Claudia Wick Μ. Annaeus Lucanus Bellum civile: Liber IX Kommentar Beiträge zur Altertumskunde Herausgegeben von Michael Erler, Dorothee Gall, Ernst Heitsch, Ludwig Koenen, Reinhold Merkelbach, Clemens Zintzen Band 202 Κ · G · Saur München • Leipzig Μ. Annaeus Lucanus Bellum civile Liber IX Kommentar von Claudia Wiek Κ · G · Saur München · Leipzig 2004 Μ. Annaeus Lucanus: Bellum civile, Liber IX Text, Übersetzung und Kommentar zu den Versen 1-586: Universite de Geneve: La Faculte des lettres, sur preavis d'une com- mission composee de MM. les professeurs Andre Hurst, president du jury; Franfois Paschoud, directeur de these; Dr Franfois Spaltenstein (m.e.r., Universite de Lausanne); Hans Gärtner (Emerite, Universite de Regensburg); Gian Biagio Conte (Scuola Superiore, Pise), autorise l'impression de la presente these, sans exprimer d'opinion sur les pro- positions qui y sont enoncees. Geneve, le 30 avril 2002 Le doyen: Charles Genequand These N°. 502 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2004 by Κ. G. Saur Verlag GmbH, München und Leipzig Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten. All Rights Strictly Reserved. Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlages ist unzulässig. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Gesetzt aus Abba, Adet, AfTatim, AbbaSCaps (C.G. van Leijenhorst, München) mit Adobe InDesign 2.0.1 auf Apple Macintosh G3 Satz: Claudia Wiek Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, 99947 Bad Langensalza ISBN 3-598-77814-7 KOMMENTAR I 1-949 Cato in Libyen A 1-293 Neuordnung nach Pompeius' Tod 1 1-18 Pompeius' Himmelfahrt „A purified Pompeius or a ghostly and sancti- fied Cato were not the only victims of the Civil Wars who could be called up and enlisted in the service of the revived Republic. § 1 Stellung innerhalb der Buchstruktur In mancher Hinsicht scheinen die Buchgren- zen des liber IX zunächst schlecht gewählt: Der Dichter hätte die ersten 18 Verse als Epilog von Buch acht verwenden und die Pompeiushandlung dort zum Abschluß bringen können. Wie eng diese 18 Verse an Buch acht angebunden sind, läßt sich schon daraus ermessen, daß Pompeius in diesen Eröffnungsversen nie namentlich genannt wird. Das überlange Buch neun hätte als „Catobuch" von zirka 930 Versen Länge konzipiert und die Episode „Caesar in Troja" (950-999) zum „Caesarbuch" (liber X) gezogen werden können (vgl. hierzu Anm. 1000). Ein solch erratischer, vom vor- und nachfolgenden Buch scharf abgetrennter Block wäre freilich unbefriedigend, weshalb den büchergrenzenübergreifenden Episoden α priori die Funktion von Bindegliedern zukommt. Die effektiven Begrenzungslinien von Buch neun lassen sich relativ einfach mit dem Muster von Thema und Reprise erklären: Das Motiv .geschändeter Körper des Pompeius/Reaktion eines Betrachters' erscheint in der Anfangs- und in der Schlußszene, wo- bei Pompeius' risit... sui ludibria trunci (14) mit Caesars geheuchelten Tränen beim Anblick des abgetrennten Hauptes (1032sqq.) kontrastiert. Außerdem ist am Ende des Buches erneut die Rede von Pompeius' Begräbnis und seiner umbra (1089-1093), und ne per litora fusas colligeret sc. partes Caesar (30 sq.) findet ein sprachliches Echo mit in litore