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Jüdische religiöse Erziehung im Zeitalter der Emanzipation: Konzepte und Praxis PDF

292 Pages·2021·2.528 MB·German
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Jüdische religiöse Erziehung im Zeitalter der Emanzipation Europäisch-jüdische Studien Beiträge European-Jewish Studies Contributions Herausgegeben vom Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien, Potsdam Redaktion: Werner Treß Volume 56 Jüdische religiöse Erziehung im Zeitalter der Emanzipation Konzepte und Praxis Herausgegeben von Dorothea M. Salzer ISBN 978-3-11-074289-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-074305-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-074314-2 Library of Congress Control Number: 2021942782 Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Umschlagbild: Stanzbild, um 1900, Hebrew Publishing Company. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com Inhalt Dorothea M. Salzer Wieaus Kindern Juden werden. Religiöse Erziehung im Judentum vor dem Hintergrund von Aufklärung und Emanzipation 1 Christliche Konzepte der religiösen Unterweisung Walter Sparn Wieaus Kindern Christen werden. Die pädagogische Reform des 18. Jahrhunderts im Kontext frommer Aufklärung 21 Karen Lambrecht „Kompatible Katechese?“ – Zum Erfolgder Lehrart Johann Ignaz von Felbigers (1724−1788) 41 Jüdische Konzepte der religiösen Unterweisung Uta Lohmann „Dieses allgemein einzuführende Schulbuch muß für uns von einem außerordentlichen Nutzen seyn“ –Vo n den Bildungsentwürfen zur Buchproduktion der Berliner Haskala. Der Israelitische Kinderfreund von Moses Hirsch Bock 65 Louise Hecht Die Reform der Haskala. Moderne Bildungskonzepte in Juda Jeitteles’ Redlichen Worten 93 Jüdische Lehrbücher Dirk Sadowski Neues Wissen, Lernmedien und pädagogische Motive im Werk eines frühmaskilischen hebräischen Druckers 123 VI Inhalt Dorothea M. Salzer Peter Beers Dekalogkommentar im Sefer Toledot Israel (1796) und seine christlichen Vorlagen 151 Irene Zwiep Hyphenated Histories. Teaching the Past and the Making of the Modern Dutch Israelite 177 Unterhaltende Kinder- und Jugendliteratur als Mittel der religiösen Unterweisung Zohar Shavit Robinson der Jüngere in the Service of the Haskalah: Joachim Heinrich Campe, the Haskalah and the “Bildung” Project in Jewish Society 201 Annegret Völpel Religiöse Erziehung in Szene gesetzt: Chanukka-Kinderschauspiele 253 Über die Autorinnen und Autoren 279 Personenregister 283 Dorothea M. Salzer Wie aus Kindern Juden werden. Religiöse Erziehung im Judentum vor dem Hintergrund von Aufklärung und Emanzipation Jüdische Erziehung im Wandel DiemodernejüdischeErziehungist,wieauchdiemodernejüdischeKinder-und Jugendliteratur, ein Produkt der Aufklärung und wurzelt damit zu nicht unbe- deutenden Teilen in den allgemeinen erziehungstheoretischen Diskursen dieser Zeit.Vor allem in der Spätphase der deutschsprachigen Aufklärung führte der gesellschaftliche und politische Wandel zu einer verstärkten Diskussion über ZieleundMethodenderErziehungundderenkonkreteRealisierung,daimLaufe des 18. Jahrhunderts, dem sogenannten „pädagogischen Jahrhundert“,¹ Erzie- hungund Bildung zunehmend als gesamtgesellschaftliche Aufgaben betrachtet wurdenund damiteinezentraleStellunginnerhalb derPhilosophiederAufklä- rungsbewegung einnahmen. Ein