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Individualisierung und Transgression: Die Spur Batailles im Werk Foucaults PDF

216 Pages·1999·10.564 MB·German
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* Schnittpunkt Zivilisationsprozeß herausgegeben von Gerburg Treusch-Dieter Band 25 Individualisierung und Transgression Die Spur Batailles im Werk Foucaults Petra Neuenhaus-Luciano Centaurus Verlag & Media UG 1999 Umschlagabbildung: Zeichnung von Francis Picabia, 1932. Die Autorin, Petra Neuenhaus-Luciano, geb. 1964, studierte Philosophie, Soziologie und Hispanistik an der Freien Universität Berlin, 1998 Promotion. Gegenwärtig ist sie als freie Autorin tätig und lebt in Namibia und Frankreich. 1993 veröffentlichte sie im Centaurus-Verlag eine Studie mit den Titel: Max Weber und Michel Foucault. Über Macht und Herrschaft in der Moderne. Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme Neuenhaus-Luciano, Petra: Individualisierung und Transgression : die Spur Batailles im Werk Foucaults / Petra Neuenhaus-Luciano.- pfaffenweiter: Centaurus Verl.-Ges., 1999 (Schnittpunkt Zivilisationsprozeß ; Bd. 25) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1998 ISBN 978-3-8255-0239-3 ISBN 978-3-86226-415-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-86226-415-5 ISSN 0942-1750 Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm odeeinr anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. © CENTAURUS-Verlagsgesellschaft mit beschränkter Haftung, Pfaffenweiler 1999 Umschlaggestaltung: DTP-Studio, A. Walter, Lenzkirch Satz: Vorlage der Autorin Für Francisco und Jonas Inhaltsverzeichnis Kritik der Individualisierung 8 Zur Intention dieser Arbeit 8 Zum Begriff des Individuums 9 Individualismen und ihre Gegner 11 Zur Lokalisierung Foucaults 20 Zur Archäologie von Individuum und Erfahrung im Text Foucaults 25 Maladie mentale et personnalite 26 Maladie mentale et psychologie 35 Die Einleitung zu Binswangers Traum und Existenz 42 Die Histoire de Ia folie 47 Von der Einheit individueller Erfahrung zu ihrer historischen Konstitution und zur Grenzerfahrung 57 Spielarten der Individualisierung 60 Panoptische Macht 62 Justiz und Psychiatrie: Definitionsprobleme der Wissenschaften 74 Pastoralmacht und moderner Staat 85 Kritik und Transgression 91 Kritik 91 Transgression 100 Sprache der Identität, Sprache der Transgression 112 Repräsentierende Sprache 112 Foucault und Derrida: der Streit um das Außen des vernünftigen Diskurses 128 Schreiben als Grenzerfabrung: die Unmöglichkeit der Literatur 139 Der Anfang: Traum und Überschreitung 140 An der Grenze: Literatur und Wahnsinn 142 Leere Sprache 145 Schreiben als Transgression? 153 Literatur und politische Kämpfe: gegen Individualisierung 164 Individuum und Transgression bei Georges Bataille 172 Batailles Kritik der Individualisierung 173 Das Individuum und das Heilige im College de Sociologie 180 Überschreitung, nicht Aufhebung des Individuellen 188 Erfahrung, Kommunikation, Sprache 1% Literatur-und Siglenverzeichnis 208 7 Kritik der Individualisierung Zur Intention dieser Arbeit Dies ist der Versuch einer gedanklichen Distanzierung vom Individuum mit seiner psychologischen und sozialen Identität; der Versuch, gegen Begriff und Klassifikation individueller Partikularität Momente unseres Seins geltend zu machen, die zu veränder lich und vielfältig sind, um sich dauerhaft in Gestalt eines "Ich" zu profilieren. Dieser Versuch stützt sich auf die Kritik moderner Individualisierung bei Michel Foucault, deren Genese ich anhand der Problemfelder der Machtstrategien, der Sprache und der Literatur herausarbeiten will. In all diesen Problemfeldern kommt der Behandlung des Wahnsinns eine besondere Bedeutung zu, denn Foucault hat sich über das Problem des Wahnsinns das Thema der Erfahrung und der Grenz-Erfahrung erschlossen, das seine gesamte Arbeit durchzieht. Ich werde die Veränderungen