Kasseler Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften 12 Martin Hahmann Komplementäre Managementdiskurse Polarisierung oder Paradigmenvielfalt? Hahmann Komplementäre Managementdiskurse GABLER EDITION WISSENSCHAFT Kasseler Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften; Band 12 Herausgegeben von Dr. Heinz Hübner, Dr. Jürgen Reese, Dr. PeterWeise und Dr. Udo Winand, Univ. -Professoren des Fachbereiches Wirtschaftswissenschaften, Universität-Gh Kassel Die Schriftenreihe dient der gebündelten Darstellung der vielfältigen wissenschaftlichen Aktivitäten des Fachbereichs Wirtschaftswissen schaften der Universität-Gh Kassel. Er umfaßt die Fachgebiete Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Verwaltungswissen schaft und Wirtschaftsinformatik. Die Reihe ist jedoch auch offen für die Veröffentlichung von Arbeiten aus "verwandten" Fachgebieten und Ergebnissen aus interdisziplinären Projekten mit ausgeprägtem Bezug zu ökonomischen Fragestellungen. Martin Hahmann Komplementäre Managementdiskurse Polarisierung oder Paradigmenvielfalt? Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Otfried Kießler Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Hahmann, Martin: Komplentäre Managementdiskurse : Polarisierung oder Paradigmenvielfalt? Martin Hahmann. Mit einem Geleilw. von Otfried Kießler. -Wiesbaden: Dt. Univ.-Verl.; Wiesbaden: Gabler, 2000 (Kasseler Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften ; Bd. 12) (Gabler Edition Wissenschaft) Zugl.: Kassel, Univ., Diss., 1999 ISBN 978-3-8244-7178-2 ISBN 978-3-322-99225-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-99225-3 Alle Rechte vorbehalten © Springer Fachmedien Wiesbaden 2000 Ursprünglich erschienen bel BetriebswirtschaftlicherVerlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden und Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden 2000 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbeson dere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. hHp:/ /www.gabler.de hHp:/ /www.duv.de Höchste inhaltliche und technische Qualität unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Verbreitung unserer Werke wollen wir die Umwelt schonen. Dieses Buch ist deshalb auf säure freiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Einschweißfolie besteht aus Polyäthylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbren nung Schadstoffe freisetzen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Na men im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. V Geleitwort Betriebliches Management und die Untemehmensfiihrung stehen aktuell vor elementar neuen Herausforderungen. Die Gestaltung der Produkte, die Bildung von Untemeh menskemen, die Entwicklung neuer Kompetenzen, der Kampf um neue Märkte haben Rückwirkungen auf die Unternehmerischen Handlungskonzepte. Die Veränderung in der Praxis stellt der Wissenschaft die Aufgabe, über Ansätze und Modelle der Manage mentlehre neu nachzudenken. Ein empirischer Zugang wäre die Analyse praktizierter Verfahren, Methoden und Konzepte. Eine theoretische Reflexion versucht über Hinter grundtheorien den Entwicklungen interpretative Muster abzuringen. Diesen Weg be schreitet die vorliegende Arbeit. Auf der Basis einer fundierten Dekonstruktion sozial wissenschaflticher Theorien und Managementansätze stellt sich der Autor der Themen verschiebung und Neugründung Unternehmerischen Handelns. Die Anstrengungen zielen sympathischerweise nicht auf Abgrenzungen und ideologi sche Verfestigungen, um sich dann auf eine Position festzulegen. Vielmehr werden in den Positionen gleichgerichtete Argumentationsmuster und Anschlußstellen gesucht, um die vier sozialwissenschaftliehen und die drei managementorientierten Ansätze mit einander zu verknüpfen. Die semiotischen und semantischen Differenzen werden auf komplementäre Strukturen abgeklopft. Die These der Komplementarität der Theorien wird an vier Kriterien überprüft, die sich in vier Fragestellungen dargeben: In welchem Verhältnis von Opposition und Komplementarität stehen die aufgearbeiteten Theorien? Wie sind die Theorien auf dem Kontinuum von Differenz und Ganzheit einzuordnen? Läßt sich das Verhältnis von ontologisch konkreten und beobachteten Perspektiven er kenntnistheoretisch klären? Wie entwickeln sich Theorien im Spannungsfeld