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Kirchliche und weltliche Herrschaftsstrukturen im Osnabrücker Nordland PDF

288 Pages·2015·7.08 MB·German
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Kirchliche und weltliche Herrschaftsstrukturen im Osnabrücker Nordland (9.–13. Jh.) Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades (Dr. phil.) des Fachbereichs Kultur- und Geowissenschaften der Universität Osnabrück vorgelegt von Thomas Raimann aus Flensburg Osnabrück 2013 i Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Raum- und Herrschaftsstrukturen des frühen Mittelalters (9. bis 11. Jh.) 8 2.1 Frühmittelalterliche Raumeinheiten als Forschungsproblem am Beispiel der ‚Gaue‘ 8 2.1.1 Begriffliche Grundlagen und grundlegende Probleme 8 2.1.2 Gauforschung um 1900: Friedrich Philippi 13 2.1.3 Kritik und Neuerungen: Siegfried Rietschel 17 2.1.4 Regionalgeschichtliches Interesse: Hermann Rothert 20 2.1.5 Ganzheitliche Gaumodelle: Joseph Prinz 22 2.1.5.1 Grundlagen und Entwicklung der ‚Gaue‘ 22 2.1.5.2 Methoden zur Gaurekonstruktion 25 2.1.5.3 Probleme und Nutzen der Prinz’schen Gauforschung 28 2.1.6 Von der Gau- zur Siedlungsforschung: Günther Wrede 31 2.1.7 Von Siedlungsräumen zu Organisationsräumen: Wilhelm Niemeyer 34 2.1.8 Der aktuelle Stand 40 2.2 Frühmittelalterliche Raumnamen im Osnabrücker Land 42 2.2.1 Quellen für Raumnamen im 9. Jahrhundert 43 2.2.2 Die älteren Werdener Urbare 45 2.2.3 Quellen des 10. Jahrhunderts 48 2.2.4 Deutung der Raumnamen 51 2.3 Geographie, Siedlung und Archäologie 54 2.4 Weltliche Herrschaftsstrukturen des Frühmittelalters 58 2.4.1 Karolingische Zeit 60 2.4.2 Ottonische Zeit 64 2.4.3 Ottonische Besitzverhältnisse im späteren Nordland 69 2.5 Zwischenstand 74 3 Kirchliche Strukturen des frühen und hohen Mittelalters (9. bis 13. Jh.) 77 3.1 Frühe Quellen zur Kirchenstruktur 78 3.2 Quellen zur Kirchenorganisation im späteren Nordland 83 3.3 Archidiakonate und Pfarrstruktur im 13. Jahrhundert 89 3.4 Rückschlüsse auf die frühe Kirchenstruktur 93 ii 4 Herrschaftsstrukturen des hohen Mittelalters – Salierzeit (11./12. Jh.) 98 4.1 Die Grafen von Werl 99 4.2 Lokale Grafen und Kirchenvögte 104 4.3 Adelsfamilien und Besitzverhältnisse 111 4.3.1 Im späteren Nordland 111 4.3.2 Im Randbereich des späteren Nordlandes 116 4.3.3 Nördlich der Hase 119 4.4 Die Corveyer Grundherrschaft 124 4.5 Die Grafen von Zutphen 130 4.6 Die Grafen von Calvelage 137 4.7 Die Egilmare, Vorfahren der Grafen von Oldenburg 141 4.8 Zwischenstand 145 5 Herrschaftsstrukturen des hohen Mittelalters – Stauferzeit (12./13. Jh.) 148 5.1 Die Grafen von Tecklenburg 148 5.1.1 Herkunft und regionale Beziehungen 148 5.1.2 Besitz im späteren Nordland 153 5.2 Die Grafen von Ravensberg 155 5.2.1 Herkunft und regionale Beziehungen 155 5.2.2 Besitz im späteren Nordland 159 5.3 Die Grafen von Oldenburg 164 5.3.1 Entwicklung und regionale Beziehungen 164 5.3.2 Besitz im späteren Nordland 166 5.4 Grundherrschaft der Osnabrücker Kirche im späteren Nordland 171 5.4.1 Besitz des Domkapitels: Lentfried-Register 172 5.4.2 Besitz des Bischofs: Tafelgüterverzeichnis 175 5.4.2.1 Hofesverband Rüssel 177 5.4.2.2 Hofesverband Ankum 179 5.4.2.3 