Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg | Juni 2017 IM FOKUS: Zeitenwende • Arbeitszeit gestalten • Arbeiten 4.0 • Was machen Sie so den ganzen Tag? • Stell dir vor, die Zukunft wird wunderbar und du bist schuld Supersamstag Inhaltsverzeichnis AUF DEM ROTEN SOFA 4 Flexibilität braucht Eigenverantwortung IM FOKUS 7 Wenn Mama und Papa im Hörsaal sind 8 Vom „Gewinn“ an Arbeit 10 Arbeitszeit gestalten 12 Austausch auf Augenhöhe ist sehr bereichernd 13 Ein Labor für die Arbeit 14 Nicht nur Bits und Bytes, sondern in erster Linie Menschen 16 Und, was machen Sie so den ganzen Tag? 18 Auswirkungen neuer Arbeitswelten auf die Menschen 20 Achtsamer den Ausgleich schaffen 21 Strukturen hinterfragen Zum campusdateLIVE wurde die Drohne „crowds- FORSCHUNG & TRANSFER 22 Start-up-Stoftware zum Schreiben und Publizieren weeper“ für die Minensuche als ein studentisches 24 Multi-Energie-Systeme für die Energiewende Projekt des Studiengangs Integrated Design En- gineering vorgestellt. 25 Leuchtende Mikropartikel unter Extrembedingungen 26 Spitzenforschung für neuartige Implantate 27 Gib Stoff: Wie die Altmark von der Magdeburger Energieforschung profitiert 28 Wissens- und Technologietransfer im Maisfeld 29 Neue Drittmittelprojekte an der OVGU 30 Impressum STUDIUM & LEHRE 31 Weiterbildung 4.0 für Industrie 4.0: Berufsbegleitend 32 Mit dem Fahrrad zum Möbelkauf 34 Neue Studiengänge an der Universität 34 Stell dir vor, die Zukunft wird wunderbar und du bist schuld INTERNATIONAL 36 Mit nichts als einem Ziel im Gepäck 37 Magdeburger Dozenten lehren an „Flying Faculty“ KARRIEREWEGE 38 „thinking outside the box“ Der neue Wasserkanal in Halle 14.2 ermöglicht es, 40 Ein Faible für Metall die Wirkung von Strömungen gezielt einzustellen und zu regeln, um damit ähnliche Strömungsver- MENSCHEN & CAMPUS 41 Olympische Begeisterung für Physik hältnisse wie in der Elbe nachzubilden. Er war zur Langen Nacht der Wissenschaft zu besichtigen. 42 Strom aus der Zitrone 43 Einfach nur „copy and paste“ kann teuer werden 44 Konzepte für Hör-Rehabilitation 45 Im Nanobereich von Kristallen forschen 45 Erste Professorin an der Fakultät 45 Drahtlos vernetzte Systeme 46 Fokussiert auf die Leber 46 Zellen während einer Infektion 46 Neuronale Entwicklungsstörungen 47 Einfluss von Immunzellen 47 Minimal-invasive Onkologie 47 Neuer Leiter des Transfer- und Gründerzentrums 47 Neuer Leiter des Universitätsrechenzentrums Zum Titelbild: Arbeit am ersten Großrechner ZRA 1, den die Hochschule für Schwermaschinenbau Magdeburg, ein Vorläufer der Otto-von-Guericke-Uni- versität Magdeburg, 1961 in Betrieb nahm. Die Band „Yout & Me“ war Gast beim Radiokonzert von Guericke FM und begeisterte das Publikum. Fotos: Harald Krieg 4 AUF DEM ROTEN SOFA 5 „Die Universität kann nur einen Rahmen vorgeben, der von Vorgesetzten und Beschäftigten gleichermaßen ausgestaltet werden muss.“ Fotos: Harald Krieg Flexibilität braucht Eigenverantwortung Vom Azubi bis zur Wissenschaftlerin, von der Dezernentin gen gefunden werden sollen. Das alles muss dann noch unter Hat sich in den zurückliegenden Jahren etwas an den Bedürf- Eine andere Tendenz ist, dass eine steigende Zahl der Beschäf- bis zum Dekan: Wie bekommt die Uni alle Bedürfnisse ihrer Beachtung dienstlicher Belange erfolgen. Es ist nicht einfach, nissen der Universitätsangehörigen verändert? tigten die Arbeitszeit um einige Prozente abgesenkt hat, um Angehörigen unter einen Hut? Pressesprecherin Katharina hier Regelungen zu finden, die flexibel genug sind, um allem Ja, und zwar auf allen Ebenen. Immer mehr, vor allem weibli- mehr freie Tage zu erhalten. Wenn sich daraus eine bessere Vorwerk sprach darüber mit der Personaldezernentin Angela und jedem gerecht zu werden. che, Beschäftigte wählen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf Work-Life-Balance ergibt, ist der Zweck dieses Teilzeitmodells Matthies. und Familie befristet oder dauerhaft Teilzeitmodelle. Entwe- erfüllt. Diese Möglichkeit, die bis Ende 2016 genutzt werden Ist es überhaupt machbar, allen Anforderungen zu entsprechen? der, weil erfreulicherweise Nachwuchs kommt oder, weil Fa- konnte, birgt jedoch auch ihre Tücken. Da die Reduzierung der Vertrauensarbeitszeit, Job-Sharing, Gleitarbeitszeit, Teilzeit, Wir haben so ziemlich für jede Möglichkeit eine Regelung. milienangehörige pflegebedürftig werden. Solchen Anträgen Arbeitszeit nicht mindestens ein Viertel der Arbeitszeit beträgt, Sabbatical oder Homeoffice: Warum braucht die Uni Magde- Allerdings müssen wir die Begriffe ein wenig sortieren. Ver- wird in der Regel immer stattgegeben. Organisatorisch be- kann kein Ersatz eingestellt werden. Das bedeutet oft Arbeits- burg so viele Arbeitszeitmodelle? trauensarbeitszeit und Gleitzeit sind zwei Arbeitszeitmodelle, deutet das jedoch eine Herausforderung für die Vorgesetzten. verdichtung oder Verlagerung von Aufgaben. Auch das ist eine Ob Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftsmanager, Beschäf- die sich auf die Art der Erfassung und Regelungen zum Aus- Erfolgt eine Reduzierung um mindestens ein Viertel, kann in Herausforderung an die Organisation. Die dritte Veränderung tigte in der Verwaltung, der Bibliothek, in den Laboren, ob gleich von Mehr- oder Minderarbeit beziehen. Gleitzeitarbeit der Regel eine Vertretung oder eine zweite Person auf dieser in den vergangenen Jahren betrifft das wachsende Bedürfnis Techniker und Werkstattpersonal, Hausmeister oder weitere mit einer Registrierung des Beginns, des Endes und gegebe- Teilstelle eingestellt werden. Dann kommt es zum eingangs nach der Nutzung von Heimarbeit, dem Homeoffice. Berufsgruppen – wirklich alle haben ganz unterschiedliche nenfalls der Unterbrechungen der Arbeitszeit findet für das erwähnten Jobsharing, eine hohe organisatorische Anforde- Tätigkeits- und Aufgabenfelder. Daraus ergeben sich verschie- gesamte nichtwissenschaftliche Personal Anwendung. Für rung für alle Beteiligten: Arbeitsprozesse müssen sauber ge- Welche Rahmenbedingungen sind denn bei der Gestaltung dene Anforderungen an die Arbeitszeitgestaltung und deren einige Wenige gilt sogar noch die feste Arbeitszeit, ich denke, trennt werden, Informationsflüsse klar geregelt und durchge- der Arbeitszeit durch die Universität besonders zu beachten? Erfassung. Um es noch ein wenig komplizierter zu machen, dass das aber ein auslaufendes Modell ist. setzt und die Bereitschaft zur intensiven Kommunikation und Die Universität als staatlicher Arbeitgeber unterliegt dem Tarif- kommen natürlich noch die persönlichen Bedürfnisse und Unterstützung muss von beiden Stelleninhabern oder –inha- recht bzw. dem Arbeitszeitgesetz: Höchstarbeitszeiten pro Tag Lebensumstände hinzu, für die möglichst individuelle Lösun- berinnen