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Klopffechtereien Missverständnisse Widersprüche? Methodische und methodologische Perspektiven auf die Kant-Forster-Kontroverse PDF

330 Pages·2012·2.482 MB·German
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Godel · Stiening (Hrsg.) Klopff echtereien – Missverständnisse – Widersprüche? Rainer Godel und Gideon Stiening - 978-3-8467-5215-9 Heruntergeladen von Brill.com12/26/2021 07:23:19PM via Universitat Leipzig FF55221155 GGooddeell..iinndddd 11 0022..1111..1111 1155::4466 Laboratorium Aufklärung Herausgegeben von Olaf Breidbach, Daniel Fulda, Hartmut Rosa Wissenschaftlicher Beirat Heiner Alwart (Jena), Harald Bluhm (Halle), Ralf Koerrenz (Jena), Klaus Manger (Jena), Stefan Matuschek (Jena), Georg Schmidt (Jena), Hellmut Seemann (Weimar), Udo Sträter (Halle), Heinz Th oma (Halle) Band 10 Rainer Godel und Gideon Stiening - 978-3-8467-5215-9 Heruntergeladen von Brill.com12/26/2021 07:23:19PM via Universitat Leipzig FF55221155 GGooddeell..iinndddd 22 0022..1111..1111 1155::4466 Rainer Godel · Gideon Stiening (Hrsg.) Klopff echtereien Missverständnisse Widersprüche? Methodische und methodologische Perspektiven auf die Kant-Forster-Kontroverse Wilhelm Fink Rainer Godel und Gideon Stiening - 978-3-8467-5215-9 Heruntergeladen von Brill.com12/26/2021 07:23:19PM via Universitat Leipzig FF55221155 GGooddeell..iinndddd 33 0022..1111..1111 1155::4466 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Friedrich-Schiller-Universität Jena Eine Veröff entlichung des Forschungszentrums Laboratorium Aufklärung www.fzla.uni-jena.de Umschlagabbildung: Denise Brakhage Bibliografi sche Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betriff t auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. © 2012 Wilhelm Fink Verlag, München (Wilhelm Fink GmbH & Co. Verlags-KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) Internet: www.fi nk.de Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Printed in Germany Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn ISBN 978-3-7705-5215-3 Rainer Godel und Gideon Stiening - 978-3-8467-5215-9 Heruntergeladen von Brill.com12/26/2021 07:23:19PM via Universitat Leipzig FF55221155 GGooddeell..iinndddd 44 0022..1111..1111 1155::4466 INHALT RAINER GODEL UND GIDEON STIENING Die Kunst des akademischen Streitens. Zur Einführung in eine Kontroverse über eine Kontroverse . . . . . . . . . . . . 7 I LOGOS GIDEON STIENING „[E]s gibt gar keine verschiedenen Arten von Menschen.“ Systematizität und historische Semantik am Beispiel der Kant-Forster- Kontroverse über den Begriff der Menschenrasse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 WERNER EULER Einheit der Abstammung oder Gattungseinteilung? Kants Begriff der (Menschen-)Rasse als Idee einer Naturgeschichte. . . . . . . 55 KLAUS-GERT LUTTERBECK Normativität des Faktischen? Integrale Wissenschaft vom Menschen und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . 97 MAJA SOBOLEVA Der Begriff der Tatsache in der Kant-Forster-Kontroverse. . . . . . . . . . . . . . 119 II PHYSIS SIGRID OEHLER-KLEIN Kontext und Bedeutung des wissenschaftlichen Arguments in Georg Forsters Kant-Kritik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 TANJA VAN HOORN Was heißt und zu welchem Ende studiert man Naturgeschichte? . . . . . . . . 163 EL HADJ IBRAHIMA DIOP Die Kant-Forster-Kontroverse über Menschenrassen als Wendepunkt der europäischen Afrikadiskurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 ROBERT BERNASCONI True Colors: Kant’s Distinction Between Nature and Artifi ce in Context. . 