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Kinder auf der Flucht: Minderjährige Flüchtlinge in Deutschland Im Auftrag des Deutschen Komitees für UNICEF PDF

147 Pages·2000·3.838 MB·German
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Preview Kinder auf der Flucht: Minderjährige Flüchtlinge in Deutschland Im Auftrag des Deutschen Komitees für UNICEF

Steffen Angenendt, Kinder auf der Flucht Steffen Angenendt Kinder auf der Flucht Minderjährige Flüchtlinge in Deutschland Im Auftrag des Deutschen Komitees für UNICEF Leske + Budrich, Opladen 2000 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufname Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich ISBN 978-3-8100-2723-8 ISBN 978-3-322-99916-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-99916-0 © 2000 by Leske +Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfliltigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Leske + Budrich Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ............................................................................... 11 Einleitung ............................................................................................. 14 Was sind" minderjährige Flüchtlinge"? ....................................... 19 Zahl und räumliche Verteilung der Flüchtlinge ........................... 24 Die Fluchtmotive ................................................................................. 28 Flucht vor Krieg und Bürgerkrieg .......................................................... 29 Flucht vor Verfolgung wegen politischer Betätigung ............... ... ........... 30 Flucht vor Verfolgung als Familienangehöriger . ......................... ........... 30 Flucht vor Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe............................................................................. 31 Flucht vor geschlechts spezifischer Verfolgung .................. ........... ......... 31 Die Herkunftsländer ........................................................................... 33 Wie sind minderjährige Flüchtlinge rechtlich geschützt? .......... 35 Die Genfer Flüchtlingskonvention .......................................................... 35 Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ............................ 35 Die Europäische Menschenrechtskonvention ......................................... 37 Das Haager Minderjährigenschutzabkommen ........................................ 38 Das Grundgesetz ..................................................................................... 39 Das Ausländergesetz ............................................................................... 39 Das Asylverfahrensgesetz ....................................................................... 40 Das Kinder- und Jugendhilfegesetz ........................................................ 41 Das Asylbewerberleistungsgesetz ........................................................... 43 Sonstige Gesetze .......... ...................... .................................... ................. 46 Die aufenthaltsrechtliche Situation der Flüchtlinge ................... 47 Aufenthaltserlaubnis ............................................................................... 50 Aufenthaltsberechtigung .......... .......... .......................... .......... ..... ......... ... 51 Aufenthaltsbewilligung ...................... .................... ..... .......... ...... ....... ..... 51 Aufenthaltsbefugnis ................................................................................ 52 Duldung .................................................................................................. 52 Aufenthaltsgestattung ............................................................................. 53 Der rechtliche Status der minderjährigen Flüchtlinge ............... 54 Asylberechtigte ....................................................................................... 54 Konventionsflüchtlinge ........................................................................... 55 Kontingentflüchtlinge ............................................................................. 55 Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge ...................................................... 55 De facto-Flüchtlinge ............................................................................... 56 Asylbewerber .......................................................................................... 57 Illegale Kinder und Jugendliche ............................................................. 57 Die Lebenslagen minderjähriger Flüchtlinge ............................... 59 Erstaufnahme .......................................................................................... 59 W ohn- und Ernährungssituation . .................. ....... ...... ............. ................ 64 Schule und Ausbildung .................. ............. .......... ..... ............... .............. 69 Gesundheitliche und psycho-soziale Situation ....................................... 74 Die deutsche Asyl- und Ausländerpolitik in den neunziger Jahren .................................................................... 77 Die Problembereiche: Wo werden Kinderrechte verletzt? ........ 