Anneli Starzinger Kommunikationsraum Szenekneipe Annäherung an ein Produkt der Erlebnisgesellschaft Anneli Starzinger Kommunikationsraum Szenekneipe Sozialwissenschaft ~ Annelie Starzinger Kommunikationsraum Szenekneipe Annäherung an ein Produkt der Erlebnisgesellschaft Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Walter Schmitz Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Starzinger, Annelie: Kommunikationsraum Szenekneipe : Annäherung an ein Produkt der Erlebnisgesellschaft / Annelie Starzinger. Mit einem Geleitw. von Walter Schmitz (DUV : Sozialwissenschaft) Zugl.: Essen, Univ., Diss., 1999 ISBN 978-3-8244-4375-8 ISBN 978-3-663-08071-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-08071-8 Alle Rechte vorbehalten © Springer Fachmedien Wiesbaden 2000 Ursprünglich erschienen bei Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden, 2000 lektorat: Ute Wrasmann / Ronald Dietrich Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unz~· I.~ssig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. www.duv.de Höchste inhaltliche und technische Qualität unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Verbreitung unserer Bücher wollen wir die Umwelt schonen. Dieses Buch ist deshalb auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Einschweiß. folie besteht aus Polyäthylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen· und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. ISBN 978-3-8244-4375-8 Geleitwort Trotz langjähriger und vielfältiger empirischer Forschung innerhalb der Kommunikationswis senschaft, trotz sorgfältiger Beobachtungen und "dichter Beschreibungen" in der Tradition der Ethnographie der Kommunikation und trotz des schon vor vielen Jahren von Thomas Luck mann ins Leben gerufenen Programms der Erforschung des sogenannten kommunikativen Haushalts dieser Gesellschaft - es fehlt uns weiterhin an ganz grundlegenden Daten und Er kenntnissen zu Zeiten, Orten, Gegenständen und Partnern alltäglicher und sich beständig wie derholender Kommunikationsprozesse. Wir verfugen nicht einmal über detaillierte Beschreibungen wiederkehrender Tagesverläu fe einzelner Gesellschaftsmitglieder unter kommunikativen Gesichtspunkten, und es gibt kaum brauchbare ethnographische Bestandsaufnahmen der Geschehnisse an typischen Kom munikationsorten, die von bestimmten Individuen oder Gruppen immer wieder aufgesucht werden. Dabei wären dies die allererst zu beschaffenden Daten, wenn es denn tatsächlich um die genauere Bestimmung der herrschenden Kommunikationsverhältnisse oder des kommuni kativen Haushaltes dieser Gesellschaft gehen soll. In genau diesen Zusammenhang der gegenwärtigen Forschungslage ist die vorliegende kommunikationswissenschaftliche Studie einzuordnen. Sie widmet sich zwar keineswegs als erste der Kneipe, ihrem Symbo1charakter sowie ihrer Funktion, Nachrichtenumschlagplatz und Versammlungsraum zu sein, doch sie unterzieht sehr wohl erstmals einen besonderen Kneipentyp, nämlich die Szenekneipe, einer kommunikationswissenschaftlich orientierten Untersuchung. Die Szenekneipe, gastronomietechnisch als "Kommunikationsbetrieb mit getränkebeglei tendem Speiseangebot" bestimmt, wird als spezifischer Aspekt unserer kulturellen Alltags realität und als ein spezieller Ort moderner Vergesellungsformen aufgefaßt und vor allem als "Stätte kommunikativen Handeins" ernstgenommen und untersucht. Daß gerade die Szenekneipe und nicht etwa die viel häufigere Eckkneipe als Gegenstand für diese Studie ausgewählt wurde, hängt einerseits damit zusammen, daß in der Szenekneipe vielfach ein Symptom gesehen worden ist; sie gilt als Symptom sowohl fur modemes Verge sellungs- und Kommunikationsverhalten als auch für die