von Ein heit und Vielfalt? Das anspruchsvolle Programm ist eine Radikalisierung des Rationalitätsanspruchs der Modeme. Wissenschaft wird metatheoretisch reflektiert. Die Theorien werden nicht philosophisch positioniert, sondern ihren eigenen reflexiven Mechanismen unterworfen. Es gibt also keine Über- oder Unterordnung von Theorien und keine gegenseitigen in tellektuellen Herrschaftsansprüche. Der Verfasser hat diesen Anspruch weitgehend durchgehalten, obwohl er eine Zuneigung zu den systemischen Theorieansätzen erken nen läßt. Die archeologischen Textarbeiten, also die Dekonstruktionen und Numerierung der Theorieteile der Autoren, sind hervorragend gelungen. Bei den Rekonstruktionen be müht sich der Verfasser, die prozessualen Dimensionen der Theorieansätze in den Vor dergrund zu rücken, um Grundlagen fiir fluide Organisationen und dynamische Füh rungskonzepte fiir ein Veränderungsmanagement herauszuarbeiten. Strukturen sind ein facher, wenn sie - wie in der vorliegenden Arbeit - in diskurstheoretischer Perspektive heterogen und in fraktionierten Rationalitäten des Unternehmens gesehen werden. In den sich immer wieder durchziehenden erkenntnistheoretischen und wissenschaftstheo retischen Reflexionen ist das Verhältnis von Theorie und Praxis das zentrale Thema. Der Verfasser sucht keine Brücken zwischen Theorie und Praxis zu schlagen, sondern er bemüht sich um Auflösung verfestigter Argumentationslinien, um eine Oppositionie rung von Theorie und Praxis zu vermeiden. Er folgt hier dem methodischen Ansatz VI Lyotards. Die zentrale methodologische Figur, mit den erkenntnistheoretischen und wis senschaftstheoretischen Problemen umzugehen, liegt in dem Versuch der doppelten Wahrnehmung von Realität und Wirklichkeit. Die Arbeit stellt einen hohen Anspruch an das Mit-und Nachdenken des Lesers. Die Mühen lohnen sich fiir denjenigen, der nach neuen Wegen in der theoretischen und praktischen Gestaltung unternehmefischen Handeins sucht. PROF. DR. ÜTFRIED KIEßLER VII Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im November 1998 beim Promotionsausschuß Dr. rer. pol. fiir Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Gesamthochschule Kassel als Dissertation unter dem Titel "Neuere sozialwissenschaftliche Diskurse in den Organisations- und Managementtheorien" eingereicht und im Juni 1999 mit der Ge samtnote "magna cum laude" verteidigt. Bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Otfried Kießler (Fachgebiet Organisa tion/Personal) fiir das Referat. Herrn Prof. Dr. Gerd-Michael Hellstem (Fachgebiet Verwaltungsökonomie und -management) gilt mein Dank fiir das Koreferat. Besonders hat mich das Interesse der Herren Professoren Dres. Heinz Hübner, Jürgen Reese, PeterWeise und Udo Winand an meiner Arbeit gefreut, was dazu gefiihrt hat, daß sie meine Dissertation in die Reihe "Kasseler Wirtschafts-und Verwaltungswissen schaften" aufgenommen haben. Mein besonderer Dank gilt dem Kasseler Hochschulbund e.V., welcher mir aus Mit teln der Otto-Braun-Stiftung ein zweijähriges Promotionsstipendium ermöglichte. Da durch genoß ich die Privilegien und Freiräume, die ich für eine vornehmlich grund lagentheoretische - auf die Auswertung umfangreicher Literaturbestände bezogenen Arbeit - benötigte. So war ich zumindest vom "operativen" Tagesgeschäft weitgehend entlastet. Die in der Arbeit erörterten system-und handlungsorientierten sowie strukturalen An sätze aus den Sozialwissenschaften fokussieren freilich nur eine ausgewählte Problem sicht innerhalb des umfangreichen Lehr- und Forschungsfeldes zur Organisation und zum Management. Die von mir gewählte Perspektive erhebt daher nicht den Anspruch, unmittelbar verwertbares Rezeptwissen für die Akteure in Unternehmen anbieten zu können. Dennoch sehe ich einen sinnvollen Bezug im Hinblick auf personale und organisatorische "Tiefenstrukturen", die symbolisch vermittelt sind und den Akteuren über "implizites Wissen" vorliegen. Von Bedeutung erscheint mir die in meiner Dissertation hergestellte Verbindung von neuerer soziologischer Systemtheorie und diskursorientierten Ansätzen für die Organi sations- und Managementforschung. Dazu war es zunächst nötig, auf vermeintlich "fremden" Feldern zu arbeiten, Feldern, die sich einer genuin betriebswirtschaftliehen Themenstellung entziehen mögen. Trotz