191 Rainer Godel und Gideon Stiening - 978-3-8467-5215-9 Heruntergeladen von Brill.com12/26/2021 07:23:19PM via Universitat Leipzig FF55221155 GGooddeell..iinndddd 55 0022..1111..1111 1155::4466 6 INHALT III KULTUR FALK WUNDERLICH Philosophiegeschichte, Ideengeschichte und das Verhältnis von Philosophie und Wissenschaften im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 JOHN H. ZAMMITO Th e Forster-Kant Controversy: Th e Provocations of Interdisciplinarity. . . . 225 KRISTINA KUHN Zur Bedenklichkeit des Marginalen: Kant und die Reisebeschreibung. . . . . 245 DIRK WERLE Problemgeschichte und Konstellationsforschung. Methodologische Überlegungen am Beispiel der Kant-Forster-Kontroverse über die Bestimmung der Menschenrassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 RAINER GODEL Mediale Strategien. Zu Möglichkeiten und Grenzen literaturwissenschaftlicher Kontextualisierung am Beispiel der Forster-Kant-Kontroverse. . . . . . . . . . . 293 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Rainer Godel und Gideon Stiening - 978-3-8467-5215-9 Heruntergeladen von Brill.com12/26/2021 07:23:19PM via Universitat Leipzig FF55221155 GGooddeell..iinndddd 66 0022..1111..1111 1155::4466 RAINER GODEL UND GIDEON STIENING Die Kunst des akademischen Streitens. Zur Einführung in eine Kontroverse über eine Kontroverse I Am 19. November 1788 blickt Georg Forster auf die Auseinandersetzung mit Immanuel Kant zurück, die drei Jahre zuvor begonnen hatte. An Friedrich Hein- rich Jacobi schreibt er: „Allein im Grunde sind es doch nur Klopff echterstreiche, und er wird mich durch alle Winkelzüge nicht bereden können, daß er in der Sache von den Menschenracen recht habe.“1 Ein Duell mit stumpfen Waff en? Listige Manöver? Müßig zu sagen, dass auf der anderen Seite Immanuel Kant die intensi- ve Kontroverse, die die beiden Kontrahenten über die Frage nach der Bestimmung des Begriff s der Menschenrasse – und, damit verbunden, über weitere erkenntnis- theoretische und wissenschaftssystematische Fragen – geführt hatten, grundlegend anders einschätzt: Forsters Einwände rührten, so Kant in seinem abschließenden Aufsatz Über den Gebrauch teleologischer Principien in der Philosophie, „blos aus dem Mißverstande des Princips, wovon ich ausgehe“ her.2 Ein bloßes Missver- ständnis, ein Missverstehen durch jemanden, der zum wahren Verstehen nicht in der Lage ist oder sein möchte? Doch vielleicht lässt sich die Kontroverse nicht nur als „Klopff echterei“ oder als eine Reihe von „Missverständnissen“ begreifen, son- dern noch viel eher aus den, in Forsters und Kants Äußerungen sichtbaren Wider- sprüchen heraus als Manifestation von Widersprüchen, von Gegenreden, als Mani- festation des öff entlichen Austrags einer Kontroverse, die sich für die Aufklärung in den 1780er Jahren und deren Folgen als zentral erweisen sollte. Denn es gibt in der Tat sachliche Unterschiede der Positionen Kants und Forsters, die sich grund- legend ausschließen, d. h. sich widersprechen. Es ist daher der Geist der Kontroverse, der Geist des Streites um die Aufklärung im Ganzen, der die Auseinandersetzung bestimmt und der letztlich auch ein höchst umstrittenes Th ema zum Streitobjekt der Wissenschaften machte. Wenn Hans Blumenberg in dem von Friedrich Heinrich Jacobi entfachten Streit um Lessings 1 Georg Forster an Friedrich Heinrich Jacobi am 19. November 1788, in: Georg Forsters Werke. Sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe, hg. v. d. Akademie der Wissenschaften der DDR, Bd. 15, bearb. v. Horst Fiedler, Berlin 1981, Brief Nr. 111, S. 208. Texte Forsters werden im Folgen- den nach dieser Ausgabe mit der Sigle FAA zitiert. 2 Immanuel Kant, Über den Gebrauch teleologischer Principien in der Philosophie, in: Kant’s gesam- melte Schriften, hg. v. d. Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1900 ff., Bd. VIII, S. 157–184, hier S. 160 f. Texte Kants werden im Folgenden nach dieser Ausgabe mit der Sigle KAA zitiert. Rainer Godel und Gideon Stiening - 978-3-8467-5215-9 Heruntergeladen von Brill.com12/26/2021 07:23:19PM via Universitat Leipzig FF55221155 GGooddeell..iinndddd 77 0022..1111..1111 1155::4466 8 RAINER GODEL UND GIDEON STIENING Spinozismus den Anfang vom „Ende der Aufklärung“ diagnostizierte,3 so gilt dies in gleichem Maße für jene gleichzeitig ausgetragene Kontroverse um den Begriff der Menschenrasse, die – in ihrer Ausweitung auf namhafte Kontrahenten aus Phi- losophie, Wissenschaft und Kunst4 – Ergebnisse zeitigte, welche eine tiefgreifende Veränderung des Vernunftzeitalters ankündigten. Auch in dieser Auseinanderset- zung um Formen und Verfahren der Naturforschung ging es mithin um sehr viel weiter reichende Fragen als nur um ein Detailproblem der Naturforschung oder der Philosophie, um Fragen auch, in denen nicht selten die Ebene der Normativi- tät die der (wissenschaftlich behaupteten) Normalität überlagert.5 II Wenig überraschend ist es daher, dass selbst die wissenschaftliche Aufarbeitung dieser Kontroverse zu nicht unerheblichen Teilen von meist disziplinär gebunde- nen Wertungen – gelegentlich könnte man auch von Parteinahmen sprechen – geprägt ist. Die Auseinandersetzung zwischen Forster und Kant scheint eine Fort- setzung in den Wissenschaften des 20. und 21. Jahrhunderts gefunden zu ha- ben. Mit Klopff echtereien, dem Vorwurf des Missverstehens, dem Aufweisen von Widersprüchen – so könnte die jeweils andere Seite artikulieren – hat auch diese Forschung zu tun. Wollte man ein polemisches und zuspitzendes Bild zeichnen, so stehen auf der einen Seite des Fechtbodens die Philosophen, von den Philosophie- historikern sekundiert, bereit, um das Panier für Immanuel Kant zu heben, wäh- rend auf der anderen Seite sich Germanisten, sekundiert von Wissenschaftshistori- kern und Kulturwissenschaftlern, anschicken, die Wahrheit der Positionen Georg Forsters zu verteidigen. So martialisch und antiquiert dieses Bild hier erscheinen mag, es deutet nicht zu Unrecht darauf hin, dass die historische Kontroverse syste- matische Implikationen enthält, die unvermindert Konfl iktpotential bergen und dieses auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung immer wieder entfalten. Es wäre nicht verfehlt, betrachtete man beispielsweise die Positionen Manfred Rie- dels und Wolfgang Proß’ als paradigmatisch für beide Lager.6 Während der Philo- soph Riedel im Wesentlichen auf der Grundlage einer disziplinär-philosophischen Beweisführung textnah Kants Argumentation zu unterstützen sucht, strebt der Germanist Proß an, die Debatte zu kontextualisieren und dadurch Forsters (und 3 Hans Blumenberg, Arbeit am Mythos, Frankfurt a. M. 1996, S. 449. 4 Vgl. hierzu die Darstellung bei Norbert Klatt, Zum Rassebegriff bei Immanuel Kant und Johann Friedrich Blumenbach, in: Kleine Beiträge zur Blumenbach-Forschung 3 (2010), S. 9–55. 5 Vgl. zu diesen Konzepten Jürgen Link, Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird, Göttingen 32006. 6 Vgl. Manfred Riedel, Historizismus und Kritizismus. Kants Streit mit G. Forster und J. G. Herder, in: Bernhard Fabian, Wilhelm Schmidt-Biggemann, Rudolf Vierhaus (Hgg.), Deutschlands kul- turelle Entfaltung. Die Neubestimmung des Menschen, München 1980, S. 31–48; Wolfgang Proß, „Ein Reich unsichtbarer Kräfte“. Was kritisiert Kant an Herder?, in: Scientia Poetica 1 (1997), S. 62–119. Rainer Godel und Gideon Stiening - 978-3-8467-5215-9 Heruntergeladen von Brill.com12/26/2021 07:23:19PM via Universitat Leipzig FF55221155 GGooddeell..iinndddd 88 0022..1111..1111 