ebook img

Isaaks Opferung (Gen 22) in den Konfessionen und Medien der Frühen Neuzeit PDF

840 Pages·2006·24.903 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Isaaks Opferung (Gen 22) in den Konfessionen und Medien der Frühen Neuzeit

Isaaks Opferung (Gen 22) in den Konfessionen und Medien der Frühen Neuzeit ≥ Arbeiten zur Kirchengeschichte Begründetvon Karl Holl† und Hans Lietzmann† herausgegebenvon Christian Albrecht und Christoph Markschies Band 101 Walter de Gruyter · Berlin · NewYork Isaaks Opferung (Gen 22) in den Konfessionen und Medien der Frühen Neuzeit Herausgegeben von Johann Anselm Steiger und Ulrich Heinen Walter de Gruyter · Berlin · NewYork (cid:2)(cid:2) GedrucktaufsäurefreiemPapier, dasdieUS-ANSI-NormüberHaltbarkeiterfüllt. ISSN 1861-5996 ISBN-13: 978-3-11-019117-2 ISBN-10: 3-11-019117-2 BibliografischeInformationderDeutschenNationalbibliothek DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschen Nationalbibliografie;detailliertebibliografischeDatensindimInternet überhttp://dnb.d-nb.deabrufbar. (cid:2)Copyright2006byWalterdeGruyterGmbH&Co.KG,D-10785Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro- verfilmungenunddieEinspeicherungundVerarbeitunginelektronischenSystemen. PrintedinGermany Umschlaggestaltung:ChristopherSchneider,Berlin Vorwort Der vorliegende Band dokumentiert den Ertrag einer internationalen und interdisziplinären Tagung, die vom 16. bis 19. März 2005 in der Jo- hannes a Lasco-Bibliothek in Emden stattgefunden hat. Wer sich mit der Frühen Neuzeit befaßt – gleichgültig aus welcher fachspezifischen Perspektive –, begegnet auf Schritt und Tritt Dokumen- ten der Wirkungsgeschichte der scriptura sacra, mithin der Textwelten des Alten und Neuen Testaments. In allen zu Gebote stehenden Medien und in deren heterogenen Gattungen haben sie die abendländische Kul- tur der Frühen Neuzeit nachhaltig und bleibend geprägt. In keinem Ver- hältnis jedoch zu dieser an sich selbstverständlichen Tatsache steht der Umstand, daß selbst dort, wo sich die sprach- und medienhistorischen Disziplinen explizit mit den biblischen Grundlagen von Sakralthemen befassen, diese Themen meist entweder als bloßer Stoff medialer Gestal- tung(cid:570)1 oder ihre theologische Durchdringung als Metapher für Media- lität oder – neuerdings – für autoreflexive Metamedialität genommen werden.(cid:570)2 Wo sich Mediengeschichte etwa für das Medium Bild über den Nach- weis biblischer Themen hinaus mit Grundsatzfragen der in sakralen Zu- sammenhängen entwickelten Medien befaßt, konzentriert sie sich mit der Fokussierung auf das Kultbild vor allem auf deren bildtheoretische Implikationen für den Realitätsbezug und Repräsentationscharakter des jeweiligen Mediums.(cid:570)(cid:345) Gründlich untersucht sind daher die histo- rischen Bestimmungen der ästhetischen Grenze zwischen Darstellung und Dargestelltem in Medientheologie und sakralem Mediengebrauch. Rekonstruktionen des – unter medientheologischen Aspekten immer problematischen – historischen Wirklichkeits- und Verweischarakters 1 Vorbildlich erklärt in diesem Sinne die Themen der christlichen Medien mittels der Textquellen als Verbildlichung von Glaubensinhalten M(cid:1102)(cid:1119)(cid:1121)(cid:1110)(cid:1115)(cid:1123)(cid:1116)(cid:1115) E(cid:1119)(cid:1107)(cid:1107)(cid:1102),Ikonologie der Genesis. Die christlichen Bildthemen aus dem Alten Testament und ihre Quellen, 2 Bde., Berlin 1989–1995, Bd. 1, Vorwort, 9. 