©Oberösterreichischer Musealverein - Gesellschaft für Landeskunde; download unter www.biologiezentrum.at Katalog der Kupferstichsammlung des Abtes Martin Greysing vonJohannesRamharter Die Entstehung dieser Arbeit ist dem Bibliothekar und Archivar von Stift Schlägl, Herrn Professor Isfried Pichler, zu danken. Bereits Mitte der 90er JahrehaterdenAutorfreundlicherweiseaufeinenBandimArchivdesKlo- stershingewiesen,denerderBearbeitungfürwürdigerachtethatte.Dassdie Publikation mehr als zehn Jahre auf sich warten ließ, lag nicht nur an Pro- jektendesAutors,diescheinbardringlicherwaren,sondernauchanderTat- sache, dass der Katalog gemeinsam mit dem Verzeichnis der Flugschriften1, dem zweiten Sammlungsbestand Martin Greysings, Teil einer Monographie überdiesenwichtigenAbtwerdensollte.DerenFertigstellunglässtaufgrund derReichhaltigkeitdesMaterialsnochetwasaufsichwarten. BeidemKlebeband,vondemimfolgendendieRedeseinsoll,handeltessich janichtnurumeinederZeitentsprechendePräsentationverschiedenerKup- ferstiche,alleinedieZusammenstellungderBlätterermöglichteinenEinblick indasGeisteslebenunddasWeltbildMartinGreysings,einesAbtes,derun- geachtetdesgewaltigenArchivbestandes,denerhinterlassenhat,wenigPer- sönliches preisgegeben hat. Manche Fragen müssen demnach offen bleiben. HierstehtanersterStelledasauffälligoffeneVerhältnisGreysingszurprote- stantischen Konfession, das ihn dazu befähigt hat, in ausgeglichener Weise FlugschriftenbeiderSeitenimgroßenDreißigjährigenKriegzusammeln,und zu dessen auffälligste Hinterlassenschaft ein Kupferstich anläßlich des hun- dertjährigen Jubiläums des Thesenanschlages, 1617, zählt, ein Blatt, das zweifellos nicht zur Ausstattung eines Novizen im Kloster Strahov zählte. Ebenso unklar bleibt das Interesse des Abtes an Darstellungen, die mit dem KurfürstenvonderPfalzzusammenhängen,etwaderPlanderFestungUden- heim.MandarfbeidiesenFragennichtvergessen,daßMartinGreysingerst zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt, 1611, und überdies relativ weit entfernt von seinem Geburtsort im Bregenzerwald archivalisch faßbar wird unddaßdasStiftSchlägl,wieesscheint,nichtdieersteWahldesspäterenAb- teswar.AlsZeugnisfürseinePräferenzenkönnenauchdiezahlreichenBlät- 1 DazuderzeitNäheresbei:ChristineWICHTL,DieTagespublizistikdes17.Jahrhundertsinder SchriftensammlungdesStiftesSchlägl–EinBeitragzurErfassungösterreichischerPrivatbib- liotheken,Diss.(masch.)Wien1973. 201 ©Oberösterreichischer Musealverein - Gesellschaft für Landeskunde; download unter www.biologiezentrum.at Johannes Ramharter ter mit jesuitischer Thematik gelten, auch wenn die katholische Publizistik dieser Jahre natürlich von diesem Orden beherrscht war, und Martin in Cˇzesky´Krumlov/KrumaueinejesuitischeErziehungsanstaltbesuchthat.Die- senFragenaufderfundiertenGrundlagederSchläglerArchivaliennachzuge- hen, wird Gegenstand einer anderen Arbeit sein, deren Fertigstellung hof- fentlichnichtmehrallzulangeaufsichwartenlassenwird. ArchivalischeAngabenzumbesprochenenKlebeband: Signatur:StiftsarchivSchlägl,AbteilungBildersammlungundKupferstichka- binett,Album1 GestempelterPergamenteinbandmitjeweilsfünfBeschlägen,beideSchließen sindabgerissen.540x425mm 145 nachträglich mit Bleistift numerierte Blätter mit den Maßen 526 x 397 mm Kronenwasserzeichen 202 ©Oberösterreichischer Musealverein - Gesellschaft für Landeskunde; download unter www.biologiezentrum.at