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Kein Tod wie der andere PDF

401 Pages·2011·2.15 MB·German
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Carsten Neß, Jahrgang 1964, studierte in Trier Angewandte Physische Geografie/Geowissenschaften. Heute arbeitet er in Bernkastel-Kues als Landespfleger. Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig. © 2013 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlagmotiv: photocase.de/john krempl Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, Leck ISBN 978-3-86358-229-6 Eifel Krimi Originalausgabe Unser Newsletter informiert Sie regelmäßig über Neues von emons: Kostenlos bestellen unter www.emons-verlag.de Für meine Eltern Alice und Dieter zum 75. Geburtstag Prolog Kunkelborn; Sonntag, 29. Mai Alexander Altmüller fragte sich, was er sich von diesem Wochenende auf dem Konversionsgelände der früheren amerikanischen Airbase eigentlich versprochen hatte. Hatte er wirklich gehofft, dass sich Thill mit irgendwem zeigen würde, den er nicht ohnehin auf dem Bildschirm hatte? Natürlich hatte sich der luxemburgische Investor und Flughafenplaner mit all denen umgeben, die schon seit Jahren dieser Luftnummer nachhingen, Wolkenschlösser über Bitburg bauten und den Menschen hier Milliardeninvestitionen und Arbeitsplätze vorgaukelten. Der Landtagsabgeordnete des örtlichen Wahlkreises, Markus Schilzenbach, die Stadtfürsten und Dorfhäuptlinge, alle priesen sie gebetsmühlenartig den Glücksfall dieses selbst ernannten Himmelsstürmers. Thill schien sich offensichtlich im Mittelpunkt der kommunalpolitischen Prominenz zu gefallen. Altmüller hatte dies heute nur am Rande verfolgt. Stattdessen hatte er unauffällig die Nähe dreier Bulgaren gesucht, bis sich herausstellte, dass auch die sich lediglich für den Kauf von ausgestellten Flugzeugen interessierten. Offenbar hatte diese erste Luftfahrtmesse in Bitburg tatsächlich nur Flugzeugverrückte angelockt. Indizien für andere Ambitionen fand er nicht. Letztendlich kam er zu dem Ergebnis, dass dieser Arbeitstag für ihn überhaupt nichts gebracht hatte. Die B 51 war an diesem Sonntagabend überraschend leer. In der Dämmerung des vergehenden Tages schien fast so etwas wie Idylle über dem südlichen Gutland zu liegen, als Altmüller, ohne vom Gas zu gehen, zwischen den wenigen Häusern von Meilbrück hindurchrauschte. Doch ihn erreichte diese Stimmung nicht. Die Schatten seiner Trauer und seiner Schuld hüllten ihn bereits wieder ein, wie in jedem Moment in den vergangenen Wochen, in dem er nicht arbeitete. Er konnte einfach nicht begreifen, was geschehen war. Konnte nicht fassen, was er getan hatte. Ohne es wirklich wahrzunehmen, umfuhr er Helenenberg auf der neuen Umgehung und nahm die Abfahrt nach Kunkelborn. Er hatte doch sorgfältig über das Versteck nachgedacht und es als sicher erachtet. Wie hatte sie es dennoch finden können? Warum war sie überhaupt dorthin gegangen? Warum war es keinem aufgefallen, dass sie allein dort war? Fragen, die seitdem ständig in seinem Kopf kreisten, unaufhörlich, jede freie Stunde, Minute, Sekunde. Kunkelborn lag wie immer ausgestorben da. Tot, wie der Vorbote eines anstehenden Dörfersterbens hier in der Eifel. Seit sie vor drei Jahren in das alte Bauernhaus gezogen waren, war er fast täglich durch den Weiler gefahren. Nie hatte er einen Menschen vor dem halben Dutzend Häuser gesehen. Dafür war das Leben in ihrem neuen Zuhause in der Merteskaul intensiv und lebhaft gewesen. Gewesen. Mit unvermindertem Tempo ließ Altmüller das letzte Haus hinter sich. Suzanne würde vielleicht noch wach sein, obwohl sie sich zuletzt fast jeden Abend früh ins Bett gelegt hatte; ohne zu schlafen. Immer stärker war seine Vermutung geworden, dass sie etwas wusste, sich seiner zu entziehen versuchte. Er ließ sie gewähren, es war auch für ihn leichter so. Altmüller passierte eine Windschutzhecke. Als er aus deren Schatten fuhr, trafen ihn die gleißenden Strahlen der tief über dem Horizont stehenden Abendsonne unvermittelt