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Judith: Aus der Stuttgarter Handschrift HB XIII 11 PDF

116 Pages·1969·6.298 MB·German
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ALTDEUTSCHE TEXTBIBLIOTHEK Begründet von Hermann Paul Fortgeführt von G. Baesecke Herausgegeben von Hugo Kuhn Nr. 18 JUDITH Aus der Stuttgarter Handschrift HB XIII 11 2. Auflage besorgt von Hans-Georg Richert nach der Ausgabe von Rudolf Palgen MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 1969 © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1969 Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany Druck: Karl Grammlich Pliezhausen Einband von Heinr. Koch Tübingen EINLEITUNG Von den drei mittelalterlichen deutschen Versionen der Judith- Geschichte steht die hier gebotene dem vorgegebenen Vulgata- Text am nächsten. Zunächst und vor allem ging es dem unbe- kannten Verfasser darum, dieser materien - der heiligen schrifte ein gellt - zu einer deutschen Übersetzung zu verhelfen, und man hat, im ganzen gesehen, den Eindruck, daß ihn dabei ein ähnli- cher Grundsatz leitete, wie ihn der Autor des ebenfalls in dieser Handschrift überlieferten ,Esdras und Neemyas' am Ende seiner Arbeit formulierte: Swaz in dem buche stetgeschriben /Des ist nicht underwegen bliben. Diese enge Bindung an den Text be- schränkt sich beim Judith-Dichter indes nicht auf das Inhaltliche, sondern bringt stilistische, syntaktische und vokabularische Kon- sequenzen mit sich. Von hierher wird es verständlich, wenn die Forschung der Qualität dieses Werks gegenüber Vorbehalte ange- meldet hat. Von der Arbeitsweise des Autors läßt sich ein tref- fendes Bild gewinnen, wenn man für eine knappe Judith-Stelle (14,2-4) die Übertragung durch Nicolaus von Jeroschin zum Ver- gleich heranzieht. Der lateinische Text lautet: erit, cum exierit sol, accipiat unusquisque arma sua et exite cum impetu, non ut descendatis deorsum, sed quasi impetum facientes. Tunc explo- ratores necesse erit ut fugiant, ad principem suum excitandum ad pugnam. Cumque duces eorum cucurrerint ad tabernaculum Holofernis et invenerint eum truncum in suo sanguine voluta- tum, decidet super eos timor. Der Übersetzung in den Versen 2009-2028 unseres Gedichts stelle man die Wiedergabe bei Nico- laus von Jeroschin gegenüber (ed. E. Strehlke, Vv. 3323-3345): si sprach: ,Üwir iclich nem und lege sine wäpin an, und so man siet di sunne üfgän so loufit alle üf minen rät mit eime hüwe üz der stat V und kumit doch hin nidir nicht. Irscheinit öt in der geschieht, als ir in in di büdin wolt loufin und si lüdin, üf daz Holofernis man, di dar an der warte stän, üwir werdin sus gewar und flen in der vär balde so hin mit den mern zu Holoferne irme hern, und so sin weckin wollin, daz si in gar bewollin vindin in sime blüte. Want so wirt irme müte ein vorchte also grüsam zügen, davon in allintsam so gar intget menliche tucht, daz si sich hebin an di vlucht.' Es ist offensichtlich, daß der Judith-Dichter stärker am lateini- schen Wortlaut entlangarbeitet und die Freiheit zu eigener Spra- che seltener findet. Hering hat auf Grund eines Vergleichs zwi- schen Vulgata und md. Text festgestellt, daß die Bindung an den lateinischen Text mit fortlaufender Erzählung enger wird. Im Gegensatz zu diesem allgemein zu beobachtenden Verfah- ren stehen gelegentliche Erweiterungen und Kürzungen des Au- tors: so übertreffen seine Aussagen etwa bei Personendarstellun- gen die biblischen Angaben. Ähnlich ist es bei der Schilderung von Kriegshandlungen, von schmerzlichen Stimmungen. Auch greift er zuweilen verdeutlichend ein, um seinem Publikum ein leichteres Verständnis zu ermöglichen. Kürzungen betreffen vor allem Namen und Orte sowie Zahlenangaben und Genealogien. An zwei Stellen, die Hering nicht anfuhrt, hat man den Eindruck, daß moralische Erwägungen Anlaß zur Streichung gaben. So vi bleibt in der Rede des Holofernes Vv. 1782 ff. der Vers Judith 12,11 unübersetzt: Foedum est enim apud Assyrios, si femina irrideat virum agendo ut immunis ab eo