Freigüter 182 5.4.2.4 Weitere Höfe 184 5.5 Grundbesitz von Klöstern 186 5.6 Weltliche Grundbesitzer und Familien 190 iii 5.6.1 Erstbelege in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts 192 5.6.2 Erstbelege im ausgehenden 12. Jahrhundert 196 5.6.3 Erstbelege am Übergang zum 13. Jahrhundert 200 5.6.4 Erstbelege bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts 204 5.6.5 Erstbelege im mittleren 13. Jahrhundert 208 5.6.6 Erstbelege im ausgehenden 13. Jahrhundert 211 5.7 Vogteien über Kirchen und Klöster 213 5.8 Freigerichte 218 5.8.1 Im Umkreis von Osnabrück 219 5.8.2 Im westlichen und mittleren Bereich des späteren Nordlandes 222 5.8.3 Im östlichen und nördlichen Bereich des späteren Nordlandes 225 5.9 Gogerichte 229 5.9.1 Im mittleren und östlichen Bereich des späteren Nordlandes 232 5.9.2 Im nordöstlichen Umland 235 5.9.3 Im nördlichen und westlichen Umland 238 5.9.4 Im nördlichen und westlichen Bereich des späteren Nordlandes 240 5.10 Zwischenstand 242 6 Zusammenfassende Auswertung und abschließende Bemerkungen 245 6.1 Strukturen des 12. und 13. Jahrhunderts 245 6.1.1 Die großen Grafenfamilien 245 6.1.2 Das Bistum Osnabrück 247 6.1.3 Ministerialen und Kleinadel 249 6.2 Strukturen des 9. bis 11. Jahrhunderts 251 6.3 Abschließende Bemerkungen 253 Literaturverzeichnis 256 Verzeichnis der Quellen 256 Verzeichnis der Literatur 258 Kartenanhang 275 Karte 1: Übersichtskarte 275 Karte 2: Orte und pagus-Angaben in den Werdener Urbaren 276 Karte 3: Orte mit Besitz des Herigis (977) und des Werinbrecht (1037×1052) 278 iv Karte 4: Corveyer Besitzungen im Ems-Hunte-Raum im 11. Jahrhundert 279 Karte 5: Kirchspiele im 13. Jahrhundert 280 Karte 6: Orte mit Besitz der Osnabrücker Kirche, ca. 13. Jahrhundert 281 Karte 7: Herkunftsorte von Ministerialen und Kleinadel, 12.und 13. Jahrhundert 282 Karte 8: Orte mit Besitz und Lehen wichtiger Grafenfamilien, ca. 13. Jahrhundert 283 1 1 Einleitung Die ersten Erwähnungen eines Nordlandes im Zusammenhang mit Osnabrück sind aus dem 12. Jahrhundert überliefert: Suggerimus autem serenitati vestrae, quod Osnebruggenses episcopi quasdam decimationes non parvae utilitatis in Nortlandia Corbejensi aecclesiae jam per longa tempora abstulerunt.1 So beklagte sich Wibald, der Abt des Klosters Corvey, im Jahre 1156 gegenüber Kaiser Friedrich Barbarossa über das Ergebnis des rund ein Dreivierteljahrhundert zuvor gelösten Osnabrücker Zehntstreits. Die Bischöfe von Osnabrück würden seinem Kloster vorenthalten, was ihm an Zehnteinnahmen aus dem Nordland zustünde.2 Das Nordland, um das es dem Corveyer Abt ging, hatte aber ganz andere Dimensionen als das Osnabrücker Nordland, das im Mittel- punkt dieser Arbeit stehen soll. Im Corveyer Sprachgebrauch war damit der gesamte nördliche Raum zwischen Ems und Hunte gemeint, die heutigen Kreise Emsland, Cloppenburg und Vech- ta, mindestens teilweise auch der (südliche) Landkreis Osnabrück. In gewisser Weise war es ein Synonym für die Diözese Osnabrück, so weit Corvey in ihr über Güter oder Kirchen verfügte.3 Ob dieser Raumname im 12. Jahrhundert allgemeiner in Verwendung war oder nur einer Corveyer Perspektive entsprach, ist unbekannt. Für das heutige Osnabrücker