neues und differenziertes Adressatenbewusst- sein, Veränderungen im Wertesystem und neue Erziehungsideale, wie sie die Aufklärung hervorbrachte, erforderten ständige Neubesinnungen sowie Modifi- kationen von pädagogischen Konzepten, Methoden und Zielen. Reformen des Unterrichts- und Schulwesens, allgemeine Schulpflicht und die Trennung der ErziehungvonreligiösenInstitutionenwarendahergenausoThemaderDiskurse über Pädagogik wie die Erziehung zum nützlichen Bürger und Untertan. Diese Entwicklung hatte neben einem deutlichen Anstieg der Kinder- und Jugendlite- ratur auch deren grundlegende Veränderung zur Folge. Besonders die religiöse und sittlich-belehrende Unterweisung war dabei durch literarische Vielfalt ge- prägt,²derjedocheineGemeinsamkeitinderinhaltlichenDarstellungvonReli-  Zu dem Begriff siehe z.B.: Herrmann,Ulrich (Hrsg.): Das pädagogische Jahrhundert.Volks- aufklärungundErziehungzurArmutim18.JahrhundertinDeutschland.Weinheim1981.  EinzusammenfassenderÜberblicküberdiesenStrukturwandelinderKinder-undJugendli- teratursowiederenHauptströmungenundTendenzenfindetsichin:Brüggemann,Theodorund Hans-HeinoEwers(Hrsg.):HandbuchzurKinder-undJugendliteratur.Von1750bis1800.Stuttgart 1982, S.12–64; einen Einblick in die Vielfaltvermitteltdie Darstellungeinzelner Werke ebd., S.681–812. https://doi.org/10.1515/9783110743050-001 2 DorotheaM.Salzer gion, die sich durch eine starke Moralisierung,Verinnerlichung und Betonung bürgerlicherWerteauszeichnete,korrespondierte. Erziehung,inderVormoderneeinerderKernbereichejüdischerAutonomie, ist auch einerder Bereiche, in denen die jüdischeModernisierungvor allem im deutschsprachigen Raum zuerst zum Tragen kam,wobei man allgemein gesell- schaftspolitischenundspeziellemanzipatorischenAspektenderPädagogikgroße Bedeutung zumaß. Das aufklärerische Ideal der stetigen Vervollkommnung (Perfektibilität)desIndividuumstrafdabeistaatlicherseitsaufdasabsolutistische Interesse, nützliche Staatsbürger zu erziehen. Nichtjuden wie Juden vertraten Vorstellungen von Erziehung, die auf eine breitere Eingliederung der jüdischen Bevölkerung in der Umgebungskultur abzielten. So machte zum Beispiel im protestantischen Preußen der aufgeklärte Staatsbeamte Christian Wilhelm von Dohm (1751−1820) in seiner Abhandlung Über die bürgerliche Verbesserung der Juden (1781) einen schrittweisen Erziehungsprozess der jüdischen Bevölkerung zurVoraussetzungfürwirtschaftlicheundkulturelleIntegrationundEmanzipa- tion.ErfordertedahernichtnureineÄnderungundDiversifizierungderjüdischen Berufsstruktur,sondernauchsäkulareBildungfürdiejüdischeBevölkerungund deren Zulassung zu christlichen Schulen und zu Universitäten. Es sollte „ein besondres angelegnes Geschäft einer weisen Regierung seyn, für die sittliche BildungundAufklärungderJudenzusorgen,unddadurchwenigstensdiekom- mendenGeschlechtereinermildernBehandlungunddesGenussesallerVortheile derGesellschaftempfänglicherzumachen“.