Ute Schulz Journalistinnen im Schulterschluss? Studien zur Kommunikationswissenschaft Band 45 Ute Schulz J ournalistinnen itn Schulterschluss? Motivationen der Entscheidungen fur oder gegen kollektives Frauenhandeln Westdeutscher Verlag Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz fur diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhaltlich 1. Auflage Oktober 2000 Aile Rechte vorbehalten © Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden 2000 Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 2000 Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsverlagsgruppe BertelsmannSpringer. Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich ge schiitzt.1ede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urhe berrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzuliissig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzun gen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in e1ektronischen s.ystemen. www.westdeutschervlg.de Hochste inhaltliche und technische Qualitat unserer Produkte ist unser Zie!. Bei der Produktion und Verbreitung unserer Biicher wollen wir die Umwelt schonen. Dieses Buch ist auf siiurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die EinschweiB folie besteht aus Polyathylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen. Umschlaggestaltung: Christine Huth, Wiesbaden ISBN-13: 978-3-531-13560-1 e-ISBN-13: 978-3-322-86888-6 DOl: 10.1007/978-3-322-86888-6 Dank Die vorliegende Arbeit ist die leicht iiberarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich im Herbst 1999 am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universitlit Berlin einreichte. Das Promotionsprojekt wurde von der Berlin-Forschung an der Freien Uni versitiit gefbrdert. Materiel!e Unterstiitzung erhielt ich daruber hinaus yom Gra duiertenkol!eg "Geschlechterverhiiltnis und sozialer Wandel - Handlungsspiel riiume und Definitionsmacht von Frauen" an der Universitat Dortmund, finan ziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Ich bedanke mich bei beiden Institutionen. Ganz besonders dankbar bin ich meiner Erstgutachterin Prof. Dr. Eva Krei sky. Trotz ihrer starken Beanspruchung an der Universitat Wien begleitete sie den Fortschritt meiner Arbeit in Berlin. Eva Kreisky lieB mir ein groBes MaB an Freiheit, sie gab mir gleichzeitig stets das GefUhl, vol! hinter mir und meiner Arbeit zu stehen. Prof. Dr. Barbara Baerns (Freie Universitlit Berlin) bin ich sehr dafilr verbunden, daB sie mit groBem Interesse die Zweitbegutachtung der Dis sertation iibernahrn. Ich danke herzlich Werner Klosa, der das Projekt von Anfang bis Ende mit Kritik und Zuspruch unterstiitzte und sich fUr die sprachliche Qualitiit des Textes engagierte. Nicht zuletzt gilt mein Dank den interviewten Redakteurinnen, ohne deren Bereitschaft zu einem langeren Gesprach und ohne deren Offenheit diese Unter suchung nicht moglich gewesen ware. Berlin, im August 2000 Ute Schulz 5 Inhalt Einleitung ..................................................................................................... 11 1 Das Geschlechterverhiiltnis aus dem Blickwinkel unter- schiedlicher Wissenschaftspositionen ......................................... 17 2 Grundlagen der Untersuchung .................................................... 25 2.l Datenlage zur beruflichen Situation von loumalistinnen ................ 26 2.2 Umfang und Struktur von Frauenbesch1iftigung im loumalismus ... 28 2.2.1 Zum loumalistinnenanteil ............................................................... 28 2.2.2 Vertikale Segregation im joumalistischen Berufsfeld ..................... 31 2.2.2.1 Pr1isenz von loumalistinnen in leitenden Positionen ...................... 31 2.2.2.2 Einkommensunterschiede ............................................................... 34 2.2.3 Horizontale Segregation ................................................................. 39 2.2.4 Zum famili1iren Status von loumalistinnen ..................................... 43 2.2.5 Alltagserfahrungen in Medienorganisationen ................................. 45 2.2.6 Zur Frage nach einem ,weiblichen loumalismus' ........................... 46 2.2.6.1 loumalistisches Selbstverst1indnis .................................................. 47 2.2.6.2 Pr1iferenzen im Rahmen der Berufsausiibung ................................. 48 2.3 loumalistinnen und geschlechtsspezifische Berufszusammen- schliisse -zur Problemstellung ........................................................ 51 2.3.1 Zur Bedeutung von Zusammenschliissen im Beruf.. ....................... 53 2.3.2 Verbindungen von loumalistinnen ................................................. 56 2.3.3 Einstellungen von loumalistinnen zu kollektivem Handeln - der Forschungsstand ....................................................................... 59 2.4 Formen kollektiver Interessenrealisierung und -umsetzung ............ 65 2.4.1 Netzwerk und Seilschaft ................................................................. 