Markus Göbel Interaktive Unternehmenssteuerung nbf neue betriebswirtschaftliche forschung Band 366 Markus Göbel Interaktive Unternehmenssteuerung Organisation, Wissen und Reziprozität auf Kapitalmärkten Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Michael Gaitanides GABLER EDITION WISSENSCHAFT Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. Habilschrift Helmut-Schmidt-Universität Hamburg 2007 1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Frauke Schindler /Jutta Hinrichsen Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbe- sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. indiesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1520-7 Geleitwort Kein Thema bewegt die deutsche Unternehmenslandschaft seit geraumer Zeit so sehr wie die Einflussnahme von institutionellen Investoren auf die Geschicke von Kapital- gesellschaften. So titulierte der ehemalige Vizekanzler Franz Müntefering Private- Equity-Firmen oder Investmentbanken als „Heuschrecken“, „die im Vierteljahrestakt Erfolg messen, Substanz absaugen und Unternehmen kaputtgehen lassen, wenn sie sie abgefressen haben“. In feindlicher Manier würden sie sich die Anteilsmehrheit an Kapitalgesellschaften sichern, das Top-Management mit überzogenen Renditeerwar- tungen bedrängen und damit die Geschicke des Unternehmens allein zu ihrem Nutzen wenden. Diese populäre Vereinfachung der Investor/Unternehmens-Beziehung findet vergleichbare Parallelen in der Betriebswirtschaftslehre. Unter dem Stichwort „Share- holder Value“ wird eine Form der Unternehmensführung proklamiert, die sich ausschließlich an den Interessen der Eigentümer orientiert. Zwar ist letztere eher auf die langfristige Erzielung von Unternehmenswert gerichtet, bei näherer Betrachtung wird jedoch eine zentrale Gemeinsamkeit deutlich. Die Steuerung von Kapital- gesellschaften wird faktisch nicht mehr alleine von dem jeweiligen Top-Management vollzogen, vielmehr nehmen die Investoren erheblichen Einfluss. Unternehmens- steuerung wird somit zu einem interaktiven Phänomen, bei dem Akteure und Akteurs- gruppen über die eigenen Organisationsgrenzen hinweg die Geschicke anderer Unter- nehmen beeinflussen. Gegenstand der Unternehmenssteuerung ist damit weniger die einzelne Organisation, sondern vielmehr die interdependente Beziehung zwischen zwei oder mehr Organisationen. Jüngst wurde dieser Interaktionsprozess im Fall Scheffler KG/Continental AG auch dem unbeteiligten Beobachter deutlich vor Augen geführt. Dieser interaktive Aspekt der Unternehmenssteuerung bedarf einer theore- tischen Perspektivenerweiterung, welche vor allem die soziale Komplexität solcher Interdependenzen nicht vernachlässigt. Gerade darin liegen die Einzigartigkeit und der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn dieser Arbeit. Markus Goebel ist es gelungen, ein umfassendes Konzept der „investor relations“ jenseits der reinen Kapitalmarkttransaktion zu entwickeln und dessen empirische Relevanz aufzuzeigen. Die vorgelegte Arbeit bringt damit eine inter- aktionstheoretische Perspektive in die Governance-Diskussion, darüber hinaus aber auch in weitreichende Problemfelder von Unternehmensführung und Organisation. Diese betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen erhalten durch die Arbeit ein innova- tives Fundament. Es ist das Verdienst der vorgelegten Arbeit, die Außenbeziehungen von Unternehmen – und dabei nicht nur die auf Tausch beruhenden – in die Unter- nehmenssteuerung einzubeziehen. Der Blick wird erweitert auf ganz neue, reziproke Ausprägungen von Interaktionsmechanismen, die einer rein ökonomischen Analyse verschlossen bleiben. Es ist der Arbeit zu wünschen, dass sie einen Multiplikatoreffekt auslöst, der der interaktiven Unternehmensführung zu der ihr gebührenden Bedeutung verhilft. Die theoretischen Reflexionen und die aufgezeigten empirischen Evidenzen dieser Arbeit mögen die Theoriebildung interaktiver Unternehmensführung befruchten und den Praktikern eine Orientierungshilfe sein. Hamburg, Oktober 2008 Michael Gaitanides VI Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde 2007 von der Fakultät für Wirtschafts- und Sozial- wissenschaften der Helmut-Schmidt-Universität Universität der Bundeswehr Hamburg als Habilitation angenommen. Um dem Leser wertvolle Kräfte zu sparen – er wird sie an anderer Stelle noch nötig haben – gehe ich gleich zur Danksagung über. Besonderen Dank gilt meinem akademischen Lehrer