und frontal. Im gleichen Moment sah er durch seine zusammengekniffenen Augen hinter der Hecke etwas Schwarzes auf sich zukommen. Instinktiv riss er das Steuer nach links. Die K 9 war zu schmal, um seinem Ausweichmanöver ausreichend Raum zu gewähren. Sein Kombi verfehlte den einzeln stehenden Straßenbaum um wenige Zentimeter und schoss ungebremst über die meterhohe Böschung. In wilden Drehungen rollte der Audi den Hang zum Mühlenbach hinunter und grub sich schließlich nach dreißig Metern in den Waldrand hinein. Das Letzte, was Alexander Altmüller bewusst gehört hatte, war ein dumpfer Schlag rechts gegen sein Auto. Das Letzte, was er noch bewusst versucht hatte, war ein verzweifeltes Gegenlenken, in dem Moment, als sein linkes Vorderrad den Asphalt verließ. Das Letzte, was er dachte, als plötzliche Stille eintrat, war, dass ihm nun die gerechte Strafe widerführe. Das Letzte, was er spürte, war – nichts. 1 Ralingen; Donnerstag, 9. Juni Suzanne John-Altmüller hockte am Ufer der Sauer und blickte zur luxemburgischen Seite hinüber. Die idyllische Ruhe, die der schmale Grenzfluss mit dem leisen Rauschen über flache Stromschnellen wirkungsvoll untermalte, kam ihr jetzt unwirklich, sogar abstoßend vor. Das vielgestaltige Blattwerk der Bäume und Sträucher am bewaldeten Talhang verschwamm in ihrem feuchten Blick zu einer grünmelierten Wand ohne scharfe Konturen. An dieser Stelle hatten sie und Alexander sich ewige Treue geschworen. Zusammen schmiedeten sie hier große Pläne für ihre gemeinsame Zukunft im »neuen Land«, wie Alex die Westeifel gern genannt hatte. Sie war unglaublich froh gewesen, dass er nach langem Zweifeln zugestimmt hatte, seine Heimat bei Jülich zu verlassen, um in Richtung Luxemburg, ihres Geburtslandes, zu ziehen, sich hier nahe der Grenze ihr gemeinsames Zuhause zu bauen. Für Suzanne war es wie eine Erlösung gewesen, endlich unabhängig von der Schwiegermutter zu sein. Sich nicht mehr ihrer Bevormundung, ihrer Willkür, ihren Vorwürfen unterordnen zu müssen; nur damit Zoé gut untergebracht war, während sie ihr Studium abschloss. Als sich ihr zweites Kind schneller ankündigte, als Alex und sie zu hoffen gewagt hatten, hatten sie beschlossen, es in dieser Region zu versuchen. Das alte Anwesen in der Merteskaul hatten beide als Glücksfall begriffen. Preislich war es für Aachener Verhältnisse geradezu ein Schnäppchen. Der Preis, den Alex ihr danach abverlangte, war dagegen deutlich höher gewesen. Sie hatte ihm versprechen müssen, ihre Kontakte mit ihren Eltern wieder zu intensivieren. Ihre Kinder sollten nicht ohne Großeltern aufwachsen müssen. Sein wirkliches Motiv hatte sie allerdings erkannt: Sie sollte ihr Verhältnis zu ihren Eltern aufarbeiten, um überhaupt das bevorstehende Glück ihrer eigenen Familie erkennen, akzeptieren und ausleben zu können. Das hatte sie damals zunächst sehr glücklich gemacht. Glücklich, weil sie einen so guten Ehemann gefunden hatte. Glücklich, weil sie fest daran glaubte, es mit ihm schaffen zu können. Die ersten zwei Jahre in der Merteskaul waren für Suzanne fast paradiesisch gewesen. Alexander hatte alles mit unheimlich viel Enthusiasmus und Energie angepackt. Sie war tief beeindruckt, wie er die Renovierung des alten Gehöfts konsequent vorantrieb, nebenbei einen Großteil des Einkommens verdiente und es schaffte, sich auch noch um seine junge Familie zu kümmern. Sie selbst war froh, dass Zoé die Merteskaul schnell als neues Zuhause akzeptierte, auch wenn Kontakte zu anderen Kindern in der Abgeschiedenheit, in der sie lebten, sich nur langsam entwickelten. Sie versuchte es mit viel Hinwendung auszugleichen. Nach Annes Geburt schien alles perfekt. Sie war stolz und glücklich gewesen. Dann war eine Zäsur in ihrem fast vollkommenen Familienleben gefolgt: vor gut einem Jahr, als sie die Stelle im Bitburger Krankenhaus angenommen hatte. Eigentlich war es genauso besprochen gewesen. Sie sollte ihre Ausbildung zur Fachärztin machen und zukünftig für die finanzielle Basis sorgen. Alexander wollte