nachzeichnen, denen der Erfahrungsbegriff im Laufe der Arbeit Foucaults unterzogen wird, da sie signifikant für die Veränderung seiner Denkweise sind. Das Thema der Grenz-Erfahrung zeigt eine Spur Batailles im Text Foucaults auf, die zu verfolgen sich nicht zuletzt deshalb lohnt, weil so ein besseres Verständnis der Debatte zwischen Derrida und Foucault um das Andere der Vernunft möglich wird. Daher gehe ich im letzten Kapitel auf das Verhältnis von Individuum und Transgression bei Georges Bataille ein. Diese Arbeit ist aus dem Studium des im Foucault-Archiv der Pariser Bibliotheque du Saulchoir gesammelten Materials entstanden. Die meisten der dort archivierten Texte und Gespräche sind 1994 in den Dits et ecrits erschienen und so einer größeren Öffent lichkeit zugänglich gemacht worden.1 Auf diese besonders in Deutschland noch weitge- 8 Dits et ecrits. 1954-1988, herausgegeben von Daniel Defert und Frano<ois Ewald, Paris 1994, vier Bände. Im Folgenden: DE. 8 hend unerschlossenen Texte stützt sich die vorliegende Arbeit in stärkerem Maße als auf die Bücher Foucaults. Zum BegritT des Individuums Wenn im Folgenden die Rede vom Individuum ist, so bezeichnet dieser Begriff das Ergebnis eines gesellschaftlichen Prozesses. Es handelt sich um das moderne Indivi duum, dessen Formierung, so meine Ausgangsthese, verbunden ist mit der Bildung einer Identität, die es einerseits klassifizierbar und für ein Wissen verfügbar macht, die ihm andererseits eine "Auto-Identifikation" erlaubt, mittels derer es sich gesellschaftlich posi tionieren kann. Das historisch und soziologisch bestimmte Individuum, dessen Identität mit der Modeme entsteht, unterscheidet sich eben durch diese Identität vom empirischen Individuum, das wir in allen Gesellschaften fmden.2 Daher stimme ich nicht mit Manfred Frank überein, der schreibt: "Das Individuum hat eine Identität weder durch körperliche Eigenschaften( ... ) noch durch die Stabilität der Bedeutung der Prädikate, die ihm (dem Individuum) zu verschiedenen Zeiten zugesprochen werden und die sich ihrerseits schritthaltend mit dem kontinuierlich sich transformierenden Weltdeutungssystem des Individuums modifizieren. So ist das Individuum gerade kein Einheitsprinzip."3 Das mit sich selbst identische Individuum, von ich hier sprechen will, ist vom carte sianischen cogito durch seinen Weltbezug und durch sein Bestehen in der Zeit unters chieden.4 Das Subjekt des modernen Humanismus hebt sich vom Individuum ab durch seine Selbstreflexivität (als Transparenz sich selbst gegenüber) und seine Fähigkeit zur 2 Vgl. Louis Dumont 1983, S. 29, 304. Dumont unterscheidet das Individuum der "ideologie moderne" vorn empirischen Menschen, den wir in allen Gesellschaften finden. 3 Manfred Frank: Subjekt, Person, Individuum, in: Manfed Frank; Anselm Haverkamp (Hrsg.): Individualität (Poetik und Hermeneutik Band Xill), S. 17. 4 Vg l. zur Unbeständigkeit des cartesianischen cogito in der Zeit Wolfgang Hübener: Der dreifache Tod des modernen Subjekts, in: Frank, Raulet, van Rejen (Hrsg.) 1988, S. 101-127 sowie Jacob Rogozinski: Werbin ich, daß ichgewiß bin, daß ich bin?, in: Nagl-Docekal, Vetter (Hrsg.) 1987, S. 86-107. 9 Selbstbegründung oder Autonomie, also dazu, sich selbst das Gesetz seines Handeins zu geben. Das moderne Subjekt ist damit abhängig von den selbstgesetzten Regeln, aber unabhängig gegenüber der radikalen Alterität des (göttlichen) Gesetzes.5 Um sich selbstgegebenen Gesetzen unterzuordnen, muß das moderne Subjekt sein gesetzgebendes Selbst von dem sich unterordnenden Teil seiner selbst trennen können. Das gesetzgeben de Selbst sollte, dem humanistischen Ideal zufolge, allen Menschen gemeinsam und nicht auf die individuelle Singularität reduzierbar sein. Dem Individuum fehlt die Spaltung, die dem Subjekt konstitutiv ist. Seine Bindung an eine Identität impliziert zwar eine bestimmte, sehr bedingte und reduzierte Form von Reflexivität; was