Herrn Professor Dr. Michael Gaitanides, der mich mit Rat und Tat unterstützt hat und so nicht nur zu der Entstehung dieser Arbeit beitrug sondern mich auch in meiner wissenschaftlichen Entwicklung förderte. Danken möchte ich an dieser Stelle auch meinem Zweit- gutachter Herrn Professor Dr. Günther Ortmann. Ohne sein Zutun wäre ich wohl nicht in die Wissenschaft gegangen und – vor allen Dingen – nicht dort geblieben. Weiterhin möchte ich Frau Professor Dr. Jetta Frost für die zeitnahe Erstellung des Habilitationsgutachtens danken. Ich danke auch den weiteren Mitgliedern der Habilitationskommission Frau Professor Dr. Claudia Fantapie’ Altobelli und Herrn Professor Dr. Michel Domsch, die zum reibungslosen und angenehmen Vollzug des Habilitationsverfahrens maßgeblich beigetragen haben. Danken möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich Frau Marianne Petersizke und meiner Schwägerin Heike Göbel, die sich den orthographischen Mängeln meiner Arbeit in einer schnellen und unprätentiösen Weise angenommen haben. Weiterhin möchte ich Frau Natalja Press für die durchreife Formatierung der Arbeit danken. Einen besonderen Dank möchte ich nun an alle Kolleginnen und Kollegen richten, die direkt oder indirekt zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Hier denke ich zunächst an Frau Dr. Christiana Weber, mit der ich viele interessante – auch fachliche – Gespräche geführt habe. Die gemeinsamen Stunden am Weberischen Schreibtisch werden mir in angenehmer Erinnerung bleiben. Danken möchte ich auch Herrn Dr. Jens Fischer und Frau Dr. Gerlinde Barthelheimer, die mir jede Unterstützung bei der Arbeit am Lehrstuhl gewährt haben sowie Herrn Dr. Tobias Thomas, der für nette abendliche Unterhaltung in Zeiten schlecher Stimmung gesorgt hat. Schließlich möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen von den Lehrstühlen Marketing, Personal, Industriebetriebslehre und ABWL für die unzähligen gemeinsamen Mittagessen danken. Diese anregenden und freundschaftlichen Gesprächsrunden sind wesentliche Kennzeichen einer von mir sehr geschätzten – aber leider nicht mehr häufig anzutreffenden – akademischen Kultur. Zum Abschluss möchte ich meinen Eltern, Geschwistern, Schwägerinnen und Schwägern für ihre moralische Unterstützung danken. Diese ist auf einem so langen Weg zuweilen dringend erforderlich. Meinen größten Dank gilt jedoch meinen Kindern Leonard, Charlotte und Vinzent sowie meiner Frau Kerstin. Ohne Eure Hilfe hätte ich die Arbeit wohl kaum geschafft. Insbesondere die gemeinsamen Wochen- enden mit ihren vielfältigen Aktivitäten haben mir die Inspirationen gegeben, die zur Qualität einer solchen Arbeit unerlässlich sind. Euch sei diese Arbeit gewidmet. Markus Goebel Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung.................................................................................................................1 1.1. Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit........................................................1 1.2. Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit...............................................................5 TEIL A: Deskriptive Zugänge zur Investor/Unternehmens-Interaktion..............11 1. Das kapitalnachfragende Unternehmen als Finanzkommunikator........................11 1.1. Der Shareholder Value als Maxime einer kapitalmarktorientierten Unternehmenssteuerung......................................................................................11 1.2. Finanzkommunikation und Investor Relations...................................................15 1.2.1. Finanzkommunikation als Werttreiber.............................................................15 1.2.2. Aufgaben der Finanzkommunikation...............................................................17 1.3. Die Organisation der Finanzkommunikation......................................................20 1.4. Instrumente der Finanzkommunikation..............................................................24 1.5. Zentrale Zielgruppen der Finanzkommunikation...............................................29 2. Institutionelle Investoren als Adressaten der Finanzkommunikation....................33 2.1. Die Mediatorfunktion der institutionellen Investoren auf Kapitalmärkten.........33 2.2. Bankorganisation, Wissensmanagement und Unternehmenssteuerung..............35 2.2.1. Leistungserstellung und