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Kompetenzdiskurs und Bewerbungsgespräche: Eine Dispositivanalyse (neuer) Rationalitäten sozialer Differenzierung PDF

323 Pages·2008·2.214 MB·German
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Inga Truschkat Kompetenzdiskurs und Bewerbungsgespräche Theorie und Praxis der Diskursforschung herausgegeben von Reiner Keller Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich im deutschsprachigen Raum quer durch die verschiedenen sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen eine lebendige Szene der diskurstheoretisch begründeten empirischen Diskurs- und Dispositivforschung entwickelt.Nicht nur Qualifika- tionsarbeiten etwa im Rahmen von Graduiertenkollegs,sondern auch Forschungsprojekte,Metho- denwerkstätten und Tagungen oder die von der Deutschen Gesellschaft für Soziologie unlängst vergebenen Nachwuchs-Preise für empirische Diskursstudien dokumentieren die zunehmende Bedeutung des Diskursbegriffs für die Analyse gesellschaftlicher Wissensverhältnisse und Wissenspolitiken.Vor diesem Hintergrund zielt die interdisziplinär angelegte Reihe durch die Veröffentlichung von Studien und Diskussionsbeiträgen auf eine weitere Profilschärfung der Diskursforschung sowie auf die Vorstellung entsprechender Arbeiten für ein breiteres wissen- schaftliches Publikum.Die einzelnen Bände werden sich mit theoretischen und methodologi- schen Grundlagen,methodischen Umsetzungen und empirischen Ergebnissen der Diskurs- und Dispositivforschung sowie mit deren Verhältnis zu anderen Theorieprogrammen und Vorgehens- weisen beschäftigen.Vorgesehen ist die Publikation von Forschungsarbeiten aus unterschied- lichen Fachdisziplinen sowie von Sammel- und Tagungsbänden. Inga Truschkat Kompetenzdiskurs und Bewerbungsgespräche Eine Dispositivanalyse (neuer) Rationalitäten sozialer Differenzierung Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. Zugl.Dissertation an der Universität Göttingen,2007 . . 1.Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH,Wiesbaden 2008 Lektorat:Katrin Emmerich / Britta Göhrisch-Radmacher VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw.in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16022-1 Geleitwort Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich im deutschsprachigen Raum eine lebendige Szene der sozialwissenschaftlichen Diskursforschung entwickelt.1 In wesentli- chen Teilen – wenn auch nicht ausschließlich – speist sich deren Etablierung aus Anschlüssen an und Absetzbewegungen von Arbeiten Michel Foucaults. Dieser Ausgangspunkt spiegelt sich in Forschungsinteressen, die oberhalb der Ebenen von Konversationsanalyse oder Gesprächsforschung sowie jenseits unmittelbar sprachwissenschaftlicher Fragen zu verorten sind und sich auf Analysen der „diskursiven Konstruktion von Wirklichkeit“ (Keller/Hirseland/Schneider/ Vie- höver 2005) richten. Die Spannweite der dabei verfolgten theoretischen Argu- mentationen und methodischen Umsetzungen ist, ebenso wie die Pluralität der damit verbundenen Fragestellungen, in Einführungen, Handbüchern, Schwer- punktausgaben von Zeitschriften, Sammelbänden u.a. dokumentiert worden. Sie bedarf an dieser Stelle keiner zusätzlichen Erläuterung (vgl. Keller 2006). Das Feld der Diskursforschung zeichnet sich durch einen hohen Grad an Inter- und Transdisziplinarität aus. So zumindest kann der auf Tagungen und in Netzwer- ken beobachtbare Austausch zwischen den beteiligten Disziplinen benannt wer- den, zu denen die Erziehungs-, Geschichts-, Kommunikations-, Medien-, Politik- und Sprachwissenschaften sowie die Geographie und nicht zuletzt die Soziologie gehören. Ob daraus ein disziplinär eigenständiges Feld der Diskursforschung entstehen wird, bleibt abzuwarten; ob dies wünschenswert ist, darüber ließe sich streiten. Schon jetzt zeichnet sich jedoch der Beitrag der Diskursforschung zu einer sozialwissenschaftlichen Belebung und empirischen Bearbeitung von Fra- gestellungen ab, wie sie im angelsächsischen und z.T. auch im deutschsprachi- gen Raum bislang eher im Rahmen der Cultural