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Kant und die Epigonen PDF

258 Pages·1912·10.642 MB·German
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Neudrucke seltener philosophischer Werke. Herausgegeben von der Kantgesellschaft. Band II. Kant und die Epigonen von Otto Liebmann. Berlin, Verlag von Reuther & Reichard 1912. 6 KANT -If,.^ UND DIE EPIGONEN. Eine kritische Abhandlung von OTTO LIEBMANN. C'est par l'Erreur qu'au vrai rhorame peut s'avancer. ' - Helvetius. Besorgt von Bruno Bauch. Berlin, Verlag von Reuther & Reichard 1912. Alle Rechte vorbehalten. Vorwort des Herausgebers. Die Jugendschrift Otto Liebmanns, die wir hier neu herausgeben, hat trotz der tiefgreifenden Wirkung, die sie geübt, lange Zeit im Buchhandel gefehlt. An Otto Liebmann waren, namentlich im Laufe der letzten Zeit, vielfach Aufforderungen ergangen, sie neu herauszugeben. Und als die Kant-Gesellschaft die „Neudrucke seltener philosophischer Werke" in den Plan ihrer Aufgaben ein- bezogen hatte, wurde auch uns der Wunsch unterbreitet, das nun hier vorliegende Werk von neuem zugänglich zu machen. Den Verfasser des Werkes brachte dieser Plan zu- nächst in einige Verlegenheit: Auf der einen Seite war ihm begreiflicherweise seine Schrift lieb und wert ge- worden. Auf der anderen Seite sagte er mir: „Aber es ist eben doch eine Jugendarbeit." Und ich hätte bereits aus der Art, wie er dieser gegenüberstand, den Grund- zug seines philosophischen Wesens, spräche er nicht sachlich schon aus jeder Seite, die er geschrieben, in der kurzen Zeit der persönlichen Beziehungen, die ich seit meiner Berufung nach Jena zu ihm gewonnen hatte, erkennen müssen: die lauterste und rückhaltloseste An- wendung des „yvwd^t asavTov" auf seine Person, sein eigenes Schaffen und Wirken. So war denn sein Ver- hältnis auch zu dieser Schrift das einer geradezu vorbild- lichen Objektivität: „Ich würde sie heute selbstverständ- lich ganz anders schreiben, als vor anderthalb Menschen- altern", sagte er mehr als einmal zu mir. Und »Kant VI Vorwort des Herausgebers. würde heute vielleicht noch besser wegkommen, als da- mals; aber wohl auch die Epigonen", meinte er. Nicht als ob dadurch seine später entwickelte, systematische Grundposition irgendwie angetastet werden sollte. Im Gegenteil, gerade von ihr aus hätte er am liebsten sein Erstlingswerk von Grund aus umgearbeitet und für diese Umarbeitung auch die historische Leistung der letzten Jahrzehnte verwertet. Allein, ein so deutliches Zeugnis für die Regsamkeit und Frische seines Geistes gerade dieser Wunsch war, so nötig war doch auch die stetige Rücksicht auf seine angegriffene Gesundheit. Und außer- dem wäre ja gerade eine Neubearbeitung nicht der von uns erbetene Neudruck gewesen, sondern ein neues Werk geworden. So vertraute er mir denn erst nach langem kritischen Erwägen, wenige Wochen vor seinem Tode, die Herausgabe seines Werkes an, in dessen erste zwei Druckbogen ich ihn noch Einsicht nehmen lassen konnte. Es bedarf ja eigentlich keines besonderen Hinweises darauf, daß der Verfasser der „Analysis der Wirklichkeit" und der „Gedanken und Thatsachen" nicht auf der von ihm im Jahre 1865 erreichten Position stehen geblieben ist, sondern über ein Menschenalter erfolg- und segens- reich weiter gearbeitet und weiter gewirkt hat. Als eine Pflicht der Pietät gegen die Person Otto Liebmanns, wie des Dankes gegen die Sache seiner Leistung will es mir aber gerade deshalb