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Klassische Reiseziele - Indien: Agra und Fathpur mit dem Taj Mahal PDF

80 Pages·1989·12.19 MB·German
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Indien Klassische Reiseziele Agra und Fathpur Sikri mit dem Taj Mahal Laxman Prasad Mishra Atlantis 1 Ins Deutsche übertragen von Heli Tortora und Dr. Mehr-Ali Newid Redaktion Dr. Dieter Struss Titel der Originalausgabe Agra e Fatehpur Sikri Herausgeber der Reihe Silvio Locatelli und Marcella Boroli Lizenzausgabe 1989 für Manfred Pawlak Verlagsgesellschaft mbH, Herrsching © Istituto Geografico de Agostini SpA – Novara Alle Rechte vorbehalten Printed in Italy, New Interlitho S. p. a. -Trezzano ISBN 3–88199–573–0 2 Das Siegel der Moguln Auch wenn die Überlieferung die Entste- großmütige und sanfte Kultur Indiens gemä- hung Agras bereits in die Zeit des »Mahābhā ßigt und kam nur selten wieder zum Aus- rata«-Epos zurückführt, in dem die Stadt bruch, ohne jemals ihre Liebe zum Schönen unter dem Namen Agravana erwähnt und als und Großartigen zu beeinträchtigen. blühende, volkreiche Metropole beschrieben wird, berichtet die Geschichtsschreibung erst- Das Schicksal Agras mals um das 11. Jahrhundert von Agra, im Zusammenhang mit seiner Eroberung durch Bābur (Regierungszeit 1526–1530), der Mahmud von Ghaznī. Zu jenen Zeiten Begründer der Dynastie, war ein kleiner Herr- bestand die Bevölkerung aus Angehörigen der scher aus Zentralasien. Aus seinem heimatli- Rājputen, die Stadt selbst war ein wichtiges chen Ferghāna nach Hindustan gekommen, Handels- und Verwaltungszentrum und zog gründete er durch eine Reihe von blitzartigen zahlreiche Eroberer an – Ghaznawiden, Tugh- Angriffen und erfolgreichen Feldzügen ein luqiden und Sayyiden, die im Laufe von drei- Reich, das sich von Afghanistan bis an die hundert Jahren die Stadt immer wieder über- Grenzen Bengalens erstreckte. Nach der ent- fielen, ausplünderten und verließen, ohne scheidenen Schlacht bei Pānīpat (1526), die im Spuren nennenswerter Kunstwerke oder Bau- Mai, dem heißesten Monat des Jahres, stattge- ten zu hinterlassen. Der erste Eroberer, der funden hatte, ließ er sich in Agra nieder, und nach der Einnahme der Stadt auch ihre strate- vielleicht ist gerade die Abneigung des Herr- gisch vorteilhafte Position erkannte, war schers gegenüber dem heißen und trockenen Sikandar Lodi. Er machte sie 1504 zu seiner Klima der Ebene der Grund für den einzigarti- Hauptstadt und gründete, nicht weit entfernt, gen kulturellen Aufstieg der Stadt. Er hatte eine weitere Ansiedlung, der er seinen Namen noch die Gärten und Obsthaine Samarkands gab – Sikandra – und die heute wegen ihrer im Sinn und die grünen Felder Kabuls, und herrlichen Mausoleen berühmt ist. Aufstieg, das kahle Land um Agra erfüllte ihn, wie er in Glanzzeit und Niedergang der Stadt Agra seinen »Erinnerungen« berichtet, »mit Wider- jedoch sind eng mit der Geschichte der willen und Abneigung«. Er machte sich also Moguln und dem Schicksal ihres Reichs ver- daran, sein Exil – denn als solches betrachtete bunden. Über zwei Jahrhunderte lang entwik- er seinen Aufenthalt – so angenehm wie mög- kelten und perfektionierten sie einen unver- lich zu gestalten; er