John Montana Kein Apache stirbt allein Apache Cochise Band Nr. 12 Prolog Als die weißen Amerikaner Mitte des 19. Jahrhunderts den Südwesten der USA zu besiedeln begannen, stießen sie auf ein indianisches Volk, das bereits die Spanier und Mexikaner hatte teuer dafür bezahlen lassen, daß sie unbefugt in ihre Jagdgründe eingedrungen waren. Die etwa ein Dutzend umfassenden Apachen-Gruppen und Großsippen, am gefürchtetsten die Chiricahua-Apachen, widersetzten sich der Niederwerfung durch die Weißen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie überfielen zunächst Postkutschen, Frachtwagenzüge, Armeepatrouillen, Farmen, abseits gelegene Ranches und kehrten anschließend wieder zu ihren Stützpunkten in den Bergen zurück, den sogenannten »Apacherias«, die bei den Weißen der damaligen Zeit als uneinnehmbar galten. Der Widerstand flammte zum blutigsten und grausamsten Grenzkrieg der Indianergeschichte auf, als Cochise von Mangas Colorados die Führung der Stämme übernahm. Cochises Weitblick ließ ihn letztlich erkennen, daß der Untergang der roten Rasse eine von den Weißen beschlossene Sache war, die Anspruch erhoben auf alles Land zwischen den Dragoon Mountains im Südosten, dem Mogollon-Rim im Westen und der Gran Desierto im Süden. Cochises Chiricahuas, die Kerntruppe seiner Streitmacht, blieb im Angesicht der unaufhaltsamen Flut weißer Siedler, Goldgräber und Desperados nur noch eine Devise: Raube, ohne erwischt zu werden, töte, ohne getötet zu werden. Ein Kampf ohne Erbarmen entflammte in den Canyons, Tälern und Wüsten. Ein Kampf, dessen Schilderung in dieser Serie nicht die ganze Brutalität wiedergeben kann, wie sie uns die Geschichte überliefert hat. 1871 gelang es Cochise, die meisten Stämme der Apachen zu einer einzigen Widerstandsfront gegen die Eindringlinge aus Nord und Süd, Weiße und Mexikaner, zu vereinen. Die blutigsten Massaker auf beiden Seiten waren die Folge. Auf ihren flinken Ponys überfielen die Krieger in kleinen Gruppen Wagenzüge und Posthaltereien im Norden, um am nächsten Tag schon Farmer und Goldgräber im Süden oder eine Patrouille der Army im Westen anzugreifen. Militär und Siedler waren macht- und hilflos und ohne eine Möglichkeit gezielten Widerstandes den ständigen Apachenangriffen ausgesetzt. Wenn 1870 General Sherman nach Washington schrieb: »Wir führten einen Krieg gegen Mexiko, um Arizona zu bekommen, wir sollten jetzt einen Krieg führen, um dieses Land wieder loszuwerden«, so kennzeichnen diese Worte die verzweifelte Hilflosigkeit des Militärs. Diese nach authentischen Überlieferungen verfaßte Serie soll dem größten aller indianischen Führer ein Denkmal setzen: Cochise. Dem Wirken dieses Mannes und seinem Weitblick für politische Veränderungen ist es zu verdanken, daß diese Story mit ihrer ganzen Dramatik wahrheitsnah niedergeschrieben werden kann. Unsere Autoren fühlen sich verpflichtet, neben der Herausstellung der abenteuerlichen Charaktere, die in jener Zeit Geschichte machten, auch der historischen Wahrheit die Ehre zu geben. Nichts soll verschwiegen, nichts hinzugefügt oder entstellt werden. Ihr Martin Kelter Verlag *** Der braunhaarige Mann ritt in flottem Trab die letzten Meilen, die noch vor ihm lagen, ehe er sein Ziel erreichte. Dieses Ziel war der Apachen-Paß. Jene Station, auf der Postmeister Tom Jeffords, Cochises Freund, mit einigen