doch erscheinen, die heute mit dem Worte besonders schnell fertige Kritik in der Stellung zu Liebmanns Jugendwerk etwas zur Behutsamkeit zu mahnen und ihr zu sagen, daß Liebmann gerade im gerechten Bewußtsein seiner Leistung keinen aufrichtigeren und ehrlicheren Kritiker je wird finden können als sich selbst. Ich möchte darum wenigstens die beiden Haupt- punkte bezeichnen, auf die Liebmanns Selbstkritik gegen- über seiner Schrift über „Kant und die Epigonen" sich vor allem 'richtete. Der eine betrifft den Inhalt, der andere lediglich die Form. Immer noch unter dem Ein- Vorwort des Herausgebers. VII — drucke der letzten Gespräche mit Liebmann icli schreibe diese Zeilen genau eine Woche, nachdem ich ihn zum — letzten Male gesehen lege ich das, worauf es ankommt, möglichst im Anschluß an seine eigenen Äußerungen dar, gleichsam biographisch. Ich beginne mit dem inhaltlichen, den „Geist der Transscendentalphilosophie", um mit Liebmann selbst zu reden, berührenden Momente: Zu den besonderen Freuden, die Liebmann in den letzten Wochen seines Lebens erfuhr, und von deren Wirkung auf ihn ich selbst Zeuge war, gehört die Würdigung, die ihm Windelband in der Charakteristik der „philosophischen Richtungen der Gegenwart" (Große Denker II, S. 363 ff.) zuteil werden ließ. Wenn Windelband hier gesagt hatte, daß „Ein klein wenig von dem Anthropologismus aus den . . . Anfängen des neuen Kantianismus" auch noch bei Otto Liebmann bemerkbar sei, so gab Liebmann diese Kritik als durchaus zutreffend ebenso gerne zu, wie er Windel- bands Auffassung beistimmte, daß diese anthropologische Position gerade durch Liebmanns „Untersuchungen über die abgestuften Schichten des A priori" über sich selbst hinausgeführt wird. Er könne sich, meinte er, mit Windel- band sofort verständigen,^) indem er das A priori aus der Sphäre des Kantischen Begriffs der „menschlichen Vernunft", in der er es anfänglich belassen, in die Sphäre des Begriffs der „reinen Vernunft" verlege, auf den er es in letzter Linie, namentlich in seinen Hauptwerken, doch eigentUch abgesehen habe, und der auch innerhalb des Kantischen Systems von dem der „menschlichen Vernunft" durch die Forschung immer strenger werde ^) Nebenbei sei noch Folgendes, was damit ja im Zusammen- hange steht, bemerkt: Liebmann teilte durchaus auch Windelbands Auffassung des Pragmatismus und meinte Vor Sokrates habe der : „Hominismus" in der That etwas Imposantes. Aljer wem er nach Kant noch imponieren könne, an dem sei eigentlich nicht blos Kant, sondern auch alle Philosophie seit Sokrates spurlos vorübergegangen. VIII Vorwort des Herausgebers. unterschieden werden müssen. Und zur Bestätigung dessen wies er auch meine eigenen Ausführungen über seine (Liebmanns) Auffassung der Natur als „objektiver Weltlogik" hin, in der wohl das Anthropologische ab- gestreift und das Transscendentale rein dargestellt sei. Danach nun würde sich auch Liebmanns Stellung zu den „Epigonen" modifizieren. Das ist das Eine, das inhalt- liche Moment. Und das führt mich gleich zum zweiten, formalen Moment. Liebmann sagte mir eines Tages, die pein- lichste Verkennung der Absicht seiner Schrift über „Kant und die Epigonen" sei die als Lob gemeinte Ansicht ge- wesen, daß er mit Fichte, Hegel und Schelling nach Schopenhauers Vorbild zu Gericht gegangen sei. Er hätte geglaubt, Schopenhauers Verfahren doch gerade in diesem Buche deutlich genug charakterisiert zu haben. (Ausdrücklich wird ja