66 2.4.2 Gruppe ............................................................................................ 69 2.4.3 Koalition ......................................................................................... 70 7 3 Theoretischer Bezugsrahmen. .....................•••••••.................•........ 72 3.1 Detenninanten von Handlungsmotivationen ................................... 72 3.1.1 Theoretische Betrachtungen zu ,sozialem Handeln' ....................... 73 3.1.2 Psychologische Grundlagen von Handlungsmotivationen .............. 76 3.2 Berufliche Rahmenbedingungen von Redakteurinnen - Annaherungen aus organisationstheoretischen Perspektiven .......... 84 3.2.1 Organisationstheoretische Betrachtungen im Rahmen jour- nalistischer Berufsforschung ........................................................... 86 3.2.2 Theoretische Ansatzpunkte zu ,Geschlecht und Organisation' ....... 94 4 Methodologische Anmerkungen und methodisches Vorgehen ...................................................................................... 106 4.1 Zur Untersuchungsmethode .......................................................... 106 4.2 Zur Vorbereitung und DurchfUhrung der Interviews .................... 107 4.2.1 Ausgangspunkt der Untersuchung und Auswahl des Samples ...... 107 4.2.2 Zum Leitfaden ............................................................................... 109 4.2.3 Durchfilhrung der Interviews ........................................................ 110 4.3 Zur Auswertung ............................................................................ 110 5 Untersuchungsergebnisse: Motivationen kollektiven Handelns von Journalistinnen ................................................... 112 5.1 MotivationstOrdernde Aspekte fiir kollektives Handeln von Journalistinnen .................................................................... 115 5.1.1 Handlungsbedarf: Grundlegender EintluBfaktor fUr Hand- lungsmotivationen ......................................................................... 116 5.1.1.1 Zur Bedeutung von Diskriminierungen fUr Motivationen kollektiven Handelns .................................................................... 116 5.1.1.1.1 Einzelabwehr als MaBnahme gegen Diskriminierung ................... 117 5.1.1.1.2 Diskriminierung und kollektives Handeln ..................................... 122 5.1.1.2 Journalistisches Selbstversutndnis -ein Handlungsmotiva- tionen unterstUtzender Faktor. ....................................................... 132 5.1.1.3 FrauenzusammenschlUsse als KontaktbOrse, Rekreations- raum oder Politisierungsarena ....................................................... 136 8 5.1.2 Zum Rang von Handlungs-Ergebnis-Erwartungen fUr Moti- vationen kollektiven Handelns ...................................................... 140 5.1.2.1 Handlungs-Ergebnis-Erwartungen positiv beeinflussende Erfahrungen .................................................................................. 141 5.1.2.2 Vielfalt von ZusammenschlUssen als motivationsfOrdemder Faktor ............................................................................................ 146 5.1.3 Situative EinflUsse auf Erwartungen positiver Ergebnisse kollektiven Handelns .................................................................... 150 5.1.3.1 Das "kollegiale Umfeld" als forderliches Element von Handlungsmotivationen ................................................................ 151 5.1.3.2 Formale Rahmenbedingungen als positive EinfluBgroBe fUr Handlungs-Ergebnis-Erwartungen ................................................ 155 5.104 Ergebnis-Folge-Erwartungen als forderliche Momente fUr Motivationen kollektiven Handelns .............................................. 156 5.104.1 Wahmehmungen von Zwischenschritten als positives Mo- ment fUr Ergebnis-Foige-Erwartungen .......................................... 157 5.104.2 Bewertung von Zwischenzielen als motivationsfordemdes Element ......................................................................................... 161 5.1.5 Zusammenfassung und Bewertung positiver EinfluBfaktoren fUr Motivationen kollektiven Handelns ......................................... 162 5.2. Kollektives Handeln von Journalistinnen hemmende Motivationsfaktoren ................................................................... 167 5.2.1 Fehlender Handlungsbedarfals motivationshemmender Faktor ... 167 5.2.1.1 Zur Bedeutung der Wahmehmung von Diskriminierungen fUr fehlendes Handlungsinteresse .................................................. 172 5.2.1.1.1 Diskriminierungen und Betroffenheit ........................................... 172 5.2.1.1.2 Diskriminierungen und Wahmehmungssperren ............................ 177 5.2.1.2 Weitere Aspekte potentiellen Handlungsbedarfs .......................... 181 5.2.2 Negative Handlungs-Ergebnis-Erwartungen als Motivations- hemmnisse .................................................................................... 