Nordland oder Tei- le davon sind aus jener Zeit noch keine eigenen Namen überliefert. Aber bereits im 13. Jahrhun- dert wurde außerhalb des Corveyer Kontextes ein Gebiet als Nordland bezeichnet, dessen Größe zwar unbestimmt bleiben muss, das aber zumindest anteilig auch das Osnabrücker Nordland be- rührte.4 Seit dem 14. Jahrhundert verstand man in Osnabrücker Quellen unter dem Nordland dann mehr oder weniger die heutige Region.5 Der Umfang war entsprechend durch das Territorium bestimmt, in dem die Bischöfe von Osnabrück ihre Landeshoheit durchsetzen konnten. Die definitiven Schritte dazu bestanden zu- nächst im Bau einiger kurzlebiger Burgen seit 1300, sodann in der Errichtung der Landesburgen Fürstenau (1344) und Vörden (1365), an denen in der Folgezeit Ämter eingerichtet wurden, und zusätzlich in der Inpfandnahme des Gogerichts Menslage (1338/1341) mit nachfolgendem An- kauf (1371). Umstritten blieb hingegen die Zugehörigkeit des Dammer Raumes. Auf diesen er- hoben auch die Bischöfe von Münster Ansprüche, die seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhun- 1 OUB I, Nr. 296 (1156, Ende). 2 Zum Zehntstreit siehe z. B. JÄSCHKE 1963/1964; 1965/1966. 3 Vgl. die Aufzählung Corveyer Höfe unter der Rubrik In Nortlandia in OUB I, Nr. 275 (1149). 4 Siehe Kap. 5.8 zur ravensbergischen Freigrafschaft im Nordland. 5 WREDE 1975–1980, Nr. 1038,a; PRINZ 1934, S. 31, Anm. 2., S. 131, Anm. 1. 2 derts östlich und nördlich des Osnabrücker Nordlandes sehr erfolgreich eine eigene Landesherr- schaft aufzubauen begannen.6 Das Osnabrücker Nordland ist also ein Ergebnis spätmittelalterlicher und neuzeitlicher Ter- ritorialpolitik, durch deren Verwaltungsgrenzen es terminiert wurde. Bis 1972 entsprach es dem Kreis Bersenbrück. Heute bildet es den nördlichen Teil des Landkreises Osnabrück, von Bram- sche im Süden bis Quakenbrück im Norden und Fürstenau im Westen. Zentral in der Mitte liegt das Dorf Ankum mit dem großen Artländer Dom, der in dieser Form freilich erst seit rund 100 Jahren existiert. Der gegenüber den Ämtern des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neu- zeit etwas reduzierte Umfang des Osnabrücker Nordlands rührt von neuzeitlichen Gebietsteilun- gen und rezenten Kreisreformen her. Am auffälligsten ist das Fehlen von Vörden und Damme. Gerade im Verbund des Landkreises Osnabrück lässt sich aber noch gut erkennen, welch integra- ler Bestandteil des ehemaligen Hochstifts und Fürstentums Osnabrück das Nordland einst gewe- sen war.7 Von daher ist es nicht verwunderlich, dass das Osnabrücker Nordland seinen festen Anteil in historischen Abhandlungen zum Bistum und Hochstift Osnabrück hat, beginnend mit den Wer- ken der „Väter“ der Osnabrück’schen Historiographie, Justus Möser und Johann Carl Bertram Stüve. Auch die heimatgeschichtlich und patriotisch orientierten Mitglieder des Vereins für Ge- schichte und Alterthumskunde des Hasegaues widmeten sich dem Nordland, besonders der zen- tral gelegenen Kirche in Ankum.8 Andere Vorarbeiten wurden in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück veröffentlicht.9 In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das Nordland auch monographisch behan- delt, meist