ERICH ADICKES KANT ALS NATURFORSCHER BAND I VERLAG W. DE ORUYTER & CO. / B E R L IN Alle Rechte vorbehalten. DEUCK VON H. LAUFP JK IX TÜBINGEN. KARL G R O OS dem lieben Kollegen und Freunde als Zeichen inneren Verbundenseins Vorwort. Das „nonum prematur in annum" ist bei diesem Werk weit über- schritten. Seine Anfänge reichen fast 20 Jahre zurück. Im Frühjahr 1914 begann ich mit der Ausarbeitung. Sie führte mich zu dem natur- wissenschaftlichen Teil des letzten, von Kant unvollendet hinterlassenen Werkes. Der Versuch, ihn kurz zusammenfassend darzustellen, rollte eine Fülle von Fragen auf, zu deren Beantwortung sich ein Durchforschen des Manuskripts als notwendig erwies. Das freundliche Entgegenkommen der Erben des Hauptpastors Albr. Krause in Hamburg und eine pekuniäre Unterstützung seitens der Berliner Akademie der Wissenschaften ermög- lichten mir im Sommer 1916, in der Hamburger Stadtbibliothek Einsicht in die Handschrift zu nehmen: in vierwöchentlicher intensiver Arbeit konnten die schwierigen Probleme betreffs Entstehung und Zusammen- hang der einzelnen Blätter der Lösung entgegengeführt werden. Als Frucht der Beschäftigung mit dem Werk erschien 1920 meine Schrift: „Kants Opus postumum" (50. Ergänzungsheft zu den Kant- studien, XX und 855 S.). In ihr stellte ich unter anderem fest, daß Kant schon um 1796, also zu einer Zeit, wo sich noch keine Zeichen von Senilität bei ihm bemerkbar machten, in einem Entwurf von 9 Oktavblättern alle Hauptthemata behandelt hat, die später den Inhalt des „Elementar- systems der bewegenden Kräfte" bildeten. Daraus leitete ich die Folge- rung ab, daß eine unverkürzte, würdige Gesamtausgabe nach streng wissenschaftlichen Grundsätzen eine Ehrenpflicht Kant gegenüber sei. Das Interesse am Opus postumum ist durch mein Werk so lebendig geworden, daß der Gedanke einer solchen Gesamtausgabe Aussicht auf baldige Verwirklichung hat: der Verlag W. de Gruyter u. Co. hat von den Krause'sehen Erben das Recht der Veröffentlichung des Manuskripts erworben und wird es in der Akademie-Ausgabe im Rahmen von Kants handschriftlichem Nachlaß nach den für diesen aufgestellten Editions- prinzipien abdrucken lassen. Als ich zuerst an das Opus postumum herantrat, hoffte ich mit seinem naturwissenschaftlichen Teil innerhalb einer Frist von 4 Wochen Vorwort. fertig werden zu können. Aus den 4 Wochen sind 4 Jahre geworden, und um ebensoviel wurde leider die Fertigstellung des vorliegenden Werkes hinausgezögert. Sein Erscheinen ist durch einen namhaften Beitrag seitens der „Not- gemeinschaft der deutschen Wissenschaft" ermöglicht worden. Ihr sei hiermit verbindlichster Dank ausgesprochen. Ebenso dem Verlag, der trotz der schweren Zeitläufte es gewagt hat, sich für ein Spezialwerk von solchem Umfang einzusetzen. Doch ist zu hoffen, das durch das Kantjubiläum verstärkte Interesse werde auch ihm zugute kommen, zumal es bisher keine zusammenfassende, erschöpfende Darstellung der Leistungen Kants auf naturwissenschaft- lichem und naturphilosophischem Gebieta) gibt. Eine solche Gesamtdarstellung strebte ich an, und außerdem suchte ich die Grundlage für eine objektive Beurteilung der Ansichten Kants dadurch zu gewinnen, daß ich sie in den Zusammenhang seiner Zeit hineinstellte und überall den Problemstand erörterte, den er vorfand. Nur wenn man seine Theorien und Hypothesen gegen diesen Hintergrund hält, läßt