in der That die „Unbill" Schopen- hauers als „unverzeihlich, taktlos, unpassend, ja unan- ständig" bezeichnet.) Aber er sei wohl für die Allge- meinheit der Leser noch nicht deutlich genug gewesen, und so sollte er eigentlich sowohl Fichte, Hegel und Schelling gegenüber, als auch gegen Schopenhauer noch deutlicher sein. Auch diese Bemerkung wollte ich zum rechten Verständnis von Liebmanns Absicht nicht unter- drücken. Ich denke: es ist in seinem Sinn und Geist, diese eigentlich private Aeußerung mitzuteilen. Im übrigen kann ich ja nun auf Liebmanns sachliche Dar- stellung verweisen. Aus ihr ergibt sich für jeden, der philosophische Bücher lesen kann, genau das Gegenteil von Schopenhauers Verfahren. Dieses wird zwar immer noch gelegentlich nachgemacht. Man reißt auch heute noch, nach Schopenhauers Rezept, Stellen aus Hegels Werken heraus, um sie, freilich ohne Schopenhauers Witz, dem Gelächter einer selbst witzlosen Menge preis- zugeben. Und wenn das bei Schopenhauer auch, um LiebmannsCharakteristikderSchopenhauerschenGepflogen- Vorwort des Herausgebers. IX heit gegen Fichte auch auf das noch üblere Verhalten gegen Hegel anzuwenden, „unverzeihlich, taktlos, un- passend, ja unanständig" war, so mochte es bei Schopen- hauer immer noch den Reiz der Neuheit und des Witzes, wenn auch des schlechten Witzes, für sich haben. Das witzlose Copieren Schopenhauers aber ist zu allem anderen noch abgeschmackt. Um solche Possen zu reißen, dazu dachte Otto Liebmann wahrhaftig zu groß und zu vornehm, dazu hatte er viel zu viel philosophischen Ernst und philo- sophische Würde, viel zu viel Lebensstil, ja schon viel zu viel Geschmack. Dazu hatte er vor allem zu viel von jener echten Ehrfurcht vor echter Größe, die Goethe fordert, zu viel Ehrfurcht vor dem, was er selbst die philosophische Tradition genannt hat. Außer seiner Schrift über „Kant und die Epigonen", und seinem letzten Vortrage über Kant (welche beiden Werke aber selbst stark systematisch gerichtet sind) hat Liebmann zwar nicht eigentlich historisch gearbeitet, sein eigenstes Arbeitsfeld war die systematische Philosophie. Aber ge- rade dadurch erwies er sich als echten Vertreter jener systematischen Philosophie, der die Zukunft gehört, daß er den Wert der Geschichte für das System der Philo- sophie zu würdigen wußte. Davon legt nicht etwa blos seine Abhandlung über philosophische Tradition beredtes Zeugnis ab, dafür zeugen seine systematischen Haupt- werke selbst tausendfältig. Und das philosophische Denken der Gegenwart zeigt gerade darum so wenig be- deutende Erscheinungen, die selbst für die Zukunft arbeiten, und soviel Kleinheit, deren Sein in der Gegen- wart beschlossen liegt, weil dem Gros der Gegenwarts- erscheinungen der Sinn für die Bedeutung der Vergangen- heit noch nicht aufgegangen ist, ohne den es für unsere Gegenwart nun einmal keine Zukunft mehr geben kann. Von diesem Gros hat man einen Liebmann aber wahr- lich zu scheiden. Wenn er hier gegen die „Epigonen" Vorwort des Herausgebers! einen energischen Kampf ausficht, um für Kant selbst, freilich unter ebenso energischer Kritik, zu kämpfen, so hat er die „Epigonen" wahrhaftig nicht als Nichtigkeiten hinstellen wollen. Nichtigkeiten hätte Liebmann wohl in einem Gelegenheitsaufsatze abtun können, aber über Nichtigkeiten hätte er sicherlich nie ein Buch geschrieben. Und dieses wieder hätte nicht so positiv gewirkt, wie es gewirkt hat. Daß er über „Kant und die