Helfern lebte. John Haggerty, General Howards Chiefscout, hatte auf der Station eine Mission zu erfüllen. Er sollte Thomas Jeffords dazu bringen, wegen der Entführung eines Mädchens mit Cochise zu verhandeln. Haggerty dachte in diesem Augenblick mehr an Essen und Schlafen als an seinen Auftrag. Er war hundemüde und hungrig. Und er sehnte sich nach einem erfrischenden Bad. Vor allem der Gedanke an Wasser und Seife war es, der ihn sein Pferd schneller antreiben ließ. John wollte endlich den Staub aus seiner Kleidung abschütteln. »Los, Alter, wirf die Hufe!« raunte der Scout dem Hengst in die Ohren. »Bald ist unsere Reise zu Ende. Morgen, wenn du ausgeruht bist, kannst du zu deinen Artgenossen auf die Koppel. Haben beide eine Verschnaufpause redlich verdient, eh?« Im Geiste sah John das spitzgiebelige Haupthaus der Station vor sich, die freistehende Schmiede und den langgestreckten Stall. Nur noch wenige Meilen und … Sein Gedankengang setzte plötzlich aus. John blickte in den blauen Himmel hoch und schnupperte wie ein Wolf. Sein Hengst wurde auffallend nervös. Du hast es also auch bemerkt, was? Haggerty klopfte dem Pferd beruhigend den Hals. Brennt was, mein Guter. Hoffentlich ist es nicht zu schlimm. John verhielt den Braunen, blickte aufmerksam in die Richtung, aus der der Rauch kam. Das war doch am Paß. Die Rauchwolken wurden immer dichter, dunkler. »Jetzt zeig, was in deinen Knochen steckt«, ermunterte John den Hengst. »Es scheint doch mehr zu sein als nur ein harmloser Brand.« Denn daß da nicht nur ein Heuschober oder eine kleine Hütte brannte, wurde dem Scout bald klar. Ein Schenkeldruck, und der braune Hengst fiel in gestreckten Galopp. Seine Hufe schienen den Boden kaum zu berühren. Er flog förmlich die gewundene Paßstraße entlang. Als Pferd und Reiter um die letzte Biegung preschten, bot sich John Haggerty ein Bild des Grauens. Die Stallungen der Poststation brannten lichterloh. Von der nahen Quelle bis zum Brandherd bildeten die Männer der Station eine Eimerkette. John Haggerty warf sich aus dem Sattel, lief zur Wasserstelle und ergriff ebenfalls einen Eimer. Ein kurzes Nicken war seine einzige Begrüßung. Viele Worte waren in dieser Situation nicht angebracht. Hier half nur eines: mit anpacken. Der hochgewachsene Thomas Jeffords wagte sich näher als die andern an das lodernde Feuer. Buck Tinatra, der Revolvermann, entdeckte John Haggerty an der Quelle und rief Jeffords zu: »He, Tom, wir haben Hilfe bekommen! Wenn mich nicht alles täuscht, ist der Gent John Haggerty, General Howards Chiefscout. Bei diesem verdammten Rauch kann man allerdings nicht richtig sehen.« »Und wenn es der Teufel persönlich wäre, mir ist jede Hand, die helfen kann, willkommen«, gab Jeffords zurück. »Los, Buck, reich den Eimer her! Zum Quatschen ist nachher Zeit.« Unruhig schnaubten die Pferde auf der Koppel, stampften nervös mit den Hufen oder wieherten schrill. Die Tiere hatten Angst vor dem Feuer, tödliche Angst. »Walker, versuch die Gäule zu beruhigen!« rief Jeffords seinem Posthelfer zu, »sie spielen sonst verrückt und könnten in ihrer Panik die Umzäunung durchbrechen. Dann hätten wir die Bescherung.