Jusos colligite sc. cineres (loq. Caesar, 1092sq.). Die Grenze zwischen den Büchern acht und neun ist wohl der heikelste Punkt in der Struktur des ganzen Bellum civile: So einleuchtend es ist, den Tod einer Hauptfigur (Pompeius) mit ei- nem Buchschluß zu kombinieren, so schwierig ist es, die noch nicht abgeschlossene Handlung nach einer solchen Zäsur weiter in Gang zu halten. Der Vergleich mit dem Ende von Buch vier macht dies deutlich: Curios Tod ist als Motiv mit dem Tod des Pompeius zwar vergleichbar, hat aber bei weitem nicht dasselbe Gewicht. Mit Pompeius' Tod verschwindet Caesars Antagonist 1 R. Syme, The Roman Revolution, Oxford 1939, p. 318. 6 Einleitung 1-18 und Mitprotagonist der ersten acht Bücher. Cato wird zwar seinen Platz einnehmen, doch dies erfordert zunächst eine tiefgreifende politische Reorganisation der Pompeianer und Republika- ner, deren Allianz gegen Caesar auseinanderzubrechen droht. Ein ähnliches Auseinanderfallen droht auch auf der Strukturebene des Bellum civile, weil die beschriebene Situation kaum ein Mindestmaß an inhaltlicher Kontinuität gewährleisten kann. Die formale Klammer in Gestalt eines .verschobenen Epilogs' reicht nicht, und so präsentiert Lukan gleich zu Beginn einen geläuterten Pompeius, dessen Geist auf Cato und Brutus übergehen und diese zu Pompeiani machen kann (zu diesem komplexen Problem vgl. Anm. 17sq. und 24). Lukans Bestreben, Pompeius auch weiterhin Einfluß auf die Handlung nehmen zu lassen, wird schon im .Testa- ment' (87-97) deutlich, ebenso an einzelnen Stellen von Buch zehn (vgl. auch hierfür Anm. 17sq.). Eine weitere Verklammerung mit den früheren Büchern stellt der Flug von Pompeius' Seele dar (15 sqq.): Lukan greift über das achte Buch zurück bis zum Ende von Buch sieben und läßt die Seele über die Walstatt von Pharsalos schweben. Dort scheint die Zeit im wesent- lichen stillgestanden zu sein. Auf denselben Moment greift Lukan auch in 950 zurück, als er sich wieder Caesar zuwendet. Die elegante Überleitung in Form des Fluges steht im Gegensatz zu den bei Lukan sonst üblichen abrupten Wechseln von Ort und Hauptperson (950 m. Anm.; 4,1. 581; 5, 237), was man als zusätzliches Zeichen dafür auffassen darf, daß Lukan an dieser heiklen Stelle jeglichen Bruch oder plötzlichen Wechsel auch formal vermeiden wollte. Die Gefahr eines Bruches besteht auch deswegen, weil mit Cato eine Person in den Vor- dergrund rückt, die bislang keine aktive Rolle gespielt hat und die, genau wie Brutus, nur in einer Szene des zweiten Buches erschien. M. Lausberg („Lucan und Homer",/?. 1596sqq.) ver- gleicht diesen späten Handlungseintritt mit demjenigen des homerischen Achill: Dieser ersetzt im 18. Gesang der Ilias seinen nicht vollwertigen Stellvertreter Patroklos, der im 16. Gesang gefallen ist. Auch Patroklos' Tod führt zu einem entscheidenden Handlungsumschlag. Sollte das Bellum civile auf zwölf Bücher angelegt gewesen sein, läge proportional eine halbe llias vor, und tatsächlich wären dann der Tod des Pompeius in Buch acht und der Handlungseintritt Catos in Buch neun strukturell gleich angeordnet. Auf die besonders in den 50er und 60er Jahren heftig debattierte Frage nach dem geplanten Endpunkt des Bellum civile soll hier