transeat. - In der Rede Judiths an Achior Vv. 1973 ff. wird die Formulierung DeusIs- rael, cui tu testimonium dedisti, quod ulciscatur se de inimicis suis (13,27) stark umgewandelt: [. . . ]got vonlsrahel, dem du / gezugetes, daz er solde / uns helfen, ob er wolde. Ist nun die Darbietung eines möglichst genauen Judith-Texts das Hauptziel des Autors, so will er anderseits doch dem Miß- verständnis begegnen, die Judith-Geschichte etwa nur als eine fabula zu begreifen; sie soll durch spirituelles Verständnis von der Welt und ihren eitlen Verlockungen fortführen. Um das zu illu- strieren, führt er eine Reihe spiritueller Exegesen an, deren Zu- fälligkeit und Unangemessenheit mit Hinblick auf den Gegen- stand des Buchs befremden: 108 Verse gelten der Exegese der Josephs-Episode Gen 39,7 ff., 136 der spirituellen Ausdeutung Nabuchodonosors und vierer Städte, die Holofernes auf seinem Kriegszug berührt; und nach einem Neueinsatz kommen auf Is- rael nochmals ganze 16 Verse. Diese Proportionen legen aller- dings die Annahme nahe, daß die ursprünglich geplante Anlage des Werks nicht verwirklicht worden ist; die Verse 2687-96 deu- ten möglicherweise darauf hin. Die Vermutung, daß der erste Teil der Exegese ursprünglich dem ersten Teil der Erzählung angefügt gewesen und erst später an den Schluß gerückt sei (Palgen S. 81, Anm.),läßt sich aus dem Text nicht stützen; der Autor hatte sei- nem geistlichen Bruder solches auch nicht versprochen, wie de Boor meint. Gegen eine solche chronologische Aufteilung dieser Partien scheint mir zudem auch die Korrespondenz zwischen 2530 und 2687 f. zu sprechen. Über die Datierung dieses Werks hat es eine kurze Diskussion gegeben, in der drei Standpunkte vertreten worden sind: 1. Das Werk selbst gibt nach dem Wortlaut der Handschrift als Zeitpunkt der Entstehung an: do zwei hundst iar vn tusunt VII vnd ein vn zwenzic iar ^gangen waren daz wart gevangen Ihesus xpc vn starb durch vns.... (2768 ff.) Das hieße also 1254, und bei dieser Datierung beließen es Hering und Palgen. 2. K. Helm hielt aus verschiedenen Erwägungen heraus diesen frühen Zeitpunkt für indiskutabel (Beitr. 43,167 f.; AfdA 44, 149; Helm-Ziesemer 73 f.) und gelangte zu einer neuen Datierung auf Grund der „Korrektur eines paläographisch leicht zu erklä- renden Lesefehlers'zwenzz'c statt sibenzic", hielt also 1304 für das Entstehungsjahr der Dichtung. 3. E. Schröder sah selbst das noch als den „allerfrühste(n) ter- min" (AfdA 44,33) an und schlug die Konjektur dri (für zwei) vor, womit man auf 1354 käme. „Die ,Judith' gehört eher an den ausgang, als an den eingang der litterarischen tätigkeit des Deut- schen Ordens." Daß beide angenommenen Schreiberversehen denkbar sind, bedarf keiner Diskussion und vor allem keiner Parallelen, mit de- nen Helm wie Schröder ihrem Vorschlag Gewicht zu verleihen suchten. Beide Vorschläge sind als Möglichkeiten nicht zu ver- werfen, wobei der von Helm nicht nur aus paläographischen Gründen mehr Wahrscheinlichkeit für sich hätte. Fraglich aber will mir scheinen, ob die Notwendigkeit einer Konjektur über- haupt so dringend ist, wie Helm und Schröder es hingestellt ha- ben. Neuerdings erwägt auch de Boor (III, 1,490), die Datums- angabe der Handschrift beizubehalten, weil er eine genuine Be- ziehung zwischen der Judith und dem Deutschen Orden für frag- lich hält; seine diesbezügliche Argumentation überzeugt aller- dings nicht: man hat wohl in Betracht zu ziehen, daß das, was de Boor „Stil des Ordens" nennt, nicht in den frühsten Anfängen schon fertig ausgebildet vorliegen mußte, sondern allmählich erst seine Form erhielt. Man könnte vergleichsweise etwa daran den- ken, daß die Frage, ob persönliche Auseinandersetzungen mit VIII mißgünstigen Gegnern in die endgültige Fassung eines Werks hin- eingehören, von der Passional-Überlieferung auch nicht einstim- mig beantwortet worden ist. Im übrigen hat der Orden an diesem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Autor und Adressat, wie es in der Judith Ausdruck findet, so wenig Anstoß