Kompetent in die Offentlichkeit Bildungswerk der Erzdiozese Koln Hedwig Roos-Schumacher (Hrsg.) Kotnpetent •• in die Offentlichkeit Frauen auf dem Weg in die B iirgerInnen-Gesellschaft Durch Qualifizierung zur Genderdemokratie Leske + Budrich, Opladen 2001 Gedruckt auf saurefreiem und alterungsbestandigem Papier. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz fUr diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhaltlich ISBN 978-3-8100-3029-0 ISBN 978-3-322-97513-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-97513-3 © 2001 Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschlitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulassig und straf bar. Das gilt insbesondere flir VervieWiltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Leske + Budrich Umschlaggestaltung: disegno, Wuppertal Inhalt Vorwort .............................................................................................. 7 Hedwig Roos-Schumacher "Ohne Frauen ist kein Staat zu machen ... " Biirgergesellschaft - Frauenbildung - Genderdemokratie ................. 9 Frauen und Offentlichkeit Ein Uberblick tiber Rahmenbedingungen fUr Offentliches Wirken von Frauen Andrea E. Abele Lebens- und Berufsplanung von Frauen.... .................... ...... ........ ....... 27 Birgit Meyer Von den Miihen der Ebene Geschichte und Facetten der politischen Partizipation von Frauen.... 45 Ulrike Heuer Die Gender-Perspektive in der politischen Bildung ........................... 65 Das Kursangebot Kompetent in die Offentlichkeit Innovative politische Frauenbildung praktisch Hedwig Roos-Schumacher Kompetent in die Offentlichkeit Ein Kursangebot zur Aktivierung des politischen Potenzials von Frauen .......................................................................................... 103 6 Inhalt Doris Krumpholz Die GroBgruppenveranstaltung: Plattform fUr offentlichen Auftritt und Vemetzung Planung und DurchfUhrung des Zentralen Wochenendes "Zeitmanagement und Selbstorganisation"......................................... 123 Hedwig Bussmann, Martina Deutsch, Bettina Goebel, Gabriele Jiilich, Brigitte Sarwas Die Projektarbeit als curriculare Anforderung und Chance................ 143 Politische Frauenbildung auf dem Prufstand Effizienz und Perspektiven Angelika Schmidt-Koddenberg Personliche Entwicklung in der Qualifizierung zu offentlichem Engagement Evaluation politi scher Frauenbildung ................................ .......... ....... 177 Die Autorinnen.................................................................................... 219 Vorwort Seit Beginn des J ahres 1998 ftihren 17 Einrichtungen der Erwachsenen bildung im Erzbistum Koln, Bildungswerke, FamilienbildungssHitten und Tagungshauser, unter dem Titel Kompetent in die Ojfentlichkeit Kurse fUr engagierte Frauen durch. Das Konzept wurde vom Bildungswerk der Erzdiozese Koln entwickelt und beschreitet in der Kombination von In halten einerseits sowie Organisationsformen andererseits neue Wege der politischen Frauenbildung. Uber 700 Teilnehmerinnen haben diesen Kurs in zwischen absolviert, neue Kurse laufen bzw. sind in konkreter Planung. Der groBe Erfolg des Angebots, der sich bereits von Anfang an in einer unerwartet hohen Zahl von Anmeldungen sehr schnell andeutete, manifestierte sich rasch und nachhaltig in einer starken Nachfrage weiterer Interessentinnen, aber auch anderer Anbieter von Erwachsenenbildung aus dem gesamten Bundesge