Katalog der Kupferstichsammlung des Abtes Martin Greysing Vorbemerkungen Die Entstehung der eingeklebten Kupferstiche erstreckt sich über den Zeit- raumvonetwa1590bisum1670.ZudenjüngstenBlätterngehörteineAn- sichtvonSchloßKöppach,dievonGeorgMatthäusVischerstammt,derum die Mitte der 60er Jahre mit den Aufnahmen für seine Topographie von Oberösterreich beschäftigt war, die ältesten Blätter stammen aus den letzten Jahrzehntendes16.Jahrhunderts. Alleine aus der Datierung der Blätter liegt es bereits nahe zu vermuten, der Klebeband enthalte die graphische Sammlung des Abtes Martin Greysing (1592–1665).MartinsSammeltätigkeitwirdüberdiesdurchDokumenteaus dem Archiv bestätigt. So findet sich ein Offert des Salzburger Buchhändlers HansUntersberger,indemerdemAbt„121bletl,soalleIhrehochwürdens ordensheilige sein“, zu 2 Kreuzer das Stück anbietet.2 Offenkundig fanden dieseBlätternichtdasGefallendesPropstes,denneinederartigeSeriefindet sichimKlebebandnicht.IndemgenanntenSchreibenwirdauchdasInteresse des Propstes für Druckwerke aus Paris erkennbar, denn der Buchhändler meint, „was aber Pariser als Ihre hochwürden ordens bücher, die müßte die zeitbesteltwerden,danmangarnachParisdarumbschreibenmüßte.“Diese Vorliebe des Propstes findet in der hohen Zahl an französischen Kupfersti- chenimKlebebandihrenNiederschlag.Konkretarchivalischnachweisbarist derAnkaufderSeriederApostelstichenachRubensam22.Jänner1628für 2fl.wodurchdieobengenannteVermutungüberdieProvenienzeineUnter- stützungerfährt.DanebenwurdengeradebeiMarianischenKongregationen und Jesuitischen Studienhäusern Kupferstiche als Belohnung und Festtags- gabe vergeben, sodaß das eine oder andere Blatt über das Jesuitenkolleg in KrumauseinenWegindieSammlunggefundenhabenmag. AuchwenneineBiographievonAbtMartindenRahmeneinerderartigenAr- beit bei weitem sprengen würde, so ist es dennoch notwendig, einige kurze AngabenzuseinemLebenderArbeitvoranzustellen,handeltessichbeidem BanddochumdieHinterlassenschafteineskonkretenMenschen,dessenVor- lieben sich auch aus dem Lebenslauf erklären3. Martin Greysing wurde am 11.November1592inMellauimBregenzerwaldgeboren.Archivalischfaß- barwirdderzukünftigeAbtabererst1613alsZöglingdesJesuitengymnasi- umsvonKrumau,demerseit1611angehörthabendürfte.WarumMartinin dasSüdböhmischeKolleg,indemauchseinBruderstudierte,gekommenist, 2 SchläglStiftsarchiv,Schachtel12.5.2,Schreibenvom15.Dezember1628. 3 EineausgezeichnetekurzebiographischeZusammenstellungzuMartinGreysingfindetsich in:IsfriedH.PICHLER,ProfeßbuchdesStiftesSchlägl(=SchläglerSchriftenBand10),Schlägl 1992,209–224.DortauchweitereLiteratur. 203 ©Oberösterreichischer Musealverein - Gesellschaft für Landeskunde; download unter www.biologiezentrum.at Johannes Ramharter geht aus keinem Dokument hervor. 1614 wurde Greysing jedenfalls im Prä- monstratenser Chorherrn-Stift Schlägl eingekleidet und von Propst Crispin FuckinsKlosterStrahovnachPragzumNoviziatgeschickt. Unter Fucks Nachfolger, Wilhelm Capreolus, wurde Martin Greysing zum Prior ernannt und bewährte sich als Administrator nach dem Tod des Prop- stes im Jahr 1626, als Schlägl von den aufständischen Bauern geplündert wurde. Mit seiner Wahl zum Propst, 1627, begann der zielstrebige Wieder- aufbau des Klosters, der auch durch die vielfachen Belastungen des Dreißi- gjährigenKriegesnurbehindert,nichtaberverhindertwerdenkonnte.Zahl- reiche Bauten