In tera kti n 0 in der Familie Herausgegeben von E. J. Brunner Unter Mitarbeit von w. Becker M. Bosch E. Brähler I. Brintzinger-von Köckritz R. Brunner-Wörner R. E. Cromwell D. G. Fournier D. Greitemeyer H. Klein D. H. Olson A. Odronitz-Dieterle s. A. Overbeck Reiter-Theil Mit 4 Abbildungen und 12 Tabellen Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Tokyo 1984 Dr. soz. wiss. habil. Oiplom-Psychologe Ewald Johannes Brunner Universität Tübingen, Institut für Erziehungswissenschaft I Arbeitsbereich Pädagogische Psychologie Münzgasse 22-30, 0-7400 Tübingen 1 ISBN-13 :978-3-540-13031-4 e-ISBN-13 :978-3-642-69458-5 001: 10.1007/978-3-642-69458-5 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54, Abs. 2 UrhG werden durch die "Verwertungsgesell schaft Wort", München, wahrgenommen. © by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1984 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solehe Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. 2119/3140-543210 Einleitende Bemerkungen E. J. Brunner "We be/ieve that the therapeutic arena has been extremely important in generating hypotheses, but that it is now essential to move beyond a c/inical-impressionistic orientation toward a more 'hard-/ine' research approach in studying families, namely, family interaction research" (Riskin u. Faunce 1972) Obwohl sich das familientherapeutische Konzept im deutschspra chigen Raum zunehmender Verbreitung erfreut, handeit es sich bei der Domäne der Familientherapieforschung noch um ein weitge hend unbeackertes Feld. Dies trifft in besonderem MaBe für die systemorientierte Familiendiagnostik zu. Mit der Herausgabe dieses Buches vertolge ich jedoch nicht nur Forschungsinteressen. Oa es in der familientherapeutischen Praxis an theoretisch gut begründeten und empirisch abgesicherten fami liendiagnostischen Verfahren mangelt, geht es mir in diesem Buch auch darum, Familientherapeuten einen Leitfaden an die Hand zu geben, mit dessen Hilfe sie die Möglichkeiten und Grenzen einiger spezieller Verfahren besser abschätzen können (vgl. hierzu insbe sondere den Artikel von Cromwell, Olson und Fournier, sowie mei nen abschlieBenden Beitrag in diesem Band). Theorie und Methodologie Methodologisch gesehen steckt das Konzept der systemorientier ten Familientherapie immer noch in den Anfängen; die systemtheo retischen Implikationen erschweren die Erarbeitung methodenkriti scher Zugänge (E. J. Brunner 1982, Analysen familialer Interaktion im Kontext systemorientierter Familienberatung, unveröffentlichte Ha bilitationsschrift, Universität Tübingen). Im ersten Beitrag dieses Bu- ches versuche ich, diese Problemstellung zu umreiBen: Inwiefern er fordert die Familientherapie (die Systemtherapie) eine Neuorientie rung in der Diagnostik? Diagnostische Probleme werden hier zu nächst auf einer theoretisch-abstrakten Ebene angesprochen. Diese theoretische Diskussion wird häufig mit der Bemerkung ein geleitet, beim Konzept der systemischen Familientherapie handie es sich um eine neues "Paradigma". Was es mit dieser Feststellung auf sich hat, behandelt Stella Reiter-Theil im zweiten Beitrag, in dem die wissenschaftstheoretischen Grundlagen der angedeuteten Neuorientierung in der Familiendiagnostik ausführlich erörtert wer den. Da es die Familientherapie nicht gibt, sondern bereits ein recht brei tes Spektrum familientherapeutischer Ansätze existiert (vgl. Gurman u. Kniskern 1981; Hoffman 1982; Hansen u. L.:Abate 1982), istes nicht verwunderlich, daB sich die jeweilige familientherapeutische Orien tierung auch in verschiedenartigen Diagnoseansätzen und -metho den niederschlägt. Welche Spannbreite möglich ist, zeigen Stella Reiter-Theil und ich in einem Beitrag, in dem ein einzelnes Familien system aus dem Blickwinkel sechs verschiedener Schulrichtungen analysiert wird. Die Zusammenhänge zwischen der innerfamilialen Kommunikation und der auBerfamilialen Situation werden zwar in den familienthera peutischen Konzepten thematisiert, spielen aber für die Familiendia gnose in der Regel kaum eine Rolle. Dagmar Greitemeyer geht in ih rem Beitrag auf die Frage ein, welche sozialen EinfluBgröBen Be rücksichtigung finden sollten und wie die Wechselwirkung zwischen Familie und Gesellschaft beschrieben werden kann. Das Spektrum der familiendiagnostischen Methoden Der zweite Teil des vorliegenden Buches enthält Beiträge, in denen die Breite verschiedener familiendiagnostischer Zugänge beschrie ben wird. Eine Systematik im engeren Sinne wurde jedoch nicht an gestrebt (vgl. auch Jankowski 1978; Mattejat 1980; Reiss 1980; Fil singer u. Lewis 1981; zur diagnostischen Vorgehensweise