³ DohmschlugauchalseinerdererstenErziehungstheoretikerdieEinführung eines systematischen jüdischen Religionsunterrichtes vor. Den Religionsunter- richt wollte Dohm dabei zwar vom Schulunterricht getrennt und unabhängig wissen,dennochabersaherdiereligiöseUnterweisunginderSynagogeauchals OrtderstaatsbürgerlichenErziehung:⁴ Unstreitig würde es auch zur Ausbildungdes sittlichen und bürgerlichen Charakters der Judennützlichseyn,wenndieRegierungdafürsorgte,daßindenSynagogen,nebendem unbeschränkt gelassenen Religionsunterricht, auch zuweilen die reinen und heiligen WahrheitenderReligionundSittenlehrederVernunft,undbesondersauchdasVerhältniß allerBürgergegendenStaatunddieWürdederPflichtengegendenselbengelehrtwürde. ÄhnlicheZieleverfolgtendievonJosephII.indenJahren1781bis1790erlassenen Toleranzpatente für die jüdische Bevölkerung der katholisch geprägten Habs-  Dohm,ChristianWilhelm:UeberdiebürgerlicheVerbesserungderJuden.MitKönigl.Preußi- schemPrivilegio.ErsterTeil.Berlin–Stettin1781.S.120f.,ZitatS.120.  Dohm,UeberdiebürgerlicheVerbesserung,S.122. WieausKindernJudenwerden 3 burgermonarchie. Diese setzten neben einer umfassenden Sprachenreform, die Unterricht in der Landessprache mit deutlicher Bevorzugung des Deutschen vorsah, auf die Errichtung jüdischer Schulen nach dem Vorbild des im Habs- burgerreich einheitlich geregelten Normalschulsystems oder den Besuch christ- licher Schulen.⁵ So beschreibt zum Beispiel das Toleranzpatent für die Juden Wiens und Niederösterreichs das Ziel der Reformen als „die jüdische Nazion hauptsächlich durch bessere Unterrichtung und Aufklärung ihrer Jugend und durch Verwendung auf Wissenschaften, Künste und Handwerke dem Staate nützlicherundbrauchbarerzumachen“.⁶ SolcheÜberlegungenwarenvonnichtgeringemEinflussaufdieVertreterder Haskala,derjüdischenAufklärung,diedieFragenachderTransformationjüdi- scher Erziehung zu einem ihrer Hauptanliegen und zu einem öffentlich disku- tierten Thema machten. Dabei entwickelten und realisierten die jüdischen Auf- klärer (Maskilim) ihre Erziehungskonzepte in Auseinandersetzung mit pädagogischen, politischen und philosophischen Diskursen ihrer Zeit. So pro- pagierteHartwigWessely(auchNaphtaliHerzWeisel/Wessely,1725–1805),einer  FüreinenÜberblicküberdieToleranzpatenteJosephII.siehebeispielsweiseHecht,Louise: Toleranzpatente.In:EnzyklopädiejüdischerGeschichteundKultur.Hrsg.vonDanDiner.Bd.6. Stuttgart – Weimar 2015. S.137−141. Zum jüdischen Schulwesen in der Habsburgermonarchie siehevorallem:Kestenberg-Gladstein,Ruth:NeuereGeschichtederJudenindenböhmischen Ländern.ErsterTeil:DasZeitalterderAufklärung1780–1830.Tübingen1969,S.41–65;Hecht, Louise:KonzepteundPraxisderjüdischenErziehunginderHabsburgerMonarchie.VonIsaak EuchelbisPeterBeer.In:IsaacEuchel.DerKulturrevolutionärderjüdischenAufklärung.Hrsg. von Marion Aptroot [u. a.]. Hannover 2010. S. 197–214; dies.: Die Prager deutsch-jüdische Schulanstalt1782−1848.In:JüdischeErziehungundaufklärerischeSchulreform.Analysenzum späten18.und19.Jahrhundert.Hrsg.vonBrittaL.Behm[u.a.].Münster–NewYork–München– Berlin2002.S.213–252;dies.:„GibdemKnabenUnterrichtnachseinerWeise“(Spr.22,6):Theorie undPraxisdesmodernenjüdischenSchulsystemsinderHabsburgerMonarchie.In:Jahrbuchder Österreichischen Gesellschaft zur Erforschungdes 18.Jahrhunderts 18–19 (2004). S.117–134; dies.:„UmdieJudenschaftinBöhmen[…]derbürgerlichenBestimmungimmernäherzubrin- gen“.JüdischeSchulenundSchulbücherinBöhmen.In:KommunikationundInformationim 18.Jahrhundert.DasBeispielderHabsburgermonarchie.Hrsg.vonJohannesFrimmelundMi- chaelWörgerbauer.Wiesbaden2009.S.265–280;dies.:EinjüdischerAufklärerinBöhmen.Der PädagogeundReformerPeterBeer(1758−1838).Köln2008.S.66–110;dies.:ZwischenHaskalah undCheder:SchulenundjüdischeErziehungindenLändernderBöhmischenKrone.In:Judaica BohemiaeXLVISupplementum2011.S.19–35;Sadowski¸Dirk:HaskalaundLebenswelt.Herz HombergunddiejüdischendeutschenSchuleninGalizien1782−1806.Göttingen2010;Manekin, Rachel:TheMoralEducationofJewishYouth.TheCaseofBneZion.In:TheEnlightenmentin Bohemia. Religion, Morality and Multiculturalism. Hrsg.von Ivo Cerman [u. a.].Oxford 2011. S.273–293,vorallemS.274–282.  