81 Der "Vorbehalt" der Bundesregierung zur UN-Kinderrechtskonvention ............................................................ 85 Das zu komplizierte und immer restriktiver werdende Ausländer- und Asylrecht und die fehlende Berücksichtigung des Kindeswohls in den Verwaltungsvorschriften ....................................................... 88 Die Zurückweisung und Zurück schiebung von unbegleiteten Minderjährigen ohne Visum ............................................................. 89 Die Probleme der Anwendung des Asylverfahrens auf unbegleitete Minderjährige ................ ........................ ........ .............. .... ..... ....... ..... 93 Die Handlungsfähigkeit von 16-bis 18jährigen im Asylverfahren ........ 94 Die Unterbringung von Mindetjährigen in Gemeinschaftsunterkünften ... 95 Das Clearing-Verfahren für unbegleitete Minderjährige ........................ 96 6 Das fehlende Aufenthaltsrecht für minderjährige Flüchtlinge ................ 101 Die Abschiebung minderjähriger Flüchtlinge ......................................... 102 Die Absenkung von Standards in der Betreuung und Versorgung minderjähriger Flüchtlinge ............................................................... 103 Vorschläge für eine am Kindeswohl orientierte Politik .............. 106 1. Rücknahme der "Vorbehaltserklärung" und uneingeschränkte Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention .............................................................. 106 2. Vereinfachung des Ausländer-und Asylrechts und systematische Berücksichtigung des Kindeswohls in den Gesetzen ....................... 107 3. 16-und 17jährige Flüchtlinge nicht wie Erwachsene behandeln ......................................................................................... 107 4. Einrichtung von kindgerechten Clearing-Verfahren für unbegleitete Minderjährige ................................................ ...... ...................... ....... 108 4.1 Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für die Dauer des Clearing- Verfahrens ............................................................................ ............ 108 4.2 Einrichtung von Vormundschaften, die dem Kindeswohl entsprechen ........................... ..................... ....................................... 109 4.3 Durchführung eines kindgerechten Altersbestimmungsverfahrens ....................................... ................... 109 4.4 Gewährleistung des Zugangs zum Asylverfahren, wenn dies geboten ist ........................................................................................ 109 4.5 Identifikation von unbegleiteten Minderjährigen sowie sofortige und sorgfaltige Suche nach Angehörigen .............. ........................... 109 4.6 Rückführungen nur, wenn sie dem Kindeswohl entsprechen .......... 110 5. Schaffung eines kindgerechten Asylverfahrens ............................... 111 5.1 Keine Schnellverfahren für minderjährige Flüchtlinge .................... 111 5.2 Kind- und jugendgerechte Anhörungen ........................................... 111 5.3 Vertraulichkeit aller Anhörungsergebnisse ...................................... 111 5.4 Verbesserung der psycho-sozialen Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen ........................................................... 112 7 5.5 Grundsätzliche Vermeidung von Abschiebehaft bei Unbegleiteten, statt dessen Rückführungen bei sichergestellter Aufnahme im Herkunftsland ................................................................................... 112 6. Altfallregelung für Minderjährige mit einem mindestens zweijährigen Aufenthalt ............ .......................... ...... ............................... ......... ..... 112 7. Keine Verschlechterung der Versorgung von minderjährigen Flüchtlingen ................................................. ..................................... 113 Literatur ................................................................................................ 114 Anhang Flüchtlingskinder in Deutschland 1989/1999 - Reportagen Frankfurt: "Warum kommt Ihr alle nach Deutschland?" (Rorand Knaup, Der Spiegel) .......................................................... 119 Berlin: "Immer wieder diese vielen Fragen" (Bettina Markmeyer, Süddeutsche Zeitung) ..................................... 126 Hamburg: "Ich bin doch auch ein Mensch" (Karsten Plog, Frankfurter Rundschau) .......................................... 134 München: "Eine Witwe mit fünf Töchtern" (Annette Ramelsberger, Süddeutsche Zeitung) ................................ 138 Hamburg: "Mutterseelenallein auf der Flucht" (Doris Weber, Publik-Forum) .......................................................... 