nur am Rand eingegangen werden. B. Marti („La structu- re ...", p. 31 sq.), die von 16 Büchem (vier Tetraden) ausging, setzte an der Grenze zwischen den Büchem acht und neun die Mittelachse des Werkes an, wobei die Versetzung des Pompeius ins confinium ein Gegenstück zur Apotheose Neros zu Beginn von Buch eins bilde, so daß beide Werkhälften mit einer Himmelfahrt beginnen (ibid. p. 43sq.). Soviel Symmetrie stimmt jedoch skeptisch, immerhin verzögert sogar der Klassiker Vergil das Proömium zur zweiten Werkhälfte bis Aen. 7, 37. Auf die Frage, ob 12 Bücher (bis Catos Selbstmord) oder 16 Bücher (bis Caesars Ermordung) geplant waren, gibt es keine Antwort, und so läßt sich nicht entschei- den, ob der Wechsel vom rein politischen Kampf zum eher symbolischen Prinzipienkampf die Hälfte oder nur ein Drittel des Bellum civile dominiert hätte.2 2 Man hat wiederholt unterstrichen, daß die im Bellum civile enthaltenen Anspielungen auf spätere Ereig- nisse des Bürgerkrieges keinerlei Indiz dafür sind, daß Lukan diese tatsächlich zu erzählen gedachte. Der Fall könnte ähnlich gelagert sein wie in der Ilias (12, 3-35), wo Homer außer dem von ihm noch beschrie- benen Tod des Hektar auch alle weiteren wichtigen Etappen des Trojanischen Krieges aufzählt: Tod des Achilleus, Zerstörung Trojas, Aufbruch der Griechen und Zerstörung der achäischen Mauer durch Sturm und Erdbeben. Diese Prophezeiung entspricht genau dem Inhalt von Quintus Smyrnaeus' 14 Büchern Post- Einleitung 1-18 7 § 2 Philosophie in Versen Im Gegensatz zur Apotheose Neros (1, 45-59) ist Pompeius' Himmelfahrt ein Teil der Erzählung. Die Bucheröffnung ähnelt darin dem Beginn des 24. Ge- sanges der Odyssee, unterscheidet sich aber sehr stark von der mythologischen Darstellung: Lukans Verse lesen sich nämlich wie versifizierte stoische Philosophie, cf. Cie. rep. 6, II sqq. und SEN. dial. 6 [Marc.] 24, 5-26, 4; nat. 1 praef. 7-13; epist. 102, 28; sowie - etwas nüchter- ner- Cie. Tusc. 1, 42sq. Die Seele steigt himmelwärts, widmet sich dort, im Licht der Wahr- heit, der Planetenbetrachtung und wird sich der Bedeutungslosigkeit des Erdenlebens bewußt (Cie. rep. 6,16-20. 25; SEN. dial. 6 [Marc.] 25 sq.-, 11 [Polyb.] 9, 8; nat. 1 praef. 7-13). Man darf wohl behaupten, daß hier einer der modernsten Abschnitte des Bellum civile vor- liegt, doch führt Lukan letztlich nur eine Tendenz weiter, die sich schon lange abgezeichnet hatte. Das mythologische Epos ließ Anleihen beim stoischen Gedankengut zum Fortleben der Seele nach dem Tod durchaus zu, wie vor allem VERG. Aen. 6,722-751 beweist. Das Totenreich ist jedoch konventionell als Unterwelt gestaltet, und sogar Lukan knüpft in 6,782-802 noch an diese Tradition an. Im Prolog zu Buch neun gibt sich Lukan hingegen modern und lokalisiert das Elysium kosmologisch sehr exakt im confinium zwischen aer und aether (5-8), also inner- halb der sichtbaren Welt, und bricht damit mit der epischen Tradition der notorisch ungenauen Unterweltstopographie. Wie wissenschaftlich Lukans Verse auf einen antiken Leser wirken konnten, zeigt das Beispiel des Servius, der Vergils poetischer Beschreibung des Elysiums die realen Entsprechungen aus der stoischen Kosmologie an die Seite stellt und dabei