und Kunstwerke, die von ihm beschafft worden sind, zeugen nochheutevondieserfruchtbarenTätigkeit.InAnerkennungdieserLeistun- gen wurde Propst Martin Greysing 1657 zum ersten Abt des Klosters er- nannt.BeialldiesenadministrativenAufgabenbliebaberauchdiegeistliche ErneuerungdesStiftesnichtaußerAcht,inderenRahmennichtnurzahlrei- che neue Novizen aufgenommen werden konnten, sondern auch ein Haus- studium eingerichtet wurde. Am 27. Oktober 1665 starb Abt Martin und wird in der Geschichtsschreibung zu Recht als „zweiter Gründer“ des Klo- stersbezeichnet. DieKupferstichsammlungalsHilfestellungbeigeistlichenÜbungen Der Entdeckung und Entwicklung der Druckgraphik ist ein entscheidender Anteil an der geistigen Entwicklung Europas in der Neuzeit zuzuschreiben.4 Wesentliche Grundlage dieser revolutionären Entdeckung war die Verbrei- tung des Papiers als kostengünstiges und leicht verfügbares Trägermaterial fürInformationenundbildlicheDarstellungen.Vor1400nahminNürnberg einenPapiermühleihrenBetriebauf,derenProduktionbaldschoneineFülle vonDruckgraphikenentsprach.ErstmaligwurdedamitineinerWelt,dieda- vor bildliche Darstellungen auf Kirchen und fürstliche Sammlungen be- schränkt hatte, Bilder einer unbeschränkten Öffentlichkeit zugänglich, eine Entwicklung, der sich auch die Hersteller dieser Blätter bewusst waren, wie aus der Beschriftung des einen oder anderen Holzschnittes hervorgeht, die sichunmittelbarandenindividuellenBetrachterwendet. DieseneueMöglichkeit,einebreiteÖffentlichkeitzuerreichen,wurdeinbe- sonderer Weise von Kaiser Maximilian I. erkannt, der Künstler wie Hans 4 AllgemeinzudieserThematikvorallem:ErnstREBEL,Druckgraphik,Geschichte–Fachbe- griffe,Stuttgart2003. 204 ©Oberösterreichischer Musealverein - Gesellschaft für Landeskunde; download unter www.biologiezentrum.at Katalog der Kupferstichsammlung des Abtes Martin Greysing BurgkmairundAlbrechtDürerfürdiebildlicheUmsetzungseinesimperialen Selbstverständnissesgewann.DanebenentwickeltesichaberaucheinMarkt, derdasneueMediumfürdieÜbermittlungvonaktuellenundsensationellen Nachrichten nutzte, von seltsamen Missbildungen5 bis hin zu erstaunlichen exotischenTieren.6InbesonderemMaßewurdeaberdieseneueFormderPu- blikationvondenProponentenderReformationgenutzt,derenschlagartiger gewaltiger Erfolg in Deutschland nur durch Verbreitung der Grundanliegen der Reformatoren mit Hilfe von Flugblättern möglich war7. Dieser Flut von Bildern,diebekanntlichmehrsagen,alstausendWorte,hattediekatholische Gegenseitezunächstwenigentgegenzusetzen. Ein entscheidender Umschwung trat erst ein, als das florierende Druckerge- werbederStadtAntwerpenunterspanischemEinflussabden60erJahrendes 16. Jahrhunderts für die Anliegen der Gegenreformation nutzbar gemacht wurde8. Diese Dominanz wird auch aus der großen Zahl von Blättern spür- bar, die im Schlägler Klebeband von Antwerpener Künstlern stammen. Die Stadt war am 17. August 1585 von Alessandro Farnese zurückerobert wor- den und wurde in den Jahren danach endgültig zum Zentrum der gegenre- formatorischen Druckgraphik. Dabei konnte auf eine lange Tradition zurückgegriffen werden, waren doch die ersten Verlage in der Stadt bereits um 1530 gegründet worden. Die Herstellung der Druckgraphik beruhte auf einemarbeitsteiligenSystem,dasauchinderSignaturderBlätterihrenAus- druck findet: Einem Erfinder, im Blatt als „Inventor“ bezeichnet, steht ein