2 Vgl. etwa Ästhetik des Unsichtbaren. Bildtheorie und Bildgebrauch in der Vormoderne, hg. v. D(cid:1102)(cid:1123)(cid:1110)(cid:1105) G(cid:1102)(cid:1115)(cid:1127) u. T(cid:1109)(cid:1116)(cid:1114)(cid:1102)(cid:1120) L(cid:1106)(cid:1115)(cid:1121)(cid:1106)(cid:1120), Münster 2004; Rahmen-Diskurse. Kultbilder im kon- fessionellen Zeitalter, hg. v. D(cid:1102)(cid:1123)(cid:1110)(cid:1105) G(cid:1102)(cid:1115)(cid:1127) u. G(cid:1106)(cid:1116)(cid:1119)(cid:1108) H(cid:1106)(cid:1115)(cid:1112)(cid:1106)(cid:1113), Münster 2004. (cid:345) Leitend hierfür H(cid:1102)(cid:1115)(cid:1120) B(cid:1106)(cid:1113)(cid:1121)(cid:1110)(cid:1115)(cid:1108),Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst, München 21991. VI Vorwort des jeweiligen Mediums verbinden sich dabei oft mit wertenden Schlüs- sen zur Autonomie des Mediums, seines Produzenten und seines Re- zipienten gegenüber biblischem Text, Theologie und kirchlichen Insti- tutionen.(cid:570)4 In diesen Bezirken kann für visuelle Medien die – positiv oder negativ – medienprägende Bedeutung von Theologie- und Fröm- migkeitsgeschichte durchgehend als anerkannt gelten, wenngleich auch hier eine gründliche Lektüre der Bibel und ihrer Auslegungsgeschichte noch manches Neue wird ans Licht bringen können. Neu zu entdecken ist aber vor allem die Bedeutung der biblischen Fülle, der Komplexität der Auslegungsgeschichte sowie der institutiona- lisierten – und wieder ent-institutionalisierten – Traditionen dieser Aus- legung für die theoretische und – weit über das bloß Ikonographische hinaus – praktische Entwicklung der spezifischen immanenten und kommunikativen Strukturen der jeweiligen Medien in konkreten Kon- texten.(cid:570)5 Die je spezifisch die einzelne mediale Hervorbringung struk- turell prägende Wirkung des Bibeltextes selbst ist bisher meist ebenso außerhalb der medienhistorischen Fragestellungen geblieben(cid:570)6 wie die kaum überschaubare Differenziertheit und Vielfalt, die aus der früh- neuzeitlichen Exegese, den Deutungen und medialen Vergegenwärti- gungen des biblischen Textes und seiner Auslegungstraditionen in die Modellierung und Konstituierung der frühneuzeitlichen Medien selbst eingegangen ist. Zusammen mit einer neuen Ergründung der Ausle- gungsgeschichte können hier Fragen der Erzählung, der Argumentation und der Affektivität von Medien und intermedialen Werken in sakra- len Kontexten neu gestellt werden. So ist mit dem Beitrag des biblischen Textes und seiner Auslegungsgeschichte zur Fortentwicklung frühneu- zeitlicher Medialität möglicherweise auch eine Revision der üblichen 4 Auch hierfür ebd., 11–27. 5 Ansätze hierzu etwa bei M(cid:1110)(cid:1104)(cid:1109)(cid:1102)(cid:1106)(cid:1113) V(cid:1110)(cid:1112)(cid:1121)(cid:1116)(cid:1119) S(cid:1104)(cid:1109)(cid:1124)(cid:1102)(cid:1119)(cid:1127), Visuelle Medien im christlichen Kult. Fallstudien aus dem 13. bis 16. Jahrhundert, Wien u.a. 2002; (cid:5)(cid:1109)(cid:1119)(cid:1110)(cid:1120)(cid:1121)(cid:1110)(cid:1102)(cid:1115) H(cid:1106)(cid:1104)(cid:1109)(cid:1121),Die Glorie. Begriff, Thema, Bildelement in der europäischen Sakralkunst vom Mittelalter bis zum Ausgang des Barock, Regensburg 200(cid:345). 