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Immer war die Angst zu Gast PDF

89 Pages·2011·0.33 MB·German
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Joan Garner Immer war die Angst zu Gast Irrlicht Band 349 Leise verließen die beiden Frauen den Raum. Als sie den Vorraum erreicht hatten, in den auch die große Freitreppe mündete, hielten sie für einen Moment erschrocken inne. Sie hatten Geräusche gehört, ein unterdrücktes Atmen und das Knarren eines Dielenbrettes. Hester hielt es in der Dunkelheit nun nicht mehr länger aus. Sie schaltete die Stablampe ein und ließ den Lichtkegel über die Treppe gleiten. Als der Strahl den oberen Treppenabsatz erreicht hatte, riß das Licht eine unheimliche Gestalt aus dem Dunkeln. Es war die Gestalt eines Mannes. Die Haut seines bloßen Oberkörpers schimmerte bleich im Schein der Stablampe. Auf seinem Kopf befand sich die gefiederte Maske, und in seiner Faust hielt er ein blutiges Messer mit krummer Schneide! Der Nebel hatte sie bis in die Obstplantagen verfolgt. Erst als sie mit ihrem alten Ford langsam den Gebirgsfuß der Sierra Nevada hinauffuhren, lichtete sich der dichte Januarnebel allmählich. Hester Parks warf einen verstohlenen Blick zurück auf die San Francisco Bay. Irgendwo in weiter Ferne konnte sie die Spitzen der Golden Gate Bridge aus dem Nebel hervorstechen sehen. Aber sie waren von der Metropole bereits so weit entfernt, daß die junge Journalistin keine weiteren Einzelheiten mehr erkennen konnte. Seufzend wandte sich Hester an ihren Fahrer. »Der Januar ist nicht gerade die angenehmste Zeit für einen Trip in die Berge«, stellte sie nüchtern fest und schlang ihren wattierten Parker noch enger um ihre Schultern. Die Heizung des klapprigen Ford kam kaum gegen die feuchte Kälte an, die durch die Ritzen des Wagens hereindrang. »In unserem Beruf muß man mit vielen Unannehmlichkeiten zurechtkommen«, erwiderte Frank Scranto gelassen. »Nebel und Kälte sind noch die angenehmeren Widrigkeiten, finde ich.« Frank Scranto war Fotograf und arbeitete für dieselbe Illustrierte wie Hester Parks. Er verfügte über mehr Berufserfahrung als seine junge Kollegin, eine Tatsache, die er ihr etwas zu oft unter die Nase rieb. Hester bedachte ihren Kollegen mit einem verärgerten Seitenblick. Natürlich lag es ihr fern, sich bei Frank über das Wetter und den Nebel zu beschweren. Sie hatte genau gewußt, was sie in den Bergen erwarten würde. Und sie war bereit, diese Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Eigentlich hatte sie mit dem Fotografen nur ein Gespräch beginnen wollen. Aber wie so oft würgte der Mann mit den schwarzen lockigen Haaren, die immer ein wenig ungebändigt wirkten, das Gespräch ab, ehe es sich richtig entwickeln konnte. Frank Scranto war kein sehr gesprächsfreudiger Mensch. Dabei war er Hester nicht einmal unsympathisch. Das markante männliche Gesicht des Fotografen verriet seine italienische Abstammung. Das leicht vorgeschobene Kinn war immer von einem Bartschatten umgeben, und seine Lippen zeigten oft ein schelmisches, hintergründiges Lächeln. Dieses Lächeln umspielte auch in diesem Augenblick seine Lippen, als er leicht vornübergebeugt durch die Windschutzscheibe seines alten Ford starrte. Vor ihnen wand sich die Straße in seichten Serpentinen den Gebirgsfuß der Sierra Nevada hinauf. Schade, daß Frank nicht auch etwas von der Redseligkeit der Italiener mitbekommen hat, dachte Hester. Die Aussicht, die lange, beschwerliche Reise mit einem fast stummen Mann machen zu müssen, hob ihre Stimmung nicht gerade. Hester richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Umgebung. Die letzten Obstplantagen lagen längst hinter ihnen, aber bis zu ihrem Ziel war es noch ein weiter Weg! Die junge Journalistin versuchte an etwas Erfreuliches zu denken. Und während ihr Blick über die Gebirgszüge glitt, die dem Sierra Nevada-Gebirge vorgelagert waren, dachte sie daran, welcher glücklichen Fügung sie es zu verdanken hatte, daß sie diese Reise unternehmen durfte. Als Hester Diana Courtland vor einigen Wochen einen Fragenkatalog und ein Foto mit Lebenslauf zuschickte, hatte sie nicht wirklich damit gerechnet, bei der Frau des berühmten Millionärs einen Interview-Termin zu bekommen. Seit dem schrecklichen Tod ihres Mannes lebte die verwitwete Diana Courtland