Stecher,gekennzeichnetdurchdasBeiwort„sculpsit“,alsUmsetzerderBildi- deeindenKupferstichgegenüber,währendderVerlegermitdenWorten„ex- cudit“bezeichnetist.DieseUnterscheidungwarvonderitalienischenDruck- graphik übernommen worden, erstmalig zu finden ist sie auf einem Blatt Marcantonio Raimondis nach Raffael. Mit dem Ende des 16. Jahrhunderts verließen einige der wichtigen Stecher die Niederlande, Sadeler ging nach München, Mallery nach Paris. Viele der Blätterim Klebeband sind nicht die ursprünglichen Serien, sondern Nachdrucke, die in den ersten Jahrzehnten des17.Jahrhundertsentstanden. 5 EtwaAlbrechtDürer,DasmißgebildeteSchweinvonLandser,um1496. 6 Etwa die Darstellung eines Rhinozeros, das der König von Portugal dem Papst schenkte. HolzschnittvonAlbrechtDürervon1515inKonkurrenzzueinergleichzeitigenDruckgra- phikHansBurgkmairs. 7 KonradHOFFMANN,DiereformatorischeVolksbewegungimBilderkampf,in:MartinLuther unddieReformationinDeutschland,KatalogzurAusstellung,Nürnberg1983,219–254. 8 WolfgangSAVELSBERG,FlämischeDruckgraphikinderzweitenHälftedes16.Jahrhunderts, in:VonBruegelbisRubens,KatalogzurAusstellung,Köln–Antwerpen–Wien1993,225– 234. 205 ©Oberösterreichischer Musealverein - Gesellschaft für Landeskunde; download unter www.biologiezentrum.at Johannes Ramharter FürdieJesuiten,dievorrangigeTrägerderkatholischenReformwaren,stell- tenBildereinenwesentlichenBestandteildergeistlichenÜbungendar:9Ohne aufkonkreteDarstellungenBezugzunehmen,fordertderhl.Ignatiusinsei- nenExerzitienimmerwieder,sichdenOrtdesHeilgeschehensmöglichstkon- kret und plastisch vorzustellen, etwa die Straße von Nazareth nach Bethle- hemoderdieHöhlederGeburt.BilderkonntendafürdenÜbendeneineHil- festellung sein, andererseits aber auch die Vorstellung nach den Intentionen desOrdensleiten.10DerdidaktischenAbsichtdesKupferstichesderZeitum 1600 folgend sind die meisten Blätter keine historisch erzählenden Bilder sondern haben emblematischen Charakters, der die Darstellung für den Be- trachter auch deuten soll. Dabei ist nach der Definition Andrea Alciatos (1492–1550)11untereinemEmblemdiesinnhafteVerbindungvonBild(Pic- tura), Devise (Inscriptio) und Erläuterung (Subscriptio) zu verstehen. Diese TextesindeingleichwertigerTeildesGesamtkonzeptes,sodaßeinigeVerleger ständigTexterfürdiepassendenVersebeschäftigten. War zunächst dem Emblem der Charakter einer Zeichensprache zugekom- men, einer Kunst von Gelehrten für eingeweihte Kenner, die anspielungsrei- che, mit sprachlichen Pointen versehene Bildsymbole verwendete, die dem Uneingeweihten unverständlich bleiben mussten, so kam es durch die Jesui- ten im Sinne ihrer seelsorglichen Anliegen zu einem Bedeutungswandel. Bil- der dienten dabei dem Meditierenden zur Erleichterung in die vom hl. Igna- tius geforderte sinnliche Vergegenwärtigung von Heilswahrheiten, wodurch der Bildersprache ihr esoterischer Charakter genommen wurde und im Ge- gensatz dazu allgemeine Verständlichkeit gefordert war. Um allfällige Ein- wändevonbilderfeindlicherprotestantischerSeiteimKeimzuersticken,wa- 9 IlseVONZURMÜHLEN,Imaginibushonos–EhreseidemBild.DieJesuitenunddieBilder- frage,in:RominBayern,KunstundSpiritualitätdererstenJesuiten.KatalogzurAusstel- lung,München1997,161–170,sowie:JeffreyChippsSmith,SensousWorship,Jesuitsand theArtoftheEarlyCatholicReformationinGermany,PrincetonandOxford2002. 