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Im Widerstreit: Feministische Theorie in Bewegung PDF

494 Pages·2012·2.738 MB·German
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Geschlecht und Gesellschaft Band 49 Herausgegeben von B. Kortendiek, Duisburg-Essen, Deutschland I. Lenz, Bochum, Deutschland H. Lutz, Frankfurt/Main, Deutschland M. Mae, Düsseldorf, Deutschland S. Metz-Göckel, Dortmund, Deutschland M. Meuser, Dortmund, Deutschland U. Müller, Bielefeld, Deutschland M. Oechsle, Bielefeld, Deutschland B. Riegraf, Paderborn, Deutschland P.-I. Villa, München, Deutschland Geschlechterfragen sind Gesellschaftsfragen. Damit gehören sie zu den zentralen Fragen der Sozial-und Kulturwissenschaften; sie spielen auf der Ebene von Sub- jekten und Interaktionen, von Institutionen und Organisationen, von Diskursen und Policies, von Kultur und Medien sowie auf globaler wie lokaler Ebene eine prominente Rolle. Die Reihe „Geschlecht & Gesellschaft“ veröffentlicht heraus- ragende wissenschaftliche Beiträge, aus der Frauen- und Geschlechterforschung, die Impulse für die Sozial- und Kulturwissenschaften geben. Zu den Veröffent- lichungen in der Reihe gehören neben Monografien empirischen und theoretischen Zuschnitts Hand- und Lehrbücher sowie Sammelbände. Zudem erscheinen in dieser Buchreihe zentrale Beiträge aus der internationalen Geschlechterforschung in deutschsprachiger Übersetzung. Herausgegeben von Dr. Beate Kortendiek, Prof. Dr. Michael Meuser, Universität Duisburg-Essen TU Dortmund Prof. Dr. Ilse Lenz, Prof. Dr. Ursula Müller, Ruhr-Universität Bochum Universität Bielefeld Prof. Dr. Helma Lutz, Prof. Dr. Mechtild Oechsle, Johann-Wolfgang-Goethe Universität Universität Bielefeld Frankfurt/Main Prof. Dr. Birgit Riegraf, Prof. Dr. Michiko Mae, Universität Paderborn Heinrich-Heine Universität Düsseldorf Prof. Dr. Paula-Irene Villa, Prof. Dr. Sigrid Metz-Göckel, LMU München TU Dortmund Koordination der Buchreihe: Dr. Beate Kortendiek, Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW, Universität Duisburg-Essen Gudrun-Axeli Knapp Im Widerstreit Feministische Theorie in Bewegung Gudrun-Axeli Knapp Voestalpine Universität Hannover, Deutschland Linz, Österreich Bernhard Schmidt Langenhagen, Deutschland ISBN 978-3-531-18267-4 ISBN 978-3-531-94139-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-531-94139-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: KünkelLopka GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-vs.de Inhalt Einleitung .............................................................. 7 I Rückblenden: Auseinandersetzung mit Weiblichkeit Der „weibliche Sozialcharakter“ – Mythos oder Realität ? Soziologische und sozialpsychologische Aspekte des Sozialcharakter-Konstrukts .......................................... 29 Arbeitsteilung und Sozialisation: Konstellationen von Arbeitsvermögen und Arbeitskraft im Lebenszusammenhang von Frauen .................. 57 Die vergessene Differenz ................................................ 101 II Traditionen – Brüche Traditionen – Brüche. Kritische Theorie in der feministischen Rezeption ......................................... 129 Konstellationen von Kritischer Theorie und Geschlechterforschung ...... 165 III Aporie als Grundlage: Denken in Bewegung Aporie als Grundlage. Zum Produktionscharakter der feministischen Diskurskonstellation ................................. 193 Macht und Geschlecht. Neuere Entwicklungen in der feministischen Macht- und Herrschaftsdiskussion ................. 225 6 Inhalt Machtanalyse in Zwischen-Zeiten ....................................... 261 Schmuggeln, lernen, ignorieren. Erfahrungen unter Schwestern ......... 271 Frauen-Solidarität und Differenz. Zum politischen und utopischen Gehalt des „affidamento“-Konzepts ..................... 287 Grundlagenkritik und „stille Post“. Zur Debatte um einen Bedeutungsverlust der Kategorie „Geschlecht“ ................ 301 Postmoderne Theorie oder Theorie der Postmoderne ? Anmerkungen aus feministischer Sicht .................................. 329 „Trans-Begriffe“, „Paradoxie“ und „Intersektio nalität“. Notizen zu Veränderungen im Vokabular der Gesellschaftsanalyse ....... 385 IV Intersektionalität Traveling Theories: Anmerkungen zur neueren Diskussion über „Race, Class, and Gender“ .......................................... 