sehr ausgeprägt sein. und Woche, den diesbezüglichen Ausgleich, vorgeschriebene uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 6 AUF DEM ROTEN SOFA IM FOKUS 7 es zur Unternehmenskultur gehört, dass Beschäftigte rund um die Uhr, am Wochenende und im Urlaub erreichbar sein müs- sen, dann sehe ich eine große Gefahr darin. Dann nützt auch das präventivste Gesundheitsmanagement nichts. In vielen Fluren auf dem Unicampus hängen noch die guten alten Stempeluhren. Ist das noch zeitgemäß? Die Stempeluhren sind ja nur ein Instrument, um die Arbeitszeit für Beschäftigte mit Gleitzeitregelungen zu erfassen. Moderne elektronische Stempeluhren würden an der Erfassung der Ar- beitszeit nichts ändern, wären nur „schicker“. Aber die Diskus- sion geht im Moment in eine ganz andere Richtung, nämlich in die, ob die Regelungen zur Gleitzeit noch zeitgemäß sind? Viele Beschäftigte halten das Führen eines eigenen Arbeitszeit- kontos für sehr sinnvoll. Ich kenne jedoch auch etliche, die nur mit einer Vertrauensarbeitszeit ihre Belange vollumfänglich be- rücksichtigt sehen. Auch Vorgesetzte sehen das unterschiedlich. Ich selbst gehöre eher zu den Skeptikern in Bezug auf Vertrau- Dass Physik auch zum Naschen sein kann, lernten die Ferienkinder in der Ferienbetreuung. Aus diesem Stickstoffnebel wurde Erdbeereis. Foto: Stefan Berger ensarbeitszeit. Es ist sehr schwierig, über einen Teilaspekt der Arbeitszeit, nämlich ihre Erfassung zu diskutieren, ohne die In- halte der Tätigkeit, Formen der Leistungserbringung, Leistungs- Wenn Mama und Papa im Hörsaal sind messung und -bewertung mit zu bedenken. Ein entscheidender Punkt für mich ist hier die Rolle der Vorgesetzten. Sie haben bereits mit den bestehenden Rege- lungen ziemlich große Spielräume, die nur genutzt werden Familiengerechte Gestaltung von Arbeits- und Studienbe- Möglichkeit zum persönlichen Erfahrungsaustausch. Eine gute Ruhezeiten oder das Verbot von Sonntagsarbeit. Auch der Tarif- müssen. dingungen hat sich die Universität in den Familienkodex ge- Gelegenheit, mal zu erfahren, dass es anderen genauso geht, vertrag enthält spezifische Regelungen zur Dauer der Wochen- schrieben, der 2014 in Kraft getreten ist. „Die OVGU stellte sich aber auch, um mal zu hören, was andere Eltern so erleben arbeitszeit, zur Zuschlagszahlung, zu Ausgleichszeiträumen und Thema Homeoffice: In welchen Bereichen ist das aus Ihrer bereits 2006 als erste Hochschule in Sachsen-Anhalt dem Au- und wie sie das ein oder andere Problem lösen. Ein News- Möglichkeiten einer Gleitzeitregelung oder Einrichtung von Ar- Sicht ein mögliches Modell? ditierungsprozess der berufundfamilie gGmbH und erhielt das letter informiert über Veranstaltungen und Angebote zum beitszeitkonten. Das sind die Rahmenbedingungen, die uns zur Homeoffice funktioniert dann, wenn eine Anwesenheit der Grundzertifikat“, erinnert sich Familienbeauftragte Dr. Loreen Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Homepage Verfügung stehen, um Arbeitszeitregelungen schaffen zu kön- oder des Beschäftigten nicht erforderlich ist, um die Arbeits- Lesske. Seitdem habe sich viel getan: von Familienbüro und www.ovgundfamilie.ovgu.de fasst alle Angebote zusammen, nen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das flexible aufgabe zu erfüllen. Sobald die Anwesenheit zur Arbeitsauf- Wickelräumen über CampusKinderzimmer, Ferienfreizeit, Kita ein Klick führt zu den Kooperationspartnern wie die Familien- Reagieren auf persönliche Belange und die Übereinstimmung gabe gehört, kommt Homeoffice nicht in Frage, zum Beispiel CampusKids, Eltern-Kind-Zimmer, Elternzeit oder Teilzeitbe- beauftragten an den Fakultäten, das Studentenwerk Magde- dienstlicher Anforderungen ermöglichen. für Beschäftigte in Sekretariaten, Laboren, Werkstätten oder schäftigung. „Familienfreundlichkeit ist inzwischen stärker ins burg oder die Stiftung evangelische Jugendhilfe. Zudem gibt Selbstverständlich werden auch besondere Bestimmungen Serviceeinrichtungen. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, Bewusstsein sowohl der Beschäftigten als auch der Chefs ge- es nützliche Informationen zur Dienstvereinbarung nach dem in den Arbeitsvertrag aufgenommen, wenn es erforderlich ist. dann muss es sich aber um klar abgrenzbare und abrechen- rückt“, schätzt Dr. Lesske ein, „aber das ist kein Selbstläufer. Pflegezeitgesetz der OVGU sowie eine Linksammlung und vie- Gelebt werden müssen die Bestimmungen und Schutzvor- bare Aufgaben handeln. Unsere Dienstvereinbarung zur Tele- Es muss beständig daran gearbeitet werden, dass ‚familien- le Tipps zur Thematik Pflege von Angehörigen. schriften auf alle Fälle in den Bereichen. Die Universität kann und Heimarbeit bietet Anhaltspunkte zur Anwendung im Ein- gerecht‘ in allen Entscheidungsprozessen und im alltäglichen nur einen Rahmen vorgeben, der von Vorgesetzten und Be- zelfall und definiert die Bedingungen, unter denen dauerhaft Handeln zur Selbstverständlichkeit wird.“ Für sechs Wochen Sommerferien die Betreuung des Nach- schäftigten gleichermaßen ausgestaltet werden muss. oder zeitweise eine solche Vereinbarung getroffen werden wuchses zu organisieren, ist für berufstätige Eltern nicht so kann. Klar ist: Die Anzahl derer, die regelmäßig in Heimarbeit Familienfreundlich heißt, entsprechende Rahmenbedingun- einfach. Deshalb wurde der Wunsch nach einem Betreuungs- Die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben verschwimmen arbeiten, übersteigt bei weitem die Zahl der offiziell gestellten gen und Infrastrukturen zu schaffen. Auch das steht im Famili- angebot für Sech- bis Zwölfjährige während der Ferien an immer mehr. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? Anträge. Das ist versicherungstechnisch problematisch, sodass enkodex. Dazu gehört eine campusnahe Kita, wie die des Stu- das Familienbüro herangetragen. So wurde aus einer Idee Für viele Beschäftigte ist nach Feierabend keine Möglichkeit wir jedem raten, solche Arbeitsmodelle vertraglich zu regeln. dentenwerks im Wohnheim 7, ebenso wie die familiengerechte die Ferienbetreuung an der OVGU. Deren Angebote von Cam- beziehungsweise Notwendigkeit der Weiterarbeit mehr gege- Gestaltung von Arbeitszeit durch Gleitzeit, Homeoffice oder pus-Rally über Erste-Hilfe-Kurs, Mangazeichnen, Physik-Expe- ben. In einigen, klar geregelten Fällen gibt es Rufbereitschaft, Bisher ging es in unserem Gespräch nur darum, was die Uni familienkompatible Besprechungstermine, die Betreuung von rimente und Roboter bauen bis hin zu Überraschungseier im sodass die Entgrenzung zwar stattfindet, aber registriert und für ihre Beschäftigten tun kann. Was würden Sie sich von den Kindern zu den Randzeiten in den CampusKinderzimmern auf MRT durchleuchten und Sport werden von den Kindern be- vergütet wird. In Berufsgruppen, in denen ein großer Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wünschen? dem Campus am Uni-Platz und dem Medizinercampus oder geistert angenommen. Und Mathematik machte im Mathemo- Arbeitszeit zu Hause absolviert wird, besteht natürlich die Ich freue mich über Beschäftigte, die gern und motiviert zur die Eltern-Kind-Arbeitszimmer, in denen beispielsweise die bil plötzlich richtig Spaß. „Beeindruckend, was die Kollegin- Gefahr, dass die geltenden gesetzlichen und tariflichen Rege- Arbeit kommen, die Dinge kritisch hinterfragen und an Lösun- Kinder schlafen, Hausaufgaben machen oder spielen können nen und Kollegen in den Fakultäten da auf die Beine gestellt lungen nicht eingehalten werden. Wir beobachten, dass zum gen konstruktiv mitarbeiten. Und, wenn sie im Grunde ihres während Mama oder Papa arbeiten. Frischgebackene Eltern haben. Das ist gelebte Familienfreundlichkeit.