1155::4466 DIE KUNST DES AKADEMISCHEN STREITEN 9 Herders) Position gegenüber vermeintlichen Engführungen und Irrtümern Kants zu rechtfertigen. Doch ist die Forschungslage zur Kant-Forster-Debatte, die hier nicht in aller Breite dargestellt werden muss,7 durch eine rein disziplinäre Zuweisung von For- schungslagern noch nicht zureichend beschrieben. Im Zuge der in den letzten 25 Jahren in der Germanistik und den Kulturwissenschaften etablierten Anthropolo- gieforschung ist die Perspektive Forsters auf das Problem der Menschenrassen in den Vordergrund gerückt worden,8 während die philosophische und philosophie- historische Forschung geneigt war, vor allem Kants Leistungen für dieses Th ema herauszuarbeiten.9 Erst in den letzten Jahren wird aus der Perspektive einer spezi- fi schen Ideen- und Wissenschaftsgeschichte der Versuch unternommen, insbeson- dere Kants mögliche Vorurteile in Sachen Menschenrassen systematisch zu sichten und gegen Forsters Kulturrelativismus abzusetzen,10 was von anderer Seite als grundlegender Irrtum zurückgewiesen wird.11 Wie schon hinter den historischen Debattenpositionen, so stehen auch hinter den aktuellen Kontroversen, die zwischen disziplinären Lagern und Forschungs- perspektiven ausgetragen werden, in allen Fällen begründete und in der jeweiligen Disziplin und für die jeweilige Disziplin als erforderlich geltende methodische Prä- missen.12 Die Überzeugung von der Stichhaltigkeit der je eigenen Argumentation 7 Vgl. hierzu u. a. die Darstellung bei Tanja van Hoorn, Dem Leibe abgelesen. Georg Forster im Kon- text der physischen Anthropologie des 18. Jahrhunderts, Tübingen 2004, S. 108–116 sowie jüngst: Mario Marino, Noch etwas über Menschenrassen. Eine Lektüre der Kant-Herder-Forster-Kontrover- se, in: Simone de Angelis, Florian Gelzer, Lucas Marco Gisi (Hgg.), ‚Natur‘, Naturrecht und Geschichte. Aspekte eines fundamentalen Begründungsdiskurses der Neuzeit (1600–1900), Hei- delberg 2010, S. 393–413. 8 Vgl. hierzu erneut paradigmatisch van Hoorn, Dem Leibe abgelesen (wie Anm. 7) sowie auch Jörn Garber, Die ‚Schere im Kopf‘ des Autors. Anthropomorphe Bewußtseinsgrenzen von Erfahrung (Georg Forster), in: Markus Bauer, Thomas Rahn (Hgg.), Die Grenze. Begriff und Inszenierung, Berlin 1997, S. 13–36; Michael Weingarten, Menschenarten oder Menschenrassen. Die Kontroverse zwi- schen Georg Forster und Immanuel Kant, in: Gerhart Pickerodt (Hg.), Georg Forster in seiner Epoche, Berlin 1982, S. 117–148; Ludwig Uhlig, Georg Forster. Lebensabenteuer eines gelehrten Weltbürgers. 1754–1794, Göttingen 2004, S. 201–206. 9 Vgl. hierzu ebenso paradigmatisch Rudolf Malter, Der Rassebegriff in Kants Anthropologie, in: Gunter Mann, Franz Dumont (Hgg.), Die Natur des Menschen. Physische Anthropologie und Rassenkunde (1750–1850), Stuttgart/New York 1990, S. 113–122; Bernd Dörflinger, Die Ein- heit der Menschheit als Tiergattung. Zum Rassebegriff in Kants physischer Anthropologie, in: Kant und die Berliner Aufklärung, hg. v. Volker Gerhardt, Rolf-Peter Horstmann u. Ralph Schuhma- cher, Bd. IV, Berlin/New York 2001, S. 342–351 sowie Gerd Irrlitz, Kant-Handbuch. Leben und Werke, 2. überarb. u. erg. Auflage, Stuttgart/Weimar 2010, S. 415 f. 10 Paradigmatisch hierzu Robert Bernasconi, Who Invented the Concept of Race? Kant’s Role in the Enlightenment Construction of Race, in: R.B. (Hg.), Race. Blackwell/Oxford 2001, S. 11–36; ders., Kant as an Unfamiliar Source of Racism, in: Julie K. Ward, Tommy L. Lott (Hgg.), Philoso- phers on Race. Critical Essays, Oxford 2002, S. 145–166. 11 So beispielsweise Christian Geulen, Geschichte des Rassismus, München 2007, S. 59. 