jener "Randgänge" und der damit verbundenen Irritationen hat es sich fiir mich als produktiv und als innovativ erwiesen, dieses Er kenntnisinteresse konsequent weiterzuverfolgen und zu verteidigen. Die Rezeption so genannter "postmoderner" Denkansätze in der Betriebswirtschaftslehre belegt übrigens ein solches Erkemitnisinteresse: Im letzten Jahr hat Georg Schreyögg die (ebenfalls bei Gabler erschienene) Aufsatzsammlung "Organisation und Postmoderne" herausgege ben. Dies verweist einmal mehr auf die meines Erachtens notwendige disziplinäre Öff nung mit ihren sprach- und kommunikationstheoretischen Perspektiven. Hierzu einen Beitrag geleistet zu haben, war das Ziel der vorliegenden Arbeit. MARTIN HAHMANN IX Inhaltsverzeichnis Zielsetzung der Arbeit 1 Aufbau und Inhalt der Arbeit 2 Eintuhrende Zusammenfassung 2 Einige Hinweise zur Lektüre der Arbeit 7 Einleitung 9 A. ERKENNTNISTHEORETISCHE PROBLEME: EIN GRUND- LAGENTHEORETISCHER BEZUGSRAHMEN 17 I. Die neuere soziologische Systemtheorie als "Kommunikationsontologie" (Niklas Luhmann) 20 I. Zur "Autogenese" sozialer Systeme 22 2. Kommunikationen als emergente Eigenleistungen sozialer Systeme 25 3. Zur Autopoiesis sozialer Systeme 28 4. Gibt es eine Autopoiesis des Sozialen? 31 5. Zwischenbetrachtung: Optionen autopoietischer Kommunikationstheorien 42 5.1 Zur Semantik des systemtheoretischen Codes 44 5.2 Beobachtungen und Unterscheidungen 47 6. Kommunikationsontologien und deren Auflösung durch Eigenzeiten 51 7. Das System als erkenntnistheoretische Konstruktion 56 8. KONKLUSION 62 II. Ausgewählte sprachtheoretische Reflexionen (Jean-Francois Lyotard, Jacques Derrida) 64 I. Die "Satzontologie" bei Jean-Franc;:ois Lyotard 64 1.1 Zur Auseinandersetzung Lyotards mit der soziologischen Systemtheorie 71 1.2 Konvergenzen von "Satzontologie" und "Kommunikationsontologie" 73 2. Die Dekonstruktion bei Jacques Derrida 79 2.1 Schrift in ihrer verräumlichten und verzeitlichten Qualität 84 2.1.1 Exkurs: Zur Kritik an der Phänomenologie Edmund Husserls durch Derrida 84 2.1.2 Verräumlichung 86 2.1.3 Verzeitlichung 88 2.2 Zur Dekonstruktion in den Organisationstheorien 89 2.3 Konvergenzen von neuerer Systemtheorie und Dekonstruktion 94 2.3.1 Dekonstruktion und neuere Systemtheorie als "Differenztheorien" 101 2.3.2 Schrift oder Kommunikation? 107 2.4 Zwischenbetrachtung: Systeme und Diskurse 111 3. KONKLUSION 116 X III. Die strukturationstheoretische Perspektive als "Sozialontologie" (Anthony Giddens) 117 1. Die Abgrenzung zur neuerensoziologischen Systemtheorie 123 1.1 "Kommunikationsontologie" und "Sozialontologie" als Re- konstruktionsvorschläge hinsichtlich des Handlungsbegriffs 128 1.2 Exkurs: Zu einer jüngeren "herrschaftslogisch" fundierten Kritik an der Systemtheorie 135 1.3 Macht, Herrschaft oder "Gewalt"? 150 1.4 Zur Temporalität sozialer Systeme: Selbstreferenz oder Reflexibilität? 153 2. Die Abgrenzung zu poststrukturalistischen Positionen 155 3. Aspekte einer "doppelten Hermeneutik" des Sozialen 159 3.1 Zur Hermeneutik in der Systemtheorie 162 3.2 Synthesenbildung oder Rekonstruktion und Konstruktion eines offenen Handlungsmodells 165 4. KONKLUSION 168 IV. Zwischenresümee: Zur Komplementarität systemischer, strukturaler und handlungsorientierter Theorien 170 1. Zu den erkenntnistheoretischen Konsequenzen 170 2. Zur Auflösung sozialwissenschaftlicher Oppositionsbildungen 170 3. Zur organisationstheoretischen Spezifizierung 171 B. KONZEPTIONELLE INNOVATIONEN IN DER BETRIEBS WIRTSCHAFTLICHEN ORGANISATIONS-UND MANAGE- MENTFORSCHUNG 174 I. Zur Evolution der Unternehmen als soziale Systeme ("St. Galler Ansatz") 179 1. Zum Stellenwert evolutionstheoretischer Bezüge 180 2. Evolutionstheoretische Prämissen des St. Galler Ansatzes 182 2.1 Zur Theorie der "spontanen Ordnung" (Friedrich August von Hayek) 185 2.2 Zum "Modell lebensfähiger Systeme" (Stafford Beer) 188 2.3 Zur Kybernetiktheorie von William Ross Ashby 193 2.4 Zur soziokulturellen Evolutionstheorie (Donald T. Campbell) 196 2.5 Zwischenbetrachtung: Zum Stellenwert der systemischen, kyber- netischen und evolutionären Positionen 197 3. Zu den Kritiken am St. Galler Managementansatz 199 3.1 Unstimmigkeiten bezüglich des Verhältnisses von Selbstorganisation und Fremdorganisation 199 3.2 Zur mangelnden Akteurperspektive 201 4. KONKLUSION 203