403 Verhältnisbestimmungen: Geschlecht, Klasse, Ethnizität in gesellschaftstheoretischer Perspektive ................................ 429 „Intersectional Invisibility“. Anknüpfungen und Rückfragen an ein Konzept der Intersektionalitätsforschung ......................... 461 Konstellationen – Konversationen: Drei Geschichten ..................... 483 Editorische Anmerkung ................................................. 505 Einleitung In ihrer Quellensammlung zur Neuen Frauenbewegung in Deutschland spricht Ilse Lenz vom „magischen Viereck“ (Lenz 2008: 360), das sich nach 1980 zwi- schen Frauenbewegungen, Frauenforschung, Gleichstellungsstellen und frauen- bewegten Politikerinnen entfaltete. Die Ausstrahlungskraft dieses „Vierecks“ beruhte in den Jahren des Aufbruchs und der institutionellen Verankerung fe- ministischer Anliegen auf dem hohen Maß an Vernetzung sowie wechselseitiger Legitimationsproduktion und Bestärkung zwischen Akteurinnen in den unter- schiedlichen Praxisfeldern. Zwar war die Beziehung der „zwei (un)geliebten Schwestern“ (Metz-Göckel 1989) von Frauenforschung und Frauenpolitik nie frei von Spannungen und von Anfang an auch Gegenstand von Auseinandersetzun- gen. Gleichwohl wurden diese in dem übergreifenden Raum einer feministischen Öffentlichkeit ausgetragen, die sich bei allem Dissens im Einzelnen auf einen ge- meinsamen Impetus der Kritik patriarchaler Verhältnisse berufen konnte. Seit den 1980er Jahren hat sich das Interaktionsfeld zwischen sozialer Bewegung, Wissenschaft und institutionalisierter Frauen- und Gleichstellungspolitik erheb- lich verändert. Damit veränderte sich ein Stück weit auch der transversale Dis- kursraum, der sie verband. In einem wissenssoziologischen Text zum Verhältnis von Geschlechterwissen und sozialer Praxis konstatiert Angelika Wetterer, dass die verschiedenen Provinzen von Genderwissen und -praxis unterschiedliche und teilweise konkurrierende Wirklichkeitskonstruktionen nicht nur hervor- bringen – sondern auch unter den Bedingungen institutioneller Differenzierung hervorbringen müssen (Wetterer 2008). Dieser Sachverhalt kann dann zum Pro- blem werden, wenn die Bereiche sich unter dem Einfluss verschärfter Spezia- lisierung und Professionalisierung gegeneinander abschotten und füreinander fremdsprachig zu werden drohen. Unverständlich füreinander zu werden ist ge- fährlich, wenn man aufeinander angewiesen ist. In den kultur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen ist viel darüber dis- kutiert worden: Feministische Theorie, die sich separiert sowohl von den Bezü- gen auf soziale Bewegungen als auch auf institutionalisierte Politik, und die sich selbstgenügsam in den Parallelwelten ihrer wissenschaftlichen Disziplinen ein- richtet, sägt an dem Ast, der sie (noch) trägt. Paradoxerweise, und eben darin liegt ein zentraler Konflikt des „akademischen Feminismus“ (Hark 2005) begründet, G-A. Knapp, Im Widerstreit, DOI 10.1007/978-3-531-94139-4_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 8 Einleitung gilt das aber auch in der Gegenrichtung: Als Wissenschaft kann feministische Theorie nicht so agieren, als sei sie Politik; wissenschaftliche Anerkennung ver- schaffen ihr allenfalls, zumindest nach dem Selbstideal der scientific community, wissenschaftsimmanente Profilierungen sowie Distanz zu Politik und normativer Kritik. Doch bekanntlich gilt auch, dass akademische Diskursregeln nicht völlig losgelöst am Wertehimmel schweben, sondern sozial situiert und mit Machtpoli- tiken untrennbar verflochten sind. Nicht selten hat das Ideal einer nur der Ob- jektivität und Wertneutralität verpflichteten Diskursgemeinschaft Zwecken der Ausgrenzung, der Machtsicherung und der interessengeleiteten Zuweisung von Sprecherpositionen gedient. Dies ist nicht nur ein verbreiteter Befund der Wis- senschaftsforschung und der Historischen Epistemologie; für die Frauen- und Geschlechterforschung gehört sie zu den Grunderfahrungen (Hausen/Nowotny 1986; Gehring/Klinger/Knapp/Singer 2003). Der Spagat, in dem sich die Frauen- und Geschlechterforschung hier und heute bewegt, ist beträchtlich. Strukturelle Gründe dafür liegen in den bekann- ten Gegenläufigkeiten von wissenschaftlichem Erkenntnis- und politischem Ver- änderungsinteresse, Neutralitäts- und Kritikanspruch, die wieder verstärkt als nicht nur der Tendenz nach, sondern als in einem grundsätzlichen Sinne in- kompatibel behauptet werden. Weitere Faktoren tragen dazu bei, dass die Situa- tion