Siehe „1782 Jan. 2.Toleranzpatent“ In:Urkunden und Akten.1. Abteilung, allgemeiner Teil, 1526−1847(1849).Hrsg.vonAlfredFrancisPribram.Bd.1.Wien–Leipzig1918.S.496. 4 DorotheaM.Salzer der wichtigsten Autoren der Berliner Haskala, sein Programm zur Reform der jüdischenErziehung,dargelegtinseinemSendschreibenDivreSchalomwe-Emet („WortedesFriedensundderWahrheit“,1782,späterergänztundausdifferenziert durchdreiweitereSendschreiben),alsReaktionaufdieReformenJosephII.,um diese der jüdischen Bevölkerung der Monarchie nahezubringen.⁷ In diesem SendschreibenentwarfWesselyeineneueOrdnungderErziehungvonJungen,die einerseits auf der in der zeitgenössischen Pädagogik so wichtigen Prämisse der Aufklärungberuhte,denUnterricht aufdieFähigkeitder Schüler abzustimmen, undandererseitseineVermittlungnichtwiebishernurreligiösen,sondernauch säkularenWissensvorsah.LetzteresstrebteerdurcheineTeilungdesLehrinhalts indie„LehredesMenschen“(Toratha-Adam)undindie„LehreGottes“(Toratha- Schem)an,wobeiseinEntwurfdavonausging,mitderUnterweisunginsäkularem Wissen(wozuerauchMoral,Sitten-undBenimmlehrezählte)zubeginnenund erstspätermitdemUnterrichtinReligioneinzusetzen. Schon in den ersten modernen erziehungstheoretischen Abhandlungen des deutschsprachigenJudentumswurdealsoüberUmfangundInhaltderreligiösen Erziehung im Judentum diskutiert. Wessely, wie auch andere Theoretiker und Akteure der jüdischen Erziehungsreform, war dabei durchaus von der philan- thropistischenBewegungbeeinflusst,⁸dieinderzweitenHälftedes18.Jahrhun- dertsdieeinflussreichsteStrömunginnerhalbderdeutschsprachigenPädagogik darstellte. Darüber hinaus waren nicht selten die Forderungen von staatlicher SeitevonEinflussfürdieAusprägungkonkreterpädagogischerVorhaben,inso- fern sie auf eine Verflechtung der religiösen Erziehung mit staatsbürgerlicher Räsonzielten. ImZugederDebattenumdiejüdischeErziehungwurdenvonnichtjüdischer wie jüdischer Seite auch Forderungen nach jüdischen Religionslehrbüchern ge- stellt. In den Habsburger Ländern war für die jüdischen Kinder zwar kein Reli- gionsunterricht in den staatlichen Schulen vorgesehen, so dass die religiöse Unterweisungder diese Schulen besuchenden Kinder weiterhin in den „Chada- rim“, in entstehenden ergänzenden Religionsschulen oder im Privatunterricht  VermutlichwarendieReformenJosephIIderAnlass,diebereitsvorliegendeSchriftzuveröf- fentlichen,siehe:NaphtaliHerzWessely:WortedesFriedensundderWahrheit.Dokumenteeiner Kontroverse über Erziehung in der europäischen Spätaufklärung. Hrsg.Von Ingrid Lohmann [u.a.]. Aus dem Hebräischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Rainer Wenzel Münster2014.S.102f.  Hierzusiehe:Simon,Ernst:DerpädagogischePhilanthropinismusunddiejüdischeErziehung. In:JüdischeErziehungundaufklärerischeSchulreform.Analysenzumspäten18.und19.Jahr- hundert.Hrsg.vonBrittaL.Behm,UtaLohmannundIngridLohmann.Münster–NewYork– München–Berlin2002.S.13–65.

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