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Klassische Vorbilder mittelalterlicher Trojaepen PDF

580 Pages·1999·21.59 MB·German
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Thomas Gärtner Klassische Vorbilder mittelalterlicher Trojaepen Beiträge zur Altertumskunde Herausgegeben von Michael Erler, Ernst Heitsch, Ludwig Koenen, Reinhold Merkelbach, Clemens Zintzen Band 133 S Β. G. Teubner Stuttgart und Leipzig Klassische Vorbilder mittelalterlicher Trojaepen Von Thomas Gärtner 3 Β. G. Teubner Stuttgart und Leipzig 1999 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titelsatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts- gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt besonders für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 1999 B. G. Teubner Stuttgart und Leipzig Printed in Germany Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, 99947 Bad Langensalza VORWORT Die vorliegende Untersuchung ist eine überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln im Sommersemester 1998 vorgelegen hat. Gutachter waren die Herren Professoren Rudolf Kassel und Udo Kindermann; das Rigorosum fand am 26. 6. 1998 statt. Vor allem gilt mein Dank Herrn Professor Kassel, der meine Arbeit mit großer Hilfsbe- reitschaft und stets förderlichem Rat betreut hat. Für mannigfache Unterstützung bin ich ferner den Herrn Professoren Udo Kindermann, Wolfgang-Dieter Lebek, Reinhold Mer- kelbach und Clemens Zintzen zu Dank verpflichtet, den beiden zuletzt genannten (wie den übrigen Herausgebern) auch fur die Aufnahme in die Reihe „Beiträge zur Altertums- kunde". Eine große Hilfe beim Korrekturlesen waren mir Gudrun Heeg, Kristine Jara, Sandra Koch, Axel Schuster und Sandra Zajonz. Alle stehengebliebenen Fehler gehen selbstver- ständlich allein zu meinen Lasten. Köln, im August 1999 Thomas Gärtner INHALTSVERZEICHNIS I. TEIL: DIE YLIAS DES JOSEPH VON EXETER Joseph von Exeter: Einleitung 9 Imitationskommentar zum I. Yliasbuch 14 Imitationskommentar zum II. Yliasbuch 71 Imitationskommentar zum III. Yliasbuch 115 Imitationskommentar zum IV. Yliasbuch 154 Imitationskommentar zum V. Yliasbuch 194 Imitationskommentar zum VI. Yliasbuch 238 Zusammenstellung der Imitationsformen 345 Anhang: Die Gesandtschaft des Antenor nach Salamis: Zu Josephs Technik der Kontamination zweier Vorbilder (Dares Phrygius und Dracontius) 399 II. TEIL: DER TROILUS DES ALBERT VON STADE Albert von Stade: Einleitung 409 Troilus 1 417 Troilus II 435 Troilus III 453 Troilus IV 474 Troilus V 497 Troilus VI 523 Anhang: Zum Quadrigafragment des Albert von Stade 550 LITERATURVERZEICHNIS 557 STELLENINDEX 561 JOSEPH VON EXETER EINLEITUNG Gegen Ende des 12. Jahrhunderts verfaßte der Engländer Joseph von Exeter seine Ylias, die in sechs Büchern die zweimalige Eroberung Trojas auf der Grundlage des im Mit- telalter kanonischen Dares Phrygius darstellt. Die Überlieferung des Werks, wie sie in Gompfs auf fünf Handschriften und der editio princeps beruhender Ausgabe dargeboten wird, scheint weitgehend intakt: Selten schwankt man zwischen verschiedenen im Appa- rat dargebotenen Varianten, und noch seltener ergibt sich die ernsthafte Versuchung, den Text durch Konjektur zu verbessern. Die Schwierigkeiten der Ylias, die weit davon entfernt ist, ein leicht verständliches Epos zu sein, liegen in anderer Richtung: Joseph kleidet seine Gedanken in eine diffizile und eigenwillige Ausdrucksweise, und oft erfaßt man zwar den Tenor seiner Aussage, hat aber Mühe, die genaue Bedeutung und syntak- tische Konstruktion seiner Worte zu durchschauen. Diese Schwierigkeit beruht zu einem großen Teil darauf, daß Joseph ständig auf antike, spätantike oder mittelalterliche Vorbilder anspielt, aber deren Formulierungen umbiegt', und zwar häufig so, daß der bei