biet. Der anhaltende Erfolg von Kompetent in die Ojfentlichkeit hat die Verantwortlichen zu diesem Buch ermutigt. Sinn dieser Publikation ist es, das Kursmodell vor dem Hintergrund der Rahmenbedingungen fUr offent liches Wirken von Frauen in Konzeption, Durchftihrung und Wirkung vorzustellen und damit einer breiten Offentlichkeit bekannt zu machen, urn einen Beitrag zum Offentlichen Diskurs tiber Frauenbildung in For schung und Praxis zu leisten. Angesichts aktueller politischer Entwicklungen wie der Diskussion einer Btirgergesellschaft zur Starkung des demokratischen Staatswesens oder eines Anwachsens von (rechtsextremer) Gewalt in der Gesellschaft hat politische Bildung erneut Konjunktur. Das gerade novellierte Wei terbildungsgesetz des Landes N ordrhein-Westfalen schreibt politi scher Bildung herausragenden Stellenwert im Gesamtthemenkatalog zu und verkntipft dies mit hohen Erwartungen an ihre Wirksamkeit. Vor diesem Hintergrund erscheint es besonders wichtig, gelungene Kurskonzeptio- 8 Vorwort nen aus der institutionsintemen Diskussion herauszufUhren in eine gro Bere Offentlichkeit von Fachpublikum und am Thema Interessierten. Bei Kompetent in die Ojfentlichkeit verbindet sich das gesellschaft lich weiterhin auBerordentlich wichtige Anliegen, Frauen zu mehr Parti zipation zu qualifizieren und zu motivieren, mit einer erfolgreichen Reali sierung, so dass dieses Kursmodell als paradigmatisch betrachtet werden kann. Insofem mag es V orbild sein fUr die Entwicklung weiterer Kursan gebote, die das politische Potenzial von Teilnehmerinnen und in einem moglichen niichsten Schritt auch von Teilnehmem aktiviert. Der Erfolg des Projekts Kompetent in die Ojfentlichkeit beruht auf dem besonderen Engagement einer groBen Zahl von mit der Entwicklung und Umsetzung sowie der Qualitiitssicherung des Konzepts befassten Mit arbeiterinnen in unseren Einrichtungen. In allen Arbeitszusammenhiingen fordert eine MaBnahme dieser GroBenordnung, struktureller Vemetzung und Laufzeit den Beteiligten einen hohen Einsatz abo Ihnen allen mochte ich in meiner Funktion als Verantwortlicher fur die Erwachsenenbildung im Erzbistum Koln herzlichen Dank sagen. Dank gilt auch all denen, die als Autorinnen dieses Buches ihre Kenntnisse und Uberlegungen zum Projekt Kompetent in die Ojfentlichkeit schriftlich beigesteuert und damit einen wichtigen Beitrag zur Vertiefung der Diskussion der gesellschaftli chen Situation und des fachdidaktischen Diskurses geleistet haben. Erwin Miiller-Ruckwitt Hedwig Roos-Schumacher "Ohne Frauen ist kein Staat zu machen ... ,,1 Biirgergesellschaft - Frauenbildung Genderdemokratie 1. Burgergesellschaft: Leitbild ohne Frauen? Die Forderung btirgerschaftlichen Engagements wird von Politik und Wissenschaft bereits seit einigen Jahren diskutiert und propagiert. An liisslich des 50. Jahrestages der Verabschiedung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland im Friihjahr 1999 warben Politiker, Polito logen und Soziologen verstiirkt fi.ir eine intensive Beschiiftigung mit dem Zustand un serer Demokratie. Eine Moglichkeit zur Uberwindung der allseits beklagten Politikverdrossenheit vieler Menschen wird in ih rer umfassenden Beteiligung am politischen Entscheidungsprozess ge sehen: mehr partizipatorische Rechte fi.ir aktive Biirger statt einer "Zu schauer-Demokratie", einer "Nur-Parteien-Demokratie". Das Schliis selwort heiBt Biirgergesellschaft. Der Begriff umfasst aIle Spielarten