leitete die Fluten des was- kennbaren Stil, der sich in jedem Kunst- und serreichen Yamunā-Flusses in Kanälen über Kulturbereich äußerte, vom eindruckvollsten weite, trockene Gebiete, legte zahlreiche Gär- Denkmal bis zum bescheidensten Gegenstand ten im Stil der islamischen Tradition an, versah des täglichen Lebens, und durch den eine sie mit Bäumen, Pavillons, Brunnen, Wasser- ursprünglich fremde Kultur zum redin indi- spielen. Ein einziger dieser Gärten ist in schen Phänomen wurde. Alle Kaiser dieser Rambāgh bis auf den heutigen Tag erhalten, Dynastie waren auf eine bestimmte Weise genug, um den unbestreitbaren Geschmack Romantiker und Idealisten, auf der Suche und die ausgezeichneten Kenntnisse des nach dem Ausdruck, der geeignet war, ihre Monarchen im Wasserbau zu belegen. Utopien zu sublimieren oder ihre Macht und Nach Bābur werden den kaiserlichen Archi- Größe zu verewigen. In ihren Adern floß das tekten bei der Ausführung der Baupläne stets Blut Timurs und Dschinghis Khans, aber die auch Gartenbauer und Wasserbautechniker Barbarei ihrer Vorfahren wurde durch die zur Seite gestellt, so daß die Bauwerke der 3 Moguln immer von Gärten umgeben sind, in ser eine Übergabe nicht annehmen wollte, um denen Wasserspiele ein grundlegendes, das »Vergnügen zu haben, eine jungfräuliche schmückendes Element darstellen. Nicht alle und in jeder Hinsicht uneinnehmbare Festung Nachfolger Bāburs hegten das gleiche Inter- zu erobern«. Bereits zu jener Zeit mußte die esse für Agra: sein Sohn Humāyūn mächtige Burg einige Jahrhunderte alt sein (1530–1556) zog Delhi vor, Jahāngir und sicherlich war sie nicht aus vergänglichem (1605–1627) widmete sich vornehmlich dem Material gebaut, denn ihre mächtigen Wehr- Wein und dem Opium und überließ seiner klu- türme mußten eine dicht bevölkerte Stadt ver- gen Frau Nūr Jahān die Regierungsgeschäfte, teidigen, die wegen ihrer einträglichen Han- während der ehrgeizige Aurangzeb delsgeschäfte weithin bekannt war. Trotzdem (1658–1707) die Stadt vernachlässigte, um sei- befahl Akbar, als er Agra zur Hauptstadt sei- nem Traum von der Eroberung Dekkhans nes Reiches erkor, die Mauern zu schleifen, nachzujagen. Aber Akbar (1556–1605), der um sie in rotem Sandstein neu zu errichten aufgeklärteste Herrscher in Indien seit Asoka, und innerhalb der Mauern zahlreiche Paläste, und Jahān (1627–1658) machten alle Versäum- Pavillone und Gärten zu seinem eigenen nisse wett; durch sie wurde Agra die unver- Gebrauch. Der Grundriß der Festung zeigt gleichliche Stadt der Gärten und das Mekka die Form eines unregelmäßigen Halbkreises, der Kunst in ganz Hindustan. der Durchmesser verläuft parallel zum Fluß Der Niedergang Agras vollzog sich ebenso Yamunā, der einst die Mauern umspülte. Von schnell wie sein Aufstieg. Nach dem Tode den vier großen Toren – dem Haupttor oder Aurangzebs zerfiel das Riesenreich der Delhi-Tor, dem privaten Jāl Darwāza, das Moguln. Nādir Shāh kam aus Persien und zum Fluß führt und von den Frauen des plünderte Delhi (1739), wobei er den »Pfau- Harems benützt wurde, um unbehelligt durch enthron« und den Diamanten Koh-i-noor als indiskrete Blicke ins Freie zu gelangen, dem Kriegsbeute mitnahm. Neun mal wurde Agra