allerdings als Teil einer größeren Einheit oder in bestimmten Ausschnitten. Noch im- mer ein maßgebliches Werk ist die Untersuchung von Joseph Prinz über das Territorium des Bis- tums Osnabrück, der dabei auch die verschiedenen kirchlichen und weltlichen Herrschaftsstruk- turen behandelt. Stärker siedlungs- und agrargeschichtlich ausgerichtet sind die Arbeiten von Hermann Rothert, der den gesamten Altkreis Bersenbrück behandelt, und Wilhelm Krüssel- mann, der sich auf das Kirchspiel Ankum konzentriert.10 6 Kurzer, grundlegender Überblick bei PRINZ 1934, S. 128–36, 153–60; zu den Burgen ebd., 112 f., 117–24; vgl. auch WREDE 1975–1980, Nr. 453, 454, 958, 1459, 1460. Zu Damme siehe STEINWASCHER 1993; KESSEL 1993; zum Niederstift Münster, dessen östlicher Teil noch immer Oldenburger Münsterland heißt, siehe BOCKHORST 1985. 7 PENNERS 1965, bes. S. 284 f. 8 Siehe z. B. HARDEBECK 1901. 9 HARTMANN 1870; MEYER 1853, bes. S. 255–71; 1860. 10 PRINZ 1934; ROTHERT 1924; 1975; KRÜSSELMANN 1937; zu nennen ist auch noch FROMMEYER 1950. 3 In den ersten Nachkriegsjahrzehnten setzte sich diese Forschungsrichtung fort. Besonders Günther Wrede schrieb zahlreiche Aufsätze zu Fragen der Siedlungsgeschichte, der Flurformen und weiterer Aspekte. Seine Arbeit mündete in einem monumentalen Ortsverzeichnis des ehe- maligen Fürstentums Osnabrück, in dem nahezu sämtliche Quellen und die Literatur mit dem Stand der 1970er Jahre zu Fragen der Orts-, Siedlungs, Herrschafts- und Kirchengeschichte so- wie weiterer Bereiche versammelt sind. Die Arbeit von Rolf Berner schließt gewissermaßen an die von Krüsselmann an, da er das Artland, das nördliche und nordöstliche Hasetal im Bereich des Osnabrücker Nordlandes, unter ähnlichen Fragestellungen behandelt. Werner Hillebrand wiederum untersucht den Adel und seine Entwicklung vom frühen bis in das hohe Mittelalter im Bereich der Osnabrücker Diözese. Das Nordland nimmt hier entsprechend einen breiten Raum ein.11 Das Interesse der Heimatforschung blieb über die Jahre erhalten, nicht selten angestachelt durch Ortsjubiläen, und aus dieser Richtung stammen auch zumeist die neueren Beiträge. Bei al- len Verdiensten, besonders im Bereich der neuzeitlichen und jüngeren Geschichte, zeigen diese Arbeiten aber Defizite im Bereich der mittelalterlichen Geschichte, besonders der frühen. Das trifft auch für ein fundiertes Werk wie das von Jürgen Espenhorst über die Flur- und Ortsge- schichte von Rüsfort zu.12 Als ein Problem wird dabei ersichtlich, dass die ältere Fachliteratur zwar solide gearbeitet, aber doch in die Jahre gekommen ist. Ihre Ergebnisse sind dadurch nicht notwendigerweise überholt, müssen aber auf den Prüfstand der neueren und aktuellen Forschung gestellt werden. Einen Beitrag dazu soll diese Arbeit leisten. Ziel ist es zum einen, eine Synthese aus den bisherigen Arbeiten zu versuchen, besonders aber die verschiedenen Aspekte von kirchlicher und weltlicher Herrschaft für das Nordland zu- sammenzutragen. Zum anderen gehört es zum Programm, die Quellen erneut auf ihre Aussage- fähigkeit abzuklopfen. Die Quellenbasis für den Untersuchungszeitraum im frühen und hohen Mittelalter hat sich nicht erweitert und wurde auch von der bisherigen Forschung in verschiede- nem Umfang genutzt. Die Auswertung frühneuzeitlicher Quellen ist im relevanten Rahmen be- sonders durch Günther Wrede erfolgt und dokumentiert.13 Eine eingehendere Beschäftigung mit diesem Material hätte eine ganz andere Untersuchung erfordert, um kontrolliert Rückschlüsse über mehrere Jahrhunderte ziehen zu können – oder dies überhaupt zu wagen. 