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Jugendliche Außenseiter: Zur Rekonstruktion gescheiterter Bildungs- und Ausbildungsverläufe PDF

289 Pages·1991·10.47 MB·German
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Werner Helsper . Hermann J. Muller· Eberhard Nolke . Arno Combe Jugendliche Auaenseiter J. Werner Helsper . Hermann Muller Eberhard N61ke . Arno Combe Jugendliche Auaenseiter Zur Rekonstruktion gescheiterter Bildungs- und Ausbildungsverliiufe Westdeutscher Verlag Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Jugendliche Aussenseiter: zur Rekonstruktion gescheiterter Bildungs- und Ausbildungsverlaufe / Werner Helsper ... - Opladen: Westdt. VerI., 1991 NE: Helsper, Werner Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International. Alle Rechte vorbehalten © 1991 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Das Werk einschlielSlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere rur VervieWiltigungen, Obersetzungen, Mikrover filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Biirlde, Darmstadt Druck und buchbinderische Verarbeitung: Lengericher Handelsdruckerei, Lengerich Gedruckt auf saurefreiem Papier ISBN-13: 978-3-531-12276-2 e-ISBN-13: 978-3-322-87765-9 001: 10.1007/978-3-322-87765-9 Inhalt Vorbemerkung ........ . 7 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 14 1.1. Strukturwandel der Jugendphase: Zu den vernDderten Bedingungen jugendlichen Aufwachsens ...................... 14 1.2. Zum VerhiUtnis von Individualisierung und Marginalisierung Jugendlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Zum methodischen Vorgehen ................. . 59 3. Fallstudien ........................... . 73 3.1. "Ja und das war immer ein hin und her" Fallstudie Esra .............. . .73 3.2. "Ich hatte Kreuzweh und alles, aber ich hab's durchgehalten" Fallstudie Stefan ...................... 101 3.3. "Icb hab mich ntimlich selbst entwickelt" Fallstudie Markus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3.4. "Weil ich iIruner gedacht hab, ich Uit hintendran geschoben werden" Fallstudie Coralla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3.5. "Aber so08t war das v()llig normal bei uns" Kurzportrait Ann-Kathrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3.6. "Ich hatte die erste Zeit keinen mehr, der auf mich aufpaBt" Kurzportrait Tommy ................... . 157 3.7. "Das wichtigste ist fUr mich die Krankheit" Kurzportrait Doris . . . . . . 165 4. Fallkontrastierungen .............. . 174 4.1. Marginalisierung wld Familie .............. 174 4.2. Peerbeziehungen und MarginaHsierung .......... 194 4.3. Schulerfahrungen marginalisierter Jugendlicher . . . . . . 218 4.4. Erfahrungen marginalisierter Jugendlicher mit I08titulionen der Jugendhilfe ................. 239 5. Abschlie.6ende Diskussion und Ausblick . 260 Anmerkungen 269 Literatur 282 5 Vorbemerkung Die hier vorgelegte Untersuchung iiber LebensHiufe marginalisierter Jugendli cher wurde im Rahmen eines Forschungs- und Weiterbildungsprojektes an der Johann-Wolfgang Goetbe-Universitlit in FrankfurtlMain von den Autoren durch gefiihrt. Renate Dichmann und Martin Ehlert haben an den g~meinsamen Inter pretationssitzungen des Projektes teilgenommen. Ihnen verdanken wir wertvolle Anregungen. Finanziell unterstiitzt wurde das Projekt vom EG-Sozialfonds und der Stiftung "Hilfe zur Selbsthilfe" der Deutschen Bank. Dank schulden wir in erster Linie den von uns befragten Jugendlichen, die bereit waren, uns, zum Teil sehr pers6nliche, biographische Erlebnisse und Erfahrungen zu erzlihlen. Wert volle Hinweise fUr