6 So spricht etwa Hans Belting von einer „Isomorphie“ zwischen der visuellen Erzäh- lung in Bildmedien vor 1(cid:345)00 und der narrativen Struktur des Bilbeltextes, die dann um 1(cid:345)00 über diese strukturelle Texttreue hinaus zur Entwicklung des Bildes zu einem „Medium der Argumentation“ sowie zur „Rhetorik des Bildes“ geführt habe. Die differenzierte Textstruktur des biblischen Textes und etwa ihr appellatives und argumentatives Potential für diese protomoderne Medienentwicklung bleiben dabei meist unberücksichtigt (vgl. H(cid:1102)(cid:1115)(cid:1120) B(cid:1106)(cid:1113)(cid:1121)(cid:1110)(cid:1115)(cid:1108), „The New Role of Narrative in Public Painting of the Trecento. Historia and Allegory“, in: Pictorial Narrative in Antiquity and the Middle Ages, hg. v. H(cid:1106)(cid:1119)(cid:1103)(cid:1106)(cid:1119)(cid:1121) L. K(cid:1106)(cid:1120)(cid:1120)(cid:1113)(cid:1106)(cid:1119)(cid:550)M(cid:1102)(cid:1119)(cid:1110)(cid:1102)(cid:1115)(cid:1115)(cid:1106) S(cid:1109)(cid:1119)(cid:1106)(cid:1123)(cid:1106) S(cid:1110)(cid:1114)(cid:1120)(cid:1116)(cid:1115), Symposium 16. – 17. (cid:345). 1984, National Gallery of Art, Washington, Washington 1985, 151–168, hier 151. 154. 164; vgl. auch W(cid:1116)(cid:1113)(cid:1107)(cid:1108)(cid:1102)(cid:1115)(cid:1108) K(cid:1106)(cid:1114)(cid:1117),Sermo Corporeus. Die Erzählung der mittelalter- lichen Glasfenster, München 1987, 265f.). Vorwort VII Kontrastierung sakraler und moderner Medialität möglich, der die me- dientheologische Forschung bisher überwiegend bestimmt.(cid:570)7 Die Wurzel der benannten Forschungslücke liegt sicher einerseits in den medienhistorischen Wissenschaften selbst, gewiß aber auch darin, daß die Erforschung der Auslegungsgeschichte der Bibel im besagten Zeitraum nicht eben weit gediehen ist. Offenbar haben die in der zwei- ten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts kontrovers (und nicht in je- dem Falle ertragreich) geführten Debatten über die Frage, ob Kirchenge- schichte insgesamt als „Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift“ (so Gerhard Ebeling(cid:570)8) zu definieren sei oder nicht, keineswegs dazu geführt, daß der Geschichte der Bibelexegese in dem Maße mehr Beach- tung als zuvor geschenkt wurde, wie dies zu erwarten gewesen ist. So liegen zwar eine Reihe von Einzeluntersuchungen sowie Über- blicksdarstellungen vor.(cid:570)9 Bei näherem Hinsehen jedoch zeigt sich, daß die exegese-historische Erforschung des 17. und 18. Jahrhunderts (abge- sehen von einigen Ausnahmen) in vielerlei Hinsicht noch kaum begon- nen hat. Aber auch, was das Reformationsjahrhundert und selbst die Erforschung der Theologie der prominentesten Reformatoren angeht, ist auffällig, daß deren akademischen Vorlesungen über biblische Bücher (etwa Luthers alttestamentliche Kollegs), aber auch deren Bibelkommen- tare und Predigten von der Forschung vergleichsweise randständige Be- deutung beigemessen wird. Zwar wird man nicht behaupten können, daß die sich mit dem 16.und 17. Jahrhundert befassende Kirchen- und Theologiegeschichts- schreibung die Geschichte der konkreten Bibelexegese (näherhin der Kommentarliteratur, der Disputationen, die oft biblische Texte zum Gegenstand hatten, der Predigt etc.) gänzlich vernachlässigt. Zugleich aber dürfte deutlich sein, daß die bisherigen Bemühungen keineswegs den Anspruch erheben können, auch nur ansatzweise das wünschens- werte Licht in die immense Fülle des diesbezüglich einschlägigen Quel- lenmaterials gebracht zu haben. Einigermaßen erstaunlich mutet es in diesem Kontext an, daß die Debatten über die Plausibilität der Ebeling- 7 Zur Geschichte des Ignorierens einer konstitutiven Funktion des Sakralen –insbe- sondere in seiner römisch-katholischen Prägung– für die Medialität der Frühen Neuzeit vgl. J(cid:1190)(cid:1119)(cid:1108) T(cid:1119)(cid:1102)(cid:1106)(cid:1108)(cid:1106)(cid:1119),Renaissance und Religion. Die Kunst des Glaubens im Zeitalter Raphaels, München 1997, 11–49. 