familien therapeutischer Praktiker vgl. Brunner 1983). Mit Rose Brunner-Wörner und Annegret Odronitz-Dieterle habe ich zu einem eigenen Forschungsprojekt (s. u.) Vorüberlegungen ange steIIt darüber, wie man eine Interaktionsanalyse in der systemorien tierten Familientherapie theoretisch begründen kann und welche methodischen Zugänge generell möglich sind. (Aus diesen Überle gungen resultierte ein Forschungsvorhaben, das dann mit Unter- stützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1 durchgeführt worden ist; vgl. den Beitrag zum Reutlinger Familieninteraktions Diagnosebogen RFD, s. S. 273 ff.; vgl. auch Brunner 1982; im Druck). Die Bandbreite der Instrumente und Erhebungsverfahren in Ehe und Familientherapie ist Thema der Ausführungen von Ronald E. Cromwell, David H. Olson und David G. Fournier. Diese Autoren lie fern nicht nur ein theoretisch begründetes Raster zur Klassifikation der verschiedenen Methoden (die in der amerikanischen Original fassung der Arbeit in ausführlichen Tabellen dokumentiert werden), sie geben auch viele interessante Hinweise zur Verwendung der Me thoden in Forschung und Praxis. Die Methoden werden dabei nicht gegeneinander ausgespielt, die Autoren arbeiten vielmehr auf eine Integration der Verfahren hin. Willfried Becker steIIt in seinem Sammelreferat systematisch die ge sprächsanalytischen Verfahren zur Erfassung tamilialer Interaktion und Kommunikation zusammen. Neben den Ausführungen zu den methodologischen Grundlagen der Gesprächsanalyse, die eher in torschungspraktischer Hinsicht von Interesse sein dürften, sind die jenigen Passage n tür den familientherapeutischen Praktiker von In teresse, die über die Methodik gesprächsanalytischer Vorgehens weise Auskunft geben. Elmar Brähler, Hildegard Klein und Annegret Overbeck berichten über ein Verfahren zur automatischen Analyse des Sprechverhal tens in Familientherapiegesprächen. Nach den vorliegenden Unter suchungsergebnissen der Autoren handeit es sich um ein Analyse verfahren, das sich in besonderer Weise durch Objektivität, Reliabili tät und Validität auszeichnet. Einzelne methodische Verfahren Im dritlen Teil des Buches werden einzelne tamiliendiagnostische Methoden vorgestellt. Den Reigen eröffnet Maria Bosch mit einer Ar beit über das tamilientherapeutische Interview. Je nach den Voraus setzungen, die eine Familie mit in die Therapie bringt, kann sich das Interview rechtverschieden gestalten. Die Autorin begründet die ver schiedenen Vorgehensweisen und dokumentiert sie anhand von Beispielen. 1 Das Forschungsprojekt lautete: "Methoden der Interaktionsdiagnose bei Familienberatungsgesprächen" (Br643/1) Isabella Brintzinger-von Köckritz konzentriert sich auf die projekti ven Verfahren. Die Autorin beschreibt den Wandel in der Verwen dung der Tests: Die ursprünglich individuellen Verfahren wurden durch die Veränderung der Fragestellung auch zu Methoden der Gruppen-, Ehe-und Familiendiagnostik. Die Verwendungsmöglich keiten der Interaktionsdiagnostik werden an hand zahlreicher Unter suchungen aufgezeigt. Im Anhang berichtet die Autorin zusammen mit U. Thurner über die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung; Frau Thurner hatte Familien mit einem psychosomatisch kranken Kind mit Hilfe des Ge meinsamen Rorschach-Versuchs getestet. Stella Reiter-Theil beschäftigt sich mit einem sehr wichtigen Aspekt familiendiagnostischen Vorgehens, der die Situation der Datenerhe bung auBerhalb der therapeutischen Situation betrifft.ln einer empi rischen Untersuchung stellte sich die Autorin folgende Frage: "Wie steIIt sich der Zusammenhang zwischen den Beobachtungen der In teraktion in den Familien - aus den diagnostischen Untersuchungen mit dem Gemeinsamen Rorschach-Versuch - und den Einschätzun gen der Interaktion durch die systemorientierten Familientherapeu ten dar?" Mein Beitrag zusammen mit Annegret Odronitz-Dieterle und Rose Brunner-Wörner bezieht sich auf den bereits erwähnten Reutlinger Familieninteraktions-Diagnosebogen (RFD). Es handeit sich um ein Kategoriensystem, das zur Kodierung der verbalen Kommunikation in der Familie erstellt worden ist. Im Anhang referiere ich zusammen mit Gabriele Kramer die Ergeb nisse aus einer Pilotstudie mit diesem Erhebungsverfahren. AbschlieBend versuche ich, Kriterien für die Auswahl familiendia gnostischer Verfahren zu entwickeln. Anhand dieser Kriterien disku tiere ich die in Teil III vorgestellten Methoden. Zusammenfassend lassen sich die Ziele dieses Buches wie folgt charakterisieren: Einerseits möchte ich den interessierten Leser mit Methoden vertraut machen, die bei der Diagnose von Familiensyste