“ Beispiel die Möglichkeit, dienstliche E-Mails zu jeder Zeit ab- Herzens davon überzeugt sind, dass die Universität der rich- erhalten einen Willkommensgruß. Über das Babysitter-Pro- zurufen, zu einer Verschiebung der Arbeitszeit führt. Nutzen tige Platz für sie ist, um sich beruflich zu entfalten und beruf- gramm kann eine Kinderbetreuung beispielsweise während Der Familienkodex sei eine gute Grundlage, um die OVGU fa- Vorgesetzte diese Bereitschaft von Mitarbeitern aus und set- liche Anforderungen mit dem Privatleben gut zu verbinden. einer Tagung oder für Arzttermine organisiert werden. miliengerechter zu gestalten, betont Familienbeauftragte Less- zen keine Grenzen, werden alle gesetzlichen, tariflichen und Dann stehen bei der Gestaltung der Arbeitszeit die Inhalte im ke. „Wir sind zwar schon weit gekommen, aber noch längst betrieblichen Arbeitszeitregelungen schnell ad absurdum ge- Vordergrund und nicht die Art der Erfassung. Die Möglichkeiten und Angebote, sich auszutauschen, zu infor- nicht am Ziel ... Alle sind aufgefordert, in ihrem täglichen führt. Das gilt jedoch auch für die Beschäftigten selbst. Auch sie mieren, zu vernetzen sind gut ausgebaut. „Zielgruppenspezi- Handeln bzw. durch Ideengeben an der Familiengerechtigkeit müssen sich und gegebenenfalls Vorgesetzten Grenzen setzen, Vielen Dank für das Gespräch. fische Veranstaltungen“ heißen sie im Familienkodex. Ein Fa- mitzuwirken.“ INES PERL klare Kommunikationsregeln einfordern und einhalten. Wenn milienbrunch bietet jungen Eltern, aber auch Großeltern, eine uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 8 IM FOKUS IM FOKUS 9 Vom „Gewinn“ an Arbeit Arbeiten 4.0 Der Begriff „Arbeiten 4.0“ knüpft an die aktuelle Diskussion über die vierte industriel- le Revolution (Industrie 4.0) an, rückt aber die Arbeitsformen und Arbeitsverhältnisse ins Zentrum – nicht nur im industriellen Sektor, sondern in der gesamten Arbeitswelt. Was ist Arbeit? Betriebswirtschaftlich Im 11. / 12. Jahrhundert entwickelt sich Ämter, Dienst in der Justiz, im Militär „Arbeiten 1.0“ bezeichnet die beginnende Industriegesellschaft vom Ende des 18. Jahr- hunderts und die ersten Arbeiterorganisationen. „Arbeiten 2.0“ sind die beginnende betrachtet die Komponente der Produkt- in Europa eine arbeitsteilige Gesell- oder der Religion, auch Schauspieler, Massenproduktion und die Anfänge des Wohlfahrtsstaats am Ende des 19. Jahrhunderts. erzeugung und ein Produktionsfaktor. schaft. Drei Stände sind ihre Grundsäu- Musiker oder Tänzer sind unproduktiv. Die Industrialisierung brachte damals neue soziale Probleme mit sich, der zunehmende Philosophisch gesehen das bewusste len – Kleriker, Ritter und Arbeitende. Die produktive Arbeit geht einher mit Druck der organisierten Arbeiterschaft bildete eine wichtige Grundlage für die Einführung schöpferische Handeln des Menschen. Anfangs ist der Stand der Arbeitenden dem Aufschwung der Industrie, der in- der ersten Sozialversicherungen im Deutschen Reich. „Arbeiten 3.0“ umfasst die Zeit der Auch physikalisch kann Arbeit definiert durch die Arbeit der Bauern gekenn- dustriellen Revolution, Arbeitsteilung Konsolidierung des Sozialstaats und der Arbeitnehmerrechte auf Grundlage der sozialen Marktwirtschaft: Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandeln sozialpartnerschaftlich auf werden, als Energiemenge, die bei ei- zeichnet, bald aber kommen in den und Spezialisierung. Arbeitskraft oder Augenhöhe miteinander. Die Notwendigkeit der Wahrnehmung gemeinsamer Interessen nem Vorgang umgesetzt wird. Eine sich entwickelnden Städten Kaufleute Arbeitsvermögen werden zur Ware. Die steht im Betrieb wie auch unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern insgesamt wissenschaftliche Arbeit ist das Produkt und Handwerker hinzu. Durch die Er- Gegensätze zwischen Arm und Reich außer Frage. Später folgte die teilweise Rücknahme sozialer Rechte, auch angesichts des von Forschungstätigkeit. In der Volks- oberung der Weltmeere, aber auch die nehmen zu, die Kluft zwischen den zunehmenden Wettbewerbsdrucks und der Öffnung nationaler Märkte. „Arbeiten 4.0“ wirtschaftslehre ist Arbeit einer der Entdeckung neuer Länder, ja Kontinen- Besitzenden und den Besitzlosen ver- wird vernetzter, digitaler und flexibler sein. Wie die zukünftige Arbeitswelt im Einzelnen aussehen wird, ist noch offen. BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALES Produktionsfaktoren in menschlichen te, breitet sich der Handel immer stär- größert sich zunehmend. Für Karl Marx Gesellschaften. Ein Werk in seiner Be- ker aus. Die Zunahme der Bevölkerung macht Arbeit das Wesen des Menschen schaffenheit, in der Art seiner Ausfüh- führt zu einer noch größeren Nachfra- aus. Er unterteilt die Arbeit in konkre- rung und Gestaltung ist eine Arbeit in ge an vielerlei Erzeugnissen. In immer te, auf die Erstellung eines bestimmten der Kunst. Um den Begriff Arbeit ranken schnellerem Tempo entstehen Produk- Produkts gerichtete, und abstrakte Ver- sich unzählige kontroverse Theorien, tionsmöglichkeiten. ausgabung von Arbeitskraft, ungeach- Sichtweisen, Diskussionen, Weltbilder. tet ihres Gebrauchswertes. Dennoch, Arbeit ist ein zentraler Begriff Zu Zeiten der Reformation, stärker noch der Menschheit geworden. im 17. und 18. Jahrhundert, wird Arbeit Das Bild der modernen Arbeitswelt erstmals als Quelle von Eigentum und wird durch die abhängige Erwerbs- Das Beherrschen des Feuers sowie Her- Reichtum aufgewertet. Martin Luther arbeit geprägt: im Fabrikzeitalter die stellen von Steinwerkzeugen und deren erklärte Müßiggang zur Sünde: „Mü- Ausübung einer beruflich qualifizier- überlegter Einsatz sind erste Ausgangs- ßiggang ist Sünde wider Gottes Gebot, ten Tätigkeit an einem Arbeitstag mit in den 20er und 70er Jahren des 20. keit in den westeuropäischen Ländern Methoden. Niemand kann mehr al- punkte für eine zielgerichtete und sys- der hier Arbeit befohlen hat. Zum an- zwölf, zehn, später acht Stunden an Jahrhunderts zeigen immer wieder, wie deutlich an. Jede Rezession hinterlässt les überblicken. Jeder hat nur Kennt- tematische Tätigkeit, Arbeit also. Geräte deren sündigst du gegen deinen Nächs- sechs bzw. fünf Tagen in der Woche. sensibel der Arbeitsmarkt reagiert, und höhere Arbeitslosenzahlen als die vor- nis von einem sehr kleinen Teil der zum Fischen und Jagen oder Hilfsgeräte ten.