10 Soverlangtderhl.IgnatiusvonLoyolainseinenGeistlichenÜbungenalsersteVorübrung denAufbaudesSchauplatzes:„Dazuistzubemerken,dassbeiderBetrachtungoderderBe- sinnung über etwas Sichtbares, wie etwa beim Betrachten Christi unseres Herrn, der an- schaubar ist, dieser Aufbau darin bestehen wird, mit der Schau der Einbildungskraft den körperlichenOrtzusehen,andemsichderzubetrachtendeGegenstandbefindet.Körperli- chenOrtnenneichzumBeispieleinenTempeloderBerg,aufdemJesusChristusoderunsere Herrinsichbefindet,entsprechenddem,wasichbetrachtenwill“,oderimDetaildannbei- spielsweisebeimAbschnittüberdieGeburtdesHerrn„AufbaudesSchauplatzes;hieralso mit der Schau der Einbildungskraft den Weg von Nazareth nach Betlehem zu sehen, die Länge, die Breite erwägen, und ob dieser Weg eben ist oder durch Täler und über Hügel führt.AufgleicheWeisedenOrtoderdieHöhlederGeburtschauen,wiegeräumig,wieeng, wieniedrig,wiehochundwiesieeingerichtetwar.“IgnatiusvonLoyola,GeistlicheÜbun- gen,zitiertnachAdolfHaas(Hrsg.),Freiburg–Basel–Wien1991,33,Abschnitt47,und 49Abschnitt112. 11 AndreaALCIATO,Emblematumlibellus,Paris1542. 206 ©Oberösterreichischer Musealverein - Gesellschaft für Landeskunde; download unter www.biologiezentrum.at Katalog der Kupferstichsammlung des Abtes Martin Greysing ren dabei besondere Klarheit, Einfachheit und Verständlichkeit, sowie Ge- nauigkeit der Wiedergabe der Textstelle gefordert. Aus diesem Grund ist auchbeidenmeistenStichendiejeweiligeBelegstelleinderBibelangegeben. Daneben leben aber auch die mittelalterlichen Vorstellungen der Typologie weiter,dieaufdervonAugustinusformuliertenErkenntnisberuhen,dassdas NeueTestamentimAltenverborgenliege,undsichdasAlteausdemNeuen erschließe. Dabei werden Erzählungen aus beiden Teilen der Bibel einander gegenübergestellt,umdadurchSinnundInhaltderEreignissezudeuten. DerdidaktischenAbsichtdeseinzelnenBlattesfolgend,sinddieBlättereinem lehrhaften System untergeordnet, wobei die nachträgliche Beklebung einiger VersoseitendesBandesdaraufhindeutet,dassdieEinordnungderKupfersti- cheineinerletztenPhasederErwerbungerfolgtseinmuss.Ohneallzuvielzu spekulieren, entspricht dieser didaktisch ordnende Zug den überlieferten Charakterzügen von Franz Freisleben (um 1620–1677), der nach dem Tod MartinGreysingszumAbtdesStiftesgewähltwurde.Freislebenwarvorsei- nerWahljanichtnurProfessordesHausstudiums,erlegtedurchseinebisin dasJahr1649geführteChronikdesStiftes12auchdieGrundlageeinergeord- netenGeschichtsschreibungdesKlosters.SokannalsArbeitshypotheseange- nommen werden, dass die Einordnung der Kupferstichsammlung Abt Mar- tins, von einigen nachträglichen Blättern abgesehen, mit dem Nachlass des Abtesknappnach1666erfolgtseinwird. DasSystem,dasausdenStichenerkennbarwird,istwiefolgt: Blatt1–18AllgemeineallegorischeBlätter(7BittendesVater–Unser,7Werke derBarmherzigkeit,7Kardinaltugenden) Blatt18–35BilderzumAltenBundundzurPassion Blatt36–80PortraitsundAllegorienvonJesusunddenHeiligen(dieGruppe istnichtvölligkonsequent,eineigenerUnterabschnittbringtbeschauliche Allegorien zum Herzen Jesu, der Eucharistie und der Reinigung der menschlichenSeele) Blatt 81–104 Ordensheilige (darunter eine eigene größere Untergruppe mit Jesuitenheiligen) Blatt105–132HistorischpolitischeBlätterinzeitlicherAbfolge,konsequen- terweise beginnend mit einer Serie der Portraits des regierenden Herr- scherhauses,andieunterWeglassungeinesPortraitsvonKaiserFerdinand 12 FranzFREISLEBEN,ActaPlagensium,Schlägl,StiftsarchivHandschrift16. 