Joseph entstehende Ausdruck anspruchsvoller ist und sogar gelegentlich ohne Kenntnis des Vorbilds kaum vollkommen erfaßt werden kann2. In dieser sprachlichen Behandlung seiner Vorlagen unterscheidet sich Joseph diametral von dem zweiten großen Trojaepiker des Mittelalters, Albert von Stade (13. Jahrhundert), der seinen Vorlagen derart wörtlich folgt (und in centonenhafter Zusammensetzung meist sogar metrische Baustücke als ganze übernimmt), daß man ständig seine Vorbilder vor Augen haben muß, um den Wortlaut des in einer einzigen Handschrift recht dürftig und fehlerhaft überlieferten 'Troilus' wiederzugewinnen, und mitunter sogar aus den Worten Alberts interessante textkritische Rückschlüsse hinsichtlich der von ihm imitierten Texte ziehen kann. Von solch enger wörtlicher Anlehnung an seine Vorbilder ist Joseph von Exeter in den meisten Fällen weit entfernt. Da sich aber oft die genaue Nuance des Gemeinten (gele- gentlich sogar der elementare Aussageinhalt, vgl. Anm. 2) erst auf der Grundlage seiner Vorlage bestimmen läßt, ist ein möglichst vollständiger Nachweis seiner sprachlichen Modelle unerläßliche Voraussetzung für ein detailliertes Textverständnis und eine ange- messene Würdigung von Josephs Darstellungskunst. In dieser Hinsicht ist die Erfor- schung der Ylias noch nicht weit gediehen, obwohl Joseph von Exeter als neben Walter von Châtillon wohl bedeutendster klassizistischer Epiker des Hochmittelalters zu gelten hat1. Der Grund für dieses Versäumnis liegt auf der Hand: Während man bei Albert von 1 Zur Abwandlung der Vorbilder vgl. Sedgwick 66: „ ... unlike most medieval writers, he does not clumsily imitate a limited number of poets studied for the purpose of pilfering: he has mastered the whole corpus. Yet, unlike his contemporaries, he does not as a rule borrow slavishly: what he takes, he has so thoroughly assimilated as to stamp it with his own individuality; we do not get the impression of a cento ... he imitates as an equal: what Statius and Claudian are to Virgil and Ovid, that - and neither more nor less - is Joseph to them ..."; F.J.E. Raby, A History of Secular Latin poetry in The Middle Ages, vol. II, Oxford 1957, 137: „... with Joseph there was no mere imitation or wholesale borrowing of phrases"; Stohlmann 186 f: „Joseph verändert klassische Formulierungen und vermengt sie mit seiner eigenen Ausdrucksweise in einem Maße, daß man sie kaum mehr als Anklänge erkennt"; Chr. Ratkowitsch 322: „Trotz zahlreicher Anspielungen ... finden sich wörtliche Zitate bei Joseph relativ selten: meist verdeutlicht er den Bezug auf andere Dichter nur durch einen Anklang, formuliert jedoch mit eigenen sprachlichen Mitteln". 2 Vgl. etwa zu Yl. I 410 - 414, wo erst der Nachweis des statianischen Vorbilds zu der Erkenntnis führt, daß Joseph den Begriff „Sturmleiter" umschreibt. Allgemein zu dem Phänomen, daß Josephs Ausdrucksweise schwerer verständlich ist als die seiner Vorlage, vgl. die Zusammenstellung der Imitationsformen, 15. ' Vgl. K. Langosch, Mittellatein und Europa, Darmstadt 1990, 227: „... das Niveau ..., auf das Joseph Sprache und Stil gehoben hat,... ist doch wohl höher als das der 'Alexandreis'. Daß die 'Ylias' nicht leicht zu 10 JOSEPH VON EXETER: EINLEITUNG Stade, wenn man nur eine Vorstellung hat, welcher Autor benutzt wird, leicht mit einer Konkordanz ans Ziel gelangt, muß man bei Joseph von Exeter stets mit einer Variation übernommener Wortfügungen und Junkturen rechnen und ferner auch die Möglichkeit der Kontamination verschiedener - meist zu völliger Verschmelzung gebrachter - Vorbil- der berücksichtigen (vgl. die Zusammenstellung der Imitationsformen, 17 ^Kontamina- tion"); d.h. mit dem Nachweis eines Vorbilds ist oft noch längst nicht alles für die Er- schließung eines bestimmten Passus Notwendige