Verse aus Lukan zitiert3. Diese nüchtern-wissenschaftlichen Elemente haben die Imitatoren (vgl. § 3) bezeichnenderweise wieder aufgegeben. Genaue Angaben fehlen auch bei Manilius, der die unmittelbare Vorstufe zu Lukans Gestal- tung des Themas lieferte: Im ersten Buch der Astronomica behandelt er die Milchstraße und fragt sich (1, 758-761), an fortes animae dignataque nomina caelo I corporibus resoluta suis terraeque remissa I hue migrant ex orbe suumque habitantia caelum I aetherios vivunt annos mundoque fruuntur? Es folgt ein langer Katalog mythischer und historischer, vor allem römi- homerica. In Anlehnung daran könnte man sämtliche Ereignisse, die sich zwischen dem Schluß des Bellum civile und dem Ende des Bürgerkrieges (Actium) situieren, als den Inhalt von Postlucanica bezeichnen (vgl. Ahl, „Pharsalus and the Pharsalia", p. 131 sq.). 3 Im Komm, zu Aen. 6, 127 versucht Servius, den Aufenthaltsort der Seelen nach dem Tode zu lokali- sieren und verwirft dabei die Idee einer Unter-Welt: Die Seelen steigen vielmehr himmelwärts: superas ... evadere ad auras] ... aut poetice dictum est aut secundum philosophorum altam scientiam, qui deprehen- derunt bene viventium animas ad superiores circulos, id est ad originem suam redire: quod dat Lucanus Pompeio (9,13 ut vidit...). Bemerkenswert ist die Unterscheidung zwischen poetice dictum und secundum ph. α. scientiam, wie auch die Tatsache, daß Lukan im Zusammenhang mit letzterer zitiert wird. Im Komm, zu Aen. 5, 735 ist vom Elysium die Rede: [... ] secundum theologos circa lunarem circulum (sc. est Elysium), ubi iam aer purior est: unde ait ipse Vergilius (6, 887) ,aeris in campis', item Lucanus (9, 10 non illuc ...; vgl. auch Komm, zu Aen. 6, 640, wo Servius Lukans Vers 11 [illic - induit, statt implevit] zitiert; derselbe Vers wird zu Aen. 4, 358 korrekt wiedergegeben). Vergils aeris in campis latis ist genaugenommen eher die Beschreibung des ganzen aer als des confinium, und tatsächlich zitieren ADNOT. ihrerseits den Ver- gilvers zu 6: sapientes ita volunt, ut spatium quod inter coelum et terram est possideant animae nobilium defunetorum; inde verum de Anchisa , aeris ...'. Eindeutig der aer ist im Komm, zu Aen. 3, 63 umschrieben: animabus plena sunt loca inter lunarem et terrenum circulum [...]; SERV. auet.: alii (sc. tradunt) manes nocturnes esse eius spatii, quod inter caelum terramque est. Man beachte die Ähnlichkeit mit Lukans Vers 6, den Servius jedoch nicht zitiert. δ Einleitung 1-18 scher Helden, unter denen auch Pompeius (1, 793 sq. Pompeius ... orbis domitor per trisque tri- umphos ante diem princeps) und Cato (1,797 Cato fortunae victor) sind. Der Abschnitt endet in 1, 807 sq. mit den Worten illa deis sedes: haec Ulis, proxima divum qui virtute sua similes fasti- gia tangunt. Lukan verzichtet auf einen solchen Heldenkatalog, wie er im mythologischen Epos seit der homerischen Nekyia (Od. 11,225-329; 385-626) bekannt ist. Er fehlt auch bei Cicero und Seneca, der sich mit der summarischen Erwähnung der historischen Scipiones Catonesque begnügt {dial. 6 [Marc.] 25,2). Der Verzicht läßt sich bei Lukan aber leicht damit erklären, daß er einen Katalog großer Römer in der Nekromantieszene eingefügt hat (6, 782-802), der mit VERG. Aen. 6,156sqq. in Wettbewerb tritt. Im Rahmen der Nekromantieszene wird Pompeius ein Platz in den Gefilden der Seligen versprochen (6, 803-805) und letztlich die Prologszene von Buch neun angekündigt. Sprachlich und motivisch steht Lukan ein Passus aus SEN. epist. 