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Ionosphäre und drahtloser Weitverkehr PDF

61 Pages·1958·2.358 MB·German
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ARBEITSGEMEINSCHAFT FüR FORSCHUNG DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN 54. Sitzung am 6. Juli 1955 in Düsseldorf ARBEITSGEMEINSCHAFT FüR FORSCHUNG DES LANDES NORDRHEIN -WESTFALEN HEFT 54 Walter Dieminger Ionosphäre und drahtloser Weitverkehr Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH ISBN 978-3-663-00689-3 ISBN 978-3-663-02602-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-02602-0 © 1958 Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen 1958 Ionosphäre und drahtloser Weitverkehr Von Professor Dr. rer. techno Walter Dieminger Wenn wir heutzutage die Möglichkeit haben, uns mit einem Kollegen in Nordamerika telefonisch fast mit der Qualität eines Ortsgesprächs zu unter halten, so verdanken wir das dem gleichen Gestirn, das unser Leben durch Spendung von Licht und Wärme überhaupt erst ermöglicht, nämlich der Sonne. Und wenn wir dabei das Pech haben sollten, daß das Gespräch wegen sogenannter atmosphärischer Störungen nicht durchgeführt werden kann, dann sind daran nicht mangelhafte Einrichtungen der Deutschen Bundespost schuld, sondern wir sind das Opfer einer kosmischen Kata strophe geworden, die in ihrem Energieumsatz eine Atombombenexplosion noch übertrifft. A. Die lonospäre als Reflektor elektriJ'cher Wellen Man lernt diese Zusammenhänge vielleicht am besten kennen, wenn man die historische Entwicklung der drahtlosen Nachrichtenübermittlung be trachtet. Die Erfolge, die Marconi erzielte, standen bekanntlich im krassen Gegensatz zu den theoretischen Voraussagen über die Reichweiten elek trischer Wellen. Bei diesen Voraussagen war man davon ausgegangen, daß es sich bei den Radiowellen - wie wir sie heute kurz nennen - um die gleiche Wellenart handelt wie beim Licht, nur mit dem Unterschied, daß die Wellenlänge viel größer ist. Den Beweis für diese Identität hatte be kanntlich Heinrich Hertz erbracht. Die Theoretiker wandten daher die bekannten Gesetze der Optik an und berechneten, wie stark die elektrischen Wellen um die Erdkugel gebeugt werden. Die beobachteten Reichweiten waren aber ein Vielfaches der berechneten. Heaviside in England und Ken nelly in den USA postulierten deshalb fast gleichzeitig im Jahre 1902 die Existenz einer reflektierenden Schicht in der oberen Atmosphäre, die man fortan die Kennelly-Heaviside-Schicht nannte. Heaviside sprach schon seinerzeit die Vermutung aus, daß für die Reflexionsfähigkeit freie Elek- 6 Walter Dieminger tronen und Ionen verantwortlich seien, die durch die ionisierende Wirkung der Sonnenstrahlung entstehen. Diese Vermutung hatte eine bemerkens werte Ähnlichkeit mit einer Hypothese, die Balfour Stewart bereits 1878 aufgestellt hatte. Er hatte aus bestimmten kleinen, aber regelmäßigen Varia tionen des erdmagnetischen Feldes gefolgert, daß in der oberen Atmo sphäre elektrisch leitfähige Schichten bestehen müssen. Die Existenz dieser Schichten wurde nahezu zur Gewißheit, als die gänzlich unerwarteten Reichweiten der kurzen Wellen entdeckt wurden. Wenig später, nämlich 1925, gelang Appleton und fast gleichzeitig Breit und Tuve mit zwei ver schiedenen Methoden der direkte Nachweis, daß elektrische Wellen 'nicht nur längs des Bodens als sog. Bodenwelle vom Sender zum Empfänger laufen, sondern daß ein anderer Teil als Raumwelle schräg von oben am Empfangsort einfällt. Aus der Laufzeitdifferenz zwischen Boden- und Raumwelle konnten sie auf eine Höhe der reflektierenden Schicht von größenordnungsmäßig 100 km schließen. Die konsequente Fortsetzung dieser Experimente hat in den vergangenen 30 Jahren eine Fülle von Er kenntnissen über die Kennelly-Heaviside-Schicht oder, wie wir sie heute nennen, die Ionosphäre erbracht. Außerdem wurden die Zusammenhänge zwischen der Ausbreitung der Radiowellen und dem Zustand der Iono sphäre weitgehend aufgeklärt. Dabei hat sich herausgestellt, daß diese alles andere als einfach sind. Die wichtigsten Punkte sollen in der gebotenen Kürze im folgenden behandelt werden. 