zurückgezogen in einem Landhaus weitab von jeglicher Zivilisation in der Sierra Nevada. Vor dem tragischen Tod ihres Mannes war Diana Courtland eine angesehene Frau gewesen. Es wurde in San Francisco kein Bankett abgehalten, bei dem sie und ihr Mann nicht eingeladen waren. Es gab keinen Wohltätigkeitsball und keinen Empfang, auf dem sie nicht an der Seite ihres Mannes zu sehen war. Die Boulevardblätter und Frauenzeitschriften berichteten in fast jeder Ausgabe von dem exquisiten Leben der schönen Frau. So auch die Fairy, die Frauenzeitschrift, für die Hester arbeitete. In der Fairy gab es sogar eine ganze Artikelserie, die jeden Monat ein Interview mit Diana Courtland zu einem bestimmten Thema herausgebracht hatte. Aber das war lange vor Hesters Zeit gewesen. Die junge Journalistin arbeitete erst seit drei Monaten im Team der Fairy. Der grausame Mord an dem Millionär Eddi Courtland lag bei ihrem Eintritt in die Redaktion schon ein halbes Jahr zurück. Nach einer schmutzigen und niederträchtigen Kampagne im Konkurrenzblatt der Fairy zog sich Diana aus dem öffentlichen Leben zurück. Seitdem hatte Diana Courtland nie wieder ein Interview gegeben! Hester hatte sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, dies zu ändern. Vor ihrem Aufbruch hatte Hester noch einmal die Artikel des Konkurrenzblattes durchgelesen. Madame Frisco hieß die Frauenzeitschrift, und eine gewisse Pamela Crowler behauptete darin hartnäckig, Diana Courtland hätte ihren Gatten aus Eifersucht umgebracht. Die Gerichte konnten die Anschuldigungen, die in der Madame Frisco erhoben wurden, nicht bestätigen. Diana Courtland wurde unschuldig gesprochen. Aber da der wahre Mörder des Millionärs nie gefunden wurde, hielt Madame Frisco das Gerücht im Umlauf, Diana hätte ihren Mann getötet. In Hesters Augen war das Verhalten dieser Pamela Crowler verabscheuungswürdig. Es war offensichtlich, daß die Journalistin die Anschuldigungen gegen Diana Courtland nur aufrechterhielt, um die Auflage des Frauenmagazins in die Höhe zu treiben. Spektakuläre Artikel verkauften sich eben immer noch am besten. Aber Hester war der festen Überzeugung, daß die Wahrheit dabei nicht zu kurz kommen und die Würde eines Menschen dem Journalismus nicht geopfert werden durfte. Daß sie mit diesen Vorsätzen nicht ganz falsch lag, bewies ihr schließlich auch die Einladung, die sie von Diana Courtland erhalten hatte. Es würde das erste Interview sein, das die einst so angesehene Frau nach dem Tod ihres Mannes geben würde! Für diese Leistung hatte sie ein dickes Lob ihres Chefredakteurs geerntet. »Ich war mir sicher, daß es ein Gewinn für die Fairy sein würde, Sie in unser Team aufzunehmen«, hatte der gewichtige Mann gesagt. Und er hatte Hester für ihr Vorhaben den besten Fotografen zur Seite gestellt, über den die Illustrierte verfügte: Frank Scranto! Hester war stolz auf ihre Leistung. Und sie war sich sicher, daß sich der beschwerliche Weg in die Abgeschiedenheit der Sierra Nevada lohnen würde. Bei diesen Gedanken wurde Hester wieder behaglicher zumute. Zufrieden lehnte sie sich in den Autositz zurück und genoß den herrlichen Ausblick auf die Sierra Nevada. Das Gebirge türmte sich wie eine braune schroffe Wand vor ihr auf. Die Gipfel verschwanden irgendwo in einem Meer aus regenschweren Wolken. Aber den unwirtlichen Eindruck, den der massive Fels bei Hester hinterließ, vertrieb die junge Journalistin mit dem Gedanken, bald der bekanntesten Frau von San Francisco gegenüberzustehen. Sicher würde das Interview einen günstigen Einfluß auf ihre Karriere haben, da war sich Hester hundertprozentig sicher. Hätte Hester in diesem Moment geahnt, was das Gebirge für Schrecken für sie bereithielt, sie wäre sofort bereit gewesen, auf das Interview zu verzichten und umzukehren. Aber so nahm das Grauen seinen Lauf… * »Wieso kann sich ein Starfotograf wie du eigentlich kein vernünftiges Auto leisten!« schimpfte Hester. Die müden Scheibenwischer des alten Ford kämpften vergeblich gegen die Fluten an, die sich aus den Wolken auf den Wagen zu entladen schienen. Frank mußte sich nun noch weiter vorbeugen, um überhaupt noch etwas erkennen zu können. »Mein Ford hat mich noch nie im Stich gelassen«, erwiderte Frank leicht gekränkt. »Es sind nur noch wenige Meilen. Wir müßten bald angekommen sein!