« Walker, froh, der Hitze zu entkommen, ließ sich das nicht zweimal sagen. Die aufgeregten Gäule beruhigten sich etwas, als ihr vertrauter Pfleger die Koppel betrat. Währenddessen bemühten sich Jeffords, Tinatra, Osborne, Kelly und Haggerty weiter, das Feuer zu löschen. Als es ihnen endlich gelungen war, den Brand unter Kontrolle zu halten, waren alle erschöpft, schmutzig und verschwitzt. »Danke, Haggerty.« Tom Jeffords reichte dem Scout die Hand. »Sie kamen genau im richtigen Moment. Wir konnten jede Hand verdammt gut brauchen.« »Wie ist das passiert?« wollte John Haggerty wissen. »Mimbrenjos«, erwiderte Jeffords grimmig. »Sie schossen mit Brandpfeilen auf den Stall. Kommen Sie ins Haus, John. Schätze, wir alle haben einen Schluck verdient.« »Ich bin einem guten Tropfen nie abgeneigt.« Haggerty lächelte mit blitzenden Zähnen. »Im Augenblick aber habe ich größeres Verlangen nach Wasser und Seife. Davon träume ich seit mehr als zwei Stunden.« Jeffords erwiderte Haggertys Grinsen. »Verstehe. Aber zuerst trinken wir einen Doppelstöckigen. Habe da eine wirklich feine Sorte im Haus. Richtigen schottischen Whisky. Nicht gepanscht wie beim Salooner in Tucson. Also, John, trinken wir. Nach so einer Räucherpartie sollte man immer zuerst die Kehle spülen.« Als die Männer um den rohgezimmerten Tisch saßen, fixierte Tom Jeffords den Scout und fragte: »Was führt Sie eigentlich her, John? Auf einem Spazierritt befinden Sie sich doch nicht.« Haggerty nahm einen Schluck Whisky, ließ die scharfe Flüssigkeit genüßlich durch die Kehle fließen. »Ich komme im Auftrag von General Howard«, erwiderte er. »Ein Mädchen wurde von Apachen entführt, Mercedes del Rey, Tochter einer angesehenen Familie. Der Gouverneur von Sonora bat General Howard um Hilfe.« Tom Jeffords mußte lächeln. »Mit anderen Worten: Sie sollen mich dazu überreden, mit Cochise zu sprechen. Ist es so? Ich will Ihnen was sagen, John. Man nennt mich zwar den Freund Cochises, es gibt jedoch Dinge, auf die ich keinen Einfluß habe. Ich bin für den Häuptling nur sein Freund ›Hellauge‹, aber nicht Manitu.« »Versuchen Sie es wenigstens. Reden Sie mit Cochise.« Haggertys Stimme wurde eindringlich. »Die Lage spitzt sich immer mehr zu. Das müssen Sie zugeben, Jeffords.« Der Stationsleiter nickte. »Wem sagen Sie das. Wir haben es heute am eigenen Leib erfahren. Auch Postkutschen wurden von den Mimbrenjos angehalten. Sie drohten und belästigten Passagiere und Fahrer. Trotzdem, John, ich verlasse den Paß nur ungern.« »Sie haben zuverlässige Leute, oder? Und Cochise ist Ihr Freund. Was also hält Sie davon ab, in die Apacheria zu reiten?« »Eigentlich nichts, nur mein sechster Sinn warnt mich. Bisher hat mich mein Instinkt noch nie getrogen.« Nachdem sich John Haggerty erfrischt hatte, versuchte er noch einmal, Jeffords zu dem Ritt zu überreden. »Daß Sie hier gebraucht werden, sehe ich ein«, sagte der Scout auf die diplomatische Tour. »Als Vermittler bei Cochise sind Sie jedoch unersetzlich. Ich habe mir sagen lassen, daß der Häuptling auf Ihr Wort hört, Jeffords.« »Sie hätten Anwalt werden sollen.« Auf Tom Jeffords gebräuntem Gesicht erschien ein breites Lächeln. »Ich nehme an, Sie werden sich nicht eher zufriedengeben, bis Sie mich rumgekriegt haben.« »Erraten, Tom. Und wenn Sie nichts gegen einen Begleiter einzuwenden haben, werde ich mich Ihnen anschließen. Es ist lange her, seit ich in Cochises Dorf war.