Darshani-Tor, durch das der Herrscher vom afghanischen König Ahmad Shāh Abdā schritt, um die aufgehende Sonne zu begrüßen lī eingenommen und geplündert; nach ihm und sich seinen Untertanen zu zeigen, und kamen die Heerscharen der Rājputen und dem Amar Singh-Tor – ist nur das zuletzt Marāthen (letztere aus dem Dekkhan), sie zer- genannte den Touristen heute noch zugäng- störten die Stadt und raubten alles, was die lich. Die Zitadelle ist von zwei Mauern umfrie- Gebäude an Wertvollem enthielten. Und wenn det; ihnen ist jeweils ein tiefer Festungsgraben sie etwas übrigließen, so wurde das von den vorgelegt, der bei einer Belagerung mit Wasser englischen Truppen Lord Lakes mitgenom- aus dem Yamunā geflutet wurde. men, die die Stadt im Jahr 1803 besetzten. Somit befand sich der Feind, auch wenn er die ersten äußeren Hindernisse überwunden hatte, vor einer erneuten, weit gefährlicheren Die Rote Festung (Lāl Qila) Sperre, denn in dem schmalen Raum zwi- Die Grundmauern der Zitadelle von Agra schen Mauer und Graben war er den kaiserli- sind sehr alt. Erste Hinweise auf eine Befesti- chen Bogenschützen erbarmungslos ausgelie- gung aus der Zeit vor den Moguln gibt es fert. Der Geschichtsschreiber Abul Fazl bereits im 11. Jahrhundert, als der die Burg berichtet leicht übertreibend, daß die Befesti- verteidigende Rājput-Fürst lange Zeit dem gungsanlagen zu Zeiten Akbars »fünfhundert Belagerer Mahmud Shāh widerstand, und die- Steinhäuser im Stile Gujarāts und Bengalens« 4 enthielten. Fast alle Bauten sind verschwun- stellen die sogenannten Fasighar dar, die den, abgetragen zum größten Teil von Shāh »Bestrafungszellen«: ein wahres unterirdi- Jahān, um Platz für dessen Marmorpaläste zu sches Labyrinth von Räumen und Gängen mit schaffen. Neben den Mauern sind von Akbars Zugang zum Fluß und den Festungsgräben, Festung aus rotem Sandstein nur noch das deren Funktion bis heute ein Geheimnis großartige Delhi-Tor erhalten, der Jahāngīri geblieben ist. Mahal oder Palast des Jahāngīr und der verfal- Nach einer kurzen Zeitspanne, in der lene Akbari Mahal. Der architektonische Auf- Akbar seinen Sitz nach Fathpūr Sīkrī verlegte bau des Delhi-Tores, das heute geschlossen ist, und Jahāngīr sich hauptsächlich dem Wein da es militärische Geräte beherbergt, ist denk- und der Malerei widmete, erlangte Agra unter bar einfach. Den Eingangstrakt des Tores flan- Shāh Jahāhn, seine vorherrschende Bedeutung kieren zwei oktogonale, zinnenbewehrte wieder. Die einschneidende Veränderung in Türme, die auf halber Höhe einen umlaufen- der neuen, an überschwenglicher Fülle reichen den Balkon mit Bogenöffnungen aufweisen. Architektur war die Verdrängung des Sand- Den oberen Abschluß eines jeden Turmes bil- steins und des Granits aus der Akbar-Zeit den die Kuppeldächer zweier Kioske (Chatri). durch den weißen Marmor von Makrana, den Die Innenseite des Tores ist feiner ausgearbei- der neue Herrscher bevorzugte. Unter seiner tet: eine weiträumige Terrasse mit auskragen- Herrschaft lehnte sich die Mogul-Architektur der Balustrade liegt vor einem zweigeschossi- wieder stärker an Elemente persischer Linien- gen Pavillon, der in einem mit Säulenbalken führung an, verlor dabei jedoch viel von ihrer geschmückten