« Hester schaute erneut auf die Karte, die sie auf ihren Knien ausgebreitet hatte. Der letzte Ort, den sie vor etwa einer Stunde passiert hatten, hieß Placerville. Die armselige Ansammlung von windschiefen Häusern hatte nicht sehr einladend auf die beiden gewirkt. Trotzdem hatte Frank Scranto unter den argwöhnischen Blicken der Bewohner einige Fotos geschossen. Aber kurz nachdem sie den Ort verlassen hatten, setzte plötzlich der Regen ein. Der kalte Wind peitschte das Regenwasser gegen die Windschutzscheiben. Wie ein Sturzbach floß der Regen an der Scheibe hinab und machte es fast unmöglich, irgend etwas zu erkennen. »Wir müssen anhalten«, forderte Hester schließlich. »Ich habe keine Lust, in einem Abgrund zu zerschellen!« Frank nickte. Die Fahrt durch den Regen hatte ihn sehr angestrengt. Trotz der Kälte, die im Wagen herrschte, standen Schweißperlen auf seiner Stirn. »Du hast recht«, stimmte er zu. »Diese Strecke ist ein Alptraum!« Frank steuerte den Ford an die Felswand und ließ den Motor ersterben. Hester atmete einmal tief durch und strich sich mit einer nervösen Handbewegung durch das lange blonde Haar. Den Reißverschluß des wattierten Anoraks hatte sie bis zum Kinn hochgezogen. Trotzdem war ihr die Kälte in die Glieder gekrochen. Die junge Frau verspürte Lust, den engen Wagen zu verlassen und sich ein wenig die Füße zu vertreten. Aber leider mußte sie diesen Impuls unterdrücken, denn sie wäre in wenigen Sekunden völlig durchnäßt gewesen. Statt dessen machte sich Hester im Fond des Wagens zu schaffen. Sie wühlte in ihrem Gepäck herum. Als sie die Thermoskanne endlich gefunden hatte, mußte sie enttäuscht feststellen, daß sie bereits leer war. »Verflucht!« hörte die junge Journalistin in diesem Augenblick ihren Kollegen schimpfen. »Du hättest statt deiner ominösen Fotoausrüstung vielleicht lieber eine Thermoskanne mehr einstecken sollen«, entgegnete Hester, die glaubte, Franks Fluchen beziehe sich auf die leere Thermoskanne. »Das meinte ich gar nicht«, sagte Frank ungehalten. »Es fängt an zu schneien!« Hester wandte sich um und starrte aus dem Fenster. Der Regen hatte aufgehört. Es war plötzlich gespenstisch still geworden, und riesige Schneeflocken schwebten vom Himmel. Sie fielen so dicht, daß der fallende Schnee wie eine fließende weiße Wand wirkte. »O nein!« hauchte Hester. Sie hatte plötzlich das Bild vor Augen, mit dem verstockten Frank zusammen in dem Ford einzuschneien. Sie wußte, daß diese Region der Sierra Nevada im Januar manchmal von Schneestürmen heimgesucht wurde. Aber daß ausgerechnet sie in so ein Unwetter geraten würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Hester sah ihren Begleiter von der Seite an. »Natürlich hast du keine Schneeketten dabei!« sagte sie, wobei sie sich wunderte, woher sie plötzlich die Kraft für diesen Sarkasmus nahm. Frank Scranto zuckte nur bedauernd mit den Schultern. »Ich bin doch kein Expeditionsunternehmen«, versuchte er sich zu rechtfertigen. Hester schüttelte ergeben den Kopf und schaute an die Wagendecke. »Prima, dann werden wir hier eben überwintern«, meinte sie. »Immerhin haben wir noch ein paar Kekse. Aber die werden uns vor dem Erfrieren auch nicht retten!« »Red keinen Unsinn!« fuhr Frank die junge Frau gereizt an. »Ich werde eben aussteigen und vorgehen. Du setzt dich hinters Steuer und folgst mir vorsichtig. So sollten wir es eigentlich bis zum Anwesen der Courtlands schaffen!« Noch ehe Hester einen Einwand erheben konnte, hatte Frank den Ford schon verlassen. Hester seufzte und rutschte hinter das Steuer. Obwohl Frank nur wenige Schritte vor der Kühlerhaube stand, konnte sie ihn nur als undeutlichen Schemen erkennen. Frank winkte ungeduldig, und Hester startete den Wagen. Im Schrittempo folgte sie der schattenhaften Gestalt inmitten der wirbelnden Schneeflocken. Hester mußte ihr ganzes Fahrkönnen aufbringen, um den schweren Wagen von der Stelle zu bekommen. Der Schneebelag auf der Straße war bereits so dicht, daß die Räder teilweise nicht mehr faßten und durchdrehten. Plötzlich war Frank im dichten Schneegestöber verschwunden. Dann tauchte unvermittelt ein dunkler Schemen an einer anderen Stelle auf. Die schattenhafte Gestalt winkte mit sonderbar hölzern wirkenden Armbewegungen und

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