Netzwerkorganisation...............................................35 2.2.2. Communities of practice und Wissensmanagement........................................38 2.2.3. Strategiebildung und Unternehmenssteuerung................................................40 2.3. Der Investmentprozess von der Zieldefinition bis zur Erfolgsmessung.............43 2.4. Portfoliomanager und Analysten als Akteure im Investmentprozess.................48 3. Finanzkommunikation in kommunikationstheoretischer Perspektive...................53 3.1. Unternehmensberichterstattung und Informationsübertragung..........................53 3.2. Innerer Unternehmenswert und semiotische Zeichenlogik.................................59 4. Unternehmen, Kommunikation und Information: ein Zwischenfazit....................63 TEIL B: Theoretische Zugänge Investor/Unternehmens-Interaktion..................65 1. Die Investor/Unternehmens-Konstellation aus ökonomischer Perspektive...........65 1.1. Markt und Organisation in der ökonomischen Theorie......................................66 1.1.1. Das neoklassische Markt- und Organisationsverständnis................................66 1.1.2. Das institutionenökonomische Markt- und Organisationsverständnis............69 1.2. Die Kapitalgesellschaft aus institutionenökonomischer Perspektive.................72 1.2.1. Die Trennung von Eigentum und Führung......................................................72 1.2.2. Zielkonflikte zwischen Topmanagement und Investoren................................76 1.2.3. Die Beziehung von Topmanagement und Investoren als Prinzipal-Agenten Konstellation................................................................79 2. Information und Wissen in der Investor/Unternehmens-Interaktion – theoretische Perspektiven und praktische Evidenzen............................................85 2.1. Unternehmenssteuerung als Informationsproblem – die Sicht der Institutionenökonomie...................................................................85 2.1.1. Unternehmenskommunikation zwischen Marktwert und True Value.............85 2.1.2. Informationen und Signale...............................................................................86 2.1.3. Nutzung von Erfahrungen................................................................................89 2.1.4. Reputation: Genese, Wirkung, kommunikative Gestaltung............................91 2.1.5. Information, Signal und die Objektivierung von Wissen – ein Zwischenfazit.............................................................................................94 2.2. Informationen als soziale Konstruktionen – die Sicht der empirischen Kapitalmarktforschung........................................................................................97 2.3. Unternehmenssteuerung als Wissensproblem – die Sicht der Wissenssoziologie........................................................................101 2.3.1. Die Kapitalgesellschaft im Prozess der Wissensgenese – nur Kommunikator?.......................................................................................102 2.3.1.1. Finanzorganisation, Unternehmenssteuerung und Kommunikation..........102 2.3.1.2. Fair Value, Bilanzpolitik und die Logik der Rechnungslegung.................106 2.3.2. Der institutionelle Investor im Prozess der Wissensgenese – nur Rezipient?110 2.3.2.1. Die Informationsgewinnung als Interaktionsprozess.................................110 2.3.2.2. Die Praxis der Unternehmensdiagnose......................................................116 2.3.2.3. Die Praxis der Gewinnprognose.................................................................119 2.3.2.4. Die Quasifirma als Bezugsgröße der Unternehmenssteuerung..................124 2.3.3. Wissen, Steuerung und Reziprozität – ein Zwischenfazit..............................130 3. Kontrolle und Kooperation in der Investor/Unternehmens-Interaktion – theoretische Perspektiven und empirische Evidenzen.........................................135 3.1. Unternehmenssteuerung als Kontrollproblem – die Sicht der Institutionenökonomie.................................................................135 3.1.1. Marktliche und gesetzliche Kontextfaktoren der Unternehmenskontrolle....137 3.1.2. Supervisor-Konzepte der Managementkontrolle...........................................139 3.1.3. Wettbewerbskonzepte der Managementdisziplinierung................................147 3.2. Tausch, Opportunismus und