genom- men, daß das Werk in unveränderter Gestalt — und wie leicht wäre zu ändern gewesen! — mitten unter anderen Bibeldichtungen dieser Gemeinschaft in einem so imposanten Deutschordensco- dex Aufnahme fand. Und schließlich ist zu beachten, daß in der Hester, die auch nach de Boor „sicher [ . .. ] in die Zeit der er- sten großen Ordensdichtung gehört" (III, 1,490),offenbar etwas Vergleichbares zu finden ist: die Verse 23-58 sind wohl kaum an den im Eingangsgebet zuvor apostrophierten Gottessohn gerich- tet, wie K. Schröder annahm, sondern an den Bittsteller, der um die Übersetzung der Hester ersucht hatte; dafür sprechen die hier gewählten Formulierungen (Als du mich lange hast gebeten; daz ichz so lancseim erhebe). Die von Schröder nicht herangezogene Stuttgarter Hs. läßt denn auch den Vers 23 mit einer drei Zeilen hohen Abschnittsinitiale beginnen. Ist meine Annahme richtig, so läge hier ein ähnlicher Aufbau wie bei der Judith vor: Ein- gangsgebet, Apostrophe an den Bittsteller, Text. Bleibt also die Frage, ob eine Beziehung zum Orden eine Datierung auf 1254 ausschließen muß. Es ist vor allem mit „inneren Gründen" argu- mentiert worden; damit ist wohl zunächst die fehlende chronolo- gische Übereinstimmung mit den anderen Bibeldichtungen des Deutschen Ordens gemeint wie dann auch überhaupt die zeitli- chen Gegebenheiten der Deutschordensdichtung. Speziellere Gründe faßte Helm ins Auge, wenn er auf die „zweifellosen Be- rührungen der Eingangsverse mit dem Anfang von Väterbuch und Passional" hinwies. Nun steht zwar der Dichter von Väterbuch und Passional mit dem Adonay-Anruf imlnitium nicht allein da, wie der Beginn der obd. Servatius-Legende oder der Anfang der Vaterunser-Auslegung in der Wiener Hs. 2740 zeigen (vgl. auch das Initienverzeichnis von H. Walther, Initia Carminum ac Ver- IX suum Medii Aevi Posterioris Latinorum, 1959); und doch wird man die Berührung nicht leugnen wollen. Nur: ist von vornherein eigentlich keine Diskussion darüber erforderlich, wer wen „be- rührte"? Mir scheinen durchaus „innere Gründe" für die Rich- tung von der Judith zum Väterbuch, zum Passional und schließ- lich auch zu Nicolaus von Jeroschin hin zu sprechen. Und wenn Jeroschin die Judith kannte,vereinzelt von ihr sich anregen ließ — mit eime hu, mit eime hüwe (Ju 2017; NvJ 3327) für cum impe- tu in dem oben zitierten Abschnitt ist ja wohl kaum eine zufäl- lige Übereinstimmung, und es liegt, von chronologischen Erwä- gungen einmal abgesehen, die Annahme näher, daß Jeroschin sich für die deutsche Wiedergabe eines Judith-Zitats bei einer entsprechenden vollständigen Bearbeitung inspirieren ließ als der Judith-Autor bei ihm —, warum dann nicht auch der Passional- Dichter, zumal es sich um eine so exponierte Stelle handelt. Ge- wiß, die vokabularischen und stilistischen Parallelen zwischen Ju- dith und Ordensdichtung erschöpfen sich darin keineswegs, aber gerade da, wo Gemeinsames anklingt, wirkt der Judith-Autor un- geübter, schwerfälliger, überhaupt auch von Traditionen weniger beeinflußt, die mit so monumentalen Werken wie dem Väter- buch und dem Passional einfach etabliert waren und ihre Einwir- kung auf andere Ordenswerke geltend machten. Ich halte es für sehr problematisch, mit Helm etwa anzunehmen, daß der Judith- Autor 150 000 Verse Väterbuch und Passional gelesen, von die- sem leicht zu imitierenden Stil indes nicht mehr gelernt haben sollte, als sein Werklein vorzeigt. Man denke etwa an das in Or- denswerken seit früher Zeit (beispielsweise in der deutschen Fas- sung der Statuten) so auffallend häufig verwandte Stilmittel der Paronomasie: die Judith kennt es (79 f., 86 f. u.ö.), aber Art und Häufigkeit seiner Verwendung lassen mit jenen Werken überhaupt keinen Vergleich zu. Und so steht es mit anderen Stil- und form- bildenden Elementen auch. Natürlich kann der Autor sich be- wußt gegen sie entschieden haben, und sicherlich wäre von hier- her eine Datierung auf 1304 nicht unmöglich. Nur fragt sich, ob X

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