11 WREDE 1950; 1952; 1954; 1975–1980; HILLEBRAND 1962; BERNER 1965. 12 ESPENHORST 1990; eine Behandlung von Ankum bietet SIEMER [1991]; [1997]; weitere Beispiele: GEMEINDE GEHRDE 1977; GRIMSEL 1977. Von fachhistorischer Seite ist noch die neuere Arbeit von LÖMKER-SCHLÖGELL 1998 zu nennen, die einen wertvollen Beitrag zur Kirchengeschichte liefert. 13 WREDE 1975–1980. 4 Gegenüber der früheren Forschung stehen aber verbesserte archäologische Erkenntnisse zur Verfügung, zumal die kompilatorischen Werke von Wolfgang Schlüter und Friedrich-Wilhelm Wulf einen sehr guten und fast aktuellen Überblick über den Stand der archäologischen Unter- suchungen bieten. Ergebnisse liegen aber nur sehr punktuell vor. Ein Gewinn waren daher die jüngsten Ausgrabungen am Kirchhof in Ankum, geleitet von Daniel Lau. Sie ergaben neue Puzz- leteile zur frühmittelalterlichen Geschichte dieses Ortes.14 Die archäologische Untersuchung bot auch einen willkommenen Anlass, das Osnabrücker Nordland insgesamt wieder von historischer Seite in den Blick zu nehmen. Fragestellung, Untersuchungszeitraum und -richtung ergeben sich dabei sowohl aus den vor- handenen Quellen als auch aus der bisherigen Literatur. Die meisten Defizite, Wissens- und Quellenlücken liegen im frühen, aber auch noch im hohen Mittelalter. Die Quellenlage ist bis zum 12. Jahrhundert äußerst dürftig und lässt nur wenige Schlaglichter und indirekte Deutungs- versuche zu. Eine Veränderung tritt erst im 13. Jahrhundert allmählich ein, in dem verschiedene Strukturen deutlicher erkennbar werden und die Quellen gerade einige der Umbrüche festhal- ten. Vor dem Hintergrund der älteren Quellen wird zu prüfen sein, ob hier eine Ausgangslage für umfangreichere Rückschlüsse vorhanden ist. Interpretationsrahmen und Rekonstruktionsversu- che für die frühere Zeit können gegenüber der älteren Literatur auf den aktuellen Forschungs- stand zurückgreifen, sofern neue Ergebnisse und Modelle auf die Situation und Quellenlage im Osnabrücker Nordland anwendbar sind. Generell zeigt sich die Forschung heute vorsichtiger im Umgang mit „sicheren“ Aussagen und offener für Zweifel. Entsprechend sollen in dieser Arbeit die Erkenntnisse möglichst nach ihrer Haltbarkeit unterschieden und nicht an Konjunktiv ge- spart werden. Die zeitliche Klammer umfasst das frühe und hohe Mittelalter und ist an das Vorhandensein schriftlicher Quellen gebunden. Sie setzt ungefähr bei der Eroberung und Eingliederung Sach- sens in das fränkische Reich um 800 ein und endet mit den Umbrüchen und Veränderungen in der Mitte des 13. Jahrhunderts. Am Ende des Untersuchungszeitraums lässt sich die Vorherr- schaft der Bischöfe von Osnabrück im Nordland schon relativ deutlich erkennen. Im Fokus ste- hen kirchliche und weltliche Herrschaftsstrukturen und somit das, was aus Quellen für eine Re- gion ohne außergewöhnliche Quellenlage zu erschließen ist. Dazu gehört die kirchliche Organi- sation mit Pfarr- und Eigenkirchen, Aufsichtsrechten und Sendgerichten, weiterhin die weltliche Organisation aus Gerichten, Grafschaften und Vogteien, ebenso Besitzverhältnisse, Reichsgut, 14 WULF/SCHLÜTER 2000; WULF 2011; LAU [in Vorb.]