sich ein wirklich gerechtes Urteil über sie fällen. Doch ist dazu auch noch ein Zweites nötig: daß man nämlich Kants Geistesanlage nicht als die eines Naturwissenschaftlers im eigentlichen Sinn betrachtet und von dieser Auffassung aus dann falsche Anforderungen an ihn stellt. Das ist oft geschehn, und daraus erklären sich die gegensätzlichen Urteile, die über seine Bedeutung als Naturforscher gefällt worden sind. Ich habe es mir deshalb besonders angelegen sein lassen, hier volle Klarheit zu schaffen und nachzuweisen, daß Kant seiner ganzen Geistesart nach zum Typus der abstrakten, philosophischen Denker, nicht zum natur- wissenschaftlichen Typus gehört. Ich lege auf diese Untersuchungen besonderen Wert, weil sie uns einen tiefen Einblick in das Wesen eines der größten wissenschaftlichen Genies gewähren, und nur auf Grund solcher individual-psychologischen Studien kann die Einsicht in das Wesen des Genies überhaupt und damit in eines der größten und zu- gleich geheimnisvollsten Phänomene der Menschheit erwachsen. Für mannigfache Unterstützung und Förderung spreche ich meinen hiesigen Kollegen, den Herren E. Lehmann, K. Kommereil, F. Paschen und H. Rosenberg, ferner den Herren E. Fischer in Freiburg i. Br., R. Gans in La Plata und Edg. Meyer in Zürich herzlichsten Dank aus. 1) Beide Gebiete sollen in dem TiJ,el „Kant als Naturforscher" zusammen- gefaßt werden. Das Wort „Naturforscher" ist also in dem früher üblichen weiteren Sinn zu verstehn, bei dem man nicht unwillkürlich auch an experimentelle Be- tätigung und nicht einmal immer an Detailforschung dachte. Vorwort. VII Band II ist im Druck. Zum Schluß gebe ich eine alphabetische Uebersicht über die ge- brauchten Abkürzungen: A = Jahrgang 1882 der Altpreußischen Monatsschrift. d'Alembert = d'Alembert: Roflcxions sur la cause gonorale des vents. Piece qui a remporto le prix propose par l'acadomie royale des sciences et belies lettres de Prusse pour l'annee 1746. Ä laquelle on a joint les pieces qui ont concouru. 1747. XXIV, 136 S. Angebunden: D. Bernoulli: Recherches physiques et mathomatiques sur la thoorie des vents regies (S. 137—176), und Mylius: Versuch einer Bestimmung der Gesetze der Winde, wenn die Erde überall mit einem tiefen Meere bedeckt wäre (S. 177—224). A.M. = Altpreußische Monatsschrift. A.N.u.Th. = Kant: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. 1755. B = Jahrgang 1883 der Altpreußischen Monatsschrift. Bergman = T. Bergman: Physikalische Beschreibung der Erdkugel. Aus dem Schwedischen übersetzt von L. H. Röhl. 1. Aufl. 1769, 2. Aufl. in 2 Bdn. 1780. Berliner Physik-Nachschrift = Ms. germ. Quart. 400 der Berliner Staatsbibliothek, ein Sammelband, in dem sich auch ein Fragment einer Physik-Nachschrift nach Kants Vorlesung befindet. Beweisgrund = Kant: Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes. 1763. II 65 ff. Buffon = Buff on: Allgemeine Historic der Natur. T. l Bd. l und 2 1750, T. II Bd. l 1752. C = Jahrgang 1884 der Altpreußischen Monatsschrift. Crusius = Chr. Aug. Crusius: Anleitung über natürliche Be- gebenheiten ordentlich und vorsichtig nachzuden- ken. T. I. II. 1749. Danziger Physik-Nachschrift = Kollegheft nach Kants Vorlesung über theoretische Physik im Besitz der Danziger Stadtbibliothek. Dieterich I = K. Dieterich: Kant und Newton. 1876. Dieterich II = K. Dieterich: Kant und Rousseau. 