heute komplizierter ist als in den Anfängen. So haben sich die feministische Emanzipationsbewegung und ihre wissenschaftlichen wie politischen Verzwei- gungen insgesamt verändert. Diese Veränderungen manifestieren sich in Ab- wanderungstendenzen und Ermüdungserscheinungen, wie sie Ute Gerhard in ihrem Buch „Atempause“ (1999) beschreibt, aber ebenso in der Diversifika tion des Feminismus und der Streuung feministischer Ideen in unterschiedlichste Kontexte hinein (Villa 2003). Das feministische „Wir“ und die Sektoren des „ma- gischen Vierecks“ sehen heute anders aus als in den 1980er Jahren. Dabei ist al- lerdings – gegen die räumliche Statik der Metapher vom „Viereck“ – zweierlei im Blick zu behalten: Aus einer Perspektive, die die biographischen Bewegungen der jeweiligen Akteurinnen in Rechnung stellt, sind die Bereiche nie so getrennt gewesen, wie sie in der strukturellen bzw. systemischen Sicht erscheinen. Zumin- dest in einer Richtung hat es immer Durchlässigkeit gegeben: Ein Großteil der Personen, die heute im Bereich der Gleichstellungspolitik arbeiten, hat studiert und sich während seines Studiums, teilweise auch noch danach, mit feministi- schen Theorien und empirischen Befunden der Frauen- und Geschlechterfor- schung beschäftigt. Nicht selten handelt es sich um Wissenschaftlerinnen, die mangels Stellen an den Hochschulen auf den größeren Arbeitsmarkt im Bereich der Gleichstellungs- und Frauenpolitik ausgewichen sind. Sie verfügen daher Einleitung 9 potentiell über besondere Einsicht in die Spannungen zwischen feministischer Theorie bzw. Forschung und politischer Intervention. Eine zweite Beschränkung der Metapher vom „Viereck“, die räumliche Trennungen akzentuiert, liegt darin, dass alle ihre Bereiche von übergreifen- den Entwicklungen einer zunehmenden Vermarktlichung tangiert sind, die in den Feldern zwar je spezifisch bearbeitet werden müssen, aber ihrer Anforde- rungslogik nach gleichsinnig funktionieren. Beschreibungen der Umrisse und Auswirkungen dieses Wandels in den verschiedenen Feldern und deren Wechsel- wirkungen bleiben aber bislang notwendig etwas impressionistisch, weil empiri- sche Untersuchungen dieser Zusammenhänge noch weitgehend fehlen. Zunehmend wichtig für die Analyse der gegenwärtigen Situation des Femi- nismus erscheinen mir besonders jene Veränderungen, die sich nicht als Sym- ptome seiner Marginalität und seines Veraltens, sondern im Gegenteil als Effekte seiner eigenen Erfolge begreifen lassen – wobei auch das Veralten selbst, und dies gehört zu den vielen Paradoxien des Feminismus, zumindest teilweise auf Erfolgen basiert. Im Zuge ihres Wirksamwerdens und ihrer Verbreitung haben feministische Forderungen die Rahmenvorgaben und Regeln der verschiedenen Praxiskontexte sowohl transformiert als sich auch in sie eingefügt und ihnen anverwandelt. Das schafft veränderte und verändernde Handlungs- und Refle- xionsbedingungen. Auffällig ist in den Sozial- und Kulturwissenschaften heute die Drift zwischen einem sich in Publikationen nach wie vor manifestierenden Festhaltenwollen an dem an die Wurzeln gehenden, d. h. radikalen Impuls fe- ministischer Gesellschafts- und Wissenschaftskritik und deren Erneuerung mit Blick auf die Problemlagen und Deutungshorizonte der Gegenwart auf der einen und der gleichzeitig stattfindenden institutionellen Begünstigung enger gefass- ter, primär anwendungsorientierter Gender-Kompetenzen auf der anderen Seite. Dabei handelt es sich nicht mehr nur um Unterschiede, die Differenzierungen der jeweiligen Praxisbereiche im Sinne der sektoralen Trennung ausdrücken. Im Bereich der Wissenschaft geht es um Verdrängungskonkurrenzen im selben Feld. An vielen Universitäten im deutschen Sprachraum konnten sich in der jüngeren Vergangenheit Gender-Einrichtungen im innerakademischen Wettbewerb um knappe Mittel nur deshalb erfolgreich durchsetzen oder zumindest auf prekärem Niveau halten, weil ihre Protagonistinnen sowohl die Innovationsrhetorik be- dienten als auch, unter Tilgung des Adjektivs „feministisch“, die Nützlichkeit der von ihnen lieferbaren Qualifikationen zur Ressourcenmobilisierung glaubhaft zu machen wussten. Auch die Bologna-Reformen erlaubten residuale Formen der Absicherung in Form von „Gender-Modulen“ oder durch die Verankerung von „Gender-Aspekten“ in „Praxis-Modulen“, auch in diesem Kontext wurde strate-

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