Sven Engesser Kisha-Club-System und Informationsfreiheit KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAFT Sven Engesser Kisha-Club-System und Informationsfreiheit Vergleich der Arbeitsbedingungen von Auslandskorrespondenten in Japan und Deutschland Deutscher Universitäts-Verlag Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1. Auflage Mai 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWVFachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Viktoria Steiner Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbe- sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. indiesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-6060-9 Vorwort V Vorwort Bisher warf die international vergleichende Kommunikationswissenschaft kaum einen Blick auf Japan, während sich die sozialwissenschaftliche Japanforschung kaum mit dem Mediensystem beschäftigte. Die vorliegende Arbeit ist am Schnittpunkt dieser beiden Disziplinen angesiedelt und versteht sich als Plädoyer für eine stärkere Beach- tung des sich dort eröffnenden Forschungsfelds. Das Buch ist eine überarbeitete Fassung meiner Magisterarbeit, die ich im April 2006 am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Univer- sität Berlin einreichte. Mein Dank gilt meinem Gutachter Prof. Dr. Lutz Erbring sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Arbeitsbereichs Empirische Kommunika- tions- und Medienforschung, die mir seit Beginn meines Studiums die Begeisterung für das Fach und das wissenschaftliche Arbeiten vermittelten. Für die Kritik, Anre- gungen und Unterstützung während meines Magisterprojekts bedanke ich mich sehr. Das Kernstück der vorliegenden Arbeit basiert auf einem zweimonatigen For- schungsaufenthalt in Tokio im Sommer 2005, der mir durch ein Stipendium des Deut- schen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) ermöglicht wurde. Den Erfolg des Projekts verdanke ich auch der großen Gastfreundschaft des Fo- reign Correspondents’ Club of Japan (FCCJ), des Vereins der Ausländischen Presse in Deutschland (VAP) und des Deutschen Instituts für Japanstudien (DIJ) sowie der tat- kräftigen Unterstützung durch Regine Standke, Naomichi Iwamura und Pio d’Emilia. Ohne die Zusammenarbeit der Interviewpartnerinnen und Interviewpartner in To- kio und Berlin, die mir ihre kostbare Zeit opferten und zu allen Fragen bereitwillig Auskunft gaben, wäre das Forschungsvorhaben ebenfalls nicht realisierbar gewesen. Bei ihnen allen bedanke ich mich herzlich. Außerdem bedanke ich mich bei der Jury des Medienpreises 2006 der Hamburg Media School (HMS) und besonders bei Dr. Steffen Kolb für die Anerkennung, die sie der vorliegenden Arbeit haben zuteil werden lassen. Mein ganz besonderer Dank gilt schließlich meiner Familie und Swantje Zorn, die mich auf meinem Weg stets bestärkt und unterstützt haben. Sven Engesser Inhaltsverzeichnis VII Inhaltsverzeichnis Einleitung: Informationsfreiheit in den führenden Industriestaaten 1 Teil I Theoretische Grundlagen 1 International vergleichende Kommunikationsforschung 13 1.1 Systemvergleiche auf Makroebene 15 1.2 Journalistenforschung auf Mikroebene 16 1.3 Mehrebenenansätze in der Journalismusforschung 19 1.4 Modell der Einflussfaktoren 21 2 Korrespondentenforschung 24 2.1 Auslandskorrespondenten 24 2.2 Hauptstadtkorrespondenten 26 3 Sozialwissenschaftliche Japanforschung 28 3.1 Die japanische Gesellschaft 28 3.2 Die japanische Medienstruktur 31 Teil II Strukturvergleich Japan-Deutschland 4 Institutionelle Rahmenbedingungen für Auslandskorrespondenten in Tokio und Berlin 41 4.1 Das Kisha-Club-System 42 4.2 Die Bundespressekonferenz 49 4.3 Journalistische Hintergrundkreise 53 Teil III Journalistenbefragung 5 Methodik der Journalistenbefragung 63 5.1 Hypothesen 64 5.2 Instrument 67 5.3 Stichprobe 69 5.4 Datenauswertung 72 VIII Inhaltsverzeichnis 6 Bericht der Ergebnisse 74 6.1 Zugang zu Informationsquellen 74 6.2 Informationsbereitschaft der Quellen 81 6.3 Arbeitsprobleme 84 6.4 Vergleich zu einheimischen Journalisten 88 6.5 Arbeitseinschränkungen 94 6.6 Elitestatus, Soziale Faktoren und Zugang 96 Teil IV Diskussion der Ergebnisse 7 Der Einfluss des Kisha-Club-Systems auf die Informationsfreiheit 103 8 Die Rolle organisatorischer und individueller Faktoren 108 9 Die zeitliche Entwicklung der journalistischen Institutionen 112 10 Distanz oder Zugang – Dilemma der Auslandskorrespondenten 116 Fazit 119 Literaturverzeichnis 125 Anhang A Zeitlicher Ablauf der Kisha-Club-Debatte 137 B Fragebogen der Journalistenbefragung 141 C Repräsentativität der Stichprobe 146 D Experteninterview mit Reuters Japan 147 E Ausschnitte aus der