unsere Forschungsarbeit verdanken wir auch Ulrich Oever mann. In den Fallanalyseseminaren der von uns durchgefiihrten Weiterbildung konnten wir auch von den beruflichen Erfahrungen der Kursteilnehmer, die mit arbeitslosen und marginalisierten Jugendlichen arbeiteten, profitieren. Einleitung A'IIo Combe 1m Gegensatz zu manchen euphorischen Aonahmen im Rahmen des sogenann ten Individualisierungs-Theorems treten bei der hermeneutischen Fallrekon struktion scheitemder Bildungs- und AusbildungsverHiufe Jugendlicher zu nlichst die Zwlinge hervor, die modemen gesellschaftlichen Rationalisierungs formen - bis in die inneren Entfaltungsgesetzlichkeiten jugendlicher Praxen hinein - innewohnen. Die Frage nach resistenten Verarbeitungsformen bedarf einer differenzierten und - wie wir meinen - fallspezifischen Rekonstruktion und Diskussion. Wir werden auf diese Thesen noch zuriickkommen. Diese Untersuchung ist Teil des von der EG finanzierten Forschungs- und Weiterbildungsprojekts "Berufliche Bildung und Berufsberatung"*, das wir yom 01.12.1987 bis zum 30.11.1990 durchftihrten. Das Ziel des Weiterbildungs projekts bestand in der Erarbeitung, Durchftihrung und Auswertung eines Cur riculums zur Qualifizierung von psychosozialen Fachkrliften (Plidagogen, So zialarbeiter, Psychologen, Meistem, Ausbildungsleitem), die mit arbeitslosen und randstlindigen Jugendlichen arbeiteten. Ein Bestandteil dieses Projektes war der hier vorliegende sozialwissenschaftliche Forschungsteil. Dabei galt es, zen trale Prozesse der Marginalisierung der Jugendlichen zu rekonstruieren, ein theoretisches Modell dieses Marginalisierungsprozesses zu entwickeln, sowie zentrale Ergebnisse und Fallstudien in das Weiterbildungscurriculum zu tiber tragen. Voriiberlegungen zur Forschungslage - sowie die Erfahrungen aus einem Familienprojekt (vgl. hierzu Clemenz/Combe u. a., 1990) - ftihrten zu dem Ergebnis, daB im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit ein sowohl theoretischer wie methodologischer Neuansatz erforderlich ist. Dieser theoretische und me thodologische Rahmen soH im folgenden skizziert werden. Zunlichst seien eini ge Bemerkungen zum gesellschaftstheoretischen Rahmenverstlindnis dieser Stu die vorangestellt. Wir gehen von der These aus, daB zeitgenossische, geltende Normalitlits entwtirfe der Lebensfiihrung Handlungsrliume und Handlungsaufforderungen enthalten, die dem einzelnen ein hohes MaB an Planung, AktiviUit und nicht mehr ohne weiteres konventionell abgesttitzte Entscheidungen im Rahmen sei nes Lebenslaufs abverlangen. Gegenwlirtiges Handeln muB immer deutlicher im Licht vergegenwlirtigter eigener Vergangenheit und unter der Prlimisse von Vorgriffen auf die Zukunft bedacht werden. Diese Notwendigkeit einer existen- * Leitung Prof. Clemenz, Prof. Combe, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Johann-Wolfgang-Goetbe Universitat, Frankfurt a. M. tiellen Selbstreflexion - bei der stets subjektive Prliferenzen, Mt>glichkeiten und iiberindividuell-institutionelle Bedingtheiten zu vergegenwartigen und in einen Zusammenhang zu bringen sind - geMrt auch zu den entscheidenden gesell schaftsstruktureHen Anforderungen, die an das jugendliche Aufwachsen gestellt sind. Dies schUigt sich in epochalen Vedinderungen - in Lebensbereichen wie Familie, Schule, Arbeit und Freizeit - nieder, nicht ohne dort zu erheblichen Spannungen zwischen einer instrumentelI-vereinseitigenden Nutzenorientierung einerseits und kommunikativen Sinnmustem wie personale Selbstentfaltung, Verstlindigung und Anerkennung andererseits zu fiihren. Unabweisbar ist aber, daB diese