“ In der Zeit der Aufklärung setzt In der UN-Menschenrechtskonvention dass aus Erwerbsarbeit sehr schnell angegangene. Berufswelt und Gesellschaft. In Zeiten zur Bestellung des Bodens werden her- sich die Trennung von „geistiger“ und ist 1948 festgeschrieben worden: „Je- Arbeitslosigkeit werden kann. Die Pu- der Globalisierung verändern sich die gestellt und ermöglichen das Sesshaft- „körperlicher“ Arbeit durch. Arbeit gilt der Mensch hat das Recht auf Arbeit, blizistin Hannah Arendt beschreibt in Die fortschreitende Technisierung der Arbeitsbedingungen so rasant wie nie werden der prähistorischen Wald- und als Bürgertugend. Hinzu kommt die Un- auf freie Berufswahl, auf angemessene den 50er Jahren die „Aussicht auf eine Gesellschaft und damit der Arbeits- zuvor – fortschreitende Digitalisierung, Höhlenbewohner. Das wiederum lässt terscheidung in „produktive“ und „un- und befriedigende Arbeitsbedingun- Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit aus- welt im Zeitalter der Informationstech- Mensch-Maschine-Interaktion, schnelle unterschiedlichste Bedürfnisse entste- produktive“ Arbeit. Unproduktive Tä- gen sowie auf Schutz gegen Arbeits- gegangen ist“. Mit dem Ölpreisschock nologie geht einher mit einer großen Innovationszyklen, ständige Erreichbar- hen: Hütten, Haushaltsgegenstände, tigkeiten sind beispielsweise politische losigkeit.“ Welt-Wirtschaftskrisen wie in den 1970ern steigt die Arbeitslosig- Differenziertheit des Wissens und der keit, Arbeitsverdichtung, Verschmelzen Kleidung, Schuhwerk, verschiedene von Freizeit und Arbeitszeit, Wandel von Nahrungsmittel, unterschiedlichste Werten und Ansprüchen. Der Druck auf Werkzeuge, Waffen. die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin- nen wächst, Anforderungen werden Im antiken Griechenland ist Arbeit ne- immer höher geschraubt, Beschäftigte gativ belegt. Durch das verstärkte Auf- müssen mobil und flexibel sein, so- kommen unfreier Arbeit wird körperli- wohl räumlich als auch zeitlich, immer che Arbeit als Existenzzwang, vor allem erreichbar und kurzfristig verfügbar. für Tagelöhner und Sklaven, betrachtet. Arbeiten im 21. Jahrhundert wird ver- Der Müßiggang des Adels hingegen ist netzter, digitaler und flexibler sein. Wie erstrebenswert. Die Römer überneh- jedoch die Arbeitswelt der Zukunft ge- men von den Griechen die Missachtung nau aussehen wird, ist noch offen. Doch der Arbeit. Im Christentum vollzieht soll die Gesellschaft und die Umwelt sich ein Wandel. Positiv belegt sind lebenswert erhalten bleiben, dann nur gleichermaßen Kopf- als auch Handar- im Gleichgewicht zwischen Arbeit, Le- beit. Wohl erkannt wird damals, dass benserfüllung und dem sorgsamen Um- körperliche Arbeit mit Mühsal und gang mit den elementaren Res sour cen, Strapazen verbunden ist. Die Sprach- zu denen auch die Arbeitskraft gehört. wurzel von arbeiten geht auf sich pla- gen, sich quälen zurück. INES PERL uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 10 IM FOKUS IM FOKUS 11 Arbeitszeit gestalten Mindestens einmal in der Woche muss Emily Mula zur Schule und fleißig lernen. Manch- mal bekommt sie Hausaufgaben oder Projekte, die sie zusätzlich zu ihrer Arbeit erledigt. Steht mal kein Schulbesuch an, arbeitet die 19-Jährige ab 7 Uhr morgens im Bereich Me- Noch bevor der 38-Jährige morgens in seinem Büro an der Universität ankommt, hat er dien, Kommunikation und Marketing. Als Erstes beantwortet die Auszubildende E-Mails, bereits zwei Stunden lang geforscht. Täglich pendelt er mit dem Zug von Potsdam nach Mag- kümmert sich um die Post und dann um Rechnungen oder Termine. „Die Aufgaben sind deburg und optimiert diese Zeit, indem er schon während der Fahrt mit der Arbeit beginn. Im vielfältig, ich kann mir sehr viel Wissen aneignen und das Gelernte auch direkt in der Praxis Büro beantwortet der Ökonom zuerst seine E-Mails und bereitet sich auf seine Termine mit anwenden“, schwärmt Emily. Aus Wanzleben pendelt sie jeden Tag nach Magdeburg. Auf- Kollegen, Studierenden oder der Presse vor. Abgesehen von den Lehrveranstaltungen hat der grund der sensiblen Daten kann sie nicht von zu Hause arbeiten und muss ihre Aufgaben Professor bei seiner Zeiteinteilung freie Hand – was aber nicht mit mehr Freizeit verbunden von ihrem Arbeitsplatz aus erledigen. Das findet Emily Mula allerdings nicht schlimm, ist. Wenn seine Familie schon längst schläft, beantwortet Marko Sarstedt noch E-Mails. Der denn mit dem Team versteht sie sich hervorragend und kann dadurch in viele verschiedene ÜzSwpbaienßrgg deaannr,ga a nzbw zhuiasstc“chh,e arnelt sAeünrmb. e„ieiMtr uta nnerd v seFcrrhbemrizineugintt z isesotl n bvdeie.i li hZmeit flbieeiß deenrd A urnbde imt, adnac ihsmt easl bmeussses re, rw seinchn dmaazun BEienr esipcähtee rheisn eSitnusdcihunmu pscphelrineß. tM siite d jeerd oAcuhs bniilcdhutn agu ws.ollte die 19-Jährige unabhängiger sein. FaEolmsto Ki:l ay uHMffaurraalauld mf üKarrci eBhgüt reoinmea Anuasgbeimldeunntg Professor Dr. Marko Sarstedt ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketing Foto: Stefan Berger Vor 20 Jahren wurde Dr. Ulrich Busse Mitglied des Personalrats der Universität Magdeburg. Gegen 7:30 Uhr beginnt der normale Arbeitstag für den Studienberater Ulrich Schmidt. Sein Seit 2010 ist er Vorsitzender und als wissenschaftlicher Mitarbeiter freigestellt, wodurch er Arbeitstag besteht aus festen Sprechzeiten, die er für Studieninteressenten und Studieren- sich mit vollem Einsatz um alle seine Aufgaben kümmern kann. Obwohl seine Arbeitszeit de anbietet. Selbstverständlich muss er zu diesen Zeiten auch vor Ort sein. Seine Aufgaben flexibel ist, fängt er meist um 7:30 Uhr mit der Arbeit an. Er hat viele regelmäßige Termine, außerhalb der Sprechzeiten sind vielfältig. Dazu gehört zum Beispiel die Beantwortung zu denen er anwesend sein muss. Dr. Busse nimmt an Einstellungsgesprächen teil, ist von E-Mail-Anfragen, die redaktionelle Pflege von Publikationen und den Web-Seiten zum Mitglied verschiedener Kommissionen und Arbeitsgruppen und leitet die Sitzungen des Studium an der OVGU oder die Aktualisierung bundesweiter Internet-Portale. Speziell an Personalrats, in denen viele Personalvorgänge