8 Vgl. G(cid:1106)(cid:1119)(cid:1109)(cid:1102)(cid:1119)(cid:1105) E(cid:1103)(cid:1106)(cid:1113)(cid:1110)(cid:1115)(cid:1108),Kirchengeschichte als Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift (SGV 189), Tübingen 1947. 9 Hier sind u.a. die in der Reihe „Beiträge zur Geschichte der biblischen Exegese“ (derzeit (cid:345)4 Bde.) publizierten Studien zu nennen sowie diejenigen, die in den „Bei- trägen zur Geschichte der biblischen Hermeneutik“ veröffentlicht worden sind (der- zeit neun Bde.). Vgl. hierzu Daniel Bolligers Beitrag in vorliegendem Band (u.S.260, Anm.2). VIII Vorwort schen Definition der Kirchengeschichte als Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift in jüngster Zeit(cid:570)10 in einer Weise wiederaufgegriffen worden sind, der man Innovativität nur sehr bedingt wird bescheini- gen können. So bleibt die Diskussion darüber aus, in welcher Weise der auslegungsgeschichtliche Ansatz historisch-theologischer Arbeit derart zu reformulieren wäre, daß er gerade nicht zu einer Engführung des Blickwinkels führt, der in der Tat drohen könnte, sondern umgekehrt eine Ausweitung in bezug auf die gesamte Breite der Medien, in denen konkret Bibelexegese betrieben worden ist, zur Folge hat. Kurz: Die At- traktivität der genannten Debatte läßt nicht zuletzt insofern zu wün- schen übrig, als sie gerade aufgrund der gutgemeinten Warnung vor einer ‚zu theologischen‘(cid:570)11 Definition von Kirchengeschichte eben selbst ist, wovor sie warnt, nämlich ein binnentheologischer Diskurs, der weit entfernt von der Idee zu sein scheint, die Operabilität der auslegungs- historischen Fragestellung im interdisziplinären Konzert der histori- schen Wissenschaften zu erproben. Die große Menge der Forschungsdesiderate bezüglich der Ausle- gungsgeschichte lassen sich z.T. aus einer Konstellation erklären, die die theologische Wissenschaft (über die Konfessionsgrenzen hinweg) prägt: Die exegetischen Fächer widmen sich auffällig wenig der Geschichte der von ihr betriebenen Wissenschaft, und wenn sie es tun, wählen sie nicht selten die Historie der Entwicklung der kritischen Bibelwissenschaft seit dem Zeitalter der Aufklärung zum Gegenstand der Betätigung, wo- hingegen die sog. ‚vorkritische‘ Exegese ein vergleichsweise noch gerin- geres Augenmerk erfährt oder gar als per se unwissenschaftlich abgetan wird, weswegen die Forschung sich mit ihr nicht zu befassen habe. Ähn- liches gilt für die übrigen theologischen Disziplinen, die die Geschichte ihres eigenen Faches wenn nicht in toto, so doch zumindest in wesent- lichen Segmenten der Historischen Theologie überlassen, woraus nicht zuletzt eine gewisse Überforderung der letzteren resultiert, da diese ne- ben der Kirchen- und Theologiegeschichte im engeren Sinne auch Fröm- 10 Vgl. Historiographie und Theologie. Kirchen- und Theologiegeschichte im Spannungsfeld von geschichtswissenschaftlicher Methode und