1878. Drews = A. Drews: Kants Naturphilosophie als Grundlage seines Systems. 1894. Dühring = E. Dühring: Kritische Geschichte der allgemeinen Prinzipien der Mechanik 2. 1877. G. Eberhard = Gust. Eberhard: Die Kosmogonie von Kant. Münchner I.-D. 1893. J. P. Eberhard = Joh. Pet. Eberhard: Erste Gründe der Naturlehre. 1. Aufl. 1753. 4. Aufl. 1774. VIII Vorwort. Ebert Kant: A.N.u.Th. hrsg. von H. Ebert, in: Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften. Nr. 12.1890. E. n. a. K. E. Adickes: Ein neu aufgefundenes Kollegheft nach Kants Vorlesung über physische Geographie. 1913. (Universität Tübingen. Doktoren-Verzeich- nis der philosophischen Fakultät für 1907.) Endler R. Endler: Kants physische Monadologie im Ver- hältnis zur Philosophie und Naturwissenschaft der Zeit. Leipziger I.-D. 1902. Erxleben J. Chr. P. Erxleben: Anfangsgründe der Naturlehre. 1. Aufl. 1772. 2. Aufl. 1777. 3. Aufl. 1784. 5. Aufl. 1791. 6. Aufl. 1794. Faye H. Faye: Sur l'origine du monde. Theories cosmo- goniques des anciens et des modernes. 4. od. 1907. Fischer Jh. C. Fischer: Anfangsgründe der Physik. 1797. Fr. IM. Freye Urtheile und Nachrichten zum Aufnehmen der Wissenschaften und der Historie überhaupt. 8. Jahr, 1.—3. St. Hamburg 1751. Gehler J. S. Tr. Gehler: Physikalisches Wörterbuch Bd. I 1787, Bd. II 1789, Bd. III 1790, Bd. IV 1791, Bd. V 1795, Bd. VI 1796. Gensichen Will. Herschel: Ueber den Bau des Himmels. Drei Abhandlungen aus dem Englischen übersetzt. Nebst einem authentischen Auszug aus Kants A.N.u.Th. <von Jh. Fr. Gensichen). 1791. Gerland G. Gerland: Kant, seine geographischen und anthro- pologischen Arbeiten, in: Kantstudien 1905 X l bis 43, 417—547. Günther S. Günther: Handbuch der Geophysik. 2. Aufl. 1897. Bd. I. Hann Jul. Hann: Lehrbuch der Meteorologie2 1906. Hastie Kant's Cosmogony as in his essay on the retar- dation of the rotation of the earth and his natural history and theory of the heavens with inter- duction and appendices edited and translated by W. Hastie. 1900. Höfler = AI. Höfler: Studien zur gegenwärtigen Philosophie der Mechanik. Als Nachwort zu Kants M.A.d.N. (Veröffentlichungen der Philosoph. Gesellschaft a. d. Universität zu Wien. Bd. III b). 1900. Holstein-Beck'sches Heft = ein dem Herzog v. Holstein-Beck überreichtes, von Kant durchkorrigiertes Geographie-Heft mit dem Diktattext Kants. 4 °. Besitzer: Herr Ed. Stahl- berg-Friedenau b. Berlin. K.A. = E. Adickes: Kants Ansichten über Geschichte und Bau der Erde. 1911. Kants Op. p. = E. Adickes: Kants Opus postumum dargestellt und beurteilt. 1920. Vorwort. IX Keferstein H. Keferstein: Die philosophischen Grundlagen der Physik nach Kants M.A.d.N. und dem Op. p. Wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht der Höheren Bürgerschule vor dem Lübeckertor zu Hamburg für 1891/92. 1892. König E. König: Kant und die Naturwissenschaft. 1907. [Die Wissenschaft. Heft 22.] Kuttner O. Kuttner: Historisch-genetische Darstellung von Kants verschiedenen Ansichten über das Wesen der Materie. Als Preisschrift gekrönt von der philos. Fakultät zu Berlin am 3. Aug. 1880. Hallenser I.-D. 1881. L.B1. Lose Blätter aus Kants Nachlaß hrsg. von R. Reicke. Heft I—III. 1889, 1895, 1898. Lehmann F. W. P. Lehmann: Kants Bedeutung als akademi- scher Lehrer der Erdkunde. Separatabdruck aus den Verhandlungen des 6. deutschen Geographen- tages zu Dresden. 