12 Zu einer möglichen Methodologie kulturwissenschaftlicher Anthropologieforschung vgl. Rainer Godel, Vorurteil – Anthropologie – Literatur. Der Vorurteilsdiskurs als Modus der Selbstaufklärung im 18. Jahrhundert, Tübingen 2007, S. 24 ff., 41–92; vgl. grundlegend zum Thema auch John H. Zammito, Kant, Herder, and the Birth of Anthropology, Chicago 2002; zu einer Methodologie Rainer Godel und Gideon Stiening - 978-3-8467-5215-9 Heruntergeladen von Brill.com12/26/2021 07:23:19PM via Universitat Leipzig FF55221155 GGooddeell..iinndddd 99 0022..1111..1111 1155::4466 10 RAINER GODEL UND GIDEON STIENING beruht nicht zuletzt darauf, dass sich aus der eigenen Disziplin und aus der einge- nommenen Forschungsperspektive heraus jeweils plausible Gründe angeben las- sen, wieso diese oder jene analytische bzw. hermeneutische Methode angewendet wurde und wieso hieraus genau jene und keine anderen Resultate zwingend her- vorgehen. Diese Feststellung konstatiert das Gegenteil von Beliebigkeit: Man kann davon ausgehen, dass disziplinäre Werturteile jeweils innerhalb der disziplinären Argumentation – wenigstens bis zu einem bestimmten Punkt – als gerechtfertigt erscheinen. Dennoch nehmen sie als wissenschaftliche Urteile für sich in Anspruch, auch außerhalb der Grenzen der eigenen Disziplin Geltung zu haben und so müs- sen unterschiedliche, ja sich widersprechende Urteile zur Kontroverse zwischen Kant und Forster grundsätzlich korrelierbar sein und somit auch korreliert werden. Es kann zu dieser Kontroverse letztlich keine nur-‚germanistische Wahrheit‘ geben, die sich von einer ‚philosophiehistorischen‘ substanziell unterschiede, ebenso wenig wie es keine nur-‚philosophiehistorische‘ gibt, die von der ‚germanistischen‘ diff e- riert. Die Korrelation disziplinärer Befunde ist eine der Aufgaben des vorliegenden Bandes. III Die Zunahme methodologischer Refl exionen gerade in den Geistes- und Kultur- wissenschaften, in denen Modelle interdisziplinären Austauschs erprobt und dis- kutiert wurden,13 hat die Möglichkeiten erweitert, zu einem Forschungsgegen- stand wie der Kant-Forster-Kontroverse, die genuin das Forschungsinteresse meh- rerer Disziplinen nach sich zog, neue interdisziplinäre Perspektiven zu erproben. Die kulturwissenschaftlichen Modelle der vergangenen Jahre haben allerdings sowohl auf konzeptioneller Ebene als auch im Bereich ihrer konkreten Anwendung auf historische und systematische Gegenstände eine Reihe von methodologischen und methodischen Fragen aufgeworfen.14 Dazu gehört zum einen die Aufgabe, Leitlinien für einen ertragreichen Austausch allein zwischen den geisteswissen- schaftlichen Disziplinen zu formieren. Zum anderen aber drängt in der letzten Zeit vor allem in den ideen-, philosophie- und wissenschaftsgeschichtlichen Disziplinen die Frage nach dem Verhältnis von Historizität und Systematizität der Gegenstän- de auf die Tagesordnungen. So haben Kurt Flasch15 und Wilhelm Schmidt-Bigge- philosophiehistorischer Forschung vgl. Ulrich Charpa, Philosophische Wissenschaftshistorie. Grundsatzfragen / Verlaufsmodelle, Braunschweig/Wiesbaden 1995. 13 Vgl. hierzu u. a. Friedrich Jäger et al. (Hg.), Handbuch der Kulturwissenschaften, 3 Bde., Stutt- gart/Weimar 2004. 14 Vgl. hierzu u. a. die kritischen Einwände von Joachim Küpper, Kulturwissenschaft, in: Poetica 41.1/2 (2009), S. 3–9. 15 Kurt Flasch, Philosophie hat Geschichte, 2 Bde. [Bd. 1: Historische Philosophie. Beschreibung einer Denkart; Bd. 2: Theorie der Philosophiehistorie], Frankfurt a. M. 2003/05. Rainer Godel und Gideon Stiening - 978-3-8467-5215-9 Heruntergeladen von Brill.com12/26/2021 07:23:19PM via Universitat Leipzig FF55221155 GGooddeell..iinndddd 1100 0022..1111..1111 1155::4466

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