Laubengang endet. Das männlichen Kraft und der reichen Kreativität zweite, dem Zerstörungsdrang Shāh Jahāns der Akbar-Periode. Die Bauwerke Shāh Jahā entgangene Bauwerk, der Jahāngīri Mahal, ns sind mehr kostbar als kraftvoll, mehr anmu- stellt eines der ersten Beispiele für die Ver- tig als mächtig, von einer fast weiblichen schmelzung indo-islamischer Kunst dar. Die Leichtigkeit, die geschwungene Linien und Gestaltung des Äußeren mit den dekorativen floralen Dekor bevorzugt, mit Zwiebelkup- Keramikfliesen, den Mihrāb-Motiven peln, mehrfach gelappten Bogen und, insge- (Nischenmotive) und der breiten, von Erkern samt betrachtet, eher geringeren Ausmaßen. flankierten Īwān-Halle des Eingangs (Portal- Zuerst wurde noch in der Sandstein-Tradi- vorbau mit hoher Spitzbogenöffnung) sind tion der Dīwān-i-Ām errichtet, der Pavillon reinste maurische Tradition, während der für die feierlichen Empfänge, und bald danach Innenausbau vorherrschend von hinuistischer der Dīwān-i-Khās, der Pavillon für die priva- Ornamentik beherrscht wird, die stark an die ten Audienzen, beide im Aufbau einander sehr Holzschnitzereien von Gujarät erinnert. Dem ähnlich mit einem offenen Säulengang auf drei Haupteingang ist ein weiträumiger, mit Rasen Seiten und der durch den Thronsaal geschlos- bewachsener Platz vorgelagert, in dessen senen Rückseite. Südlich davon befanden sich Mitte ein großes, aus einem einzigen Porphyr- die eleganten Wohnbauten für den Herrscher Block gehauenes Becken steht – ein Geschenk und seine Familie, allgemein bekannt unter Jahāngīrs an seine Frau Nūr Jahān – , das der der Bezeichnung Khās Mahal, die einen weit- Legende nach von den Helden des »Mahābhā läufigen, in geometrischem Muster angelegten rata«-Epos benützt wurde, um das berau- Garten umschlossen, den Angūrī Bāgh schende Getränk Bhang darin zu mischen. (Weingarten). Der Hauptkomplex des Khäs Eine weitere Eigenart der Bauwerke Akbars Mahal blickt auf die über dem Yamunā-Fluß 5 sich erhebenden Schutzwälle und besteht aus besteht aus zwei als Bäder dienenden Räumen, drei kleinen, miteinander verbundenen die durch einen Gang miteinander verbunden Gebäuden aus weißem und außergewöhnlich sind, dessen einzige Lichtquelle der Eingang transparentem Marmor. Das mittlere darstellt. Zwei durch einen Kanal miteinander Gebäude, dessen Dach in der Glanzzeit der verbundene Becken stehen in der Mitte eines Mogul-Kaiser mit vergoldeten Ziegeln jeden Raumes; der Boden wies ursprünglich gedeckt war, ist im Aufbau den Audienzpavil- ein Fischmosaik auf und war ständig von einer lons ähnlich. Die seitlichen Bauten, zwei eher dünnen Schicht strömenden Wassers bedeckt. kleine Räume, in deren Wände zahlreiche win- Die dicken Mauern bewahren die kühle Tem- zige Nischen angebracht sind, wurden mit peratur des Innenraumes vor der Hitze drau- dem mittleren Bau durch einen kurzen, offe- ßen, nur einige schmale Öffnungen sorgen für nen Portikus verbunden, von dessen Dach einen schwachen Luftstrom. Die einzig mögli- man einen unvergleichlichen Blick über den che Art, die Räume zu erhellen, war eine Fluß und die umgebende Ebene genießen künstliche Beleuchtung, die mit Hilfe einer kann. Die um den Garten errichteten