mitbestimmt werden. Auch bei Konflikten seiner Tätigkeit ist, dass er mit seinen Kollegen und Kolleginnen auch außerhalb der Uni wird er häufig hinzugezogen. „Man muss trotzdem die Fähigkeit haben, abzuschalten. Man an Gymnasien oder bundesweit auf Bildungsmessen und Info-Veranstaltungen, zum Bei- kann nicht jeden Konflikt mit nach Hause nehmen“, erklärt der Wissenschaftler. Von zu spiel in Köln, Berlin oder Hamburg, Schülerinnen und Schüler über das Studium an der Ulrich Schmidt arbeitet in der Hause aus arbeitet er nicht, ihm ist es wichtig, vor Ort und erreichbar zu sein. Außerdem OstVaGttU. Dinief oÜrmbeiresrttu. nDdieesne k Mönensseenn a sbienrd izmu mRa Themil eanu cdhe rm gelehirtteängdige no dAerbr efiintsdzeenit arenc hSta mgustt aaguesn- FAolltgoe: mSteeifnaenn B Setrugdeirenberatung Ddre.s U Plerircsho nBaulsrsaets i sdte Vro Ursniitvzeernsditeärt lassen die sensiblen Unterlagen, mit denen er arbeitet, das nicht zu. geglichen werden. Foto: Harald Krieg Der Arbeitstag von André Meseberg beginnt um 8 Uhr morgens. Zuerst beantwortet er Bei Sina Frankmölle ist kein Arbeitstag wie der andere. Je nachdem, in welcher Phase seine E-Mails und macht sich dann einen Plan für den Tag. Da er keine festen Sprechzeiten sich ein Event befindet, kann sie ihren Arbeitstag gestalten. Geht es bei der Planung eines hat, kann er bei der Terminvereinbarung mit den Studierenden flexibel sein. Der Tagesab- Events noch relativ entspannt zu, muss bei der Eventvorbereitung oft länger gearbeitet lauf des wissenschaftlichen Mitarbeiters ist daher immer unterschiedlich. Fixe Termine und werden. Auch nach Feierabend muss die Eventmanagerin ihr Telefon im Auge behalten unaufschiebbare Aufgaben haben bei ihm Priorität. Den restlichen Arbeitstag arbeitet der und erreichbar sein. Vor allem, wenn viele Events anstehen, bei denen Sina Frankmölle 28-Jährige an seiner Forschung und bleibt dafür auch mal länger im Büro. „Das finde ich auch vor Ort sein muss, würde sie sich mehr Flexibilität von der Verwaltung wünschen. Bei überhaupt nicht schlimm, weil mir meine Forschung Spaß macht und ich mit meiner Dok- Events arbeitet sie zum Teil länger als 10 Stunden. Dies ist allerdings im öffentlichen Dienst torarbeit vorankommen möchte“, erzählt der Doktorand. Nach Feierabend oder an Feier- nicht vorgesehen. Daher vermischen sich an dieser Stelle oft Arbeitszeit und Freizeit. „An tagen denkt er daher auch oft an die Arbeit, was für ihn aber keine Belastung darstellt, da solchen Tagen ist es gut, wenn man jemanden im Hintergrund hat, der das auffängt und er das gut steuern und abschalten kann. mmmmmmmmmmmmm Texte: Victoria Koch SBFioentraoe :iF cSrhat enEfkvamenn öBtlmelera glneeairtgeetm deenn t sich um die Kinder kümmert“, betont die Mutter. FUMAonnitttodae:rrr éSbn teeMeihfteaemsnree abBnmeesrrr gegLce eihhsrtnr swutnuisghs leu BnnWsdc LhC,ao ifnntltsircbohelelsiron ngd e r e uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 12 IM FOKUS IM FOKUS 13 Ein Labor für die Arbeit Die Arbeitswelt hat sich fundamental gewandelt. Arbeitstä- schiedenster Ausgründungen. Sie können sich als Digitalisie- tigkeiten sind heute durch eine zunehmende Digitalisierung rungsexperten in beratender Funktion selbstständig machen. charakterisiert. Wie diese humangerechter und dennoch wirt- Oder sie arbeiten an der Weiterentwicklung bzw. Adaption für schaftlich zu gestalten sind, kann künftig in einem sogenann- unterschiedliche Einsatzbereiche der vorgehaltenen Technolo- ten ego.-INKUBATOR entwickelt und erprobt werden. Dafür gien, um diese dann als maßgeschneiderte Produkte der Wirt- wird am Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft und Arbeitsgestal- schaft anzubieten. tung vom Land gefördert das „AWI-LAB“, das arbeitswissen- schaftliche Labor zur Förderung von Gründungen im Bereich „Mit dem AWI-LAB wird Ausgründerinnen und Ausgründern „Innovative Arbeitswelt 4.0“, aufgebaut. In ihm können Grün- eine gründungsorienteierte arbeitswissenschaftliche Infra- dungsinteressierte beispielsweise digitale Assistenzsysteme struktur zur Verfügung stehen. Ihr Fokus richtet sich auf die von im Arbeitsprozess so gestalten, dass sie sich an die Bedürfnis- der Landesregierung definierten Leitmärkte für Sachsen-An- se, Qualifikation und Vorlieben der jeweiligen Arbeitsperson halt ‚Energie, Maschinen- und Anlagenbau, Ressourcen- anpassen lassen. Für interessierte Studierende, Absolventin- effizienz’ sowie ‚Gesundheit und Medizin’“, erläutert Dr.-Ing. nen und Absolventen eröffnet sich ein breites Spektrum ver- Sonja Schmicker, Geschäftsführende Leiterin des Lehrstuhls Arbeitswissenschaft und Arbeitsgestaltung. Das AWI-LAB soll Szenario 1 - Montagearbeitsplätze aus modularen Komponenten verschiedener Arbeitsszenarien bestehen. Im Szenario 1 werden zwei Montagearbeitsplätze Neurowissenschaftler Dr. Atsuhiro Tsuchiya im Laborraum der Abteilung Genetik und Molekulare Neurobiologie des Instituts für Biologie. Foto: Harald Krieg eingerichtet, inklusive Fließband und entsprechendem „Ar- beitswelt-4.0-Paket“ mit z. B. Tablets, Smart-Watches oder ei- nem Roboter, der eine direkte Zusammenarbeit mit dem Men- Austausch auf Augenhöhe ist sehr bereichernd schen erlaubt. Sie ermöglichen zum einen die realitätsnahe Simulation und Darstellung Cyber-Physischer Systeme (CPS), eines Verbundes informatischer und softwaretechnischer „Magdeburg ist wie meine zweite Heimat geworden“, erklärt beispielsweise Umgangs- und Höflichkeitsformen – und die- Komponenten mit mechanischen und elektronischen Teilen, der 28-jährige Dr. Atsuhiro Tsuchiya während des Interviews. se sind dem jungen Wissenschaftler besonders aufgefallen. die über eine Dateninfrastruktur, wie z. B. das Internet, kom- Im Mai 2016 kam der Neurowissenschaftler mit seiner Frau „Der Austausch und Umgang mit den Kollegen in Deutschland munizieren. So gilt es z. B. das „Verhalten“ des Roboters so zu und seinem Kind aus Japan nach Magdeburg. Hier forschte er passiert auf Augenhöhe und ist sehr bereichernd. Ein großer gestalten, dass die jeweils mit ihm kooperierende Arbeitsper- für ein Jahr als Gastwissenschaftler in der Abteilung Genetik Unterschied zu Japan ist es, dass im Labor und am Arbeitsplatz son seine Intentionen erkennt und somit auf eine möglichst und Molekulare Neurobiologie des Instituts für Biologie unter ein eher lockeres und freundschaftliches Verhältnis gepflegt natürliche Art und Weise und vor allem ohne Berührungs- Anleitung von Prof. Dr. Oliver Stork. wird“, beschreibt Dr. Atsuhiro Tsuchiya begeistert. ängste mit ihm zusammen arbeiten kann. Im Team von Prof. Stork beschäftigte sich Dr. Tsuchiya mit den Der allgemeine Tages- und Arbeitsablauf verläuft jedoch sehr „Im zweiten Szenario soll ein Pflegearbeitsplatz entstehen, zellulären Mechanismen der Hirnentwicklung und erforschte, ähnlich: Man kommt morgens zur Arbeit und geht erst, wenn mit Pflegebett, inklusive Zubehör wie Fuß- und Handstützen Szenario 2 - Pflegearbeitsplatz wie Synapsen von Nervenzellen gebildet werden. „Die OVGU die Aufgaben am Ende des Tages erledigt sind. Dem Nach- sowie Aufrichthilfe, und intelligentem Möbelsystem sowie ei- ist nicht so bekannt wie die Harvard oder Boston University, wuchswissenschaftler ist aufgefallen, dass in Deutschland nem Assistenzsystem zur Pflegedokumentation“, informiert aber die technischen Möglichkeiten und das wissenschaftli- trotzdem auch darauf geachtet wird, genügend Freizeit als AWI-LAB-Koordinator, Dr.