ebook img

Jack Katz: Über ausrastende Autofahrer und das Weinen: Untersuchungen zur emotionalen Metamorphose des Selbst PDF

162 Pages·2015·1.95 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Jack Katz: Über ausrastende Autofahrer und das Weinen: Untersuchungen zur emotionalen Metamorphose des Selbst

Wissen, Kommunikation und Gesellschaft Schriften zur Wissenssoziologie Herausgegeben von H.-G. Soeff ner, Essen, Deutschland R. Hitzler, Dortmund, Deutschland H. Knoblauch, Berlin, Deutschland J. Reichertz, Essen, Deutschland Wissenssoziolgie hat sich schon immer mit der Beziehung zwischen Gesellschaft (en), dem in diesen verwendeten Wissen, seiner Verteilung und der Kommunikation (über) dieses Wissen(s) befasst. Damit ist auch die kommunikative Konstruktion von wissenschaft lichem Wissen Gegenstand wissenssoziologischer Refl exion. Das Projekt der Wissenssoziologie besteht in der Abklärung des Wissens durch exemplarische Re- und Dekonstruktionen gesellschaft licher Wirklichkeitskonstruktionen. Die daraus resultierende Programmatik fungiert als Rahmen-Idee der Reihe. In dieser sollen die verschiedenen Strömungen wissenssoziologischer Refl exion zu Wort kommen: Konzeptionelle Überlegungen stehen neben exemplarischen Fallstudien und historische Rekonstruktionen stehen neben zeitdiagnostischen Analysen. Hubert Knoblauch (Hrsg.) Jack Katz: Über ausrastende Autofahrer und das Weinen Untersuchungen zur emotionalen Metamorphose des Selbst Herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von Hubert Knoblauch Herausgeber Hubert Knoblauch Technische Universität Berlin Deutschland Wissen, Kommunikation und Gesellschaft ISBN 978-3-658-09689-2 ISBN 978-3-658-09690-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-09690-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbi- bliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Lektorat: Katrin Emmerich, Katharina Gonsior Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Fachmedien Wiesbaden ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com) Inhalt Einleitung: Jack Katz’ Untersuchungen zur emotionalen Metamorphose des Selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Hubert Knoblauch Ausrastende Autofahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Jack Katz 1 Fahren als blödes Verhalten: Die emotionale Herausforderung asymmetrischer Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2 Geschnitten werden: Die Metamorphosen des verärgerten Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2 .1 Verführerische Metaphern und das Geschnitten-Werden . . . . . . . . . 41 3 Ausflippen und andere narrative Praktiken der Wut: Über rechtmäßige Empörung, stereotype Vorurteile und die sozioemotionale Logik von Racheszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3 .1 Typisieren und Bedeuten: Die moralische Anziehungskraft des Vorurteils . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3 .2 Ausflippen, Dominanzspiele und andere narrative Strategien, um den stillschweigend zugrundegelegten Körper zur Sprache zu bringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3 .3 Anmerkungen zum gut gezeigten Stinkefinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3 .4 Über automobile Mimikry und Dominanzspielchen . . . . . . . . . . . . . 72 3 .5 Im Gefolge der Wut: einige typische negative Fälle . . . . . . . . . . . . . . 80 4 Wütende Fahrer im öffentlichen Leben von Südkalifornien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 5 Anhang: Leitfaden für Interviews mit Autofahrern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 6 Inhalt Was ist Weinen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Jack Katz 1 Welchen Sinn macht das Weinen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1 .1 Zwei Geschichten über das Weinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1 .2 Der Dualismus des traurigen und freudigen Weinens . . . . . . . . . . . 104 1 .3 Die Dialektik des Weinens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2 Die hermeneutischen Mysterien des Weinens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2 .1 Stocken beim Reden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2 .2 Redezugwechsel mit dem Selbst in Monologen . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2 .3 Das Ersticken des Selbst im Sprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2 .4 Die Flucht vor dem Selbst beim Sprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2 .5 Wie Weinen etwas ausdrückt, das Sprechen nicht ausdrücken kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3 Die körperliche Ästhetik des Weinens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3 .1 Die sozio-poetische Logik des Weinens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Einleitung Jack Katz’ Untersuchungen zur emotionalen Metamorphose des Selbst Hubert Knoblauch Einleitung „Gefährliches Manöver eines 24-jährigen führt zu schwerem Unfall . Ein 24-jähriger Autofahrer hat sich in der Nacht zu Samstag mit seinem Wagen überschlagen und verletzt, nachdem ein anderer 24-Jähriger ihn mehrfach ausgebremst hatte . Beide wollten die A 114 in Französisch-Buchholz an der Ausfahrt Bucher Straße verlassen . Der eine Fahrer hatte bereits einige Zeit vorher den anderen am Überholen gehindert, indem er beschleunigte und wieder bremste . Vor der Ausfahrt konnte sich der so Genötigte nicht rechtzeitig einordnen . Er probierte es trotzdem, schaffte es aber nicht und überschlug sich mit seinem Auto . Der Verletzte kam ins Krankenhaus .“ (Tagesspiegel, 17 .07 .2011) . Auch wenn der Artikel nicht über Emotionen sprach, so assoziierte ich diese Meldung, die ich während der Übersetzung der Artikel von Katz in der Zeitung las, sofort mit dem Thema von Katz‘ erstem Aufsatz in diesem Band . In „Pissed off in Los Angeles“ oder, wie er hier übersetzt wurde, „Ausrastende Autofahrer“ analysiert er die emotionalen Turbulenzen, die Autofahrer in Los Angeles erleben . Dabei braucht es nicht zu solchen gefährlichen Situationen zu kommen, um uns emotional anzurühren . Ich erinnere mich sehr wohl, wie ich selbst neulich in meiner Wohnstraße einbog, die zwar zweispurig ist, zumeist jedoch auf beiden Parkstreifen so vollgeparkt ist, dass Autos jeweils nur in einer Richtung fahren können . Das ist keineswegs eine Seltenheit, und so hat sich die Regel eingespielt, dass die Autos, die sich näher an der Kreuzung oder einer Ausweichmöglichkeit befinden, den anderen Platz machen . Nicht jedoch in der Situation, die ich erlebte . Ich war schon tief in die Straße hineingefahren, als ein entgegenkommendes Auto die vor mir liegende Kreuzung überfuhr und mir in derselben Straße entgegenkam . Da die Spur zu schmal war und die beiden Autos nicht aneinander vorbei konnten, ohne Schaden zu befürchten, standen wir beide eine Weile . Ich fühlte mich im besten Gewohnheitsrecht und wies gestikulierend in die Richtung des anderen Autos . Das schien nichts zu nützen, und so öffnete ich das Fenster . Ein lauter Austausch setzte ein, bis die nächste Steigerungsstufe erreicht war – ich stieg aus . H. Knoblauch (Hrsg.), Jack Katz: Über ausrastende Autofahrer und das Weinen, Wissen, Kommunikation und Gesellschaft, DOI 10.1007/978-3-658-09690-8_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 8 Hubert Knoblauch Verärgert, aufgebracht und wild entschlossen – und man ahnt schon die Logik der Steigerung . Zum Glück hielt mich meine besonnene Beifahrerin zurück, sodass ich böse schimpfend nachgab („der Klügere gibt nach“) und rückwärtsfahrend dem Entgegenkommenden Platz machte . Wer meint, dies sei die unbesonnene Reaktion eines selten cholerischen Autofah- rers, wird von Katz‘ eines Besseren belehrt . Die Wut scheint eine ständige Begleiterin beim Autofahren zu sein, und zwar recht unabhängig vom Geschlecht, vom Alter oder der ethnischen Zugehörigkeit . Selbst die Kultur macht wenig Unterschiede . Wer den von unzähligen Stoppschildern und scharfen Geschwindigkeitsbegrenzungen gebändigten Verkehr in den Vereinigten Staaten kennt, wundert sich, wie heftig die Reaktionen ausfallen – selbst im so entspannten „Sonnenstaat“ Kalifornien . Vielleicht ist das Verhalten unter den dortigen Verhältnisse auch darauf zurückzuführen, dass auf den mehrspurigen Autobahnen Fahrspurwechsel in beide Richtungen häufig sind, die Geschwindigkeiten auf allen Spuren vergleichsweise einheitlich sind und so das Wechseln von beiden Seiten und damit auch das „Schneiden“ eine größere Rolle spielt . Gleichwohl hatte ich schon beim ersten Lesen von Katz‘ Text den Ein- druck, dass sehr vieles auch auf unsere Verhältnisse zutrifft . Deswegen wollte ich ihn unbedingt in die Sprache unserer Kultur übersetzen, in der das Autofahren eine etwas andere, aber nicht mindere Bedeutung hat . Eine besondere Faszination übt Katz‘ Analyse auf mich aus, weil er das Au- tofahren als eine (beschränkte) Form der Kommunikation beschreibt – und viel Ärger geht, wie er betont, auf diese Beschränkungen zurück . Allerdings geht es Katz nicht vorrangig um die Kommunikation mit dem Auto – ihm geht es um die Emotion . In der Tat lautet