kaiserli- ganzen Reihe kleiner Laternen erreicht chen Wohngebäude sind aus Sandstein, alle wurde. Diese Laternen waren höchst Bogen und Fenster öffnen sich zum Garten. geschickt in eigens dafür vorgesehenen Ein viereckiger Brunnen aus Marmor, voll- Nischen angebracht, so daß sich jede kleinste kommen ohne jede Verzierung, steht genau im Flamme, ein vielfarbiges Feuerwerk versprü- Schnittpunkt der vier Wege, die den Garten in hend, im Mosaik der tausend Spiegel brach, vier Vierecke teilen, getreu den Geboten des mit denen die Räume ausgekleidet waren. für die Mogultradition typischen chahār- Auch hier wieder ein Beweis für die genuß- Bāgh, des viergefelderten Gartens. Direkt freudige Lebenseinstellung der Zeit. neben dem nördlichen Pavillon des Khās Von ganz anderer Art, etwas isoliert und Mahal erhebt sich der achteckige «Jasmin- erhöht gegenüber den anderen Bauwerken, turm« (Saman oder mosamman Burj), den steht auf einem Unterbau aus Sandstein eine Shāh Jahān für seine über alles geliebte Frau der schönsten Moscheen Mogul-Indiens: die Mumtāz Mahal errichtete. Perlmoschee (Motī Masjid). In ihren Innen- Der oktogonale, ganz in Marmor gehaltene hof (Sahn) gelangt man durch drei Portale, die Bau steht auf einem massiven Wachturm der sich im Zentrum der mit einem Arkadenum- Umfriedungsmauer und stellt mit seinem viel- gang versehenen, innen ganz mit Marmor aus- farbigen Marmor und der Pietradura-Orna- gekleideten Mauer öffnen. Beeindruckend ist mentik ein Meisterwerk floraler Intarsien- der Anblick des Hofes, der sich in seinem hel- kunst dar. Der Überlieferung nach starb Shāh len Glanz strahlend von den umgebenden Jahāhn in diesem Turm, als Gefangener seines roten Sandsteinmauern abhebt. Wie die gleich- Sohnes, des Usurpators Aurangzeb; im Tode namige Moschee in Delhi liefert auch die noch blickte er zum nahen Mausoleum seiner Moti Masjid von Agra ein deutliches Beispiel verstorbenen Frau, dem unvergleichlichen Taj für die religiöse Architektur der Timuriden. Mahal. Zum Komplex der kaiserlichen Wohn- Vollkommen in der Linienführung, elementar gebäude gehört auch ein einzigartiges Bau- in der Ausstattung, machen die perfekten Pro- werk, der Palast der Spiegel (Shish Mahal), ein portionen und der Perlmuttschimmer ihres weiteres Beispiel für die unglaubliche Vielsei- Marmors jeden weiteren Zierrat überflüssig. tigkeit der Mogul-Architekten. Das Gebäude Die Festung von Agra beherbergt noch eine 6 weitere Kostbarkeit: die Nagina Masjid, die ten den Auftrag zum Bau seines Grabdenk- kleine Juwelenmoschee, die Shāh Jahāhn für mals gegeben und war damit den Gepflogen- sich persönlich erbaute. heiten seiner Tataren-Vorfahren gefolgt. Aber Ein einzigartiges Denkmal steht neben dem der Tod überraschte ihn im Jahr 1605, als erst Tor von Amar Singh: ein steinernes, vollkom- das untere Stockwerk des Komplexes beendet men aufgezäumtes Pferd. Es ist zum Geden- war. Sein John Jahāngīr vollendete das Mauso- ken an das Streitroß des Rājput Amar Singh leum nach den Wünschen des Vaters und ließ Rathaur errichtet, das seinem Herrn die dabei die Teile wieder einreißen, die seiner Flucht aus der Festung durch einen Sprung Meinung nach die Architekten gegen den über den Festungsgraben