Journalistenbefragung 152 F Liste der Experteninterviews 171 Abbildungsverzeichnis IX Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Einflussfaktoren auf die Arbeitsbedingungen von Auslandskorrespon- denten I 22 Abbildung 2: Etablierte Tageszeitungen und Mediennetzwerke 34 Abbildung 3: Journalistische Institutionen in Tokio und Berlin 58 Abbildung 4: Einflussfaktoren auf die Arbeitsbedingungen von Auslandskorrespon- denten II 60 Abbildung 5: Quotierung nach Herkunftsregion und Nationalität 70 Abbildung 6: Quotierung nach Geschlecht 70 Abbildung 7: Quotierung nach Mediengattung 71 Abbildung 8: Zugang zu Informationsquellen 74 Abbildung 9: Wichtigkeit der Informationsquellen 77 Abbildung 10: Veranstalter von Pressekonferenzen 78 Abbildung 11: Mitgliedschaft in journalistischen Institutionen 79 Abbildung 12: Zufriedenheit mit der Informationsbereitschaft der Quellen 82 Abbildung 13: Gesamteinschätzung der Arbeitsbedingungen 84 Abbildung 14: Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen 85 Abbildung 15: Arbeitsprobleme 86 Abbildung 16: Arbeitsbedingungen im Vergleich zu einheimischen Journalisten 88 Abbildung 17: Gründe für Zufriedenheit i. V. zu einheimischen Journalisten 89 Abbildung 18: Gründe für Unzufriedenheit i. V. zu einheimischen Journalisten 91 Abbildung 19: Diskriminierung von Auslandskorrespondenten 92 Abbildung 20: Bonus für Auslandskorrespondenten 93 Abbildung 21: Einschränkungen der Arbeitsbedingungen 94 Abbildung 22: Einfluss der Auflagenzahl von Printmedien auf den Zugang 97 Abbildung 23: Einflüsse des Sozialindex auf den Zugang 98 Abbildung 24: Gesellschaftliche und medienstrukturelle Einflüsse auf die Informa- tionsfreiheit 104 Abbildung 25: Organisatorische und individuelle Einflüsse auf die Informationsfreiheit 109 Abbildung 26: Distanz und Zugang von Journalisten in Japan und Deutschland 117 Abbildung 27: Nationalität in Grundgesamtheiten und Stichproben 146 Abbildung 28: Geschlecht in Grundgesamtheiten und Stichproben 146 Abbildung 29: Mediengattung in Grundgesamtheiten und Stichproben 146 Einleitung: Informationsfreiheit in den führenden Industriestaaten 1 Einleitung: Informationsfreiheit in den führenden Industriestaaten “The most effective censorship of all is not the deleting of words, sentences and paragraphs but the denial of access.” (Hedrick Smith, Büroleiter der New York Times in Moskau 19921) Das Recht auf Pressefreiheit ist ein Menschenrecht. Es ist nicht nur in den Verfassun- gen einzelner Staaten festgelegt, z. B. in Artikel 5 des Grundgesetzes für die Bundes- republik Deutschland, sondern auch in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN), denen mit derzeit 192 fast alle Länder der Erde angehören. Dort wird neben dem Recht der Meinungsfreiheit auch die zweite Säule der Presse- freiheit, das Recht auf Informationsfreiheit, definiert. Während das Grundgesetz unter Informationsfreiheit immerhin das Recht versteht, „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“2, verzichten die UN sogar auf diese Einschrän- kung. Auch betonen sie durch die Formulierung „ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen“3 die transnationale Komponente der Informationsfreiheit. In anderen Ländern fällt die Garantie der Informationsfreiheit etwas schwächer aus. Beispielsweise ist sie in Japan nicht ausdrücklich als Teil der Pressefreiheit in Artikel 21 der Verfassung, sondern durch die ergänzende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geregelt.4 Mit der Unterzeichnung der Menschenrechtserklärung 1948 verpflichteten sich die Vereinten Nationen laut Präambel, die „allgemeine Achtung und Verwirklichung“5 der Pressefreiheit durchzusetzen. Die UN-Sonderorganisation für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (UNESCO) richtete 1990 eigens einen Kommunikations- und Informationssektor ein, um den „free flow of ideas“ und „universal access to in- formation“ zu fördern.6 Dennoch finden sich auch fast 60 Jahre nach Unterzeichnung der Menschenrecht- serklärung weltweit noch erhebliche Defizite bei der Umsetzung der Pressefreiheit, wie vor allem Menschenrechtsorganisationen, z. B. Reporter ohne Grenzen (ROG) und Freedom House, bemängeln. Nach ihren Angaben stammen die „schärfsten Widersa- cher der Pressefreiheit“ zwar aus totalitären Entwicklungsländern wie Nordkorea, Erit- 1 Zitiert nach: Freeman 2000, S. 101 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 1949, S. 14 (Hervorhebung hinzugefügt) 3 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948, S. 56 4 Vgl. Foreign Press Center 2004, S. 98 5 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948, S. 53 6 Vgl. UNESCO 2007