207 ©Oberösterreichischer Musealverein - Gesellschaft für Landeskunde; download unter www.biologiezentrum.at Johannes Ramharter III., das offenbar nicht greifbar war, ein Portraitstich des noch kindlichen FerdinandIV.folgt Blatt133–137DieLetztenDinge Blatt137–139SonstigesundNachträge(daruntertopographischeBlätter) Bei der Ordnung ist aber, wie gesagt, das System nicht bis ins Letzte durch- gehalten. So finden sich die sieben Werke der Barmherzigkeit, die bereits im ersten Abschnitt dargestellt waren, auf den Blättern 78/79 nochmals darge- stellt. Möglicherweise wollte man hier eine bloße Wiederholung vermeiden und stellte sie innerhalb der „Seelsorge-Blätter“ in einen neuen Sinnzusam- menhang. Letztlich muss auch nochmals betont werden, dass sich die Ord- nung nach Vorhandenem richten musste und daher eine Vollständigkeit des angestrebtenSystemsnichterreichbarwar. Auch wenn viele derartige Sammlungen an Druckgraphik später der ökono- mischen Verwertung zuliebe aufgelöst wurden, war und ist der Klebeband des Abtes nicht singulär, sondern Teil einer Entwicklung in der Geschichte desSammelns.13GeradeindenNiederlandenhattesichbedingtdurchdierei- che Produktion ein Markt und ein Käuferkreis für Druckgraphik gebildet, derdenallgemeinenGesetzenderKunstkammerfolgendauchdiesemTeilder Sammlungstätigkeit eine Ordnung geben wollte. Händler und Verleger, wie derAmsterdamerCornelisClaeszpubliziertenVerkaufskataloge.Einheraus- ragendes Beispiel für einen Sammler war Cornelis van Beijeren, der seinen Sohn bei Rembrandt in die Lehre gab, und der seine Schätze in dreizehn Büchereinklebenließ. Ein geographisch näheres Vorbild bildet die Graphiksammlung von Erzher- zog Ferdinand von Tirol, die in vierunddreißig Bänden in den Ambraser SammlungendesKunsthistorischenMuseumserhaltengebliebenist,eineein- zigartige Parallele zu den 36 Klebebänden mit der Drucksammlung König Philipp II. von Spanien, heute in den Sammlungen des Escorial. Was in die- semZusammenhanginteressiert,istderenzyklopädischeCharakterderOrd- nungderDruckgraphikenüberweiteAbschnitteohneRücksichtaufkünstle- rischeKriterien,derenGliederungauffälligeParallelenzuunsererSammlung aufweist. Nach einem einleitenden Abschnitt, der den Werken Albrecht Dü- rers gewidmet ist – ein Abschnitt, der verständlicherweise in Schlägl fehlt – folgtmitBand4(Inv.Nr.6596)derAbschnitt„PhilosophiaMoralis“,unter anderem mit den auch in Schlägl vorhandenen Blättern der Genesis nach Marten de Vos. Wie in unserem Fall folgt auch in Ambras „Historia Veteris 13 StephanBRAKENSIEK,Vom„Theatrummundi“zum„CabietdesEstampes“.DasSammeln vonDruckgraphikinDeutschland1565–1821,Hildesheim2003. 208 ©Oberösterreichischer Musealverein - Gesellschaft für Landeskunde; download unter www.biologiezentrum.at Katalog der Kupferstichsammlung des Abtes Martin Greysing et Novi Testamenti“ und „Von unserer Lieben Frauen“ (Inv. Nr. 5349) , so- wie „Allerlaj Heyligen unnd Heilign in der gressern Furm“ (Inv. Nr. 6637). Das folgende Kapitel „Moralia Sacra“ (InvNr. 