kalkulatorische Rationalisierung - im Zuge der wissenschaftlichen, technisch-industriellen und gesellschaftlichen Prozesse formal und biirokratisch organisierenden Zivilisation (Max Weber) - aIle Le bensbereiche durchdringt. Ais Ausdruck und Folge dieser im Moment erreichten Stufe der kalkulato rischen Rationalisierung aller Lebensbereiche setzen Eltem - generell gespro chen - in der familialen Erziehung heutzutage deutlicher auf Kompetenzen wie Urteilsfahigkeit, perst>nliche Selbstandigkeit ihrer Kinder, einen argumentati ven, begriindenden Erziehungsstil und "Miteinander-Reden", als auf die tradi tionelle Moral einer hochbewachten und kontrollierten Kindheit und Jugend. Solche Kompetenzen sind eindeutig auf eine flexible Bewaltigung von vielfal tigen und in der Regel noch uniibersehbaren zukiinftigen Anforderungen gerich tet, die auf die Heranwachsenden zukommen werden. Diese sozialstrukturell erzwungenen Trends enthalten nun zweifellos Liberalisierungs- und Emanzipa tionsehancen, aber sie fiihren auch zu hohen Anforderungen an die Gesprachs und Konfliktbereitschaft der Erwachsenen, zu Anforderungen an Klarheit, Si cherheit, an verstehende und gleichsam beratende Fahigkeiten der Eltem, die sie nieht selten iiberfordem. Die Familienbeziehungen werden auch schwieriger, anspruchsvoller und sWranfalliger. Vor aHem sind nun solche aus den bislang vorliegenden empirischen Untersuchungen zu extrahierenden Ergebnisse auf unterschiedliche Lebenslagen und soziale Milieus zu iibertragen. So ist die Frage ungeklart, wie diese dem Subjekt aufgebiirdete Eigenleistung, der indi viduell und familial aufzuarbeitende Entseheidungsbedarf, das ihm zugrunde liegende aktive Handlungsmodell und die daraus erwachsende Orientierungs problematik im Falle von randstandigen Jugendlichen und ihren Familien be waltigt wurde und wird. Auch im Bereich der Schule sind Zwange zur "methodischen Lebensfiih rung" (M. Weber) und Biographieplanung deutlich sichtbar. Der einzelne muB lemen, bei Strafe seiner permanenten Benaehteiligung " ... sich selbst als Hand lungszentrum, als Planungsbiiro in bezug auf seinen Lebenslauf, seine Fahig keiten, Partnerschaften usw. zu begreifen" (Beck, 1986, 216). Urn berufliche Chancen iiberhaupt zu erhalten, miissen einerseits vermehrt Bildungsanstren gungen untemommen werden, andererseits ist unsicher, inwiefem sich diese mit einer antizipierten - (noch) nicht existierenden - Zukunft kalkulierende Lei stungsbereitschaft "auszahlt". Jedenfalls zeigt sich, daB eine direkte Berufspro grammierung des Bildungssystems - angesichts der strukturellen Veranderun- 10 gen des Beschliftigungssystems - mehr und mehr zu einem Anachronismus wird. Auf der Ebene der institutionalisierten Bildungsprozesse bietet das histo risch die Chance, iiber Konzepte allgemeiner und allseitiger Bildung in einem neu zu entwerfenden Sinne nachzudenken. Auch jener kurzfristige Verwer tungspositivismus, den die Didaktik oft praktiziert - der auch auf seiten der SchUlerinnen und SchUler flilschlicherweise vorausgesetzt wird - wird proble matisch. Anslitze zu einem verlinderten Lembegriff, die auf lebendige wie sach haltige Erfahrung zielen und nicht bl06 einer instrumentellen Zweck-Mittel-Ra tionalitlit des Nutzens untergeordnet werden, geraten im Bereich institutionali sierter Lemprozesse neu in den Blick. DeutIich wird iiberdies, welche (gesell schaftIichen) Potentiale an eigenen Wahmehmungs-, Handlungs- und Erkennt nisflihigkeiten, an Selbstbewu6tsein, Phantasie und Eigensinn durch die vor herrschenden schulischen Lem- und Interaktionsroutinen verschiittet werden. Auch