-Ing. Stefan Waßmann. „In diesem che Niveau meines gastgebenden Labors sind exzellent“, be- Ausgleich zu haben und nicht, wie in Japan üblich, immer bis Szenario liegt der Fokus auf der ergonomischen Optimierung schreibt er. Nach Magdeburg kam er aufgrund persönlicher spät abends im Büro zu sitzen. Er selbst wird auch den tägli- professioneller und häuslicher Versorgung pflegebedürftiger Kontakte von Prof. Stork mit Wissenschaftlern der Toyo Univer- chen Arbeitsweg mit dem Rad entlang der Elbe sehr positiv im Menschen. So können beispielsweise hebende und lagernde sität in Japan, wo Dr. Tsuchiya Anfang 2016 promoviert hatte. Gedächtnis behalten. Tätigkeiten von Pflegekräften analysiert und mit geeigneten arbeitswissenschaftlichen Methoden, aber auch entsprechen- Im Laufe seines Forschungsaufenthaltes konnte Dr. Tsuchiya Dr. Tsuchiya hat es als Bereicherung empfunden, in einem sehr den Produktentwicklungen optimiert werden.“ einige wichtige neue Erkenntnisse darüber gewinnen, wie die international aufgestellten Team zu arbeiten. Durch den Kon- Bildung von Synapsenbestandteilen in Nervenzellen geregelt takt mit Forschern und Mitarbeitern aus Pakistan, Griechen- Das dritte Szenario dient der Weiterentwicklung der Zu- wird. Mit den Ergebnissen seiner Studien arbeitet die Arbeits- land, Portugal, der Türkei und Deutschland konnte er wertvolle sammenarbeit interdisziplinärer Arbeits- bzw. Projektgrup- Szenario 3 – Interaktions- und Teamarbeitsplätze gruppe weiter, um auch Prozesse der Gedächtnisbildung im kulturelle Erfahrungen sammeln und seine Englischkenntnisse pen. Dabei werden sowohl die direkte Kooperation, also Gehirn besser zu verstehen und zu klären, wie sich Stress und ausbauen. Dies wird ihm künftig bei der wissenschaftlichen Face-to-face-Interaktion in räumlich-zeitlicher Einheit, als Alterungsprozesse auf diese auswirken. Dr. Tsuchiyas Arbeit Arbeit, dem Erstellen von Publikationen und dem Umgang auf auch Methoden der ortsübergreifenden Zusammenarbeit ver- wurde aus dem Innovationsfonds der OVGU gefördert und sein internationalen Meetings helfen. teilt arbeitender Teams kritisch betrachtet und auf ihre Opti- Projekt ist in die Aktivitäten lokaler Forschungsnetzwerke wie mierungspotenziale hin analysiert. den Sonderforschungsbereich 779 „Neurobiologie motivierten Dr. Atsuhiro Tsuchiya ist inzwischen wieder in sein Heimat- Verhaltens“ sowie das „Center for Behavioral Brain Sciences“ land zurückgekehrt, um eine Stelle als Assistenzprofessor an Ergänzt werden diese drei Szenarien durch einen Versuchs- eingebunden. der Universität Kanagawa anzutreten. Gern wäre er länger in leiterstand und Untersuchungstechnik wie Eye-Tracker, Deutschland geblieben und sicherlich wird er den Kontakt zu Elektroenzephalogramm (EEG), Elektrokardiogramm (EKG), Nicht nur aufgrund der Entfernung, sondern auch wegen der den Kollegen an der OVGU halten. Magdeburg und die Arbeit Videokameras und ein Motion-Capturing-System zur Bewe- unterschiedlich entwickelten Kulturformen und Traditionen an der Universität haben ihm sehr gefallen. ANDREA JOZWIAK gungserfassung. INES PERL ist in Japan vieles anders als in Deutschland. Dazu gehören Bilder: Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft und Arbeitsgestaltung uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 14 IM FOKUS IM FOKUS 15 Nicht nur Bits und Bytes, sondern in erster Linie Menschen Digitalisierung in der Arbeitswelt. Zu diesem Thema spreche keine Leiter, organisieren selbst das Projektmanagement, er- Handlungsmechanismen / Regeln für die nächsten Projekte ich mit jemandem, der sich damit gut auskennt: Frank Ort- statten nur als Gruppe (!) an die Geschäftsleitung regelmä- von den Teams selbst abgeleitet und angepasst. Zentral ist, meier, Professor für Software Engineering an der Fakultät für ßig Bericht über den Stand der Arbeit, der in einem Tool zum dass diese selbstaufgestellten Regeln (digital) dokumentiert Informatik. Welche Bedeutung Digitalisierung in der Arbeits- digitalen Organisations- und Zeitmanagement kontinuierlich sind und für alle gelten. Dieses Reagieren sei sehr wichtig; welt habe, werde noch immer oft unterschätzt: Bei Digitali- erfasst wird. So ist jederzeit nachvollziehbar, wer gerade wo- wichtig aus betriebswirtschaftlicher Sicht, würden dadurch sierung an einer Universität denke man in der Öffentlichkeit ran arbeitet, welche Wünsche der Kunde hat, was noch offen doch Arbeitsabläufe effizienter gestaltet und optimiert, wich- etwa oft an digitale Hinweistafeln, interaktive Präsentations- ist, wo nachgebessert werden muss oder was bereits abge- tig vor allem aber auch für die Motivation und Zufriedenheit medien oder auch E-Learning-Inhalte. Dies stelle aber nur schlossen ist. Dieses digitale Projektmanagement hat zudem der Mitarbeiter, unterstreicht Professor Ortmeier. einen Bruchteil der digital unterstützten bzw. unterstützbaren den Vorteil, dass jeder in die einzeln dokumentierten Arbeits- Prozesse dar. Studierendenverwaltung, Kosten-Leistungsrech- schritte des Projekts eingebunden ist und im Vertretungsfall Digitalisierung in der Arbeitswelt, nehme ich aus diesem Ge- nung oder auch Raumbelegungsplanung sind in einer Univer- die Aufgabe weiterführen kann. spräch mit, hat nicht nur etwas mit Software, Hardware, Bits sität unserer Größe ohne IT-Support nicht mehr denkbar. Nur und Bytes, Technologie und Automation zu tun, sondern in die wenigsten Prozesse sind aber vollkommen digitalisiert. Als Stetes Monitoring ist das Herzstück, wird mir schnell klar. erster Linie mit Menschen, mit deren Motivation, mit Kommu- Konsequenz sind die meisten Mitarbeiter und Mitarbeiterin- Das beginnt bei der Zeiterfassung, digital und differenziert nikation, mit Strukturen, in denen sie agieren, und vor allem nen immer wieder gefordert, sich mit ihren Arbeitsweisen an anhand eines praktikablen Rasters sind die einzelnen Ar- mit Vertrauen, das sie sich gegenseitig entgegenbringen. die fortschreitende Digitalisierung anzupassen. beitsleistungen