Studies und angrenzender Transdisziplinen verfolgt werden. Mit dem vorliegenden Band von Inga Truschkat startet nun eine in dieser Form im deutschen Sprachraum erstmalige Reihe zur ‚Theorie und Praxis der Diskursforschung’. Sie zielt darauf, unterschiedlich disziplinär eingebetteten Beiträgen zur Diskurs- und Dispositivforschung ein Forum zu geben und in hö- herem Maße als bisher Möglichkeiten zur Fokussierung entsprechender wissen- 1 Literatur zum Geleitwort am Ende des Literaturverzeichnisses 6 Geleitwort schaftlicher Aufmerksamkeiten bereit zu stellen. Ich freue mich aus mehreren Gründen darüber, dass die Reihe mit dem Buch von Inga Truschkat eröffnet wird. Inhaltlich zielt die Studie – ohne an dieser Stelle die Argumentation vor- wegzunehmen – auf eine Analyse des „Kompetenzdiskurses“ und seine Relatio- nierung zur Praxis von Bewerbungsgesprächen. „Kompetenz“ ist seit einigen Jahren zu einem Zauberwort, zu einer Beschwörungsformel für Handlungssi- cherheiten in einer ungewissen Gegenwart avanciert, deren modische Allgegen- wart dringend einer sozialwissenschaftlichen Analyse jenseits einfacher Affirma- tionen bedarf und die kaum in einem einzigen Band erschöpfend behandelt wer- den kann (vgl. etwa auch Haeske 2008). Von einer Erziehungswissenschaftlerin verfasst, die sich im Möglichkeitsraum zwischen ihrer eigenen disziplinären Verankerung und den Perspektiven der Soziologie bewegt, veranschaulicht die Studie eindrucksvoll die erwähnte ‚Zwischendisziplinarität’ der Diskursfor- schung. Deutlich wird auch, dass letztere keineswegs auf die Analyse von Texten reduziert werden sollte. Inga Truschkat wählt den Begriff des „Dispositivs“, um das Beziehungs- und Wirkgefüge von Kompetenzdiskursen und betrieblichen Einstellungsprozessen zu benennen. Sie belegt damit in eindrucksvoller und theoretisch-methodologisch reflektierter Argumentation die enge Verflochtenheit von Diskurs- und Dispositivebene. In einer überzeugenden Analyse der Diskurse und der Verläufe von Bewerbungsgesprächen gelingt ihr die Rekonstruktion unterschiedlicher Rationalitäten „sozialer Differenzierung“. Dabei erarbeitet sie, ausgehend von verfügbaren diskurstheoretischen Grundlegungen, eine kreative Gesamtkonfiguration für ihre Forschungsfragen. Diese kann als Plädoyer dafür gelesen werden, Diskursforschung bei aller notwendigen theoretischen und me- thodischen Systematisierung immer auch als gegenstandsbezogen explorativen Forschungsprozess zu begreifen und entsprechende Diskussionen weiterzufüh- ren. Mit ihrer Verbindung von Diskurs- und Gesprächsanalyse erreicht Inga Truschkat zudem eine empirische Ebene von Formen des „Regierens“ und der „Subjektivierungen“, die in der Gouvernementalitätsforschung bislang keine Aufmerksamkeit erfahren hat. Doch gerade die Untersuchung der „Regierungs- Praxis“ im Kompetenzdispositiv wirft einige Fragen an die bisherige Gouverne- mentalitätsdiskussion auf und verlangt ihr Differenzierungen ab. Schließlich wird mit den unternehmerischen Selektionspraktiken ein gesellschaftlicher Ent- scheidungsbereich in den Blick genommen, der auch für die Soziologie der Ar- beit und die Organisationssoziologie zahlreiche Anregungen enthält. Aus den genannten Gründen wünsche ich dem Buch – und seiner Autorin – eine hohe Resonanz. Landau, im April 2008 Reiner Keller Vorwort Zu Beginn möchte ich jenen Menschen und Institutionen danken, die in dieser Arbeit nicht erwähnt werden, aber dennoch einen unermesslichen Teil zu ihrem Gelingen beigetragen haben. Zunächst danke ich der Hans-Böckler-Stiftung, die mir durch das Promoti- onsstipendium, ebenso wie durch alle weiteren unterstützenden Angebote, den Raum und die Zeit schuf, mich dem Thema und meiner wissenschaftlichen Wei- terqualifizierung ausgiebig zu widmen. Ein weiterer Dank ist Herrn Prof. Ten- felde, meinem Vertrauensdozenten der Stiftung, auszusprechen, der mir durch seine unkomplizierte Art den nötigen wissenschaftlichen Freiraum ließ. Eine besondere Form der Unterstützung finde ich seit vielen Jahren bei Herrn Prof. Peter Alheit. So begleitete er mich mit seiner