ermöglichte; ein fast ursprünglichen Plan errichtet hatten. Daß unglaubliches Unterfangen, welches das brave Jahāngīr den Bauplan des Vaters abändern Tier wahrscheinlich mit dem Leben bezahlte, wollte, wie vielfach behauptet wird, scheint jedoch nicht ehe es seinen Herrn sicher bis wenig wahrscheinlich, auch wenn die Teile mit nach Sikandra getragen hatte, wo ein zweites dem stärksten islamischen Einschlag, wie die Standbild von seinem Tod berichtet. Torbauten und einige Verzierungen, sicher auf seine Veranlassung hin entstanden sind. Im übrigen wurden sogar die reichlich unge- Die Mausoleen wöhnlichen Inschriften respektiert, die der Wie das Christentum gebietet auch der Kaiser gewünscht hatte, nachdem er sich zur Islam seinen Gläubigen die Toten zu begra- »göttlichen Religion«, Dīn-i-Ilāhī, bekehrt ben, damit sie sich am Tage der Auferstehung hatte, einer indo-islamischen, monotheisti- erheben können, um von Allah gerichtet zu schen Religion seiner Erfindung, zu der sich werden. Die Toten müssen mit dem Gesicht außer ihm nicht mehr als fünfundzwanzig nach Mekka ins Grab gelegt werden und nur Höflinge bekannten und die mit ihm starb. Erde und ungebrannte Ziegel dürfen zum Der Haupteingang, von deutlich islamischem Bedecken verwendet werden. Man könnte Aufbau, trägt auch Bänder mit magischen also annehmen, daß die herrlichen islamischen Inschriften und Sprüchen hinduistischer Her- Mausoleen in Indien alle in Verletzung dieses kunft. Gebotes erbaut wurden. Tatsächlich beachtete Das Mausoleum, von monumentaler man das Gebot zumindest teilweise, indem die Größe, steht inmitten eines weitläufigen, qua- Mausoleen ausschließlich zum Gedenken an dratischen Gartens, der an allen vier Seiten den Verstorbenen und als Huldigung an den von hohen Mauern mit je einem mächtigen Besucher errichtet wurden und man den Tor umgeben ist. Jedoch nur das südliche Tor Leichnam selbst meist in einem abgelegenen, dient als Zugang. Die anderen Tore, ein- geheim gehaltenen Raum des Mausoleums schließlich des später verstümmelten Nordto- bestattete. res, hatten nur eine ornamentale Funktion. Das einzigartige Mausoleum Akbars, Aus- Der Eingangspavillon, ein zweigeschossiger, druck seiner Toleranz im Bereich der Religion viereckiger Bau aus Sandstein, reich mit Mar- und der Kunst, befindet sich in Sikandra, fünf morarabesken verziert, weist zwei identische Kilometer von Agra entfernt, wo es noch Fassaden auf mit je einem riesigen Īwān, durch andere Grabdenkmäler gibt, deren Architek- den der verhältnismäßig enge Durchgang tur weniger ungewöhnlich, aber auch weniger unter einer Bogenöffnung gleicher Größe rätselhaft ist. Der Kaiser hatte noch zu Lebzei- führt. Herausragendes Merkmal dieses Bau- 7 werks sind vier schmale Minarette in weißem unvermittelt, in seinem geradlinigen Aufbau Marmor, die sich an den Ecken anstelle der tra- nur wenig durch die an den Ecken angebrach- ditionellen Chatri erheben. Es handelt sich ten Säulenkioske aufgelockert und von den hier um ein neues Element, das bald häufig wunderschönen, aus durchbrochenem Mar- eingesetzt wird und seine höchste Vollendung mor gearbeiteten Fenstern erhellt. in den vier herrlichen Minaretten des Tāj Ganz anders