freiwilligen sozialen und politischen Engagements, womit gleichzeitig eine Neudefinition und -bewertung von Ehrenamtlichkeit einhergeht (Dettling 2000). In der Tat belegt die Existenz von Biirgerinitiativen und Nichtregierungsorganisationen den Wunsch von Biirgem nach un mittelbarer, aber auch punktueller Teilhabe. Von einem breite BevOlke rungsschichten umfassenden Phiinomen kann gleichwohl nicht oder noch nicht die Rede sein. Dabei mogen unterschiedliche Griinde eine Rolle spielen: Die Notwendigkeit ftir ein solches Engagement und auch die Chancen der politischen Einflussnahme sind offenbar noch nicht ausreichend dargestellt und wahrgenommen worden. Hier gibt es deutli che regionale Unterschiede. So wird in Baden-Wtirttemberg btirger schaftliches Engagement durch ein Landesprogramm ausdriicklich ge fOrdert. Andemorts erreicht die Diskussion jedoch nur in kleinen Schrit ten die Basis, indem sie sich eher langsam aus der politik- und ver bandsintemen sowie der wissenschaftlichen Ebene auf die der Massen- Titel entlehnt bei GrubitzschlKaufmann 1992 10 Hedwig Roos-Schumacher medien verlagert (vgl. zuletzt DER SPIEGEL yom 6.11.2000). Gele gentlich konzentrieren sieh diese Darstellungen sodann ausschlieBlich auf die soziale Seite des Ehrenamts und suggerieren einen direkten Zu sammenhang zu finanzpolitisch notwendigen Rtickftihrungen sozial staatlicher Leistungen, was zweifellos wenig motivierend wirkt. Ein weiteres Hemmnis ist neben der Furcht der Einzelnen vor einer exzessi yen zeitliehen Verpflichtung die Selbsteinschatzung, nieht ausreiehend flir eine effiziente Einmischung in politische Entscheidungsprozesse qualifiziert zu sein. Es ergibt sich daraus ein hoher gesamtgesellschaftli cher Bedarf an politi scher Bildung, die die unterschiedlichen Partizipa tionsmoglichkeiten klart und die zur aktiven Teilhabe notwendigen Kenntnisse und Kompetenzen thematisiert und vermittelt. Damit die anvisierte Btirgergesellschaft tiberdies die Btirgerinnen und ihr politisches Potenzial ausreichend berucksichtigt, ist es angebracht, de ren Situation in diesem Kontext genauer zu beleuchten. Die Gleiehberechtigung von Frauen und Mannem ist in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes verbrieft - Erfolg des legendaren Kampfes der SPD-Abgeordneten Elisabeth SeIbert gegen ein ursprunglich negati ves Votum des Parlamentarischen Rates. 1994 wurde dieses Grundrecht urn den Zusatz erweitert: "Der Staat fOrdert die tatsachliche Durchset zung der Gleiehberechtigung von Frauen und Mannem und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin", womit sich der Staat zur aktiven FrauenfOrderung verpflichtete. Wie aber sieht die Realitat aus? 1m 14. Deutschen Bundestag sitzen nun immerhin 211 Frauen, das sind 31,6% der insgesamt 668 Abgeordneten (Stand: November 2000). Da mit ist der Frauenanteil gegentiber dem 13. Bundestag (26,2%) deutlich gestiegen. Von einer Reprasentanz, die dem Frauenanteil in der Ge samtbevOikerung entsprieht, sind wir jedoch immer noch sehr weit ent femt. Die Entscheidungen tiber die Nominierungen flir das Amt des Bundestagsprasidenten und des Bundesprasidenten nach der Bundes tagswahl 1998 sind kennzeichnend flir das Dilemma, das die FDP-Poli tikerin Lieselotte Funcke schon vor 30 Jahren treffend charakterisierte: "Mannem fallen nur Manner ein, wenn Posten zu vergeben sind. Des halb konnen nur mehr Frauen in Ftihrungspositionen kommen, wenn mehr Frauen in Ftihrungspositionen