theologischem Anspruch, Konzeption v. K(cid:1122)(cid:1119)(cid:1121) N(cid:1116)(cid:1124)(cid:1102)(cid:1112), hg. v. W(cid:1116)(cid:1113)(cid:1107)(cid:1119)(cid:1102)(cid:1114) K(cid:1110)(cid:1115)(cid:1127)(cid:1110)(cid:1108), V(cid:1116)(cid:1113)(cid:1112)(cid:1106)(cid:1119) L(cid:1106)(cid:1117)(cid:1117)(cid:1110)(cid:1115) u. G(cid:1215)(cid:1115)(cid:1121)(cid:1109)(cid:1106)(cid:1119) W(cid:1102)(cid:1119)(cid:1121)(cid:1106)(cid:1115)(cid:1103)(cid:1106)(cid:1119)(cid:1108) (Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte 15), Leipzig 2004. 11 Dies gilt mitunter für Volker Leppins im genannten Sammelband vorgetragene, nicht neue Mahnung, die Methodik der Kirchengeschichtsschreibung nicht durch theologische, „normative“ Vorgaben einzuengen (vgl. 224). Dabei bleibt allerdings ein Nachdenken darüber aus, daß die im Rückgriff auf Johann Salomo Semler und dessen Unterscheidung von Bibel und Wort Gottes formulierte Kritik an Ebelings Kategorie der „Heiligen Schrift“ nicht nur selbst historisch-kontingent ist, sondern sich überdies ihrerseits normativer Vorgaben verdankt, Folge also dogmatischer Setzung ist. Vorwort IX migkeits-, Predigt- und Auslegungsgeschichte sowie Hymnologie, um nur einige Facetten zu benennen, zu betreiben hat. Erfreulicherweise jedoch läßt sich in den letzten Jahren eine zunehmende Sensibilisierung der alt- und neutestamentlichen Wissenschaft bezüglich der Geschich- te der Exegese beobachten, wobei neben dem Wissenschaftsstandort Deutschland vor allem der skandinavische und anglo-amerikanische Raum wichtige Impulse gegeben hat.(cid:570)12 Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Die internationale scientific community, die sich mit der Frühen Neuzeit beschäftigt, dürfte bei al- len unterschiedlichen, z.T. auch kontroversen Zugangsweisen von der Überzeugung getragen sein, daß man sich dem Kosmos der weitenteils noch unerforschten eruditio zwischen Spätmittelalter und der Epoche der Aufklärung nur dann sachgemäß nähern kann, wenn man dies in- terdisziplinär tut. Man wird also sagen dürfen, daß die seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts aufblühende Früheneuzeit-Forschung es etwa in Kunst- und Musikgeschichte, Germanistik, Romanistik und Anglistik verstanden hat, Brückenschläge untereinander und zu einer Vielzahl von benachbarten historischen Disziplinen zu bewerkstelligen. Die historisch-theologische Wissenschaft indes hat sich in diesem Kon- text lange Zeit eher zurückgehalten, wenngleich in den letzten Jahren erfreulicherweise eine deutliche Intensivierung der längst überfälligen Kontakte zu beobachten ist. Diese hier notwendigerweise nur grob skizzierten Rahmenbedin- gungen haben die Leitidee für die Emder Tagung aus sich herausgesetzt, nämlich die Interdisziplinarität der Früheneuzeit-Forschung zu nutzen, um sie innovativ auf einen auslegungshistorischen Gegenstand zu be- ziehen und für diesen fruchtbar zu machen. Im Zentrum stand dabei ein innerhalb der Auslegungsgeschichte ebenso wie in den frühneu- zeitlichen Medien im höchsten Maße virulenter und wirkungsträchti- ger Text, nämlich die Erzählung von der Opferung bzw. Bindung Isaaks (Gen22). Ziel der Tagung war es einerseits, zu beobachten, wie Gen22 in der Frühen Neuzeit quer durch die Konfessionen (römisch-katholische Kir- che, Luthertum, reformierte Theologie) interpretiert worden ist. Hier- bei