Epigonen" so geschrieben hat, wie er geschrieben hat, ist also nicht blos ein Zeugnis für die Kant jederzeit gezollte Be- wunderung, sondern auch ein Ausdruck der Achtung vor den „Epigonen". Und auch dieser Name kann nicht einmal als eine Herabsetzung gedeutet werden, er muß aus der Sache historischer Epigenese verstanden werden. Denn gerade in dieser Schrift hat Liebmann die „Epigonen" nicht blos als „selbständige Denker", ja als „große Architekten" des Gedankens anerkannt, sondern in ihnen geradezu die „großartigen Haupt- richtungen unserer modernen Philosophie" gesehen. Er hat nicht nur seinen Sinn offen gehalten für ihre „her- vorstechende Kraft des Gedankens", sondern, was mehr ist, er hat es ausgesprochen, wie sehr es ihnen „Ernst mit der Wahrheit" ist. Das ist doch wahrhaftig eine andere Sprache, als sie Schopenhauer gegen Fichte, Hegel und Schelling geführt hat. Wenn er sich nun mit diesen nicht minder energisch auseinandersetzt, als mit Schopenhauer und mit Herbart, so geschah es nur, weil ihm selbst der „Ernst mit der Wahrheit" eine heilige Sache war. Auch das wolle man beachten, wenn man sich an das Studium von Liebmanns Jugendarbeit begiebt. Da Liebmann, wie schon gesagt, eine Neubearbeitung nicht, mehr möglich war, ohne daß sich ihm eben ein .ganz neues Werk ergeben hätte, so wünschte er, daß ich vielleicht in einem Herausgebervorworte ausdrücklich darauf hinwiese, daß es sich nicht um eine neue Auflage, Vorwort des Herausgebers. XI sondern um einen dem Plane der Kant-Gesellschaft ent- sprechenden Neudruck handle. Er gab mir einige Zeilen von seiner Hand, die ich dazu nach meinem Belieben verwerten könnte. Ich lasse sie aber unverkürzt als Vor- wort des Verfassers folgen. Es sind die letzten Zeilen, die, wenigstens ihrem Inhalte nach, von ihm zur Mit- teilung an die Öffentlichkeit bestimmt waren. Als letztes, wenn auch kurzes, literarisches Dokument werden sie seinen Freunden und Lesern willkommen sein. Mir bleibt noch eine Pflicht: Otto Liebmanns letzter Schüler, Herr Dr. Walter Mechler, hat mich beim Lesen der Korrekturen bereitwillig und freundlich unterstützt. Den aufrichtigen Dank, den ich ihm dafür schulde, möchte ich ihm hier, auch noch im Namen seines ver- ehrten entschlafenen Lehrers, von Herzen aussprechen. So mögen denn „Kant und die Epigonen" von neuem ausziehen. Ich denke: Wenn man beachtet, was ich hier im Sinne Liebmanns darzulegen versucht habe, werden sie auch von neuem im Sinne Liebmanns wirken. Die philosophische Arbeit der Gegenwart, soweit sie wirklich philosophisch und wirklich Arbeit ist, steht aber- mals unter dem Zeichen der Auseinandersetzung mit Kant und den Epigonen. Auseinandersetzung aber ist ebensowenig verständnisloses Schmähen, wie verständnis- loses Nachbeten. Dieses widerstrebteLiebmanns kritischem Denken ebenso, wie jenes seinem Gerechtigkeitsbewußt- sein. Darum ward seine Schrift zum Aufruf für den Kritizismus gegen den Dogmatismus. Dafür aber hätte er sich nicht blos auf Kants Ausspruch berufen können, daß den, der einmal echte Kritik gekostet habe, alles dogmatische Gewäsch ekele. Mit demselben Rechte hätte er auch auf jene kraftvolle Erscheinung unter den drei großen Epigonen, der er gerne seine besondere Hoch- achtung bezeugt, verweisen können auf Fichte, der gegen die Nachbeterei des Wortes betont: „wer nur dieses hat, hat denn in der Tat auch nur ein Wort und keinen

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