Steuerung – ein Zwischenfazit............................152 3.3. Verhaltenssteuerung über Verträge – die Sicht der experimentellen Wirtschaftsforschung........................................155 3.4. Unternehmenssteuerung als Kooperationsproblem – die Sicht der sozialwissenschaftlichen Corporate-Governance-Forschung......158 3.4.1. Das japanische Corporate-Governance-System.............................................158 3.4.1.1. Die japanischen Unternehmensgruppen.....................................................159 3.4.1.2. Japanische Kapitalgesellschaften und ihre Investoren...............................166 3.4.1.3. Japanische Kapitalgesellschaften und ihre Main Bank..............................170 3.4.1.4. Führungsgremien japanischer Kapitalgesellschaften – de jure..................173 3.4.1.5. Führungsgremien japanischer Kapitalgesellschaften – de facto................174 3.4.1.6. Seniormanager als Mediatoren von Kooperationsbeziehungen.................177 X 3.4.2. Das britische Corporate-Governance-System................................................180 3.4.2.1. Geschichte und Strukturelemente..............................................................180 3.4.2.2. Das Unternehmensboard zwischen Kollaboration und Kooperation.........183 3.4.2.2.1. Die Beziehung zwischen CEO und Chairman.....................................185 3.4.2.2.2. Boardkultur und Strategiegenese.........................................................189 3.4.3. Rechenschaftspflicht, Moral und Corporate Governance – ein Zwischenfazit...........................................................................................193 TEIL C: Konzeptionelle Entwicklung und steuerungspraktische Evidenz eines interdisziplinären Reziprozitätsverständnisses............................197 1. Entwicklung eines interdisziplinären Reziprozitätsverständnisses......................197 1.1. Das Ende des homo oeconomicus? Ergebnisse der experimentellen Wirtschaftsforschung........................................................................................197 1.2. Die Gabe in der Standardökonomik..................................................................201 1.3. Die Gabe in der Ethnologie und Soziologie......................................................203 1.4. Nutzen, Pflicht und Altruismus: Motive reziproken Verhaltens......................208 1.5. Reziprozität der Perspektiven...........................................................................216 1.6. Vertrauen, Loyalität, Fairness und Reputation – zum Anökonomischen in der Ökonomie..........................................................219 2. Steuerungspraktische Evidenz eines interdisziplinären Reziprozitätsverständnisses.................................................................................225 2.1. Reziprozität und Steuerung in Organisationen.................................................225 2.1.1. Psychologischer Vertrag................................................................................227 2.1.2. Organizational Citizenship Behavior.............................................................228 2.2. Reziprozität und Steuerung zwischen Organisationen......................................230 2.2.1. Dyadische Kooperationsbeziehungen............................................................231 2.2.2. Multiple Kooperationsbeziehungen...............................................................232 2.3. Reziprozität und Steuerung in Gemeinschaften................................................235 2.3.1. Sharing in Online Gemeinschaften................................................................235 2.3.2. Open Source und Open Innovationen............................................................237 2.4. Reziprozität und Steuerung auf (Finanz-)Märkten...........................................240 3. Reziprozität, Steuerung und Motivation – ein Zwischenfazit.............................243 TEIL D: Die Evidenz des Reziprozitätsverständnisses in der Investor/Unternehmens-Interaktion – eine empirische Untersuchung auf dem deutschen Markt für Risikokapital.................245 1. Tausch und Reziprozität in der Venture-Capital-Forschung...............................245 2. Forschungsmethode und Untersuchungsdaten.....................................................249 3. Forschungsergebnisse..........................................................................................253 XI