men eingesetzt werden können; auf der anderen Seite möchte ich dem Leser auch einen methodenkritischen Zugang erötfnen. Für den Bereich der Familientherapieforschung erhotfe ich mir ein wachsendes Interesse und Engagement bei familientherapeutisch orientierten Praktikern und Wissenschaftlern. Literatur Brunner EJ (1982) Zur Analyse von Interaktionsstrukturen im Familiensy stern. Prax Kinderpsychologie Kinderpsychiatr 31 :300-307 Brunner EJ (1983) Eine ganz alltägliche Familie. Beispiele aus der familien therapeutischen Praxis von Helm Stierlin, Michael Wirsching, Alex Ammann u. a. Kösel, München Brunner EJ (im Druck) Interaction analysis of family communication pat terns. In: Käehele H. Mergenthaler E (eds) Computer-aided analysis of psychotherapeutic discourse. Springer, Heidelberg Berlin New York Filsinger EE, Lewis RA (eds) (1981) Assessing marriage. New behavioral ap proaches. Sage, Beverly Hilis London Gurman AS, Kniskern DP (1981) (eds) Handbook offamilytherapy. Brunner/ Mazel, New York Hansen JC, L.:Abate L (eds) (1982) Approaches to familytherapy. MacMillan, NewYork Hoffman L (1982) Grundlagen der Familientherapie. Konzepte für die Ent wicklung von Systemen. Isko, Hamburg Jankowski P (1978) Diagnostik in der Erziehungs-und Familienberatung.ln: Pongratz LJ (Hrsg) Klinische Psychologie. Hogrefe, Göttingen (Hand buch der Psychologie, Bd. 8, 2. Halbband, S 1726-1755) Mattejat F (1980) Familieninteraktion und psychische Störungen bei Kin dern und Jugendlichen. In: Remschmidt H (Hrsg) Psychopathologie der Familie und kinderpsychiatrische Erkrankungen. Huber, Bern Stuttgart Wien, S 118-154 Reiss D (1980) Pathways to assessing the family: Some choice points and a sample route. In: Hofling CK, Lewis JM (eds) The family. Evaluation and treatment Brunner/Mazel, New York, pp 86-121 Riskin J, Faunce EE (1972) An evaluative review of family interaction re search. Fam Process 11 :365-455 In h altsverzeich ni s v Einleitende Bemerkungen (E. J. Brunner) . . . . . . . .. Teil I. Theoretisehe Grundlagen und Methodologi- sehe Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . .. 1 Probleme der Diagnostik in der systemorientierten Familien- therapie (E. J. Brunner) . . . . . . . . . . . . . . .. 1 Wissenschaftstheoretische Grundlagen zur systemorientier- ten Familientherapie (S. Reiter-Theil). . . . . . . . . .. 17 Vergleichende Betrachtungen über verschiedene Möglichkei ten, ein Familienberatungsgespräch zu analysieren - Syste matische Überlegungen zur Familiendiagnostik anhand eines Einzelfalles (S. Reiter-Theil und E. J. Brunner) . . . . . .. 41 Die Berücksichtigung sozialer EinfluBfaktoren bei der Dia- gnose der Familieninteraktion (D. Greitemeyer). . . . . .. 59 Teil II. Das Spektrum der Methoden zur Familien diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 89 Methodische Grundlagen zur Analyse familialer Kommunika tion (E. J. Brunner, R. Brunner-Wörner und A. Odronitz- Dieterle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 89 Instrumente und Techniken zur Diagnose und Evaluation in Ehe- und Familientherapie (R. E. Cromwell, D. H. L. Olson und D. G. Fournier) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Zur Methodik der Erfassung familialer Interaktion und Kom munikation auf gesprächsanalytischer Basis 0N. Becker) . . 133 Die automatische Interaktionschronographie von Familien therapiesitzungen (E. Brähler, H. Klein und A. Overbeck) . . 173 Tei/III. Einzelne methodische Verfahren. . . . . . . 191 Kriterien zur Wahl der Interviewtechnik in der Familientherapie (M. Bosch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Projektive Verfahren in der Familientherapie (I. Brintzinger-von Köckritz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Anhang: Darstellung der Untersuchungsergebnisse aus dem gemeinsamen Rorschach-Versuch zur Feststellung der Be ziehungsstruktur bei Familien mit einem psychosomatisch kranken Kind. (I. Brintzinger-von Köckritz und U. Thurner). . 234 Beziehungen zwischen familialer Interaktion und Therapeu tenurteilen: Der gemeinsame Rorschach-Versuch im Kontext der systemorientierten Familientherapie (S. Reiter -Theil) . 247 Der Reutlinger Familieninteraktions-Diagnosebogen: Ein Kategoriensystem zur ErfassunQ familialer Interaktion (E. J. Brunner, A. Odronitz-Dieterle und R. Brunner-Wörner) . . . 273 Anhang: Ergebnisse aus der Voruntersuchung mit dem Kate goriensystem RFD. Revidierte Fassung des RFD. (G. Kramer und E. J. Brunner). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 AbschlieBende Einschätzung der einzelnen methodischen Verfahren (E. J. Brunner) . 307 Sachverzeichnis . . . . 319