gegenwärtig verstärkte Erlebnisori entierung, für das Streben nach Ästhetisierung der Lebenswelt und fur den mit diesen Ten denzen insgesamt verbundenen Wertewandel. Andererseits liegt die Wahl aber auch darin begründet, daß aufgrund der Konstitutionsbedingungen der Szene als Vergesellungsform, die eben nicht auf persönlicher Bekanntschaft oder stabilen Organisationsformen basiert, äußerli- VI GeleItwort che Präsentationsfonnen und Symbole hier einen derart hohen Stellenwert erhalten, daß auch die Szenekneipe selbst fiir ihre Klientel einen Symbolgehalt und eine besondere Funktion ge winnt. Einen so alltäglichen Kommunikationsraum wie die Szenekneipe als lohnenden Untersu chungsgegenstand der Kommunikationswissenschaft (wieder-) entdeckt und auf dem Wege kleiner Fallstudien in ersten Schritten erschlossen zu haben, darf als erstes Verdienst der Au torin genannt werden. Es zählte allerdings wenig, wenn sie darüber hinaus nicht auch zu er sten wohlbegründeten und empirisch plausibilisierten Hypothesen über diesen Ort der Ver sammlung, der Selbstpräsentation und der gegenseitigen Beeinflussung und szenischen Stüt zung gelangt wäre, die uns die'Szenekneipe als ein Produkt der Erlebnisgesellschaft besser verstehbar machen. Dies wiederum ist ihr nicht zuletzt deswegen so überzeugend gelungen, weil sie sich keineswegs auf die zwischenmenschlichen Kommunikationsprozesse oder die sprachlichen Prozesse interpersonaler Kommunikation beschränkt, sondern einen ausgezeich neten Blick dafiir entwickelt hat, welche Rolle hier Kleidung, Gestik, Mimik, Habitus, Raum gestaltung, Musik u.a.m. fiir Prozesse der sozialen Identifikation, der Bedeutungskonstitution und der impliziten Stützung von Weltauffassungen zu spielen vennögen. Es wäre zu wünschen, daß diese Studie über alle Erträge und Einsichten im einzelnen hin aus dazu beitrüge, daß auch andere gesellschaftlich relevante und symptomatische Kommuni kationsräume als kommunikationswissenschaftlich und soziologisch bedeutsame Untersu chungsgegenstände wiederentdeckt werden. Walter Schmitz "Nur in der KneipejUhl' ich mich/reif" Marius Müller-Westernhagen Vorwort Die Nennung des Titels dieser Arbeit löste beim Zuhörer nicht selten ein leicht amüsiertes Grinsen aus gefolgt von der Bemerkung, daß die teilnehmende Beobachtung bei der Erstel lung der Studie doch sicherlich einen Löwenanteil beansprucht habe. Die teilnehmende Beobachtung hat in der Tat eine große Rolle gespielt, und sie hat auch Freude gemacht. Sie ist aber immer gänzlich nüchtern erfolgt und war ständig von der kriti schen Reflexion begleitet, ob die Teilnahme beobachtend genug sei, um wesentliche Struktu ren und Gesetzmäßigkeiten kommunikativen Verhaltens in der Szenekneipe erkennen zu kön nen und ob die Beobachtung teilnehmend genug sei, um den fokussierten Gegenstand ange messen und realistisch beschreiben zu können. Dieser Balanceakt war manchmal nicht ganz einfach. Dank sagen möchte ich an dieser Stelle allen, die durch ihre tatkräftige Mithilfe zur Er stellung dieser Studie beigetragen haben, sei es durch bereitwillige Auskunft in Tiefeninter views, durch Bereitstellung wichtiger Informationen und Materialien, durch Mithilfe bei der Fragebogenaktion, durch kritisches Hinterfragen der Untersuchungsergebnisse und nicht zu letzt durch Korrekturlesen und Layouthilfe. Besonders wertvoll war die kompetente Betreuung durch meinen Doktorvater, Professor Dr. H. Walter Schmitz. Von unschätzbarem Wert war aber auch die aufmerksame und liebe volle Begleitung meiner Eltern Eva-Maria und Hans-Dieter während aller Hoch-und Tiefpha sen der Erstellung dieser Arbeit und die große Unterstützung meiner Brüder Marcus und Claudius und meiner Schwägerinnen Sabine und Barbara. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Bleibt die Frage, ob es mir jemals,wieder möglich sein wird, vorurteilsfrei und ohne die sen gewissen analytischen Blick eine Kneipe betreten zu können, um mich einfach nur darin zu amüsieren. Denn daß das nach wie vor eine zentrale Qualität von Kneipen ist, auch und gerade von Szenekneipen, konnte diese Studie zweifelsfrei belegen. Anneli Starzinger Inhalt Geleitwort Professor Dr. H.W. Schmitz V Vorwort VII Inhaltsverzeichnis IX Verzeichnis der Grafiken XI Verzeichnis der Abkürzungen XI l. Einleitung 1.1 Der Untersuchungsgegenstand 1 1.2 Zur Situation der Forschung 4 1.3 Fragestellung und Vorgehensweise der Arbeit 8 2. Kurzer Abriß der Kneipengeschichte 13 2.1 Die Ursprünge der Gastlichkeit 13 2.2 Gastwirtschaft und Kneipe von den Anfangen bis zur Neuzeit 15 2.3 Von der Kneipe zum Cafe 18 2.4 Kneipe und Studentenschaft 20 2.5 Kneipe und Proletariat 22 2.6 Kneipe im Nationalsozialismus 24 2.7 Kneipe nach dem 2. Weltkrieg 26 2.8 Die Szenekneipe der 68er-Studentenbewegung 28 2.8.1 Die 68-Studentenbewegung 29 2.8.2 Die Entstehung der Szenekneipe 31 2.9 Das Themencafe 33 2.10 Das Internet-Cafe 34 2.11 Zusammenfassung 35 3. Die Frau in der Kneipe 39 3.1 Von der Antike bis ins Mittelalter -Kaum Zeugnisse über weiblichen Kneipenbesuch - 40 3.2 Die Rolle der Frau in Cafe und Salon 42 3.3 Kneipe als Ort der Rekreation -Eine Domäne der Männer - 45 3.4 Frauen als Wirtinnen 48 3.5 Zusammenfassung 49 4. Einige theoretische Vorüberlegungen zur Vergesellungsform moderner Gesellschaften 51 4.1 Zur Situation der Risiko-und Erlebnisgesellschaft 51 4.1.1 Langeweile -Ein Phänomen moderner Gesellschaften? 57 4.2 Zum Konzept der Lebensstile 59 4.2.1 Der Prozeß der differentiellen Entstehung und kollektiven Verdichtung eines Lebensstils 60 4.2.2 Mobile und immobile Lebensstilmuster 62 4.3 Der Begriff der Szene 64 4.3.1 Die Entstehung von Szenen 67 x Inhaltsverzelchms 4.3.2 Zur soziologischen Bedeutung von Szenen 69 4.4 Zusammenfassung 70 5. Jugend -Bestimmung einer potentiellen Szenekneipenklientel 73 5.1 Jugend -Eine kurze Begriffsgeschichte 73 5.2 Zum Begriff der Jugendkultur 75 5.2.1 Ursprünge der Jugendkulturbewegungen Beatniks, Hippies, Teds, Mods, Punks und Skinheads 77 5.2.2 Die Jugendszene der Neunziger "Die Generation X" 81 5.2.3 Stilelemente von Jugendkulturen 83 5.3 Soziale Räume von Jugendlichen 84 5.4 Zusammenfassung 85 6. Bemerkungen zu Methodik und Durchführung der Empirischen Unter suchung 89 6.1 Kritische Überlegungen zum empirischen Teil der Untersuchung 93 7. Die Szenekneipe der neunziger Jahre: Ergebnisse der Untersuchungen 97 7.1 Von der traditionellen Kleinfamilie zur selbstgewählten Großfamilie -Die Szenekneipe als Ersatzfamilie - 97 7.2 Szenekneipe als Lieferant von Erlebnisgenuß 107 7.3 Szenekneipe als Ort der Selbstinszenierung und des Selbstmarketing 114 7.4 Szenekneipe als Ort weiblicher Emanzipation 121 7.5 Szenekneipe und kulinarisches Angebot 129 7.6 Die Rolle der Musik in der Szenekneipe 136 7.7 Szenekneipe als Lebensabschnittsbegleiter Relevanz für eine befristete Lebensspanne 140 7.8 Kommunikationsstrukturen in der Szenekneipe 144 7.9 Szenekneipe als Ort der Kleinkultur 157 7.10 Szenekneipe und ästhetisierte Raumerfahrung 163 7.11 Zusammenfassung 168 8. Ausblick 175 9. Literaturverzeichnis 179 10. Anhang 189 Fragebogen 189 Befragung 193 Liste der aufgezählten Kneipen, die als Szenekneipen betrachtet werden 194 Leitfaden für das Tiefeninterview mit Szenekneipengästen 195 Leitfaden für das Tiefeninterview mit Betreibern oder Geschäftsführern von Szenekneipen 197 Leitfaden für das Tiefeninterview mit Mitarbeitern von Szenekneipen 199 Ergebnisse der Befragung 201