zu dokumentieren. Der Stempel um acht Uhr INES PERL morgens und vier Uhr nachmittags auf einer Karte ist da we- In jedem Büro hat der PC die Schreibmaschine, das digitale nig aussagekräftig. Deshalb „stempeln“ Mitarbeiter nicht, Telefon die Apparate mit der Wählscheibe oder die Exel-Ta- sondern tragen eigenverantwortlich auf Vertrauensbasis belle den Taschenrechner abgelöst, und das mit sehr großer ein, wann sie kommen, gehen und woran sie arbeiten. „Die Akzeptanz. Nun müsse eine neue Dimension folgen, zeigt Kontrolle der geleisteten Arbeitszeit soll keine Überwachung mir Professor Ortmeier die Arbeitswelt von morgen auf: „Der sein, sondern dient primär jedem Team zur Selbst-Optimie- Umstieg vom zeitversetzten dateibasierten Vorgehen auf rung“, macht Professor Ortmeier deutlich. Wie viel Zeit wird Live-Werkzeuge, beispielsweise die Live-Protokollführung, die für welche Aufgaben eingesetzt? Können durch Umverteilung von allen Teilnehmenden einer Besprechung parallel genutzt der Arbeit Mitarbeiter entlastet werden? Oder können durch werden kann, oder Video-Konferenzen, um Besprechungen andere Strukturen Aufgaben effizienter erledigt werden? Wie durchzuführen, egal wo der Konferenztisch steht, an dem die viel Vollzeit- oder Teilzeitkräfte werden für welche Aufgaben Teilnehmenden sitzen. Das macht nicht nur Prozesse effizien- benötigt? Das sind die Fragen, die sich der Unternehmer Ort- ter, sondern ermöglicht auch neue Arten der räumlich und meier stellt. zeitlich verteilten Zusammenarbeit.“ Zeit ist Geld, auch im Meeting, deshalb gilt in Besprechungen, Doch wie kann das funktionieren? Dieser Umstieg setzt eine Teamsitzungen oder Konferenzen ein strenges Zeitregime im strukturierte Gestaltung der Arbeit voraus: klare Prozessab- Unternehmen XITASO. Neben der Live-Protokollführung wird läufe, klar formulierte Aufgaben, klare Strukturen und die strikt an der Tagesordnung festgehalten und nach dem Time- fortwährende Einbindung der Beschäftigten. Dieser Umstieg Box-Prinzip über die einzelnen Punkte ergebnisorientiert dis- erfordert keine opulenten Hierarchien, er erfordert Disziplin kutiert, das heißt die Stoppuhr am Smartphone reguliert die und unmissverständliche Regeln, die von allen einzuhalten Redezeit, die von allen konsequent einzuhalten ist, so verliert sind. Das setzt Frank Ortmeier vor allem auch in seiner Firma sich niemand in Endlosdiskussionen. XITASO um. Das Unternehmen mit zwei Standorten und 80 Mitarbeitern, in dem Software für Maschinen entwickelt wird, Monitoring auch nach Abschluss eines Projektes. Genauestens führt er gemeinsam mit zwei Geschäftspartnern in Augsburg. und ehrlich wird ausgewertet – was lieft gut, was schlecht, Das war es dann auch schon an Hierarchie. Die Teams haben wie war die Reaktion des Kunden ... Daraus werden dann die uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 16 IM FOKUS IM FOKUS 17 Und, was machen Sie so den ganzen Tag? 0 Uhr 1 Uhr 2 Uhr 3 Uhr 4 Uhr 5 Uhr 6 Uhr 7 Uhr 8 Uhr 9 Uhr 10 Uhr 11 Uhr 12 Uhr 13 Uhr 14 Uhr 15 Uhr 16 Uhr 17 Uhr 18 Uhr 19 Uhr 20 Uhr 21 Uhr 22 Uhr 23 Uhr 24 Uhr Prof. Ulrike Steinmann 15:30 Hochschullehrerin Büro: Akquise, schreiben an 6:00 Forschungsanträgen, 20:00 aufstehen, 9:00 inhaltliche Abstimmungen in Home-Office für noch unerledigte Kaffee, 7:30 Vorlesung und anschließendes Seminar 13:00 geplanten Konsortien aus Industrie Aufgaben des Tages, Hund raus Kita „Messtechnik & Sensorik“ Mittagessen und Forschungseinrichtungen Vorbereitung auf nächsten Tag 8:00 14:00 17:00 18:30 23:00 Büro: Tagesplanung, Büro: Projektbesprechung zu Kita, Abendessen, schlafen Mails, Anrufe etc. Stand und weiterer Arbeitsplanung, einkaufen, Hausarbeit, parallel Frühstück fachliche Diskussionen im Rahmen Hund raus Kind ins Bett von betreuten Arbeiten (Promotionen / Bachelor- und Masterarbeiten) Prof. Dr.-Ing. Jens Strackeljan Rektor 8:00 20:00 Ankunft im Büro, 10:00 14:00 Abendempfang der 6:30 Durchsicht Mails, Unterzeichnung einer Hochschulrunde 18:30 Landesregierung 23:00 es klingelt Absprachen mit dem Kooperationsvereinbarung 12.30 Dienststellengespräch Abfahrt anlässlich der Tagung Ankunft der Wecker Team im Rektorat mit der Ingenieurkammer Mittagspause mit dem Minister nach Halle des Wissenschaftsrats daheim 7:00 9:00 11:00 13:00 16.00 Frühstück Besprechung mit dem Ernennung Empfang einer Verleihung der mit der Familie Leiter der Bibliothek zur Professorin Delegation aus Deutschlandstipendien Kasachstan 7:30 Zeitungslektüre 9:00 – 12:00 13:00 – 17:00 Öffnen des Campus Service Centers: siehe 09:00-12:00 Uhr sowie Abrechnung der Katja Zumm Telefonate, Beantwortung / Weiterleitung von E-Mails, Zeitnachweise der studentischen Aushilfskräfte Studierendenservice Bearbeitung der Belange der Studenten, die persönlich im CSC, Überprüfung und Planung der Einsatzpläne 7:30 im CSC erscheinen, hier einige Beispiele: Anträge und für die nächste Woche, kurze Teambesprechung, Kind zum Formulare aushändigen / erklären, klären von Fragen Bearbeitung Raumvergabe „Veranstaltungsraum CSC“, 5:45 Kindergarten bezüglich Exmatrikulation, Immatrikulation, Bewerbung, Termin bezüglich der Reparatur eines Bürodrehstuhls aufstehen bringen Studiengangwechsel u. v. a. m. 6:30 7:50 ½ Stunde 17:00 Frühstück machen, Fahrt Mittagspause schließen des Campus Service Centers wecken der anderen zur Arbeit Fahrt nach Hause Familienmitglieder 8:45 Ankunft im Campus Service Center (CSC) 9:00 Untersuchungen anmelden 6:30 und Kinder hinbringen, Martin Grahn (hier im Frühdienst) Kinder versorgen: Gespräche mit Eltern, 14:00 Kinderkrankenpfleger 5:40 waschen, Tempera- Patienten aufnehmen und entlassen, Unterstützung Spätdienst 4:40 Arbeitsbeginn: tur messen, Blut Abgangszimmer säubern, Wecker Unterstützung abnehmen, Vital- 8:00 Patienten betreuen, 13:00 klingelt Nachtdienst parameter prüfen Frühstück Verbandswechsel Schichtübergabe 5:20 6:00 8:30 10:30 10:45 13:30 14:30 mit dem Rad Schichtübergabe: Visite kleiner Snack Ärzten assistieren: Mittagspause Feierabend, zur Arbeit Zimmer- und zwischendurch Blut abnehmen, Fahrt nach Hause Arbeitsaufteilung Vitalparameter prüfen, 7:00 Infusionen und Kindern Frühstück und Medikamente Medikamente verabreichen, bringen, Patientenumfeld desinfizieren Punktionen setzen uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 18 IM FOKUS IM FOKUS 19 Auswirkungen neuer Arbeitswelten auf die Menschen Die Arbeitswelt der Menschen unterliegt seit jeher ständiger Generell beobachten wir eine Verschmelzung von Arbeits- Ärzten und in der Gesellschaft bzw. auf „anreizstarke“ Arbeits- higkeiten, Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten Veränderung. Zu den wichtigsten Treibern unserer Zeit gehö- und Ruhezeiten. Häufige Störungen in der „Erholungsphase“ marktfaktoren, wie Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall und stärken die Gesundheit der Beschäftigten und wappnen diese ren der demografische Wandel, der globalisierte Wettbewerb, durch Telefonate oder E-Mails beeinflussen den täglichen Er- Einkommen nach einer Frühverrentung, zurückzuführen ist. gegen gesundheitliche Beeinträchtigungen und Erkrankun- die fortschreitende Digitalisierung und die damit einherge- holungsprozess negativ. Diese Belastungen sind mit einem gen. Positiv denkende Menschen können sich leichter an neue hende Entgrenzung von Freizeit und Arbeitszeit, um nur einige um 37 Prozent erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankun- Auf die Frage nach den Auswirkungen moderner Arbeitsbe- Situationen gewöhnen und können weniger Stress empfinden, zu nennen. Ob das papierlose Büro, der globale Informations- gen verbunden. Es besteht auch eine erhebliche Gefahr von dingungen auf die psychische Gesundheit gibt es aus Sicht bleiben länger gesund, frei von Beschwerden und erreichen austausch, Online-Banking oder virtuelle Warenhäuser: Neue Selbstüberforderung und Selbstausbeutung. der Arbeitsmedizin zur Zeit noch keine eindeutige Antwort. Es ein höheres Alter als ihre pessimistischen Zeitgenossen. Informations- und Kommunikationstechnologien sind fester ist schwer zu differenzieren, ob die Ursache berufsbedingt ist Bestandteil unseres Daseins. Informationszunahme und Informationsüberflutung überstei- oder doch eher aus dem privaten Umfeld stammt. Das ist u. a. Für die zukünftige universitäre Arbeitsmedizin sehe ich Arbei- gen unmerklich unsere Informationsverarbeitungskapazität. auch der Grund, warum wir immer noch keine Berufskrank- ten 4.0 im Zusammenhang mit der fortschreitenden Digitalisie- Bisher verbinden wir den Begriff Arbeit 4.0 aber vornehm- Bei der E-Mail-Kommunikation handelt es sich um zeitlich heit infolge psychischer Belastungen am Arbeitsplatz haben. rung der Arbeitswelt als Herausforderung für die arbeitsmedi- lich mit Gestaltungschancen. Bei allen diesen Entwicklungen versetzten Informationsaustausch mit teilweise beschränkt Eins ist aber klar, die psychischen Erkrankungen mit langen zinische Versorgung und für die weitere arbeitsphysiologische darf der Mensch aber nicht verloren gehen. Denn der Wan- vermitteltem Inhalt und völligem Fehlen sozialer Kontextfak- Krankenzeiten (38,1 Tage im Durchschnitt in 2016) verursachen Forschung. del zur Dienstleistungsgesellschaft, die Entstehung neuer toren wie Mimik, Gestik und Tonfall. Hier wäre es nicht nur erhebliche Ausfallkosten. PROF. DR. IRINA BÖCKELMANN, Leiterin des Bereichs Ar- Arbeitssysteme, flexible Arbeitszeiten, Verdichtung von Ar- für Führungskräfte wichtig, auf eine effiziente Gestaltung der beitsmedizin an der Medizinischen Fakultät und im Leitungs- gremium des Forums Arbeitsphysiologie der Deutschen Ge- beitsaufgaben, steigender Zeit- und Leistungsdruck und teil- E-Mail-Kommunikation im Unternehmen zu achten. Auch von Der mit Digitalisierung, Vernetzung und Flexibilisierung der sellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin DGAUM e. V. weise prekäre Beschäftigungsverhältnisse haben aus arbeits- den einzelnen Beschäftigten wird Selbstmanagement und die Arbeitswelt verbundene Fortschritt darf nicht zu einem sozi- medizinischer Sicht bereits jetzt negative Auswirkungen auf individuelle Fähigkeit zum Umgang mit der gegebenen Menge alen Rückschritt werden. Es müssen Lösungen für eine flexi- die Gesundheit von Beschäftigten. Längst sind Probleme wie an E-Mail-Informationen verlangt. ble und gesunde Arbeitszeitgestaltung gefunden werden. Das Lärmbelastungen oder Schadstoffexpositionen, Stress, Mob- bedeutet eine ausgewogene Balance zwischen betrieblichen bing, Burnout sowie muskulo-skelettalen Erkrankungen ge- Durch psychische Störungen verursachte Arbeitsunfähigkeiten Anforderungen auf der einen Seite und den Belangen der Be- wichen. Die Arbeitsmedizin ist also gefordert, neue, adäquate nehmen in den zurückliegenden Jahren laut der Statistik der schäftigten auf der anderen Seite. Tipps für Führungskräfte zum Stressabbau Antworten im Hinblick auf die Methoden der Ermittlung von Gesetzlichen Krankenversicherungen stark zu. In der Statistik Arbeitsabläufe optimieren, störungsfreie Zeiten einrichten, offenes Ohr physischen und psychischen Belastungen und Beanspruchun- der AU-Tage (Suga 2014) stehen „psychische und Verhaltens- Dafür müssen jedoch alle Beteiligten an einem Strang ziehen für Probleme bei zeitlicher, aber auch fachlicher Überforderung der Mit- arbeiter, gesundheitsorientierte Gestaltung des Arbeitsplatzes, klare Ab- gen zu finden, um gezielt Einfluss auf die Arbeitsgestaltung störungen“ auf Platz 2 (11,7 %), hinter den „Krankheiten des und die Verantwortung übernehmen. Nicht nur Führungskräf- sprachen zum Austausch von E-Mails, fachliche Kompetenzen ausbauen. vorzunehmen. Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes“ (24,3 %). te sollten Wert auf eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Die Führungskraft als Lotse muss Signale richtig deuten und bei auffälli- Privatleben legen, mit Pausenkultur und einem gesundheits- gem, im starken Kontrast zum „normalen“ stehenden, Verhalten seinen Denn flexible Arbeitswelten eröffnen einerseits neue Ressour- Das klingt zunächst sehr alarmierend. Aber, liegen die Ursa- förderlichem Arbeitsstil, sondern auch die Beschäftigten soll- Mitarbeiter ansprechen bzw. eine externe Hilfe holen. cen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das zeit- und chen wirklich nur in einem pathologischen Wandel der Ar- ten sich aktiv um ihre psychische Gesundheit und Stressbewäl- Hinweise auf psychische Probleme ortsunabhängige Arbeiten am Tablet auf dem Couchtisch im beitswelt? Es wird kontrovers diskutiert, ob diese über Jahre tigungskompetenz kümmern. Leistungseinschränkungen, auffällige Kontrolle der eigenen Arbeit, hohe Wohnzimmer, bei nicht optimaler Beleuchtung, stellt aber an- festzustellende Zunahme an psychischen Erkrankungen in der Ausfallzeiten, verändertes Sozialverhalten, sozialen Rückzug, starke Ge- dererseits Arbeits- und Betriebsmediziner vor hohe Anforde- Arbeitsunfähigkeitsstatistik auf einen realen Zuwachs dieser Handlungsspielräume, Wertschätzung, Anpassung von Quali- reiztheit, Aggressivität, übertriebene Reaktion auf Kritik, Ungeduld. rungen an die ethischen Grundlagen des Handelns. Erkrankungsfälle oder auf eine erhöhte Sensibilisierung bei fikation an Arbeitsanforderungen, Weiterentwicklung von Fä- uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017 uni:report Campus-Magazin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Juni 2017
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