sind." Eine Studie der Technischen Universitat Berlin belegt, dass Quote und Gleiehstellung nicht ausrei chen, urn "mannliche Machtzentren" in der Politik aufzubrechen (Schaef fer-Hegel u.a. 1998). Insofern gentigt auch das Konzept des Gender Mainstreaming nieht, das die Bundesregierung im Juni 2000 bei der No vellierung der Gemeinsamen Geschaftsordnung der Bundesministerien beschloss. Festgeschrieben wird hier die Gleichstellung von Mannem und Frauen als durchgangiges Leitprinzip in allen Politikfeldem. AIle "Ohne Frauen ist kein Staat zu machen ... " 11 Rechtssetzungsvorhaben sind demzufolge auf ihre gleichstellungspoliti schen Auswirkungen zu uberprtifen. Festzuhalten bleibt dennoch, dass gesetzliche Regelungen wie die nach wie vor umstrittenen Quotierun gen (vgl. Boshammer/KayB 1999) oder eine vorgeschriebene Teilung von Erziehungsurlaub zwischen den Eltem (Weber/Schaeffer-Hegel 2000: 9/10) neben moglichen Veranderungen in der Arbeitswelt(vgl. Jansen 1999) nur Teilbedingungen fur einen Chancenausgleich zwi schen Frauen und Mannem im Offentlichen Bereich sind. Frauen mus sen selbst die Initiative ergreifen. V oraussetzung hierfur allerdings ist eine gezielte Forderung der Durchsetzungsflihigkeit von Frauen in der Offentlichkeit durch professionelle Qualifizierung. Frauen sehen sich hliufig dem Vorwurf ausgesetzt, sie wollten doch gar nicht Offentlich aktiv werden. Ubersehen wird dabei durchaus, dass Frauen sich sehr wohl in gesellschaftlich relevanten Bereichen engagie reno Das soziale Ehrenamt in diesem Staat lebt ganz wesentlich yom En gagement von Frauen, die in groBem MaGe die Arbeit von gesellschaftli chen Institutionen (z.B. in Schulen, Kirchengemeinden etc.) und Verblin den unterstutzen und so durch ihre unentgeltliche Zuarbeit deren Leis tungspalette uberhaupt sicherstellen. Allerdings bewegen sie sich dort in der Regel auf dem Terrain helfender und zuarbeitender Tatigkeiten. An ders sieht es aus, wenn man die leitenden Positionen in den Blick nimmt. Dort stehen Frauen sehr viel seltener als Manner in der ersten Reihe. Die Grunde hierfUr sind bekannt: Die Anspruche einer Offentlichen Aufgabe orientieren sich am mannlichen Lebensmuster: Zeitliche Flexi bilitat und relative Ortsungebundenheit werden vorausgesetzt. Die Le benswirklichkeit von Frauen aber sieht anders aus: Sie sind im allge meinen hauptverantwortlich fur den gesamten privaten, sprich familia ren Bereich. Kommen nun noch weitere - Offentliche - Betatigungen in Beruf und/oder Ehrenamt hinzu, so sind gerade sie in besonderer Weise zusatzlich gefordert. Daraus ergibt sich, dass bei einer Qualifizierung von Frauen zur Ubemahme offentlicher Verantwortung stets auch die realen Arbeitsbedingungen in Haus- und Familienarbeit und deren mog liche Veranderungen mitreflektiert werden mussen, damit die Frauen die notwendigen Freiraume fUr eine Neuorientierung bekommen (vgl. Hoecker 1998). Der Nutzen einer neuen Arbeitsteilung zwischen Man nem und Frauen ist evident: Frauen erhalten in weitaus groBerem MaBe als bisher die Moglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung und damit eigener sozialer Absicherung sowie eine hohere Gestaltungsmacht durch Partizipation am Offentlichen Diskurs. Manner sind dann nicht mehr hauptsachlich auf die auBerhausliche Lebensrolle, vor allem die des alleinigen Emahrers der Familie, eingeschrankt und stehen damit nicht mehr langer in der Gefahr, die Rolle ihres Lebens, die des Vaters