hier reflektiert wird, sind jedoch gesellschaftliche und kulturelle Struk turen viel mehr als ein autonomes Selbst. Während die Vorstellung des modernen Sub jekts an die humanistische Idee der Autonomie geknüpft ist, so ist die sich durchsetzende Individualität an die Idee eines unabhängigen "Ich" gebunden.6 Allerdings kommt damit zwangsläufig das moderne Verständnis vom einzelnen Menschen als eigenem Wert zur Geltung, und insofern ist das Auftreten des Individuums an die modernen Bedingungen der Subjektivität, an eine spezifische Form des Selbstverständnisses, gebunden. Neuere Ansätze zur Verteidigung des Individuums versuchen daher auch stets, dieses wieder dem Begriff des Subjekts zuzuführen. So spricht Alain Laurent dem Individuum Autonomie zu und begründet diese in seinem Selbstbewußtsein, seiner Reflexivität, die ihm erlaubt, sich selbst zu transzendieren und Macht über sich selbst auszuüben. Der Individualismus wurzele unter anderem in dieser einzigartigen Beziehung zu sich selbst, die aus dem Individuum in doppeltem Sinne ein Subjekt mache: ein Wesen, das in sich selbst existiert, also in einer Subjektivität, die es auf irreduzible Weise von den anderen unterscheidet, und ein Wesen, das verantwortlicher Träger und Urheber seiner Entschei dungen und Handlungen ist.7 hn gleichen Sinne erklärt Alain Renaut, für das Individuum sei das Streben nach Autonomie gleichbedeutend mit dem Streben, sich als Subjekt zu konstituieren, denn indem es sich auf die Autonomie zubewege, transzendiere es seine 5 Vgl. Alain Renaut 1995, S. 6, 46, 71. 6 V gl. Alain Renaut 1989, S. 48f. 7 Alain Laurent 1993, S. 6. 10 Singularität und denkt sich als Teil einer Welt, die allen gemeinsam ist, welche, wie es selbst, die Struktur der Subjektivität besitzen. Daher setze das Streben nach Autonomie die Öffnung dem Anderen gegenüber, die Kommunikation, voraus.8 Ich möchte hier jedoch das Individuum gerade darin, wie es sich vom Subjekt unters cheidet, thematisieren -wobei nicht ausgeschlossen werden soll, daß es sich hier um eine Art Atavismus des Subjekts handelt, der jedoch eine eigene Form angenommen hat, welche der Problematisierung wert ist. Daher wird im Folgenden das Denken eines seiner selbst bewußten, reflexiven Subjekts nicht eigens problematisiert.9 Individualismen und ihre Gegner Wie kommt es, daß Foucault im 20. Jahrhundert feststellen kann, die erhöhte Sorgfalt für die individuellen Differenzen seit dem 18. Jahrhundert habe lediglich zu ihrer besseren Beherrschbarkeit geführt, statt die "Sorge um sich" zu erlauben? Und welche Konse quenz ist aus dieser Feststellung zu ziehen, wenn sie denn wahr ist? Daß wir künftig die Konzeptualisierung des Individuums vermeiden sollten? Daß die Individualismen der Modeme als gescheitert zu betrachten sind? Das Individuum als Ergebnis eines gesellschaftlichen Prozesses zu verstehen, ist eine Ausgangsentscheidung, die bereits eine Differenz zu einem Denken markiert, das sich "individualistisch" nennt. Wenngleich die Bezeichnung "Individualismus" ein sehr heterogenes Spektrum von Positionen zusarnmenfaßt,10 so lassen sich individualistische 8 Renaut 1995, S. 63. 9 Aus der Fülle der Literatur zu diesem Problem sei hier nur auf folgende Titel vetwiesen: Tod des Subjekts? Hrsg. Herta Nagl-Docekal, Helmuth Vetter, Wien, München 1987; Penser le sujet aujourd'hui, Publikation des Centre Culturel International de Cerisy-la-Salle, Paris 1988; Apres le sujet, qui vient? Cahiers Confrontation Nr. 20 (Beiträge von A. Badiou, M. Blanchot, G. Deleuze, J. Derrida, J.-F. Lyotard). 10 Bekannt ist die Feststellung Max Webers in der Protestantischen Ethik, daß der Ausdruck "Individualismus" das "denkbar Heterogenste" umfaßt und "eine griindliche, historisch orientierte Begriffsanalyse ( ... )wissenschaftlich höchst wertvoll" wäre. Die protestantische Ethik I, S. 198, Anm.23. 11

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