. 5 Grundherrschaften, Ministerialen, maßgebliche Familien und ihre verwandtschaftlichen Bezie- hungen. Stets stellt sich dabei die Frage, welche Herrschaftsstrukturen, welche Herrschaftsträger überhaupt erkennbar sind, welche Zusammenhänge, welche Entwicklungslinien erschlossen wer- den können. Eine Nebenfrage richtet sich auf die Einheit des Osnabrücker Nordlandes als Region. Schon der einleitende Überblick hat gezeigt, dass der Name letztlich erst im späten Mittelalter aufkam oder haften blieb und das Nordland auch erst in dieser Zeit als Territorium unter bischöflicher Landesherrschaft und Ämterorganisation gebildet wurde. Auch deutet die spätmittelalterlich- frühneuzeitliche Ämterstruktur eine prinzipielle Offenheit und Teilbarkeit des historischen Osnabrücker Nordlandes an. Versteht man den Namen von fürstbischöflichen Territorium her, so kann das Gebiet um Menslage beispielsweise erst seit dem Erwerb des dortigen Gogerichts als Bestandteil gelten. In der Forschung ist aber umstritten, ob man nicht bereits eine frühmittelal- terliche, gar vorfränkische Raumeinheit namens Farngau als kleinere räumliche Grundlage des Nordlandes ansehen könne. Zweifelsfreier wirkten sich die im Laufe des Mittelalters ausgebilde- ten kirchlichen und weltlichen Organisationseinheiten wie Kirchspiele und Gerichte auch auf die Gestaltung der späteren politischen Territorien aus. Die verschiedenen Herrschaftsstrukturen werden im weiteren Verlauf dieser Untersuchung zumeist in chronologischer Reihenfolge behandelt, wobei zur groben Gliederung die bekannten Epochen und Herrscherdynastien dienen. Jeder dieser Abschnitte weist durch Quellenlage, zeit- typischer Entwicklungen und Strukturen eigene Schwerpunkte auf, die freilich in vielen Fällen Variationen ähnlicher Themen sind. Stets steht die Erfassung und Auswertung der vorhandenen Quellen im Mittelpunkt. So sollen nach Möglichkeit Schlüsse aus dem jeweiligen Zeitzusam- menhang heraus gezogen werden, ohne sofort in problematische Rückschlüsse zu verfallen. Ei- nem solchen Vorgehen sind freilich mitunter enge Grenzen gesetzt, zumal oft genug der einzige Zugang zu bestimmten Themen und Zeiten in späteren Quellen liegt. Dennoch ist es sinnvoll, einmal die Geschichte der Herrschaftsstrukturen des Osnabrücker Nordlandes in überschaubaren zeitlichen Segmenten und Kontexten zu betrachten, ohne primär vom Ende einer Entwicklung her zu denken. Die weltlichen Herrschaftsstrukturen des Frühmittelalters (Kap. 2.4) gliedern sich in Kapitel zur karolingischen und ottonischen Zeit, in denen anhand der wenigen relevanten Urkunden vor allem Hinweise auf Comitate und Besitzstrukturen behandelt werden. Es wird auch die Frage nach Reichsgut sowie einem Herrscheraufenthalt im Nordland aufgegriffen, ohne angesichts der

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