102, 28 am nächsten: ali- quando naturae tibi arcana reteguntur, discutietur ista caligo et lux undique clara percutiet. imaginare tecum quantus ille sit fulgor tot sideribus inter se lumen miscentibus. nulla serenum umbra turbabit; aequaliter splendebit omne caeli latus: dies et nox aeris infimi vices sunt, tunc in tenebris vixisse te dices cum totam lucem et totus aspexeris, quam nunc per angustissimas oculorum vias obscure intueris, et tarnen admiraris illam iam procul: quid tibi videbitur divina lux cum illam suo oculo videris. Sowohl bei Seneca als auch bei Lukan sind letztlich moralische Tugenden für die Erhöhung ausschlaggebend, nicht politische (vgl. Anm. 8). Die Anfangsszene von Buch 9 wurde in neuester Zeit mehrfach untersucht. Sehr wertvoll ist das Kapitel bei Schotes (p. 89-98). Ebenfalls detailliert zu stoischer Physik und Theologie äu- ßert sich Brena („Osservazioni ...",p. 275-291). Narducci („Pompeo ...") untersucht mehrere Einzelaspekte der Szene sowie deren Nachwirkung, die er auch in Dante, Paradiso 22,133 sqq. beobachtet. Er wehrt sich zu Recht gegen Johnsons Standpunkt, die Szene sei „ridiculous by design" (p. 72) und „pure absurdity" (p. 83). § 3 Imitationen Als erster spielt Statius in seinem genethliacon für Lukan auf den Anfang von Buch 9 an (silv. 2, 7, 107-110): at tu, seu rapidum poli per axem I famae curribus arduis levatus I qua surgunt animae potentiores, I terras despicis et sepulcra rides. Später zitieren Servius und Lactantius Placidus mehrere Verse in ihren Kommentaren. Weitaus interessanter sind jedoch zwei Imitationen christlicher Dichter. Die Himmelfahrt der Agnes bei Prudentius (perist. 14, 91-99), die wie Pompeius enthauptet wurde, enthält zahlreiche Echos aus Lukan: 91 exutus inde spiritus emicat liberque in auras exsilit. angeli saepsere euntem tramite candido. miratur orbem sub pedibus situm, 95 spectat tenebras ardua subditas ridetque solis quod rota circuit, quod mundus omnis volvit et implicat, rerum quod atro turbine vivitur, 99 quod vana saecli mobilitas rapit... Eine weitere, weniger bekannte Imitation findet sich bei Dracontius, Romul. 9,18-30 (Hin- weis von Frau dott. Lavinia Galli-Milic). Ein anonymer Sprecher versucht Achilles dazu zu bewegen, den von ihm mißhandelten Körper Hektors freizugeben (ausführlich zu dieser Stelle W. Schetter, „Dracontius, Romulea 9,18-30", RhM 124,1981, p. 81-94): Einleitung 1-18, Verse 1-3 9 sunt animae post membra piae, quas ignea virtus tollit ad astra micans et solis in orbe recondit 20 lunares non passa globos; ac desuper orbem exspectant stellasque vagas et signa leonis Augusto quid mense parent, quid cetera temptent ornamenta poli. rident sua membra videntes funeris abiecti fragiles et corporis usus, 25 ut doleant animae iam libertate recepta corporibus vixisse suis et claustra tulisse carceris angusti. tumulos aut ossibus urnas dedignant animae, non curant vile sepulchrum nec plangunt non esse simul, quos urna polorum 30 claudit et aetherium Phoebus suspendit ad axem. 1 sq. At: Markiert den Übergang zu einem neuen Gegenstand oder Aspekt (K.