6582) enthält allegorische BlätterundschließtwieinSchlägldenreligiösenAbschnittab. Der profane Abschnitt enthält zunächst Bildnisse (Inv. Nr. 6635) und einen Abschnitt, der mit „Allerley Kupferstich als nemblich geistliche unnd weltli- che histori, bevestigung, gebeu unnd bilder“ (Inv. Nr. 6641) bezeichnet ist. Die nächste Gruppe „Stett, Ruinen, Landttaffeln, sambt den Lanndtschaff- ten“ (Inv. Nr. 6638) findet sich zwar auch in Schlägl, ist aber aufgrund des MangelsangeeignetenBlätterneherdünnausgefallen. AuchwennesnatürlichinderwesentlichgrößerenSammlungdesErzherzogs wesentlichmehrUntergruppengibt,sindsomitgrundsätzlicheParallelenun- verkennbar. Von Martins Vorgängern, die zweifellos ebenfalls im Bereich der Druckgra- phik sammelnd tätig waren, hat sich offenbar so gut wie nichts mehr erhal- ten.DieeinzigeunikaleKostbarkeitderSchläglerSammlungenisteinGebet- buch von Wenzeslaus Zipser, bei dem lediglich die Bildseiten gedruckt sind, die Textseiten aber für handschriftliche Eintragungen freigehalten. Die gra- phischenDarstellungenstammenvonWilhelmReich,derzwischen1575und 1600 in Köln nachweisbar ist. Hollstein („German Engravers“) kennt nur einzelne Blätter aus diesem Gebetbuch in öffentlichen Sammlungen, ob ein gesamtes Exemplar wie in Schlägl sonst noch vorhanden ist, bedürfte der Überprüfung.VondenunterMartinsRegierungszeitentstandenenKupfersti- chen des Klosters ist vor allem die Ansicht des Klostergebäudes in Vischers Topographia Austriae Superioris zu erwähnen, die zwar erst 1674 in Druck erschien, aber zweifellos früher aufgenommen wurde, wie Archivalien, von denenuntennochdieRedeseinwird,nahelegen.1657erschieneinallegori- scher Kupferstich auf Abt Martin Greysing von der Hand des Malers Burg- hart Schramman, den Wolfgang Kilian stach, vom beiden genannten Künst- lernstammtausdemselbenJahrdasThesenblattdesGabrielFeuerstein,eines entferntenVerwandtendesAbtes. Bildliche Darstellungen waren, wie oben erwähnt, ein wesentlicher Bestand- teildergeistlichenÜbungendesIgnatiusvonLoyola.Immerwiederverlangte dieservomÜbenden,sichdenOrtunddieUmständedesbiblischenGesche- hens,dasmeditiertwurde,inbesondererWeisevorAugenzuführen.Barto- lomeo Ricci berichtet in diesem Zusammenhang im 1607 erschienenen Vor- wortzu„VitaDominiNostriJesuChristi“,„immerwenner(Ignatius)dabei war über eines der Mysterien unseres Erlösers zu meditieren, blickte er un- mittelbarvordemGebetaufdieBilder,dieergesammelthatteunddieerzu diesemZweckinseinemZimmeraufgestellthatte.“ 209 ©Oberösterreichischer Musealverein - Gesellschaft für Landeskunde; download unter www.biologiezentrum.at Johannes Ramharter Daneben waren aber die Kupferstiche zweifellos eine Quelle der Inspiration für künstlerische Aufträge des Stiftes. In drei konkreten Fällen lassen sich druckgraphische Vorlagen für beauftragte Kunstwerke im Stift nachweisen, wobeieinerderSticheindervorliegendenSammlungerhaltenist:BereitsEtz- lstorfer14hatdaraufverwiesen,daßeineKreuzigungChristiimStiftnachei- nemStichvonPaulPontiusgefertigtwordenist.DasBlattistallerdingsnicht mehrimKlostererhalten,derMalermagesauchselbstbesessenhabenoder dieVorlageanderswobezogenhaben. UnmittelbarermitdergegenständlichenKupferstichsammlungverbundenist dasEpitaphdesJohannesThaddaeusPflegervon1707inMariaAnger15,das einemBlattvonMaertendeVosfolgt.WiesehrgeradebeiallegorischenAr- beiten das Verständnis der künstlerischen Komposition vom Auffinden der 14 IsfriedPICHLER–HannesEtzlstorfer,SchläglerGemäldekatalog(=SchläglerSchriftenBand 9),Inv.Nr.K161,Kat.Nr.161. 15 JohannesRAMHARTER,DieSkulpturendesStiftesSchlägl(=SchläglerSchriftenBand11), Schlägl1998,98,3.15. 210
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