konstruktiv kritischen, aber zugleich offenen und meinen eigenen Entwicklungen gegenüber aufge- schlossenen Weise auch durch diese Qualifikationsarbeit. Erfreulicherweise fand ich in Herrn Prof. Reiner Keller einen Zweitgutachter, mit dem ich diese positi- ven Erfahrungen mit der Form der Betreuung fortsetzen konnte. Beide Wissen- schaftler schätze ich je auf ihre Weise für ihr anspruchsvolles und zugleich krea- tives wissenschaftliches Denken. Mein Dank gilt aber auch allen weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftlern, mit denen ich in den letzten Jahren intensiv zusammen gearbeitet habe. Hier ist zu allererst das DoktorandInnen Netzwerk qualitative Sozialfor- schung, kurz Dinqs, zu nennen, dem folgende Wissenschaftlerinnen angehören: Sandra Glammeier, Manuela Kaiser-Belz, Margarete Menz, Anja Nordmann, Vera Volkmann, Daniela Rothe, Ruth Slomski und Christine Thon. Dieses Netzwerk zeichnet sich durch ein besonderes Maß an Expertise, Interesse und Produktivität aus. Die Mitarbeit in Eurem Kreis ehrt mich sehr und ich möchte Euch für die stets wohlwollende und auch zwischenmenschliche Unterstützung danken. Ein weiterer Dank ist Lena Corell, Manuela Kaiser-Belz, Lisa Pfahl, Boris Traue, Lena Schürmann und Tobias Schwarz auszusprechen, die mir im Rahmen einer Mikro-AG der Hans-Böckler-Stiftung ein wichtiges Diskussionsforum boten. Gleiches gilt für die Göttinger Forschungswerkstatt. 8 Vorwort Stefanie Funke-Oberhag und Stefan Beins haben die undankbare Aufgabe der Rechtschreibkorrekturen übernommen, was meinen besonderen Dank ver- dient. Eine wichtige Unterstützung fand und finde ich in meiner Familie. Stefan Beins und Anna Truschkat sind die Menschen, die meinen Rückzug in die Welt der Wissenschaft wohl am ehesten zu spüren bekommen haben. Ich danke Euch beiden dafür, dass ihr mir diese Zeit gegeben, Anspannungen ausgehalten und unverständliches Gerede über Euch ergehen lassen habt. Vor allem Du, Stefan, hast mir durch Deine alltägliche Entlastung einen wichtigen Freiraum zum Den- ken ermöglicht. Meiner Mutter Brunhilde Truschkat danke ich in besonderer Weise. Ohne ihre menschliche und finanzielle Unterstützung wäre mir meine wissenschaftliche Ausbildung nicht möglich gewesen. Ich möchte Dir aber vor allem für Deine Offenheit gegenüber meinen Plänen, Hoffnungen und Sorgen danken, durch die Du mich stets in meiner Entwicklung begleitest. Letztlich ist die vorliegende Arbeit in dieser Form aber nur entstanden, weil es Menschen gibt, die Vertrauen in den Ertrag einer solchen Arbeit gesetzt ha- ben. Ich danke Uta Gue, Ulrich Stumm und Thomas Winkler für ihre Empfeh- lungen, die mir den Kontakt zu den Unternehmen und somit die Datenerhebung ermöglichten. Auch den Bewerberinnen und Bewerbern danke ich für ihr Ver- trauen und wünsche ihnen viel Erfolg für ihre berufliche Zukunft. Und schließ- lich bedauere ich es sehr, nicht die Unternehmen und deren Vertreter(innen) nennen zu können, die sich mir gegenüber so unterstützend zeigten. Deshalb hoffe ich, dass die Ergebnisse dieser Arbeit auch für die Praktiker(innen) interes- sante Aspekte aufweisen und ich mich auf diese Weise für ihre Unterstützung bedanken kann. Hamburg, im Juni 2008 Inga Truschkat Inhalt 1 Einleitung.............................................................................................13 Erster Teil – Theorie und Methode.................................................................19 2 Das Konstrukt Kompetenz – Ein theoretisch-heuristisches Modell..................................................................................................21 2.1 Die Konstruktion der Wirklichkeit – Grundannahmen.........................23 2.1.1 Lebensweltliche Deutungsmuster.........................................................25 2.1.2 Symbolische Deutungsmuster...............................................................28 2.2 Die Diskurspraktiken – Signifikation, Legitimation und Macht...........30 2.2.1 Wissen und Wahrheit als diskursive Konstruktionen...........................31 2.2.2 Diskursive Formationen und ihre