diese allgemeine Trendbestimmung bekommt hinsichtlich schuIischer Mi6erfolgskarrieren benachteiligter JugendIicher emeut einen besonderen Ak zent. So gerlit das traditionelle Selbstverstandnis der Schulformen, das Spektrum an erwiinschten Leistungen, Flihigkeiten, Bildungsinhalten und Abschlu6zerti fikaten ins Wanken. Das betrifft gerade die Hauptschule. Au6erdem ruckt auch im Bereich schulischen Versagens ein "individualisierendes" Moment stlirker in den Vordergrund. Schulischer Erfolg bzw. Mi6erfolg einer SchUlerin oder eines SchUlers wird mehr denn je auch mit personiichen Stlirken und Schwlichen der Lehrkraft, den besonderen Beziehungen und dem jeweiligen "Arbeitsbiind nis", das zwischen den Beteiligten moglich war, in Zusammenhang gebracht. Gerade im Faile von randstlindigen Jugendlichen lli6t sich vermuten, daB - angesichts der noch vorherrschenden administrativen Formen schulischer Reak tion auf schwierige SchUler - eine prophylaktische und eher therapeutische Haltung der Lehrer noch verunmoglicht wird. Gerade in diesem Bereich mangelt es in der Lehrerausbildung an der konkreten Schulung verstehender Kompeten zen. Dieser kurze Blick auf strukturelle Verlinderungen in den Lebensbereichen Familie und Schule, die durch solche in Freizeit, Peer-groups und Arbeit zu erglinzen wliren, mag gentigen. Sie verweisen auf - in sich konfliktreiche - Formen einer Ablosung konventioneller Identitlitsformationen, die sich in struk turell gleichsinniger Weise auch in anderen Bereichen jugendlichen Lebens nachweisen lie6en (zur Katalysatorfunktion der Romantik bei der AblOsung konventioneller Identitlitsformationen in die Modeme vgl. Combe, 1991). Offen ist - und das ist der zentrale Gegenstand dieser Untersuchung - inwieweit hiervon die psychosoziale Situation und die Biographien von marginalisierten Jugendlichen belastet und betroffen sind, wobei es gilt, das komplexe Zusam menspiel von Familie, Schule, Peers, Institutionen der Jugendhilfe, Arbeits markt und berufsfordemden MaBnahmen zu berucksichtigen. Um dieses komplexe Zusammenspiel der Institutionen sowie unterschiedli che Verlaufsformen und je besondere Konstellationen der Marginalisierung auch aus der Sicht der subjektiven lebensgeschichtlichen Bedeutung konkret ins Blickfeld zu bekommen, mu6 Abstand von einer quantitativen Standardversion 11 der Sozialforschung genommen werden. Ohne jetzt auf die Kritik dieses Vor gehens im einzelnen einzugehen (vgl. hierzu ClemenziCombe im oben erwahn ten Familienprojekt, 1990, 23 f.) kann gesagt werden, daB uns ein interpretatives und qualitatives - an der Einzelfallrekonstruktion orientiertes - Verfahren unter anderem deshalb angemessen schien, weil dieser Einzelfallbezug nicht nur die Verknupfung objektiver und subjektiver Prozesse in ihrer Komplexitiit erlaubt, sondern weil wir in diesem Einzelfallbezug auch ein zentrales begleitendes Reflexionsorgan der Praxis sehen. Eine solche sozialwissenschaftlich-hermeneutische Rekonstruktion von Ein zelftillen bietet eine praktisch folgenreiche Moglichkeit zur konkreten, materia len Einarbeitung in die Problemkonstellationen padagogischer Praxisfelder. Uberdies stellt die Form des rekonstruktiven Fallverstehens eine beispielsweise schon in der gestuften Therapieausbildung erprobte Form der Evaluation und Supervision dar, die sich auf padagogische Praxisfelder ubertragen laBt. Treten in diesen krisenhafte Handlungsverlaufe auf, so drangt deren - gleichsam na tOrliche - Bearbeitung zur hermeneutischen Durchdringung des Einzelfalls und der je besonderen Problemkonstellationen. Solche exemplarischen Fallanalysen