-S. II 2, 84). at schließt das neue Buch eng an das vorhergehende an und verwischt die Grenze zwischen den beiden fast vollständig. Das Vorgehen ist für Lukan typisch (4, 1), läßt sich aber bereits bei Vergil (Aen. 4,1) und Ovid (met. 4,1) beobachten. Zu at non am Episodenbeginn vgl. vor allem 2, 234; 8, 637, zu den harten Einsätzen bei Lukan vgl. auch Anm. 950. Pharia: Dichterisches, vorwiegend nkl. Synonym zu Aegyptius / Aegyptiacus; klassisch bei Tibull (1, 3, 32) und Ovid (ars 3, 635; al). Pompeius wurde nicht in Alexandria ermordet, sondern in der Gegend von Pelusium östlich des Nildeltas (209 Pharium scelus). favilla I ... cinis exiguus: favilla und cinis sind in der Regel synonym. Bei VERG. Aen. 6, 226sq. bezeichnet cinis die Asche des Feuers, favilla diejenige des Eingeäscherten, wogegen die Verteilung bei Lukan umgekehrt ist. Zu cinis exiguus als .Totenasche' vgl. Ov. met. 8, 496 vos cinis exiguus gelidaeque iacebitis umbrae; CE 395, 3 sq. quos (sc. manes) parva petunt post lumina vite exiguus cin(i)s et simulacrum corpo(r)is umbra; 1178 Β 23 hic cinis exigu(u)s ossaq(ue) parva man[ent. Die pathetische Antithese zwischen der ruhmvollen Größe des Verblichenen und der spärlichen Asche ist in der Poesie häufig; cf. e.g. PROP 2, 9,13 sq. tanti corpus Achilli maximaque in parva sustulit ossa manu; Ov. met. 12, 615 iam cinis est, et de tarn magno restat Achille nescio quid, parvam (parvum var. 1.) quod non bene compleat urnam; SEN. Here. Ο. 1758-1770 tarn parvus cinis Hercules ...ο quanta ...ad nihil moles abit... ecce vix totam Hercules complevit urnam [...]. mundus impositus tuas compescet umbras; HOMER. 1062 in ... leves abiit tantus dux ille favillas; CE 969, 8; 1054, 2. Lukan hat das Motiv bereits in 8, 787-789; 8, 867sq. pulveris exigui... congeriem; 10, 380 tumulum ...epulvereparvo verwen- det (zur Größe des ruhmreichen Pompeius vgl. 8,798 sq.). compescuit: Zur Verwendung im Zusammenhang mit den Schatten eingeschlossener Toten- seelen vgl. HÖR. carm. 2,14, 9; SEN. Here. Ο. 1770; STAT. Theb. 11, 79 (ThlL III 2061, 24-29 [Bannier 1911]). In 8, 796 sq. fragte Lukan den treuen Cordus: cur ...manes ... vagantes inclu- dis sc. tumulo? 3 prosiluit: Die Wortwahl ist nicht „ridiculous" (Johnson, p. 72): Vergleichbar sind SEN. epist. 58, 35 si mihi non vitam reliquerit (sc. senectus), sed animam, prosiliam ex aedificio putri ac ruenti (i. e corpore) und 92, 34 (animus) ab hoc (i. corpore) modo aequo animo exit, modo ma- gno prosilit. Der Gebrauch von prosilire ist generell demjenigen von emicare ähnlich. Bezogen 10 Verse 3-4, Einleitung 5-9 auf den vorliegenden Kontext lassen sich zu Vergleichszwecken - neben der Imitation durch Prudentius (Einl. 1-18 § 3)- etwa folgende Beispiele zitieren: Ov. met. 1, 26 sq. ignea convexi vis ... caeli emicuit summaque locum sibi fecit in arce\ 15, 248 in superos aer tenuissimus emicat ignes (243 alta petunt sc. elementa leviora); SEN. dial. 12 [Helv.] 11, 6 animus ... levis ipse, expeditus et quandoque emissus fuerit ad summa emicaturus', nat. 1 praef. 11; epist. 