geleistet. Darüber hinaus ist auf das Phänomen der Imitation ganzer Szenen zu verweisen: Hier liegt die Übereinstimmung oft weniger in der Verwendung ähnlicher oder gleicher Junkturen als vielmehr in der Über- nahme charakteristischer Geschehens- oder Gedankenabläufe und Motive, was sich mit rein lexikographischen Hilfsmitteln oft überhaupt nicht nachweisen läßt. Die Hilfsmittel für ein systematisches Aufsuchen von Vorbildern sind recht bescheiden: Dresemius machte einen Anfang in seiner kommentierten Ausgabe von 1620: Dort wies er, wenn auch in sehr unregelmäßig den Text abdeckender Weise, motivische (besonders mythologische) Parallelen zu einzelnen Stellen nach, jedoch in den meisten Fällen ohne jedes Interesse daran, was Joseph aus überlieferungsgeschichtlichen Erwägungen bekannt sein konnte (vor allem scheidet hier alles griechische Material aus) und was ihm bei seiner konkreten Formulierung vorschwebte. Man hat hier oft den Eindruck, eher einen recht ungeordneten Nachweis der Belesenheit des Verfassers vor sich zu haben als einen Versuch, den Wortlaut des Yliastexts zu erklären. In jüngerer Vergangenheit ( 1970) lieferte Gompf in der Testimonienetage seiner Ausgabe neben werkinternen Par- allelen vor allem antike Vorbilder, allerdings im Durchschnitt kaum mehr als eines pro Druckseite. Gelegentlich neues Material findet sich ferner im Kommentar zu Bates 1986 erschienener zweisprachiger Edition der ersten drei Bücher, S. 155 - 193. Neben den genannten Ausgaben existieren einige Spezialarbeiten über die Vorlagen bestimmter Textabschnitte bei Joseph4 oder über die Benutzung bestimmter klassischer Autoren'. In lexikographischer Hinsicht sind die Voraussetzungen für einen systematischen Nachweis von Josephs Vorbildern ebenfalls recht ungünstig: Der Thesaurus geht nur selten über die Spätantike hinaus, und ein Lexikon insbesondere für den mittellateinischen Sprachge- brauch im französischen Raum (wo sich Joseph während der Abfassung der Ylias aufhielt6) existiert überhaupt nicht, was gerade hinsichtlich der an einigen Stellen klar nachweisbaren Benutzung von Walter von Châtillon7, Alanus ab Insulis* und Johannes de Hauvilla' hilfreich wäre. verstehen ist, weswegen sie dringend der Kommentierung bedarf, dafür spricht anscheinend auch die Über- lieferung: Es gibt nur fünf vollständige Handschriften ...". 4 Vgl. Chr. Ratkowitsch, Descriptio Picturae 350 - 352, wo „sämtliche Parallelen bzw. Vorbildstellen auf sprachlicher Ebene" für die Grabbeschreibung Yl. IV 451 - 492 gesammelt werden, und Fr. P. Knapp, Simi- litude 334 - 372, der sich auf „Vergleich und Exempel" in der Ylias konzentriert. Sprachliche Vorbilder zu einzelnen Passagen finden sich schon in den heute wenig beachteten Monographien zur mittelalterlichen Trojadichtung von Dunger (23 - 26) und Greif (129 - 140). Einen Durchlauf durch den gesamten Yliastext (zum Teil auf der Grundlage von Dresemius' Material) bietet Sedgwick 66 - 69, der jedoch schon am Anfang (66) auf die unvermeidliche Unvollständigkeit seiner Aufstellung hinweist. Einige wörtliche Anklänge sind auch bei Stohlmann 187 Anm. 1 notiert, wenige weitere bei Wesche 48 Anm. 2. Nicht zugänglich war mir die Arbeit von M, R. Ruiz de Elvira y Serra, Frigii Daretis Yliados libri sex. Investigación sobre sus fuentes literarias, Diss. Madrid 1983. 5 M. Maas, Juvenal und Josephus Iscanus. 6 Gompf 21 f. 7 Die Ylias ist nach Gompf 20 f zwischen 1188 und 1190 zu datieren, die Alexandreis hingegen nach Christensen 1 - 13 in die Jahre 1178 - 1182 (in der Grabinschrift des 1189 verstorbenen Königs Heinrichs II. von England wird bereits auf eine Alexandreisstelle angespielt). Daher wird man eine Priorität der Ylias vor der Alexandreis kaum annehmen dürfen.

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