der Titel des Buchs, aus dem der Aufsatz entnommen ist, „How Emotions Work“ . Emotionen spielen deswegen auch in dem zweiten hier aufgenommenen Aufsatz über das Weinen eine Rolle . Beide Aufsätze sind aus methodischen Gründen durchaus untypisch für Katz‘ Arbeiten . Denn viele seiner Untersuchungen zielen darauf, die Emotionen selbst zu untersuchen und nicht Aussagen über Emotionen . So zeichnet er im Regelfall Interaktionen mit Tonband oder Videoband auf, um genau zu analysieren, wie Emotionen ablaufen . Deswegen enthält das ganze Buch eine Reihe von weiteren Beiträgen, in denen er vor allem mit Hilfe von Videoaufzeichnungen Emotionen auf eine höchst originelle Weise analysiert . So hebt Dietz (2013) das Buch als eines der „Hauptwerke der Emotionssoziologie“ hervor, und Jasper (2004) bemerkt, „How Emotions Work“ sei „vielleicht das beste Buch der Emotionssoziologie seit Arlie Hochschild“ (und ihrem „Gekauften Herzen“ von 1983) . So sehr es sich also gelohnt hätte, das ganze Buch zu übersetzen, muss ich gestehen, dass meine Zeit als Hobby- Übersetzer zu begrenzt ist; zum Zweiten enthalten die anderen Beiträge Bildmaterial, das ver- mutlich den heutigen Veröffentlichungsstandards nicht mehr gerecht wird . Und Einleitung 9 drittens erlauben es schon die beiden Aufsätze, wie ich meine, die großen Konturen von Katz‘ Theorie der Emotionen zu erkennen . Katz formuliert die Frage, auf die seine Theorie der Emotionen antwortet, zu Beginn des Buches auf folgende Weise: „Jeden Tag werden wir von den Emotionen vor ein bleibendes Rätsel gestellt . Auf der einen Seite stehen die Emotionen offenbar außerhalb unserer Kontrolle . Wir können von der Angst besessen sein, von der Scham übermannt, hysterisch auf etwas Lustiges reagieren oder plötzlich vor Freu- de weinen . Auf der anderen Seite sind Emotionen Teil unseres höchst subjektiven Lebens .“ Man erkennt schon an diesem Zitat, dass Emotionen das Individuum für Katz in ein dialektisches Verhältnis stellen und es zum Subjekt und zum Objekt zugleich machen . Deswegen stellt sich die Frage, wie etwa Lachen dem Menschen geschieht und zugleich von ihm gemacht wird . Diese Frage zielt nach dem emotio- nalen Ausdruck: Wie können wir Gefühle auf häufig so kunstvolle Weise gestalten? Daran schließt sich für ihn jedoch sogleich die Frage an: Wie kommt es, dass wir nicht den Eindruck haben, dass wir unsere Gefühle gestalten . Wenn uns die Scham übermannt – dann scheint sie etwas zu tun, ohne dass wir selbst den Ein- druck haben, es zu tun . Durch welchen Trick verbergen wir vor uns, dass wir die Emotionen so kunstvoll gestalten? Die Studie über das Weinen enthüllt diese Dialektik der Emotionen . Weinen beginnt geräuschvoll als ein willentliches Erzeugnis . Später, wenn man reifer ist und sein Leben besser in die Hand zu nehmen, kann man ironischerweise in un- erwarteten Augenblicken willenlos erleben, wie die Tränen in die Augen treiben . Was immer Weinen eigentlich sein mag, es ist zweifellos ein variantenreiches ex- pressives Verhalten . Diesem Variantenreichtum wird Katz auf seine eigene Weise gerecht . Denn er redet nicht nur mit den Leuten über ihre Emotionen, wie dies etwa hier im Aufsatz über ausrastende Autofahrer geschieht . Katz verfolgt auch nicht die Strategien der Psychologie, die zumeist sehr komplizierte Experimen- talverfahren entwickelt, um das zu messen, was sie Emotion nennt . Er vermeidet auch die förmlichen soziologischen Fragebögen, die es häufig schwer machen, die Beziehung zwischen den Forschungsfragen und den Vorgehensweisen zu erschlie- ßen . Katz geht in seiner Arbeit davon aus, dass es auch möglich ist, Emotionen in den praktischen Situationen ihres Vorkommens zu untersuchen . Dazu setzt er, wie erwähnt, einmal Tonband- und Videoaufzeichnungen ein, etwa von lachen- den Kindern und Familien vor Zerrspiegeln oder eines weinenden Mörders beim Polizeiverhör . In der hier nicht enthaltenen „Episode über das Weinen“ zeigt er zum Beispiel, wie das Weinen eines dreijährigen Mädchens kleinstteilig mit den Handlungen ihrer Betreuerin abgestimmt sind; diese interaktive Abstimmung ist Teil eines übergreifenden Zusammenhangs, der das Weinen selbst transzendiert

Description:
Emotionen lassen sich nicht auf innerpsychische Vorgänge reduzieren, sie finden auch nicht im Hirn statt, Emotionen haben vor allem mit dem Verhältnis der Menschen zueinander zu tun. In seiner faszinierenden Studie über die „ausrastenden Autofahrer“ und über das Weinen bietet Katz mittlerwei
See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.