium bleibt immer - selbst fur den Schopfer!" Den Schritt hinuber beschreibt er als 1
Description: