View metadata, citation and similar papers at core.ac.uk brought to you by CORE provided by Digitale Hochschulschriften der LMU Seminar fu¨r Philosophie, Logik und Wissenschaftstheorie der LMU Mu¨nchen Kontinuum und Konstitution der Wirklichkeit. Analyse und Rekonstruktion des Peirce’schen Kontinuum-Gedankens Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universit¨at Mu¨nchen vorgelegt von Julia Zink aus Mu¨nchen 2004 ii Referent: Prof. Dr. Godehard Link Koreferent: Prof. Dr. Matthias Varga von Kib´ed Tag der mu¨ndlichen Pru¨fung: 2.2.2004 Danksagung: Das Thema der Arbeit hat sich konkretisiert durch ausfu¨hrliche Gespr¨ache mit Prof. Huber in Rom, wofu¨r ich ihm herzlich danken m¨ochte. Herr Prof. Link hat mich in sein Oberseminar aufgenommen und mich als Doktorvater jederzeit beraten und stets unterstu¨tzt, ihm und auch den Herren des Oberseminars darf ich dafu¨r vielmals danken. Mein besonderer Dank gilt auch Prof. Varga von Kib´ed fu¨r viele wissenschaftliche Anregungen und meinem Vater fu¨r seine geduldige Hilfe bei der Korrektur der Arbeit. Der DFG danke ich fu¨r die materielle Unterstu¨tzung im Rahmen des Graduiertenkollegs Sprache, Information, Logik. iii Die Arbeit m¨ochte ich den Menschen widmen, die meinen beruflichen Lebensweg wesentlich bestimmt haben meinem Vater, Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. Dipl.-Phys. Peter Zink, meinem Mathematiklehrer am Lyceum Alpinum Zuoz, Max Baumann, meinem akademischen Lehrer in Mathematik an der LMU Mu¨nchen, Prof. Dr. rer. nat. Otto Forster, meinem akademischen Lehrer in Philosophie an der Pontificia Universit`a Gre- goriana, Prof. Dr. phil. Carlo Huber SJ, meinem akademischen Lehrer in Logik an der LMU Mu¨nchen, Prof. Dr. phil. Matthias Varga von Kib´ed, meinem akademischen Lehrer in Logik an der LMU Mu¨nchen, Prof. Dr. phil. Dipl.-Math. M.A. Godehard Link. iv Inhaltsverzeichnis 1 Geschichtlicher Hintergrund xi 1.1 Ein U¨berblick u¨ber die Geschichte des Kontinuums . . . . . . . . xi 1.2 Der Einfluss von Aristoteles, Leibniz und Kant . . . . . . . . . . xiv 1.2.1 Zur aristotelischen Sicht des Kontinuums . . . . . . . . . xiv 1.2.2 Zur Leibniz’schen Sicht des Kontinuums . . . . . . . . . . xvii 1.2.3 Zur kantianischen Sicht des Kontinuums . . . . . . . . . . xxi 1.3 Phasen des Kontinuums bei Peirce . . . . . . . . . . . . . . . . . xxiv 1.3.1 Vorcantorsche Periode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxv 1.3.2 Cantor’sche Periode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxv 1.3.3 Kantianische Periode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxx 1.3.4 Nachcantorsche Periode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxxi I Peirce und das Kontinuum 1 2 Die drei Kategorien von Peirce 5 2.1 Unterteilung der Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.2 Die drei Peirce’schen Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.2.1 Ph¨anomenologischer Aufweis der drei Kategorien . . . . . 7 2.2.2 Kategorien in der Realit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.2.3 Kategorien und Relationenlogik . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.2.4 Peirce’ Kategorien und seine Reduktionsthese . . . . . . . 12 3 Aus Peirce’ Logik und Mathematik 13 3.1 Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3.1.1 Nichtdegenerierte triadische Relationen . . . . . . . . . . 24 3.1.2 Hypostatische Abstraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.1.3 Verh¨altnis von PAL und der Pr¨adikatenlogik . . . . . . . 27 3.1.4 Peirce und Boole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.2 Zwei grundlegende Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.2.1 Zur ersten Formulierung des Nichtwiderspruchsprinzips . 28 3.2.2 Zur zweiten Formulierung des Nichtwiderspruchsprinzips . 29 3.2.3 Verbindung beider Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.2.4 Weitere Formulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 v vi INHALTSVERZEICHNIS 3.3 Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.4 Vagheit und Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.4.1 Definition aus der Pragmatik . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.4.2 Russel u¨ber all“, every“, any“ a“ und some“ . . . . . 41 ” ” ” ” ” 3.4.3 Quantoren, Universalien und die beiden Prinzipien . . . . 42 4 Fu¨nf Eigenschaften des Kontinuums 47 4.1 Unterteilbarkeit des Peirce’schen Kontinuums . . . . . . . . . . . 48 4.2 Potentialit¨at. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4.3 Erfassung des Allgemeinem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4.3.1 Kontinuum und Drittheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4.4 Selbst¨ahnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4.5 Priorit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 5 Kontinuum und Konstitution 59 5.1 Pragmatische Maxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 5.2 Gemeinsames in Metaphysik und Erkenntnistheorie . . . . . . . . 62 5.2.1 Tychismus und Agapismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 5.3 Modalia und die drei Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 5.3.1 Erkenntnis und Sch¨opfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 5.4 Materie und Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II Weiterentwicklungen und Modelle 71 6 U¨ber Blaus Logik 75 6.1 Reflexionslogik, Vagheit und Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . 76 6.1.1 Die sechs Wahrheitswerte in der Reflexionslogik . . . . . . 78 6.1.2 Vagheit, Allgemeinheit und die Blau’schen Wahrheitswerte 79 6.2 Der allwissende Verifikator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 6.3 Blaus gr¨oßte Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 6.4 Blaus kleinste Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 6.5 Blau, Peirce und die fu¨nf Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 84 7 Konstruktive Sicht des Kontinuums 87 7.1 Intuitionistische Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 7.1.1 BHK-Interpretation der Junktoren und Quantoren . . . . 88 7.1.2 Allwissenheitsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 7.2 Konstruktive reelle Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 7.2.1 Cauchy-Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 7.2.2 Dedekind-Schnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 7.2.3 Das konstruktive Kontinuum und die fu¨nf Bedingungen . 94 7.3 Das intuitionistische Kontinuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 7.3.1 Das kreative Subjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 7.3.2 Wahlfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 7.3.3 Das intuitionistische Kontinuum und die fu¨nf Bedingungen100 INHALTSVERZEICHNIS vii 8 Bells Logik der Wahrnehmung 101 8.1 R¨aume und algebraische Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . 101 8.2 Anwendung fu¨r die Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 8.3 Verbindung zwischen Kontexten und R¨aumen . . . . . . . . . . . 109 8.4 Bells Logik und die fu¨nf Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 111 8.5 Punktfreie Topologie und die fu¨nf Bedingungen . . . . . . . . . . 112 9 Ein Modell fu¨r das Peirce’sche Kontinuum 113 9.1 Myrvolds Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 9.2 Verbindung zweier Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 9.2.1 Ebenen der Verfeinerung im Endlichen . . . . . . . . . . . 118 9.3 Zuschreiben von Pr¨adikaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 9.4 Die fu¨nf Bedingungen und die Modelle . . . . . . . . . . . . . . . 120 10 U¨ber die Grenzen der Unterscheidbarkeit 123 Zusammenfassung 127 Lebenslauf 129 viii INHALTSVERZEICHNIS Vorwort Die Arbeit istin zweiTeile geteilt:Der erste Teilhandeltvon Peirce Peirce und seiner Theorie des Kontinuums, der zweite Teil von Modellen aus der heutigen Logik und Mathematik, die dem Peirce’schen Kontinuum verwandt sind. ZuerstfindetsicheinegeschichtlicheEinfu¨hrung,diediemathematischeGe- schichtedesKontinuumsverfolgt,aufGedankendreierbedeutenderPhilosophen zu dem Thema eingeht, und die Phasen der Peirce’schen Gedanken zum Konti- nuum skizziert. Der erste Teil befasst sich mit dem Peirce’schen Kontinuum, einer Thema- tik, die in dem umfangreichen Werk von Peirce, als besonders schwierig ein- gesch¨atzt wird. Es werden die drei Kategorien von Peirce besprochen und des- senU¨berzeugungdargelegt,dassdieStrukturenunsererWahrnehmungundEr- kenntnis sich auch in der Wirklichkeit wiederfinden. Ein Kapitel besch¨aftigt sichmiteinzelnenAspektenderPeirce’schenMengenlehreundRelationenlogik. DasPeirce’scheKontinuumwirdanhandvonfu¨nfEigenschaftencharakterisiert. Beispielhaft werden Zusammenh¨ange dargestellt, die zwischen seiner Vorstel- lung des Kontinuums und seiner Philosophie, einschließlich seiner Metaphysik, bestehen. DerzweiteTeilbeginntmiteinerkurzenDarstellungderBlau’schengr¨oßten und kleinsten Zahlen. Blau verwendet in seiner Logik und Philosophie den Be- griff des allwissenden Verifikators. Es soll dargelegt werden, dass es auch fu¨r diesenindemSinnGrenzenderErkenntnisgibt,alsdieMittelderBeschreibung manches,dasunterschiedenw¨are,nichtmehrunterscheidenk¨onnen.Eswirddie intuitionistischeundkonstruktiveSichtdesKontinuumsbzw.derreellenZahlen besprochen. Dabei wird kurz auf das von Brouwer eingefu¨hrte kreative Subjekt eingegangen,dasdieUnterscheidungsf¨ahigkeiteinesidealisiertenMathematikers besitzt. Bells Logik der Wahrnehmung setzt ein Subjekt mit endlicher Unter- scheidungsf¨ahigkeit voraus. Ein von Bell und Myrvold inspiriertes Modell des Kontinuums wird vorgeschlagen. Das Modell folgt dem Peirce’schen Gedanken, dass Punkte teilbar sind und keine Ausdehnung haben, und hat verschiedene Ebenen von Infinitesimalen. Es konnten philosophische Thesen entwickelt wer- den, die u¨ber einen Vergleich der Peirce’schen Gedanken mit heutigen Vorstel- lungen hinausgehen. Eine dieser Thesen ist, dass die Vielfalt der Welt abh¨angt vonderUnterscheidungsf¨ahigkeit,dievorausgesetztist.Dieswirdbeispielhaftan drei mathematischen Theorien gezeigt, die Modelle fu¨r das Kontinuum liefern. Eine andere These ist, dass bei der Erforschung der Wirklichkeit eine immer ix x VORWORT gr¨oßere Verfeinerung gefunden werden kann und dass jede Beschreibung mit einer bestimmten Feink¨ornigkeit oder Grobk¨ornigkeit verbunden ist. DieGedankenderDissertationgehenaufdieSchriftenvonPeircezuru¨ck,die einen immensen Umfang haben, und teilweise nur handschriftlich vorliegen. Es wirdunterdemOberbegriffKontinuumderVersuchunternommen,auszun¨achst unzusammenh¨angend scheinenden Themen skizzenhaft Querverbindungen auf- zuzeigen, was stellenweise der Arbeit den Charakter eines Steinbruchs verleiht. Die Arbeit soll einen Beitrag liefern zu der Frage, wo sich Grenzen der Be- schreibbarkeit zeigen, wie sie sich zeigen, und inwieweit es sinnvoll ist zu sagen, dass diese Grenzen in der Wirklichkeit selbst angelegt sind.
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