wurden sowohl die konfessionellen Spezifika als auch die Gemein- samkeiten – etwa bezüglich der Rezeption der patristischen wie auch der rabbinischen Exegese – sowie die heterogenen, hier einschlägigen Text- und Mediengattungen (u.a. Kommentar, Disputation, Predigt, Meditationsliteratur, Schauspiel, Andachtsbild, Meditationslandschaft, 12 Vgl. hierzu folgenden Forschungsbericht: M(cid:1102)(cid:1108)(cid:1115)(cid:1106) S(cid:1138)(cid:1103)(cid:1195), „Zur neueren Interpretati- onsgeschichte des Alten Testaments“, in: ThLZ 1(cid:345)0 (2005), 10(cid:345)(cid:345)–1044. X Vorwort Altarbild, geistliches Gedicht) in den Blick genommen. Auf diese Weise wurde es möglich, an exemplarischen Quellensegmenten herauszuar- beiten, welche Medien sich neben der theologischen Fachschriftstellerei in welcher Weise an diesem Auslegungsprozeß beteiligt haben oder von diesem berührt wurden und inwieweit diese Prozesse der Konfessionali- sierung folgten oder quer zu dieser verliefen bzw. diese überwölbten. Die Bündelung vielfältiger Fachkompetenzen erlaubte es, nicht nur den Spe- zifika und den Gemeinsamkeiten der Exegese von Gen22 innerhalb der theologischen Debatten, der Kommentarliteratur, der geistlichen Dich- tung wie der Predigt des 16. und 17. Jahrhunderts nachzugehen, sondern auch zu erheben, wie Bühne, Malerei, Bildhauerei und geistliche Musik die zeitgenössische Exegese nicht nur dokumentieren, sondern diese zugleich variieren, multimedial affektiv zugespitzt rezipierbar werden lassen oder mit medienspezifischen Mitteln der Argumentation und der Auslegung im jeweiligen Medium exegetisch selbständig fortent- wickeln. In umgekehrter Blickrichtung kann gerade an der spezifischen Emotions-, Appell- und Erzählstruktur der Geschichte von Abrahams Opfer sichtbar werden, daß sich wesentliche Anstöße für die Entwick- lung der medienspezifischen Mittel des Erzählens, Argumentierens und Emotionalisierens in der Frühen Neuzeit dem biblischen Text und seiner theologischen und intermedialen Auslegung verdanken. Der gemeinsame Anspruch der vorliegenden Beiträge ist es mithin, einen der meistexegesierten Bibeltexte im Rahmen derjenigen facetten- reichen kulturellen Intermedialität zu interpretieren, die durch die kon- zertierte Aktion der frühneuzeitlichen artes und scientiae überhaupt erst konstituiert wird, deren sehr heterogene Ausprägungen jedoch darin ihren gemeinsamen Bezugspunkt haben, daß sie sind, was sie betreiben, nämlich interpretationes scripturae sacrae. Die überaus gegenstandsnahe, lebendige und ertragreiche Tagung trug dazu bei, nicht nur die Vernetzung der sich innerhalb der Frühe- neuzeit-Forschung engagierenden historischen Teildisziplinen voran- zutreiben, sondern auch, die Relevanz der Auslegungsgeschichte als Teilbereich der Historischen Theologie im Rahmen der Erforschung der barocken Medien-, Kultur- und Mentalitätsgeschichte exemplarisch zu dokumentieren. Zugleich wurden somit wichtige Vorarbeiten geleistet bezüglich der Frage, wie eine sachgerechte Methodik der Auslegungs- geschichte zu formulieren wäre, wenn sie nicht eine nach wie vor eher stiefmütterlich behandelte theologische Spezialdisziplin bleiben will, sondern neben der multikonfessionellen Perspektive auch der frühneu- zeitlichen Multimedialität Rechnung zu tragen und somit sich zu öffnen bestrebt ist.

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.