1. Langwellenausbreitung Relativ einfach sind die Verhältnisse bei den sehr langen Wellen von 10 km Wellenlänge aufwärts. Für diese Wellen ist die Ionosphäre ein Spiegel mit fast konstanten Eigenschaften. Amplitude und Phase der an der Iono sphäre reflektierten Welle ist tagsüber nahezu unveränderlich. Sie bildet zu sammen mit der Bodenwelle auf dem Erdboden ein Interferenzfeld mit ringförmigen Zonen hoher und niedriger Feldstärke, das seine Lage über viele Stunden kaum ändert. Man kann diese Interferenzfigur z. B. mit einem Flugzeug bequem ausmessen. Abbildung 1 zeigt das Ergebnis eines derartigen Meßfluges radial vom Sender weg. Die ausgezogene Kurve stellt den Wert des Produktes Feldstärke x Entfernung dar, wie sie sich für reine Bodenwellenausbreitung ergeben würde. Die Meßpunkte zeigen, daß tatsächlich Maxima und Minima auftreten, die dort liegen, wo Boden- und Raumwelle gerade gleichphasig bzw. gegenphasig ankommen. Aus der artigen Messungen läßt sich die Reflexionshöhe ableiten; sie beträgt tags- Ionosphäre und drahtloser Weitverkehr 7 . . 6 . .' .... ... . ~.: ~. . ~. . .'o .• . . IY '. ~ ~ . '. ~... • • . .. ..••. , . ':-.0' .. . ........... • • .' . .• ~ .'• - • ." • '--.. • . . •" •• ~ • • • " 300 400 500 600 700 800 Entfernung vom Sender (km) Abb. 1: Feldstärkeverlauf auf 85 kHz bei einem Meßflug radial vom Sender (nach Bracewell et. al.). über rd. 70 km. Bei Sonnenuntergang steigt sie auf etwa 95 km an, bleibt die Nacht über nahezu konstant und fällt bei Sonnenaufgang wieder auf 70 km. Die große Konstanz der Reflexionsbedingung und die geringen Verluste, die dabei auftreten, machen die Längstwellen zu einem sehr wertvollen Nachrichtenmittel. Dazu kommt noch, daß sie relativ unempfindlich gegen gewisse Störungen sind, die den Kurzwellenfunkverkehr u. U. schwer be einträchtigen oder sogar ganz lahmlegen können. Sie bilden daher in solchen Fällen eine z. Z. noch unersetzliche Notreserve. Leider ist eine allgemeine Anwendung dadurch eingeschränkt, daß nur eine sehr kleine Anzahl von Nachrichtenkanälen im Bereich der Längstwellen verfügbar ist. Diese sind seit langer Zeit in den Händen fester Besitzer. Außerdem ist der Aufwand für die Sendeantennen sehr groß. Es sei erinnert an Bilder der früheren Sendestation Nauen mit ihren riesigen Antennen, die trotz ihrer Größe nur einen Wirkungsgrad von wenigen Prozent hatten. Damit nämlich eine Antenne ordentlich abstrahlt, sollte man sie mindestens eine Zehntel-, besser noch eine Viertelwellenlänge hoch aufhängen. Das läßt sich bei einer Wellenlänge von 100 m leicht realisieren, führt aber bei einer Wellenlänge von 10000 m zu der phantastischen Antennenhöhe von 1000 bzw. 2500 m. Diese beiden Nachteile, begrenzte Zahl der Nachrichten kanäle und schlechter Wirkungsgrad, zwingen zum Ausweichen auf einen anderen Wellenlängenbereich, die sog. Kurzwellen von 10-100 m Wellen länge. 8 Walter Dieminger 2. Kurzwellenausbreitung Im Bereich der kürzeren Wellen sind die Ausbreitungsvorgänge ungleich verwickelter. Hier kann keine Rede mehr von einer stabilen Reflexion an der Ionosphäre sein; das Interferenzbild am Boden ändert sich deshalb dauernd so stark, daß es keine Schlüsse auf den Reflexionsmechanismus mehr zuläßt. Man ist hier auf eine andere Beobachtungsmethode ange wiesen, die ein elektrisches Analogon zum Behmschen Echolot zur Fest stellung der Meerestiefe darstellt. Beim Behmschen Echolot wird von einem Schallsender, der sich am Schiffsboden befindet, ein Knall ausgesandt und mit Hilfe eines Empfängers festgestellt, nach welcher Zeit das Echo Abb. 2: Schematische Darstellung der kontinuierlichen Aufzeichnung der Echolaufzeit. vom Meeresboden zurückkommt. Da die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schalles im Wasser bekannt ist, läßt sich daraus