bauen auf dem systematischen Protokollieren konkreter Ablaufe auf. Der zen trale Punkt der auf Protokollen aufbauenden Einzelfallrekonstruktion ist nun, daB sie gegenuber Formen intuitiver Problemerfassung eine Klarung der Impli kationen und Folgen tradierter Gewohnheiten und Interaktionsroutinen erlau ben. Zwanglos ergibt sich aus ihnen eine auf die konkreten Problemlagen bezo gene gedankenexperimentelle Konstruktion von Alternativen. Parallel hierzu werden theoretische Folgefragen direkt provoziert, so daB sich in engster Ver bindung mit praktischen Problemkonstellationen die Theorie einer professionel len padagogischen Handlungslehre begrundet entwickeln laBt. Grundsatzliche, auch methodologische Erwagungen hierzu sind andernorts veroffentlicht (vgl. CombelHelsper, 1991). Erstaunlicherweise sind nun solche Feinanalysen und genauere Rekonstruktionen von Interaktionskonflikten - gerade etwa zwischen Lehrkraften und SchUlern - in der Schul- und Unterrichtsforschung nicht sehr zahlreich, obwohl diese - oft unter dem Stichwort "Disziplinschwierigkeiten" gefaBt - zu einer zentralen Erfahrungskrise der beruflichen Biographie der Lehrkrafte wie auch der betroffenen SchUlerinnen und SchUler geMren. So lOste die Entdeckung eines Widerstands von Arbeiterjugendlichen gegen die Schulbildung in Paul Willis' "Learning to labour" (1977) ein mittelgroBes Erdbeben aus und muBte den - akademisch sozialisierten und disziplinierten - Padagogen wie ein Ereignis auf einem fremden Planeten erscheinen, das sie auf eigentOmliche Weise faszinierte. Auch die gemaB akademischen Standards ver festigte Distanz zu den Untersuchungsobjekten, die sich die empirisch arbeiten de Erziehungswissenschaft zu eigen gemacht hatte, wurde bei der, ins Heroische verzeichneten deutschen Rezeption der Untersuchung von Willis - die dabei den Titel "SpaB am Widerstand" erhielt - offensichtlich vielfach uber Bord gewor fen. Und in der Tat brennen die von Willis beobachteten SchUlergruppen ein wahres Feuerwerk an offensiv-regelverletzenden Verhaltensweisen gegenuber Lehrern, Schulordnung und "konformistischen" Alters- und Klassenkameraden 12 ab, mit dem Ergebnis eines Selbstausschlusses von dramatischen Ausma6en. Auch die Formen einer sexistisch unterlegten, alles "Weibische" verachtenden Macho-AttitUde sowie rassistische Einstellungen dieser Jugendlichen wurden zunlichst kaum zur Kennblis genommen. Oft wurden diese Untersuchungen auch - von der geschichtsteleologischen gro6en Perspektive einer marxistischen Mut tertheorie ausgehend - zu einer Art "class struggle in schoolroom" (Appel, 1981) verzeichnet. Uberdies scheint sich die Schul- und Unterrichtsforschung darauf verstlindigt zu haben, nur aktiv-klimpferisches, aber nicht passiv-stum mes Widerstandsverhalten gegen schulisches Lemen fur untersuchenswert zu halten. Auch diese Rezeption von Willis' Untersuchung vermag noch einmal zu zeigen, warum wir einen Neuansatz fUr notwendig halten. Somit liegt im Vorgehen einer, durch die hermeneutische Rekonstruktion des Einzelfalls angeleiteten Kritik von theoretischen Anslitzen die mogliche Relevanz unseres Ansatzes fUr Sozial-und Erziehungswissenschaftler. Der Stel lenwert dieser Untersuchung fUr die im Bereich Jugendhilfe und Jugendarbeit praktisch Tlitigen beruht u.E. vor allem darin, daB sie die spezifische Verzah nung von Einzelfall und Institution deutlich macht, den Blick auf das Gesamt des jugendlichen Lemprozesses richtet, wodurch Wissen wie Deutungskompe tenzen des alltliglichen plidagogischen Handelns erweitert werden. 13

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