183 5.2.2.1 Zweifel an positiven Ergebnissen kollektiven Handelns auf grund von Erfahrungen mit ZusammenschlUssen und mit ein- zelnen Frauen ................................................................................ 184 9 5.2.2.2 Erscheinungsformen und Wirkungspotential von Frauenzusam menschltissen als Motivationsdampfer im Hinblick aufkollek- tives Handeln ................................................................................ 188 5.2.2.3 "Personalisierung" von Diskriminierungsursachen als Hinder- nis fUr Wahmehmungen von Handlungsanslitzen ......................... 194 5.2.2.4 Moralische Erwligungen und ,journalistische Unabhlingig- keit' als Motivationshemmnis in bezug aufkollektives Handeln .. 198 5.2.3 Rahmenbedingungen als beeintrlichtigende Faktoren fUr Moti- vationen kollektiven Handelns ...................................................... 199 5.2.3.1 Kolleginnen und deren Anschauungen als Motivationshemmnis .. 200 5.2.3.2 Strukturelle Bedingungen in Medienorganisationen als Motivationshemmnis ..................................................................... 202 5.2.4 Ergebnis-Folge-Erwartungen als hemmende Motivationsmo- mente ............................................................................................ 206 5.2.4.1 Beflirchtete Nebenwirkungen als Motivationen kollektiven Handelns beeintrlichtigende Faktoren ........................................... 206 5.2.4.2 Die "Macht der Verhliltnisse" als Ursache flir fehlende Hand- lungsmotivationen ......................................................................... 208 5.2.5 Zusammenfassung und Bewertung negativer EinfluBfaktoren flir Motivationen kollektiven Handelns ......................................... 212 6 SchluDbetrachtung ..................................................................... 216 Literatur ..................................................................................................... 224 Anhang: ...................................................................................................... 237 Auswahl des Untersuchungssamples ............................................. 237 Leitfaden ....................................................................................... 239 10 Einleitung Kollektives Handeln, verstanden als gemeinschaftliches Agieren von lihnlich Interessierten, gilt als besonders erfolgversprechendes Mittel zur Durchsetzung eines gemeinsamen Anliegens (Sofski 1991: 187). Versuche der EinfluBnahme auf !luBere Bedingungen mittels Zusammenschliissen bieten sich vor allem dann an, wenn eine grOBere Anzahl von Menschen vom Verhalten anderer oder von bestehenden Regeln und Entscheidungen betroffen ist. Das Wirken im Verbund mit Gleichgesinnten ermOglicht einerseits Reflexion gemeinsamer Probleme, Formulierung von Interessen und Offentlichmachung von Forderungen; ein gemeinsames Vorgehen, z.B. in Verb!inden, Gruppen oder informellen Kreisen, verbessert andererseits Chancen, eigene Vorstellungen und Forderungen ver wirklichen zu kOnnen (Segerman-Peck 1994). Einen Hinweis fUr die Wirksamkeit bzw. das Erfolgspotential kollektiven Handelns gibt auf geschlechtsspezifischer Ebene die Bilanz des feministischen Engagements im Kontext der zweiten Frauenbewegung seit den 60er Jahren. Die !luBeren Rahmenbedingungen fUr Frauen im Erwerbsbereich weisen deutliche Erfolge auf: Gleichstellungsgesetze und -einrichtungen (Bundesministerium fUr Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMtFSFJ) 1998:7ft) oder die Verab schiedung von Frauentbrderpl!inen in groBeren Untemehmen (ebd.:83) deuten auf zunehmende Macht von Frauen hin. Dariiber hinaus zeugen sie von einer Sensibilisierung der Offentlichkeit und von Entscheidungstr!lgem in bezug auf ungleich verteilte Chancen zwischen den Geschlechtem in Beruf und Gesell schaft. Auch statistische Daten spiegeln gesellschaftliche Verlinderung wider: Die Zahl weiblicher Ftlhrungskr!ifte nimmt stetig zu; allm!ihlich finden immer mehr Frauen Zugang zu typischen M!innerberufen mit hohem Sozialprestige und besseren Gehaltstarifen (ebd.:60ff; 55ft). Dasselbe gilt fUr den Joumalismus: Der Anteil weiblicher Berufsangehoriger ist in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich gestiegen, immer mehr Frauen scheint der Aufstieg in betriebliche Hierarchien zu gelingen (Amend/Schulz 1993:23f, Schneider et al. 1993b:360, Weischenberg et al. 1993:27). Doch von Gleichberechtigung kann keine Rede sein, weder im Erwerbsbe reich allgemein, noch im Joumalismus. Nach wie vor ist der Arbeitsmarkt hori zontal und vertikal segmentiert: Noch immer werden Frauen bei vergleichbaren Aufgaben schlechter bezahlt als ihre m!innlichen Kollegen (BMtFSFJ 1998:66ft), noch immer sind sie in bestimmten Berufszweigen eine Minderheit, noch immer nehmen nur wenige leitende Positionen ein (ebd.:55ff; 60ft). Auch Joumalistinnen sind in ihrem Berufsfeld weiterhin unterrepr!lsentiert; in Ftlh rungsfimktionen und prestigetrlichtigen Ressorts der Massenmedien ist das 11