142 8 Danksagung Ich danke meinen vielen Gesprächspartnern aus den Verwaltungen des Bundes, der Länder und der Kommunen, den Wohlfahrtsverbänden, den Kirchen, den Menschenrechtsorganisationen und den internationalen Regie rungs- und Nichtregierungsorganisationen sowie den in der Betreuung der minderjährigen Flüchtlinge engagierten Fachleuten für ihre Zeit und Geduld bei der Beantwortung meiner Fragen. Mein Dank gilt darüber hinaus dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) für die fi nanzielle Beteiligung an dieser Studie und namentlich Anna Büllesbach für ihre kompetenten und kritischen Anregungen. Außerdem danke ich Helga Jockenhövel-Schiecke vom Internationalen Sozialdienst in Frankfurt für wertvolle Anregungen, Clemens Schlotter für juristischen Rat sowie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. für die infrastrukturelle Unterstützung. Mein ganz besonderer Dank gilt den Kindern und Jugendli chen, die bereit waren, mir Auskunft über ihr Leben in Deutschland zu ge ben. Berlin, im August 1999 Steffen Angenendt Zusammenfassung Zur Zeit leben schätzungsweise 220 000 minderjährige Flüchtlinge in Deutschland, unter ihnen etwa 5 000 bis 10 000 sogenannte "unbegleitete Minderjährige", also Kinder und Jugendliche, die ohne Erziehungsberech tigte gekommen sind. Seit vielen Jahren beklagen Fachleute die schlechte rechtliche und soziale Lage dieser Flüchtlinge. Die Mißstände sind zahlreich. Für die unbegleiteten Flüchtlingskinder bestehen sie beispielsweise darin, daß es auch für sie immer schwieriger geworden ist, überhaupt in Deutschland um Asyl nachsuchen beziehungs weise Asyl erlangen zu können, daß die Asylverfahren oftmals nicht kindge recht sind, und daß Flüchtlinge zwischen 16 und 18 Jahren im Asylverfah ren als voll handlungsfähig betrachtet werden. Ein weiterer Problembereich ist, daß ein bundeseinheitliches Clearingverfahren fehlt, in dem verbindlich und unter Berücksichtigung des Kindeswohls entschieden wird, ob im kon kreten Fall die Eröffnung eines Asylverfahrens, die Gewährung eines befri steten Aufenthalts aus humanitären Gründen oder eine kindgerechte Rück führung ins Heimatland die jeweils beste Lösung ist. Problematisch ist auch, daß die Flüchtlinge oft mit Erwachsenen in Sammelunterkünften unter gebracht werden und daß mitunter abgeschoben wird, ohne daß vorher ge nau geklärt worden wäre, wie die Kinder und Jugendlichen im Heimatland aufgenommen und betreut werden. Die rechtlichen Mißstände, die sowohl unbegleitete als auch begleitete Flüchtlingskinder betreffen, liegen zum Teil darin begründet, daß der Ge danke des Kindeswohls bislang im deutschen Ausländer- und Asylrecht kaum Beachtung gefunden hat. Die Bundesrepublik hat sich zwar 1992 durch die Unterzeichnung der Kinderrechtskonvention der Vereinten Natio nen verpflichtet, bei allen staatlichen Handlungen gegenüber Kindern - also auch gegenüber ausländischen Flüchtlingen - vorrangig das Kindeswohl zu beachten, hat aber bei der Ratifizierung der Konvention einen schriftlichen "Vorbehalt" erklärt: Danach ist die Bundesrepublik der Ansicht, daß die Konvention keine unmittelbare innerstaatliche Anwendung findet und daß 11 die Konvention nicht ihr Recht beschränkt, Gesetze und Verordnungen über die Einreise oder den Aufenthalt von Ausländern zu erlassen. Aufgrund die ses "Vorbehaltes" verstoßen die deutschen Gesetze und Verordnungen nicht im juristisch formalen Sinn gegen die Kinderschutzbestimmungen. Aller dings ist die innerstaatliche Wirksamkeit und die völkerrechtliche Zulässig keit dieser "Vorbehaltserklärung" umstritten, und damit auch die Frage, ob die für minderjährige Flüchtlinge geltenden rechtlichen Bestimmungen und die Verwaltungspraxis dem Ziel und Zweck der Kinderrechtskonvention entsprechen. Die Mißstände liegen unter anderem darin, daß eine bundesweite Ein heitlichkeit des Umgangs mit den minderjährigen Flüchtlingen nicht gege ben ist. Dies gilt beispielsweise für die Asylentscheidungen für minder jährige Flüchtlinge: Die Einzelentscheider des Bundesamtes für die Aner kennung ausländischer Flüchtlinge und die Richter treffen unabhängige Ent scheidungen, aus denen aber die Behörden der Bundesländer und der Kom munen unterschiedliche Schlüsse ziehen. Dabei wird das Kindeswohl nicht immer im gebotenen Maße berücksichtigt. Der Kern des Problems liegt aber nicht im Verhalten der untergeordneten Behörden, sondern im Fehlen einer politischen Zielsetzung, die für eine grundsätzliche Berücksichtigung des Kindeswohls sorgen würde. Problematisch ist in diesem Sinn auch die höchstrichterliche Interpretation des Rechts und die asylrechtliche Recht sprechung. Eine Folge der mangelhaften Berücksichtigung des Kindeswohls im deutschen Recht ist, daß sich die soziale Lage der minderjährigen Flüchtlin ge in Deutschland in den letzten Jahren verschlechtert hat. Die deutsche Ausländer- und Asylpolitik war in den letzten zehn Jahren vor allem darauf ausgerichtet, die Zahl der ins Land kommenden Flüchtlinge und damit die Kosten für die Aufnahme und Unterbringung dieser Menschen zu reduzie ren. Durch mehrfache Gesetzesänderungen wurden die Ansprüche von Flüchtlingen auf Versorgungsleistungen deutlich gekürzt - entsprechend dem ausdrücklichen Wunsch der Bundesregierung, weitere Flüchtlinge an der Einreise zu hindern. Von diesen Kürzungen waren auch minderjährige Flüchtlinge betroffen. Ein entscheidender Faktor für die schlechten Lebensbedingungen der minderjährigen Flüchtlinge ist, daß viele von ihnen noch nicht einmal ein befristetes Aufenthaltsrecht haben, sondern lediglich geduldet sind, was je doch widerrufen werden kann. Diese Flüchtlinge haben keinen rechtmäßi gen Aufenthalt, und haben daher, auch wenn sie im Familienverband in Deutschland sind, hier noch nicht einmal eine kurzfristige Lebensperspekti ve. Damit ist aber eine Motivation zum Schulbesuch (falls die Kinder über- 12

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