sich, dann wirtschaftlich unabhängig, nur noch anspruchsvoller journalistischer Arbeit widmen. Immer hatte er auch betont, die Mädchen aufwachsen sehen zu wollen. Alles war klar gewesen. Eigentlich. Doch schon nach wenigen Monaten hatte sie gespürt, wie Alexander zunehmend unausgeglichener wurde. Er bemühte sich, ja, aber die Überzeugung der Anfangszeit ging ihm verloren. Vielleicht hatte er gemerkt, dass die Dreifachbelastung von Haus, Kindern und Arbeit doch nicht so leicht zu bewältigen war, wie er sich vorgestellt hatte. Wenn sie ihn darauf ansprach, wich er aus oder wiegelte ab. Er machte ihr etwas vor. Das war der erste Vertrauensverlust. Dazu kamen seine Vorwürfe, weil sie das Versprechen, sich ihren Eltern anzunähern, nicht einzuhalten vermochte. Sie hatte sich bemüht, hatte Teilerfolge erzielt, doch die Mauern, die vor allem ihren Vater umgaben, konnte sie letzendlich nicht überwinden. Vor einem knappen halben Jahr hatte Alexanders Verhalten sich erneut massiv geändert. Ursprünglich hatte sie vermutet, dass es mit den Recherchen zu einem brisanten Thema in Luxemburg zu tun hatte. Doch er gab vor, sie aufgegeben zu haben, weil sie in die Leere gelaufen seien. Trotzdem wurde er immer unruhiger, unzufriedener. Wirkte zeitweise fahrig und nervös. Nutzte zusehends die Abende und Nächte für seine Recherchen, ohne mit ihr darüber reden zu wollen. Viel hatte er nie über seine Arbeit gesprochen, doch nun ließ er selbst einfaches Nachfragen nicht mehr zu. An diesen einsamen Winterabenden hatte sie so manches Mal darüber nachgedacht, ob sie ihn mit ihren eigenen Ansprüchen von sich wegtreiben würde. So, wie das in ihrer Familie üblich war. Ob sie eine Schuld an der Entwicklung trug? Nein, es war von beiden so gewollt gewesen. Genau so. Dennoch ließen sich ihre Emotionen nicht unterdrücken, die Unsicherheit war gewachsen, und alte Wunden waren aufgebrochen. Beim Gedanken an diese letzten Monate wollten ihr wieder Tränen in die Augen schießen, doch es war, als ob ihr Vorrat an Tränen an diesem Tag bereits aufgebraucht war. Verbraucht, seit diese Person nun endlich weg war. Suzanne schaute die Sauer hinunter, bis dorthin, wo sie langsam hinter einem Bogen verschwand. Die Sonne spiegelte sich in feiner Maserung auf der Wasseroberfläche. Nur an einer Stelle schienen funkelnde Schlieren eine Brücke über den Fluss zu bauen. Sollte sie dieser Brücke folgen, zurück nach Hause? Nein, drüben war nur Vergangenheit, trotz ihrer Bemühungen. Hier, auf dieser Seite der Grenze, war ihr Zuhause. Oder war auch das schon verloren? Hatte sie sich deshalb mit dieser Person hier getroffen, um einen weiteren Strich unter einen Lebensabschnitt zu ziehen, gerade an dieser Stelle ihrer Glückseligkeit? War sie schon wieder auf der Flucht und merkte es nur noch nicht? Sie erinnerte sich, wie Alexander und sie bei einem Spaziergang diesen Platz entdeckt hatten. Damals hatten sie das Haus gerade besichtigt. Es war purer Zufall gewesen, weil Alexander noch Zeit und Ruhe zum Überlegen brauchte und sie deshalb den Sauerradweg verließen und querfeldein zum Flussufer gingen. Es war ein später warmer Tag gewesen, und ein Schwanenpaar begleitete sie ein Stück weit des Weges. Alexander hatte sich noch lustig gemacht, ob er wirklich in einer so kitschigen Gegend leben wollte. Dann entdeckten sie diese kleine Einbuchtung im Ufer mit einem winzigen Sandstrand. Alexander hatte sich plötzlich übermütig die Kleider vom Körper gerissen und war in wildem Gebaren in das flache Gewässer gestürzt. Sie war ihm zögernd gefolgt. Zum Glück. Es war das erste und einzige Mal, dass sie sich im Freien geliebt hatten. Nun war es eine Unendlichkeit lang her. Was wollte sie nun hier? Warum hatten sie sich ausgerechnet hier getroffen? Wollte sie zeigen, dass nur sie selbst die wahre Liebe von Alex empfangen hatte? Wollte sie es sich selbst beweisen? Während des Streits mit dieser Person war alles in ihr zusammengefallen, wie

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