ist das Grabmal des Schatz- Mahal erfahren wird. Das eigentliche Mauso- meisters des Reichs (Itmād-ud-Daula), das im leum steht auf dem Kreuzungspunkt der vier Jahr 1626 von der Kaiserin Nūr Jahān zum stark erhöhten, fast dreißig Meter breiten Ter- Gedenken an ihren Vater Mirzā Ghiyās Beg rassen, die den Garten in vier Felder gleicher errichtet wurde, eines Flüchtlings aus Persien, Größe teilen. Jede Terrasse wird der Länge der am Hofe Akbars zu großen Ehren auf- nach von einem schmalen, flachen Wasserlauf stieg. Das Mausoleum steht in Agra, am linken durchquert, der sich in ein rechteckiges Was- Ufer des Yamunā, dessen Wasser den Garten serbecken von einfacher Linienführung umspülen. Der Grundriß des Bauwerks – ergießt. Das Grabmal ist in seiner Struktur quadratisch wie die meisten Grabdenkmäler einzigartig. Es hat die Form einer stumpfen der Zeit – folgt im wesentlichen den traditio- Pyramide mit äußerst breiter Basis und nellen Vorbildern, entfernt sich aber in seiner besteht aus fünf, zum Gipfel immer schmaler architektonisch informellen Struktur und in werdenden Geschossen; der Aufbau erinnert den eher bescheidenen Ausmaßen von den stark an die assyrischen Zikkurat. vorgegebenen Mustern. Der ebenfalls quadra- Das Bauwerk, in der abwechselnden Ver- tische Garten ist von einer Umfriedungsmauer wendung von Sandstein und Marmor nicht mit einem Tor im Zentrum einer jeden Seite immer ganz geglückt, gipfelt in einen unbe- umgeben. Von den Toren ist nur das östliche deckten Kenotaphen mit dem Sarkophag zum Durchgang geeignet, die anderen sind fal- Akbars. Der Sarkophag enthält jedoch nicht sche Zugänge oder vielmehr Wasserpavillons, die sterbliche Hülle des Kaisers, wie auch aus Gründen der Symmetrie errichtet. Das weder die Krypta noch der Sarkophag im drit- westliche Tor, das sich in den stillen Wassern ten Stockwerk den Leichnam bergen. Dieser des Flusses spiegelt, enthält Bade- und Wohn- soll sich in der kleinen »geheimen« Grabkam- räume und ist so reich verziert und gut belüf- mer auf der vierten Ebene befinden, zu der tet, daß man annehmen kann, es wurde als man nur durch ein Fenster gelangt, das mit Lustpavillon oder als Wohnraum für die einer Sprossenleiter erklommen werden muß. Frauen benutzt. Der Raum, nicht viel mehr als 1,60 Meter hoch, besteht aus einem Netz schmaler Stol- Interessant ist außerdem die Verzierung des len, die sich rechtwinkelig kreuzen und in Bauwerks, die mehrmals und besonders an deren Mitte sich ein einfacher Grabhügel aus den Seitenwänden die Lieblingsmotive Jahā Ziegeln erhebt. Nach einer sehr glaubhaften ngīrs verwendet: Weinkaraffe und Blumen- These sollte sich über dem marmornen Keno- vase. Durch die Vorhalle gelangt man in den taphen auf dem höchsten Punkt des Mauso- Garten, dessen Bewässerungssystem von den leums eine Kuppel wölben, die dem Komplex Wassern des Yamunā gespeist wird. Die Stege sicherlich mehr Eleganz und Leichtigkeit ver- aus Sandsteinblöcken sind leicht erhöht und liehen hätte. Falls sie je geplant war, wurde sie durch Wasserläufe voneinander getrennt, die doch nie errichtet, und das Bauwerk endet zum üblichen rechteckigen Wasserbecken füh- 8

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