Formationsregeln.............................32 2.2.3 Die diskursive Formation als strukturierte und strukturierende Struktur.................................................................................................36 2.2.4 Regulative und konstitutive Momente des Diskurses...........................38 2.2.5 Symbolische Deutungsmuster des Diskurses als Legitimationsrahmen............................................................................42 2.2.6 Eine gegenstandbezogene Zusammenfassung......................................44 2.3 Die Gesprächspraktiken – Rahmen, Aushandlung und Sanktion..........45 2.3.1 Lebensweltliche und symbolische Deutungsmuster als Gesprächsrahmen..................................................................................45 2.3.2 Regulative und konstitutive Momente des Gesprächs..........................47 2.3.3 Die Prozessualität des Bewerbungsgesprächs.......................................48 2.3.4 Der Aushandlungscharakter des Bewerbungsgesprächs.......................51 2.3.5 Das Bewerbungsgespräch als Entscheidungsfindungsprozess..............54 2.3.6 Eine gegenstandsbezogene Zusammenfassung.....................................57 10 Inhalt 2.4 Das Dispositiv – Adaption, Kodifizierung und Funktionalität..............59 2.4.1 Das Verhältnis von Diskurs und Praxis................................................59 2.4.2 Das Dispositiv.......................................................................................62 2.4.3 Eine gegenstandsbezogene Zusammenfassung.....................................65 2.5 Die Präzisierung der Forschungsfragen – Eine Zusammenfassung......66 3 Die Dispositivanalyse – Methodologie und Methode........................69 3.1 Der Zugang zum Untersuchungsfeld....................................................69 3.1.1 Die Dispositivanalyse als Triangulationstudie......................................69 3.1.2 Grounded Theory als methodologischer Rahmen.................................71 3.1.3 Die Kontingenz der abduktiven Erkenntnis..........................................73 3.2 Der Erkenntnisprozess und seine Ergebnisse........................................75 3.2.1 Die iterativ-zyklische Forschungslogik................................................75 3.2.2 Der Prozess der Modellierung..............................................................78 3.2.3 Das Dispositiv als Modell.....................................................................80 3.3 Gütekriterien der Dispositivanalyse......................................................82 Zweiter Teil – Diskursanalyse..........................................................................87 4 Methodische Einleitung......................................................................89 4.1 Das Sample...........................................................................................89 4.1.1 Datenformat und Korpusbildung..........................................................89 4.1.2 Das theoretische Sampling....................................................................94 4.2 Die Auswertung....................................................................................95 4.2.1 Der Prozess der Modellierung..............................................................95 4.2.2 Die Darstellungslogik...........................................................................96 5 Diskursanalytische Auswertung........................................................99 5.1 Der strukturell-normative Kompetenzdiskurs.......................................99 5.1.1 Die Story Line.......................................................................................99 5.1.2 Die normative Konzeptionalisierung von Kompetenz........................100 5.1.3 Das behavioristische Menschenbild....................................................105 5.1.4 Die strukturelle Kontextualisierung des Diskurses.............................107 5.2 Der individual-dispositive Kompetenzdiskurs....................................113

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