1886. Lulof J. Lulof: Einleitung zu der mathematischen und physikalischen Kenntnis der Erdkugel, übers, von A. G. Kästner. T. I. II. 1755. Mach E. Mach: Die Mechanik in ihrer Entwickelung. 6. Aufl. 1908. M.A.d.N. Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Natur- wissenschaft. 1786. Mariotte Oeuvres de Mariotte. T. I. II (durchpaginiert). 1717. Musschenbroek 1 P. van Musschenbroek: Essai de physique. Tra- duit du Hollandais. T. I. II. 1739. Musschenbroek 2 P. van Musschenbroek: Elementa physicae con- scripta in usus academicos. 2. ed. 1741. Musschenbroek 3 P. van Musschenbroek: Introductio ad philoso- phiam naturalem. T. I. II. 1762. Newcomb-Engelmann Newcomb-Engelmann: Populäre Astronomie. 5. Aufl. 1914. 7. Aufl. 1922. (Ist nichts weiter an- gegeben, so wird nach der 7. Aufl. zitiert.) Newton J. Newton: Philosophiae naturalis principia mathe- matica. 1714. 4°. Newtons Optice wird in der lateinischen Uebersetzung von S. Clarke (Lausannae et Genevae 1740, 4°) zitiert. Nyron Magn. Nyron: Ueber die von E. Swedenborg auf- gestellte Kosmogonie, als Beitrag zur Geschichte der s. g. Kant-Laplace'schen Nebular-Hypothese; nebst einem Resume von Th. Wrights „New Hypo- thesis of the Universe", in: Vierteljahrsschrift der astronomischen Gesellschaft. 14. Jahrgang. 1879. S. 80—91. Op. p. Opus postumum Kants. Vorwort. . Gelungen Kant: A.N.u.Th. hrsg. von A. J. v. Oettingen, in: Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften. Nr. 12. 2. Aufl. 1898. Reuschle G. Reuschle: Kant und die Naturwissenschaft, mit besonderer Rücksicht auf neuere Forschungen, in: Deutsche Vierteljahrsschrift. 31. Jahrgang. 1868. 2. Heft. S. 50—102. Rink Kants Physische Geographie hrsg. von Fr. Th. Rink. 1802. Rosenberger Ferd. Rosenberger: Die Geschichte der Physik in Grundzügen. T. I 1882. T. II 1884. T. III 1887 bis 1890. Rosenberger Ferd. Rosenberger: J. Newton und seine physika- lischen Prinzipien. 1895. R.V. Kants Kritik der reinen Vernunft. Schöne G. H. Schöne: Die Stellung J. Kants innerhalb der geographischen Wissenschaft. Leipziger I.-D. 1896. Sonderabdruck aus A.M. Bd. 33. Simmel Georg Simmel: Das Wesen der Materie nach Kants physischer Monadologie. Berliner I.-D. 1881. Stadler Aug. Stadier: Kants Theorie der Materie. 1883. Thiele I, II G. Thiele: Die Philosophie J. Kants nach ihrem systematischen Zusammenhange und ihrer logisch- historischen Entwicklung. I. Bd. 1. Abteil. Kants vorkritische Naturphilosophie. 1882. 2. Abteil. Kants vorkritische Erkenntnistheorie. 1887. U Kant: Kritik der Urteilskraft. Unold J. Unold: Die ethnologischen und anthropogeogra- phischen Anschauungen bei J. Kant und J. R. Forster. Leipziger I.-D. 1886. Untersuchungen E. Adickes: Untersuchungen zu Kants physischer Geographie. 1911. Varenius i B. Varenius: Geographia generalis ed. J. Newton. 1681. Varenius 2 Dasselbe Werk ed. J. Jurin 1712. W.A. = Wärme-Aufsatz E. Adickes: Zur Lehre von der Wärme von Fr. Bacon bis Kant, in: Kantstudien XXVII 1922, S. 328—68. Wolf G. Wolf: Los hypotheses cosmogoniques. Examen des theories scientifiques modernes sur l'origine des mondes, suivi de la traduction de la Thoorie du Ciel de Kant. 1886. Wright Thorn. Wright (of Durham): An original theory or new hypothesis of the universe. 1750. (Ausführ- licher Titel in § 259.) Zöllner J. G. F. Zöllner: Photo metrische Untersuchungen mit besonderer Rücksicht auf die physische Be- schaffenheit der Himmelskörper. 1865.