« Daß ihn der Gedanke an Tla-ina dazu bewog, Jeffords seine Begleitung anzubieten, verriet John dem Stationsleiter nicht. Bei dem Gedanken an die schöne Apachin wurde der Scout von brennender Sehnsucht erfaßt. Tla-ina, Cochises einundzwanzigjährige Schwester, bedeutete John sehr viel. Und er wußte sich von dem bildhübschen Wesen wiedergeliebt. Die junge Indianerin war mit Abstand das schönste Mädchen in der Apacheria. Hätte man Tla-ina in die Kleider einer Weißen gesteckt, hätte sie eher einer Mexikanerin als einer Apachin geglichen. Denn Tla-ina hatte edle Gesichtszüge und war von schlanker, faszinierender Gestalt. Sie hatte nichts Mongolisches an sich, wie die meisten Indianer. Dies waren Haggertys Gedanken, als er abwartend zu Tom Jeffords blickte. Sein Entschluß stand fest: er wollte zu Cochise reiten, auch ohne den Stationsleiter. Jeffords nickte schließlich. »Well, reiten wir also, John. Ich möchte mir später nicht vorwerfen müssen, irgend etwas unterlassen zu haben, das dem Frieden in diesem Land hätte nützen können.« »Wann reiten wir?« fragte der Chiefscout. »Morgen in aller Frühe. Und rechnen Sie nicht mit einem freundlichen Empfang.« »Ich kenne den Häuptling und weiß, daß er manchmal sehr mürrisch sein kann«, sagte Haggerty. »Ich mache mir keine Illusionen. Hauptsache, er hört auf Sie.« Die Schatten der Nacht lagen noch über dem Land, als Tom Jeffords und John Haggerty am nächsten Morgen zu einem Ritt aufbrachen, von dem sie nicht wußten, wie er enden mochte. * Die Sonne stand im Zenith, als sich die beiden Männer Cochises Bergfeste näherten. »Es gibt Leute, die an dieser Stelle den Mut zum Weiterreiten verlieren«, sagte Jeffords zum Begleiter. »Noch einige Meilen, und die ersten Späher werden sich zeigen. Beobachtet werden wir schon seit geraumer Zeit. Das wissen Sie wohl selbst, John.« Der Scout nickte. »Ich kann die Blicke der Chiricahuas förmlich auf meinem Rücken spüren. Sollen wir den Vettern zeigen, daß wir nicht von Dummsdorf sind, Tom?« Jeffords winkte ab. Er wirkte müde, abgespannt. »Lassen wir ihnen den Spaß, uns zu überraschen. In manchen Dingen sind sie wie Kinder, die sich über einen gelungenen Streich freuen können.« »Sie sind vor allem dann bester Laune, wenn ein Weißer ihnen den Rücken zukehrt und sie selbst den Finger am Drücker haben«, entgegnete Haggerty trocken. »Ich kenne die roten Brüder, Tom. Obwohl es heißt, daß es schwer zu erraten ist, was hinter der Stirn eines In …« Mitten im Satz brach Haggerty ab. Das feine Sirren eines Pfeils, dessen Spitze sich dicht vor seinem Braunen in die Erde bohrte, hatte den Scout verstummen lassen. Ein zweites gefiedertes Geschoß erschreckte den Fuchs des Postmeisters. Das Pferd scheute, steilte und ließ die Vorderbeine wirbeln. Fluchend ließ sich Haggerty seitwärts von seinem Hengst gleiten, griff dabei nach dem Colt. Jeffords hatte alle Mühe, sich auf dem Rücken des Apaloosa zu halten. Weitere Geschosse folgten, keines traf jedoch. Die Pfeile bohrten sich in die Erde, rechts, links vor und hinter den beiden Weißen. Sie wurden förmlich von Pfeilen eingekreist. »Sie sitzen in Deckung hinter den Felsen«, rief Jeffords dem Scout zu. »Wollen uns wohl hier festnageln. Erkennen Sie die Fiederung an den Pfeilschäften. Das sind Mimbrenjos.« »Verdammt! Wollen die Hunde verhindern, daß wir zu Cochise reiten?« Haggerty sah den Stationsleiter an, dem es endlich gelungen war, sein Pferd zu beruhigen. »So wird es sein.« Der stattliche blonde Thomas Jeffords