79,12. Des weiteren wird emicare für himmelwärts strebende Götter (HOMER. 85 sq. inde per auras emicat aetherias et in aurea siderafertur sc. Thetis) und aus ihrem Grab herausschießende Totenseelen gebraucht (SEN. Tro. 181 emicuit ingens umbra Thessalici ducis). Bei prosilire läßt sich auf Ov. fast. 3, 842 (Geburt der Athena) und CLAVD. carm. min. 27, 69 (Geburt des Phoenix aus der Asche) verweisen. Narducci („Pompeo ...",p. 11 sq.) erwähnt außerdem SEN. nat., woprosilio mehrfach für meteorologische Erscheinungen, vor allem für Blitze, verwendet wird. Die ignea virtus (7) kann in der Tat mit einem Blitz oder einem Funken (OV.fast. 4, 796) verglichen wer- den. semusta ... membra: Adjektivische Komposita mit sem(i)- werden in der nkl. Latinität häu- fig (ein weiteres Beispiel folgt in 7). Zu Lukans Vorliebe für Komposita auf -ustus vgl. Anm. 382. Zu semustus vgl. VERG. Aen. 3, 578; 11, 200IG. semusta ... busta\ SEN. Here. 0.1737; Thy. 80; LVCAN. 8, 786sq. semustaque ... ossa (sc. Pompei). Vergleichbar mit Lukan ist SIL. 6, 238 semesa ... membra reliquit. — Die unmittelbare Nähe von busto und semusta erweckt den Ein- druck eines Wortspiels (vgl. die Etymologie dicitur ... bustum quasi bene ustum bei PAVL. FEST. p. 32 M.). Zu solchen Spielereien vgl. Anm. 78 sq.-, 610 und die Schlangennamen in 708 sqq. 4 degenerem: pro ,indigno meritis suis' (COMMENT.); se non dignum (ADNOT.), wie in 10, 441. Zu degener = vilis, humilis vgl. außerdem ThlL V 1, 380, 69sqq., besonders 380, 84-381, 8 [Bogel 1910], sequitur: i.q. petit, vgl. 8,12 (deserta sequentem) und 8, 222 sq. si vos, ο Parthi, peter em ... et sequerer duros ... Alanos ... (OLD s. v., Nr. 15). Dieser Gebrauch von sequi ist in der Prosa schon früh belegt (\KRRO rust. 3, 7, 1 fit, ut agrestes [sc. columbae] maxime sequantur turres, in quas ex agro evolant; Cie. Att. 3,16; al.). In der Poesie ist er spätestens bei Vergil zu finden {e.g. Aen. 4, 361; Ov. epist. 1, 10). Lukans sequi convexa ist vielleicht von Vergils astra sequi (Aen. 12, 893) inspiriert. convexa Tonantis: Das substantivierte ntr. pl. convexa = caelum ist seit Vergil (Aen. 6, 241. 750) belegt, wogegen Tonans ~ Iuppiter erst ab Ovid erscheint und in der Nachklassik immer häufiger wird. 5-9 Der Aufenthaltsort der Seelen Lukans Beschreibung des Ortes, an welchem sich die Seligen aufhalten, ist sehr präzise: qua niger astriferis conectitur axibus aer (5) bezeichnet die Grenzregion zwischen aer und dem darüberliegenden aether. Diese Grenz- bzw. Übergangsre- gion besitzt nur eine geringe Ausdehnung, daher kann man sie genausogut als aeris extremitas (CIE. nat. deor. 2, 117) oder als imus aether (8) bezeichnen. Nur knapp verfehlt ist daher die Erklärung inter summum aeris nigri et imum aetheris (COMMENT.). Dieses confinium wurde na- mentlich von den Stoikem neben dem aer, den Gestirnen, dem Mond (PLATO Tim. 42 d) und vor allem der Milchstraße als Aufenthaltsort der Seelen nach dem Tod genannt und auf der Höhe der Mondbahn angesiedelt. Daher glossieren die COMMENT, auch mit lunaris circulus. a Diese Lokalisierung ist vor dem Hintergrund der Kosmologie zu verstehen: Diese definiert aer als jenen Raum, der sich zwischen Erde und Mond erstreckt und wo sich das Wet-