die Meerestiefe berechnen. Tatsächlich sind solche Geräte gleich in Meter Wassertiefe geeicht. Das gleiche macht man in der Ionosphärenforschung senkrecht nach oben. Nur verwendet man keine akustischen Wellen, sondern sendet kurze elektrische Signale aus; in einem benachbarten Empfänger erhält man dann neben dem Zeichen, das direkt vom Sender zum Empfänger gelaufen ist, sog. Echos, die an der Ionosphäre reflektiert wurden. Wegen der hohen Ausbreitungs geschwindigkeit sinc:i die Laufzeiten dieser Echos sehr kurz, nämlich etwa 1/1000 sec. Solche kurze Zeiten kann man aber heutzutage mit Hilfe einer Braunsehen Röhre sehr bequem und sehr genau messen. Wie dies geschieht, ist in Abbildung 2 dargestellt. Man lenkt den Leuchtfleck einer Braunsehen Ionosphäre und drahtloser Weitverkehr 9 Röhre regelmäßig, z. B. 50 mal pro Sekunde quer über den Schirm der Röhre aus. Immer zu Beginn der Auslenkung sendet man einen Impuls aus. Wenn das Echo eintrifft, hat sich der Leuchtfleck um einen bestimmten Betrag verschoben. Dieser Betrag ist ein Maß für die Echolaufzeit. Man kann nun diese sog. Zeitablenkung durch einen Vorgang von bekannter Zeitdauer, z. B. eine Sinusschwingung bekannter Frequenz eichen, und, genau wie beim Behmschen Echolot, direkt in Reflexionshöhe umrechnen. Der Unterschied ist nur, daß man hier nicht nach Metern, sondern nach Kilometern rechnet. Man kann außerdem die Echolaufzeit und ihre zeit lichen Änderungen bequem registrieren, indem man z. B. auf das Schirm bild eine Blende setzt und die Zeitlinie auf fotografischem Papier abbildet, das gleichmäßig am Braunsehen Rohr vorbeigezogen wird. Man erhält dann Kurven nach Art der Abbildung 3. Auffallend ist an diesen Registrie- - 1000- - -- -.-" - 3.11.1939 500-- l - - I 0 IS00 ---16_00. -. 1700 1800 km ... 1000- --, - - ....:.- - 500-- I ..:.-~.. :- .. ... .. -- 5.8.1939 - - 0 h 0400 OS 06'" --. 1000 8.11.1939 500 0 1900 20eo 2100 22°:1 2>00 • MEZ Abb.3: Echoregistrierungen auf fester Frequenz. Aufnahme Rechlin 1939. -o ~ ~ ... " I::) ;:;" 3 S" .., a~ ... ür W. stituts f10 g k nn nck-Ieistu Plaenl -z axpit Ms s s ul ep dm z I enz; uH q eM r F6 r 1 e ch1- derlieich nr äe rb ez vn mit que e ät Fr sgeräre. gh np us otno olo hI Ecer d 4: k b.si AbPhy Ionosphäre und drahtloser Weitverkehr 11 rungen, daß man meist mehrere Echos erhält; das ist z. T. darauf zurück zuführen, daß die Welle tatsächlich gleichzeitig in verschiedenen Höhen reflektiert wird, z. T. darauf, daß die Wellen mehrmals zwischen Erde und Ionosphäre hin- und herlaufen. Man erhält auf diese Weise allerdings nur Auskunft über die Reflexions eigenschaften der Ionosphäre für diejenige Wellenlänge, auf der man die Versuche durchführt. Tatsächlich interessiert aber das Verhalten in dem ganzen zur Nachrichtenübermittlung verwendeten Bereich. Man hat des halb Geräte konstruiert, die während der Lotung ihre Wellenlänge konti nuierlich verändern, z. B. den Bereich von 200-20 m innerhalb einiger Minuten durchlaufen (Abb. 4). 3. Ergebnisse der Senkrechtlotung Was man mit derartigen Geräten erhält, ist höchst interessant (Ab bildung 5): Man stellt fest, daß mit abnehmender Wellenlänge oder - was das gleiche ist - mit zunehmender Frequenz die Reflexionshöhe immer 120 ~:; ""'~'--'-- -, - i-----!·- - -~ km 9 -~.. . ~ ~ß - JF 6o N 2l' ~. .-.I - h 0 --,~ -_ .-+- .. ,. ..' ;JI L~. 1-- E18F, 1 J. b ~ 10 11 12 ---...·. MHz Abb. 5: Ionogramm bei Nacht. fOF2 ordentliche, fXF2 außerordentliche Grenzfrequenz der F2-Schicht. B Bodenwelle, Es sporadische E·Schicht, 1-3F Echos von der F-Schicht. Aufnahme: Max-Planck-Institut für Physik der Ionosphäre. mehr ansteigt, bis schließlich die Echos nach oben weglaufen, d. h. offenbar die Ionosphäre durchdringen. (Daß dies in zwei Kurvenästen geschieht, soll hier nicht interessieren. Es ist dies eine Folge der magnetischen Doppel brechung in der Ionosphäre.) Signale, die mehrmals zwischen Erde und

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